FormalPara Koordinierende Leitautor_innen

Michael Ornetzeder, Melanie Pichler, Verena Madner und Christoph Görg.

FormalPara Leitautor_innen

Lisa Bohunovsky, Birgit Hollaus, Jürgen Essletzbichler, Karin Fischer, Peter Kaufmann, Lars Keller, Astrid Krisch, Klaus Kubeczko, Michael Miess, Ulrike Schneider, Eva Schulev-Steindl, Reinhard Steurer, Nina Svanda, Hendrik Theine, Matthias Weber, Harald Wieser und Sibylla Zech.

FormalPara Beitragende Autor_innen

Aron Buzogány, Christoph Clar, Victor Daniel Perez Delgado, Julia Eder, Xenia Miklin, Sarah L. Nash, Michaela Neumann, Livia Regen, Claus Reitan, Michael Ornetzeder, Anke Schaffartzik, Patrick Scherhaufer, Hans Volmary und Julia Wallner.

FormalPara Revieweditor

Olver Ruppel

FormalPara Zitierhinweis

Ornetzeder, M., M. Pichler, V. Madner, C. Görg, L. Bohunovsky, B. Hollaus, J. Essletzbichler, K. Fischer, P. Kaufmann, L. Keller, A. Krisch, K. Kubeczko, M. Miess, U. Schneider, E. Schulev-Steindl, R. Steurer, N. Svanda, H. Theine, M. Weber, H. Wieser und S. Zech (2023): Integrierte Perspektiven auf Strukturbedingungen. In: APCC Special Report: Strukturen für ein klimafreundliches Leben (APCC SR Klimafreundliches Leben) [Görg, C., V. Madner, A. Muhar, A. Novy, A. Posch, K. W. Steininger und E. Aigner (Hrsg.)]. Springer Spektrum: Berlin/Heidelberg.

FormalPara Kernaussagen des Kapitels
  • Strukturen wirken auf vielfältige Weise auf alltägliches Handeln, soziale Praktiken oder Investitionsentscheidungen und sind daher von zentraler Bedeutung für ein klimafreundliches Leben.

  • Die bestehenden Strukturen in Österreich erschweren ein klimafreundliches Leben.

  • Um die Klimaziele zu erreichen, müssen bestehende Strukturen verändert und zum Teil neue Strukturen aufgebaut werden.

  • Die für ein klimafreundliches Leben hinderlichen Strukturmerkmale wie auch die als relevant erachteten Strukturveränderungen werden in den nachfolgenden Kapiteln im Detail ausgeführt. Wechselwirkungen zwischen den Bereichen werden durch entsprechende Querverweise sichtbar gemacht.

  • In Bezug auf die Gestaltung und Veränderung von Strukturen ist zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß individuelle und kollektive Akteur_innen (z. B. Verbände) gemäß ihres Machtpotenzials, ihrer Ressourcenausstattung oder Organisationsfähigkeit in der Lage sind, gegenwärtige Strukturen zu bewahren oder zu verändern.

10.1 Einleitung

In Teil 3 behandeln wir Strukturen, die eine Transformation in Richtung klimafreundliches Leben maßgeblich fördern oder behindern, wobei wir so weit wie möglich auf die besonderen Bedingungen in Österreich eingehen. Der Teil hat damit zentrale Themen zum Inhalt, die für den Gesamtbericht quer über alle Handlungsfelder (Teil 2) von Relevanz sind.

Ziel des Teils ist die umfassende Diskussion von Strukturen in Österreich, die ein klimafreundliches Leben fördern oder behindern bzw. für den Aufbau klimafreundlicher Strukturen als relevant erachtet werden. Strukturen, die beispielsweise im Recht, im politischen System, in der Wirtschaft oder der Raumordnung verankert sind, wirken auf verschiedene Sektoren und gesellschaftliche Aktivitäten gleichzeitig – wenn auch in unterschiedlicher Weise. Das Gemeinsame der folgenden Kapitel ist die Perspektive mit Fokus auf die oft unterschätzte Wirkmächtigkeit von Strukturen. Damit soll der Bericht in diesem Teil einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn vor allem in Bezug auf die Umgestaltung und den Aufbau neuer Strukturen ermöglichen und handlungsrelevante Erkenntnisse zu Tage fördern, wie und mit welchen Maßnahmen bestehende Strukturen – im Sinne eines wirkungsvollen Klimaschutzes – verändert werden können.

Der Teil gliedert sich in 12 Kapitel, die Strukturen in unterschiedlichen Bereichen thematisieren. Entsprechende Strukturen betreffen die Bereiche Recht und Governance, Strukturen der öffentlichen Willensbildung in Diskursen und Medien sowie in Bildung und Wissensproduktion, wirtschaftliche Aktivitäten einschließlich ihrer technischen Dimensionen und der zugehörigen Innovationssysteme und andere Bereiche wie räumliche Ungleichheiten und Raumplanung sowie soziale Sicherungssysteme. Im Hinblick auf wirtschaftliche Aktivitäten behandelt der Bericht die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen generell, legt aber auch einen besonderen Akzent auf globalisierte Warenketten, um deutlich zu machen, dass die Verantwortung Österreichs nicht an den nationalen Grenzen endet, und hebt die zunehmende Bedeutung der Finanzmärkte hervor. Um auf die strukturierende Rolle der gebauten Umwelt hinzuweisen, werden in einem weiteren Kapitel die netzgebundenen Infrastrukturen aus einer strukturellen Perspektive näher betrachtet.

Die Darstellungen in Teil 3 deuten darauf hin, dass sich etablierte Strukturen aufgrund interner Dynamiken durch ein starkes Beharrungsvermögen, durch Lock-in-Effekte und Pfadabhängigkeiten auszeichnen und relevante Veränderungen daher mit politischen Konflikten und sozialen Auseinandersetzungen einhergehen. Gleichzeitig wird eine Umgestaltung von Strukturbedingungen als essenziell betrachtet, um es individuellen und kollektiven Akteur_innen zu ermöglichen, ihr Leben (Arbeit, Konsum, Freizeit) wirksam, dauerhaft und ohne unzumutbaren Aufwand klimafreundlich zu gestalten.

Teil 3 untersucht Strukturen, die enge Wechselbezüge aufweisen, in separaten Kapiteln. Ein Beispiel dafür sind die Kapitel Globalisierung, Versorgungsstrukturen und Finanzsystem. Die vielfältigen Querbezüge und Wechselwirkungen zwischen diesen Strukturen werden aufgezeigt und durch Querverweise sichtbar gemacht. Eine Folge der Herangehensweise in Teil 3 ist es, dass bestimmte strukturelle Aspekte und Gestaltungsoptionen in den folgenden Kapiteln mehrfach aus verschiedenen fachlichen Perspektiven und auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen thematisiert werden. Ein Beispiel dafür ist die Besteuerung oder Bepreisung von Treibhausgasemissionen. Solche Überscheidungen werden bewusst in Kauf genommen, denn sie verweisen in der Regel auf einen als besonders dringend erachteten Veränderungsbedarf.

Teil 3 thematisiert sowohl Strukturen, die ein klimafreundliches Leben direkt fördern, als auch Strukturen, die indirekt dazu notwendig sind, einen tiefgreifenden Wandel in Richtung klimafreundliches Leben anzustoßen und in Folge weiter zu fördern. Unmittelbar handlungsrelevante Strukturen findet man etwa im Recht, bei den netzgebundenen Infrastrukturen, bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen oder den Finanzmärkten. Werden diese Strukturen entsprechend verändert, erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit für dauerhafte klimafreundliche Verhaltensweisen. In anderen Bereichen schaffen geänderte Strukturen hingegen erst die Voraussetzung für den Aufbau von klimafreundlichen Strukturen, z. B. im Bereich des öffentlichen Rechts und dadurch geleitete politische Entscheidungsprozesse (Governance im föderalen System). Strukturelle Veränderungen im Bereich der Bildung und Wissenschaft, der Medien oder des Innovationssystems sind weitere Beispiele für diese zweite Form von Strukturen, die in Hinblick auf die übergeordneten klimapolitischen Ziele verändert werden müssen. Eine wichtige Erkenntnis dieses Teils liegt darin, dass sowohl direkt als auch indirekt wirksame Strukturen für die Durchsetzung eines klimafreundlichen Lebens von großer Bedeutung sind.

Strukturen für ein klimafreundliches Leben stellen den Kern des gesamten Berichts dar und werden auch in den anderen Teilen diskutiert. Teil 3 bearbeitet auf dieser Grundlage jedoch übergreifende Strukturbedingungen für ein klimafreundliches Leben und fokussiert dabei auf folgende Fragen:

  • Status quo und Herausforderungen: Welche Strukturbedingungen prägen den Status quo sowie die Dynamiken gegenwärtigen Wandels in Österreich? Welche speziellen Ziele und Herausforderungen ergeben sich daraus für die Bearbeitung der Klimakrise?

  • Notwendigkeiten: Welche Strukturbedingungen sind notwendig, um ein klimafreundliches Leben zu ermöglichen? Welche Beispiele aus den Handlungsfeldern (Teil 2) sowie internationale Vorbilder können dafür angeführt werden?

  • Akteur_innen und Institutionen: Wer bzw. was fördert oder hemmt die notwendigen Veränderungen für ein klimafreundliches Leben? Welche Konflikte ergeben sich in diesem Bereich?

  • Gestaltungsoptionen: Welche Möglichkeiten gibt es, Strukturen für ein klimafreundliches Leben zu gestalten?

Die Ausführungen in diesem Teil zeigen nicht nur das beträchtliche Ausmaß an bereits vorhandenem Wissen über die Wirkungen und das Veränderungspotenzial sozialer, rechtlicher, politischer, wirtschaftlicher oder netzgebundener Infrastrukturen, sondern sie verweisen auch auf Wissenslücken und offene Forschungsfragen. Notwendigkeiten und Gestaltungsoptionen werden in der Literatur zwar diskutiert, Einschätzungen über ihre tatsächlichen Wirkungen bleiben jedoch aufgrund fehlender Forschung und Praxis meist noch vorläufig und unpräzise. Die folgenden Kapitel liefern daher neben zum Teil bereits konkreten Ansatzpunkten für die Veränderung bestehender Strukturen auch zahlreiche wertvolle Hinweise für die weitere Forschung und Reflexion in Wissenschaft und Politik.