FormalPara Zusammenfassung

Der Beitrag fokussiert die Versorgungssituation der derzeit ca. 190.000 Kinder und Jugendlichen in Deutschland, die einen dauerhaften Pflegebedarf aufweisen. Diese Altersgruppe muss aufgrund der besonderen Abhängigkeiten und Verwobenheiten immer im Kontext ihrer familiären Situation betrachtet werden. Trotz der großen Heterogenität der Familienkonstellationen, des sozialen und finanziellen Status, der Wohnbedingungen, Sprachkompetenzen und Bildungsnähe bzw. -ferne lassen sich spezifische Herausforderungen für die Familien darstellen, die in psychosoziale, personelle und finanzielle Aspekte systematisiert werden. Auf dieser Grundlage werden Optionen entfaltet, die Familien bedarfsorientiert zu unterstützen und zu begleiten, wofür entsprechende sozialrechtliche Vorkehrungen zu treffen sind. Ziel dieser Maßnahmen ist immer ein Höchstmaß sozialer Teilhabe der einzelnen Familienmitglieder an den für sie jeweils relevanten Lebensbezügen.

The article focuses on the care situation of the currently approx. 190.000 children and adolescents in Germany with a permanent need for care. Due to the special dependencies and interconnections, this age group must always be considered in the context of their family situation. Despite the great heterogeneity of family constellations, social and financial status, housing conditions, language skills and proximity or remoteness from education, specific challenges for the families are presented which are systematised into psychosocial, personal and financial aspects. On this basis, options are developed to support and accompany the families in a needs-oriented manner, for which appropriate social legal precautions are to be made. The aim of these measures is always to maximize the social participation of the individual family members in the areas of life relevant to them.

1 Einleitung

Haben Kinder und Jugendliche einen dauerhaften Pflegebedarf, stellt dies für ihre Familien eine besondere Herausforderung dar, wobei der Belastungsgrad der Familien in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Ressourcen mit der Höhe des pflegerischen Unterstützungsbedarfs korreliert. So heterogen sich die Unterstützungsbedarfe der Heranwachsenden, die diesen zugrunde liegenden Ursachen und Diagnosen und die jeweiligen intrapsychischen, psychosozialen und pflegerischen Bedingungen darstellen, so unterschiedlich sind auch die familiären Bedingungen, in denen die Kinder leben. Familienkonstellationen, sozialer und finanzieller Status, Wohnbedingungen, Sprachkompetenzen und Bildungsnähe bzw. -ferne sind nur eine Auswahl relevanter Faktoren, welche die Lebenskontexte betroffener Familien prägen.

Im öffentlichen Diskurs spielen Aspekte pflegebedürftiger Kinder und ihrer Familien eine eher marginale Rolle. Hierfür ist sicherlich die vergleichsweise geringe Fallzahl von ca. 190.000 dauerhaft pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen bis 19 Jahre verantwortlich, die nur ca. 5,1 % aller Pflegebedürftigen in Deutschland ausmacht (Matzk et al. 2020). Zu vermuten ist aber auch, dass eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Situation von Kindern und Jugendlichen, die für ihre alltägliche Pflege auf Unterstützung angewiesen sind, den vorherrschenden Bildern von Kindheit widerspricht und somit kein sozialer Ort für diese Personengruppe definiert ist. Hinzu kommt, dass die Pflegebedürftigkeit von Kindern noch stärker als bei pflegebedürftigen Erwachsenen das ganze Familiensystem tangiert, da die grundsätzliche altersgemäße Abhängigkeit von den Eltern massiv verstärkt wird und entwicklungsangemessene Ablösungsprozesse von den Eltern erheblich erschweren kann. Für die Eltern selbst bedeutet dies zudem neben der emotionalen Auseinandersetzung mit der Pflegebedürftigkeit des Kindes erhebliche Herausforderungen psychosozialer, personeller und finanzieller Art. Diese werden nachfolgend nach einer Konkretisierung der Lebenslagen betroffener Familien dargestellt und abschließend Optionen ihrer Unterstützung skizziert, die ein Höchstmaß an Teilhabe und Lebensqualität zum Ziel haben.

2 Daten zur gesundheitlichen Situation von Kindern und Jugendlichen

In Bezug auf die Lebenslagen von Familien, in denen ein Kind pflegebedürftig ist, liegen in Deutschland bislang nur wenige empirische Studien vor, die es erlauben, ein genaues Bild ihrer Lebenssituationen nachzuzeichnen. Die Zahlen zu Prävalenz und Inzidenz spezifischer Erkrankungen, die durch die Basiserhebung der KIGGS-Studie und ihre Folgeerhebungen vorliegen, bedürfen der Einbettung in einige, zumeist qualitative Studien, die versuchen, die Auswirkungen der Pflegebedürftigkeit auf das familiäre Gesamtsystem zu erfassen und somit eine realitätsnahe Beschreibung von deren heterogenen Lebenswirklichkeiten zu formulieren.

Es ist davon auszugehen, dass 16,0 % aller Jungen und 11,4 % aller Mädchen in Deutschland einen speziellen Versorgungsbedarf haben. „Bei Kindern im Vorschul- und Schulalter lag nach den Befragungsergebnissen ein spezieller Versorgungsbedarf 2- bis 3-mal häufiger vor als bei Kleinkindern.“ (Scheidt-Nave et al. 2007) In der ersten KIGGS-Folgestudie (Welle 1) wird hierzu ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Gesundheit Heranwachsender und deren sozioökonomischem Status ausgewiesen.

Hier hatten nach Angaben der Eltern 16,2 % (15,3 % Mädchen – 17,1 % Jungen) der 0- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen ein lang andauerndes chronisches Gesundheitsproblem, „davon sei jedoch nur jedes fünfte Kind eingeschränkt oder daran gehindert, Dinge zu tun, die Gleichaltrige tun können“ (Neuhäuser und Poethko-Müller 2014, S. 781). Die Ergebnisse der ersten Folgebefragung der KiGGS-Studie zeigen zudem, dass 10,0 % der erfassten Kinder und Jugendlichen chronisch krank sind und gleichzeitig einen speziellen Versorgungsbedarf aufweisen. Diese Angaben wurden mit der deutschen Version des CSHCN-Screeners (Children with Special Health Care Needs) ermittelt, mit Hilfe dessen sich chronische Erkrankungen über den erhöhten Versorgungsbedarf oder die eingeschränkte Teilhabe einer Person bestimmen lassen.

Hierbei muss mindestens eine der folgenden diagnoseunabhängigen Kriterien zutreffen:

  • Einnahme verschreibungspflichtiger Medikamente

  • Notwendigkeit psychosozialer oder pädagogischer Unterstützung aufgrund von Gesundheitsstörungen

  • funktionelle Einschränkungen

  • emotionale, Entwicklungs- oder Verhaltensprobleme

  • spezieller Therapiebedarf

(Fricke 2020, S. 799)

Mehr als 95,0 % der Eltern schätzen in KiGGS-Welle 2 den allgemeinen Gesundheitszustand ihrer 3- bis 17-jährigen Kinder als sehr gut oder gut ein. 4,3 % bewerten den Gesundheitszustand als mittelmäßig, schlecht oder sehr schlecht. Dieser Anteil ist allerdings in allen Altersgruppen höher als bei der KiGGS-Basiserhebung. Auffällig ist zudem, dass bei den 14- bis 17-Jährigen der Anteil der Mädchen mit sehr guter Gesundheit deutlich unter dem der Jungen liegt und erneut ein ausgeprägter sozialer Gradient konstatierbar ist: „Der Anteil der Eltern, die die allgemeine Gesundheit ihrer Kinder als sehr gut oder gut einstufen, ist umso größer, je höher der Sozialstatus der jeweiligen Familie ist“ (Poethko-Müller et al. 2018, S. 8). Die KIGGS-Studien erfassen jedoch nicht, wie sich die alltägliche gesundheitliche, pflegerische und psychosoziale Situation der ca. 190.000 Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien darstellt, die dauerhaft auf pflegerische Unterstützung angewiesen sind. Hier berichten vor allem spezialisierte Kinderkrankenpflegedienste beispielsweise von einer Zunahme an Kindern und Jugendlichen, die dauerhaft intensivmedizinisch versorgt werden müssen (z. B. durch Dauerbeatmung).

Bislang wurde zudem aufgrund eines Transfers englischer Prävalenzdaten davon ausgegangen, dass in Deutschland ca. 50.000 Kinder und Jugendliche leben, die lebensverkürzend oder lebensbedrohlich erkrankt sind (Jennessen und Hurth 2021). Eine aktuelle, noch unveröffentlichte Studie des Autors hat jedoch erstmals spezifische Daten zur Prävalenz dieser Personengruppe in Deutschland erhoben, die zeigen, dass die Anzahl dieser Kinder und Jugendlichen selbst unter Berücksichtigung eines diagnoseunspezifischen Ranges über 300.000 liegt. Auch wenn nicht alle der mittels ICD-10-Codes erfassten Kinder vom Zeitpunkt der Diagnose an pflegebedürftig sind, kann als Charakteristikum für diese Kinder und Jugendlichen – vor allem in den TFSL-Gruppen 2, 3 und 4 (Hoell et al. 2019) – ein kontinuierlich wachsender Unterstützungs- und Pflegebedarf festgestellt werden. Dieser stellt die Familien neben psychosozialen Belastungsaspekten vor die Herausforderung einer oft jahrelangen, äußerst umfangreichen und zumeist pflegerisch anspruchsvollen Versorgung ihres Kindes. Hierfür haben sowohl das Gesundheitssystem als auch die weiteren Versorgungs- und Begleitstrukturen, welche die psychosoziale und pädagogische Situation der Familie tangieren, sowohl allgemeine als auch spezifische Angebote bereitzustellen. Zentrale Herausforderungen und Belastungen betroffener Familien werden im Folgenden nach bestimmten inhaltlichen Kriterien systematisiert dargestellt.

3 Herausforderungen in der familiären Versorgung

Bei den nachfolgend skizzierten Herausforderungen werden ausschließlich die heterogenen Familienkonstellationen thematisiert, bei denen ein pflegebedürftiges Kind im häuslichen Umfeld lebt. Hierbei ist es nicht relevant, in welchem Verwandtschaftsverhältnis das erkrankte Kind zu seinen Eltern bzw. den mit ihm zusammenlebenden Geschwistern steht, d. h. es wird nicht zwischen leiblichen Kindern und Pflege- oder Adoptivverhältnissen unterschieden. Diese familialen Varianten unterscheiden sich allenfalls hinsichtlich der selbst getroffenen Entscheidung für das Leben mit einem beeinträchtigten Kind, nicht jedoch hinsichtlich der alltäglichen Herausforderungen. Kinder und Jugendliche, die in besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe leben, werden aufgrund der themenspezifischen Ausrichtung des Beitrags nicht berücksichtigt.

3.1 Psychosoziale Herausforderungen

Wird bei einem Kind eine gesundheitliche Beeinträchtigung diagnostiziert, die einen dauerhaften Unterstützungsbedarf zur Folge hat, bedeutet dies einen gravierenden Einschnitt in das Leben der Familie. So berichten 70,0 % von fast 1.600 befragten Eltern chronisch kranker oder behinderter Kinder, dass die Zeit der Diagnose zu den „schlimmsten Erinnerungen ihres Lebens (gehöre)“ (Kofahl und Lüdecke 2014; vgl. auch Teubert und Pinquart 2012). Dies zeigt die enorme psychosoziale Belastung, die Familien gerade zu Beginn des Lebens mit einem beeinträchtigten Kind zu bewältigen haben, wobei die meisten Familien auch lernen, die Krankheit in ihr Leben zu integrieren im Sinne eines „ongoing movement towards well-being“ (Arestedt et al. 2014). Aus der schweren familiären Krise gibt es somit in der Regel einen Weg in die neue Normalität, wenngleich die Daten auch einen hohen Unterstützungsbedarf der Familien gerade in der ersten Phase der Konfrontation verdeutlichen. Zudem lassen sich Auswirkungen auf die Paarbeziehung der Eltern und die familiären Rollen feststellen. So bezeichnen sich 80,0 % der in der Kindernetzwerkstudie befragten Mütter als Hauptbezugsperson des erkrankten Kindes, wohingegen dies nur 3,0 % der Väter von sich behaupten (Kofahl und Lüdecke 2014; ebenso Jennessen et al. 2011). Nur 17,0 % der Mütter betrachten sich und den Partner als gleichberechtigte Bezugspersonen, was Rückschlüsse auf eine deutliche (Re-)Traditionalisierung der familiären Rollen zulässt (ebd.). Wiedebusch und Muthny (2009) stellen zudem fest, dass auch die Schwere einer Behinderung mit dem Belastungserleben der Eltern korreliert, wobei sich die Mütter in ihrer Lebensqualität beeinträchtigter fühlen als die Väter und insgesamt höher ausgeprägte Belastungen und zusätzliche Bedürfnisse formulieren.

Als eine besondere Herausforderung stellt sich auch der kaum zu durchdringende sozialrechtliche Dschungel der Zuständigkeiten für Familien mit einem pflegebedürftigen Kind dar (SGB VIII, SGB IX, SGB XI, SGB V), durch den sie sich ohne eine kontinuierlich begleitende Unterstützung zu kämpfen haben.

„Es wäre großartig, wenn man gerade am Anfang jemanden hätte, der einen an die Hand nimmt und erklärt, welche Hilfen man bekommen kann und wie das geht“ – so die Mutter eines dreijährigen Mädchens mit Zellweger-Syndrom (Kofahl und Lüdecke 2014, S. 14). So kennen beispielsweise 75,0 % der befragten Familien Maßnahmen der Familienentlastung nicht oder wenig (s. Fig. 2.1).

Abb. 2.1
figure 1

Kenntnisse zum Leistungsrecht, in % (Kofahl und Lüdecke 2014)

Sind Entlastungsangebote vorhanden und bekannt, werden sie von den Familien häufig als zeitlich unflexibel bzw. wenig passgenau in Bezug auf ihre individuellen Bedarfe bewertet (Morgenstern et al. 2017) und sind zudem vorrangig im städtischen Raum verfügbar (Büker und Pietsch 2019). Die von den Familien wahrgenommenen Belastungen bleiben nicht ohne Auswirkungen auf das subjektive Gesundheitsempfinden der Eltern. So bezeichnen 38,0 bis 40,0 % der Eltern ihren Gesundheitszustand als weniger gut bzw. schlecht, 29,0 % fühlen sich meist entmutigt und traurig (Kofahl und Lüdecke 2014; Ausserhofer et al. 2009; Meyer-Gräwe et al. 2014). Die zur Verfügung stehenden Studien zeigen übereinstimmend, dass nicht die Bewältigung der Erkrankung des Kindes als Hauptbelastung in den Familien wahrgenommen wird, sondern die wirtschaftliche und soziale Situation der Familie, zu der auch ein nur geringes Verständnis für die spezifische Situation im sozialen Umfeld der Familien beitragen kann. Pinquart (2017) stellt folgerichtig auf Grundlage seiner Metaanalysen fest, dass die belasteten Familien vor allem Unterstützung im psychosozialen Bereich und bei der Entwicklung von Problemlösestrategien benötigen.

3.2 Personelle Herausforderungen

Unter personellen Herausforderungen werden die Aspekte beschrieben, bei denen fehlendes oder unzureichend qualifiziertes Personal belastende Konsequenzen für die Familien hat. Hier ist primär der Fachkräftemangel zu nennen, der eine permanent unsichere Versorgungssituation zu Hause bedingt. So kamen in der Fachkrankenpflege beispielsweise Mitte des Jahres 2021 bundesweit rein rechnerisch nur 23 passend qualifizierte Arbeitslose auf 100 offene Stellen (Hickmann und Malin 2021; Paquet 2020), wobei von einer weiteren Verschärfung dieses Engpasses in der Kinderkrankenpflege auszugehen ist. Hierfür wird auch die Generalisierung der Pflegeausbildung verantwortlich gemacht, bei der eine Spezialisierung erst im dritten Lehrjahr erfolgt. Für die häusliche Kinderkrankenpflege bedeutet der Mangel an qualifizierten Pflegekräften, dass Kinder länger stationär medizinisch-pflegerisch versorgt werden müssen, was nicht nur Kosten produziert, sondern belastend für das Kind und die Familie ist, da insbesondere bei hohem Unterstützungsbedarf eine 24-stündige Begleitung des Kindes bei Krankenhausaufenthalten erforderlich ist. Viele Familien müssen zudem zu Hause ganz ohne pflegerische Unterstützung oder mit einer für die Versorgung nur unzureichenden Anzahl an Fachstunden auskommen, da das entsprechende Personal fehlt. Diese Familien geraten häufig an ihre Belastungsgrenzen. Zudem kann der Rückgriff auf allgemeine Krankenpflege- oder Altenpflegedienste zu einer nicht sachgemäßen Versorgung der Kinder führen, wenn die Fachkräfte nicht über adäquate kinderspezifische Kompetenzen (beispielsweise in der Schmerzbehandlung, in der Versorgung Frühgeborener oder von Kindern mit spezifischen Syndromen) verfügen. Dadurch erhöhen sich bei den Eltern Stress, Anspannung und das Gefühl, in Behandlungssituationen anwesend sein zu müssen, um eine fachgerechte Pflege abzusichern.

Eine weitere Problematik stellt die fehlende verlässliche Übernahme (behandlungs-)pflegerischer Maßnahmen in Kita und Schule dar, die auch den zeitweisen oder dauerhaften Ausschluss von Schulunterricht (MUGV Brandenburg 2013) zur Folge haben kann. Auch wenn i. d. R. in den Förderschulen mit den Förderschwerpunkten geistige und körperlich-motorische Entwicklung die Ressourcen vorhanden sind, um auch Kinder mit pflegerischem Unterstützungsbedarf begleiten und unterrichten zu können, ist auch an diesen Schulen ein Aussetzen der Schulpflicht respektive Hausunterricht durchaus gängige Praxis, wenn die Schule die pflegerischen Fachkräfte vor Ort nicht vorhalten kann und kein ambulanter Dienst für behandlungspflegerische Tätigkeiten gefunden wird. Noch dramatischer stellt sich die Situation in inklusiv arbeitenden Schulen dar. Hier mangelt es häufig an „Personal, Schulassistenz, an angemessenen Räumlichkeiten, Barrierefreiheit und vor allem an inklusiver Haltung“ (Reimann 2021, S. 4), um auch Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf angemessen zu unterrichten. Auch hier springen häufig die Eltern, z. T. mehrmals täglich ein, um die Pflege in der Schule zu gewährleisten. Nicht ausgeschlossen werden kann aber, dass auch Dynamiken auf ganz anderer Ebene Einfluss auf schulische Exklusionspraktiken haben: „Die Imperfektion von Kindern und Jugendlichen mit schwerster Behinderung und die real existierenden Grenzen des medizinisch Machbaren angesichts (…) nicht kurativ therapierbarer Erkrankungen haben auf dem Hintergrund der Idealisierung von Gesundheit, Fitness und scheinbar unlimitierter Optimierbarkeit menschlichen Seins nahezu provozierenden Charakter.“ (Jennessen 2015, S. 10 f) Vor diesem Hintergrund sind insbesondere in Bildungsinstitutionen, die Fragen menschlicher Diversität noch nicht hinreichend reflektiert und pädagogisch bearbeitet haben, Strategien zu beobachten, Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf zu exkludieren – mit gravierenden Auswirkungen auf deren Teilhabe an Bildung sowie die Berufs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten der Eltern.

3.3 Finanzielle Herausforderungen

Bei aller Unterschiedlichkeit in Bezug auf die finanzielle Situation von Familien, in denen Kinder und Jugendliche mit Pflegebedarf leben, ist festzustellen, dass diese im Vergleich zu anderen Familien deutlich erhöhte Kosten durch die pflegerische, medizinische und medikamentöse Versorgung ihres Kindes zu bewältigen haben (Landfeld et al. 2014). Hinzu kommen zudem finanzielle Aufwendungen durch Fahrtkosten zu den verschiedenen Therapien und Behandlungen, die sich dann zusätzlich erhöhen, wenn a) die Familien in eher ländlichen Regionen leben und/oder b) das Kind an einer seltenen Erkrankung leidet, für deren Behandlung bundesweit nur wenige Spezialistinnen und Spezialisten zur Verfügung stehen. Durch diese Faktoren kommen insgesamt deutlich höhere monatliche Ausgaben auf betroffene Familien zu, die sich durch die Berufsaufgabe (bei 32,0 bis 50,0 % aller Familien) oder -reduktion mindestens eines Elternteils zusätzlich verschärfen (Nehring et al. 2014). Hier sind es in der Regel die Mütter, die ihre berufliche Tätigkeit dauerhaft oder zeitweise zurückstellen (Parish et al. 2004). Gerade für Frauen hat diese Situation zur Folge, dass sie finanziell von ihrem Partner abhängig sind und insgesamt niedrigere Rentenanwartschaften erwerben. Insgesamt stehen den Müttern aufgrund der häufig nur geringen Betreuungs- und Versorgungszeiten durch Professionelle nur kleine Zeitfenster für ihre Erwerbstätigkeit zur Verfügung, die ein vergleichsweise geringes Einkommen der Frauen sowie ein insgesamt im Vergleich verringertes Familieneinkommen bedingen (Meyer-Gräwe et al. 2014). Diese deutlich erschwerten Möglichkeiten beruflicher Tätigkeit sind auch der Grund dafür, dass Alleinerziehende signifikant seltener berufstätig sind als pflegende Eltern, die in einer Partnerschaft leben (Eisenhardt und Heinrich 2016). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die in der Studie von Ausserhofer et al. (2009) analysierte Dualität der Gefühle, von der die Rede ist, wenn Eltern ihr Kind zur Betreuung abgeben bzw. einer Erwerbstätigkeit nachgehen. In diesen Situationen fühlen sie sich entlastet, aber gleichzeitig schuldig und unfähig, ihr Kind selbst zu betreuen bzw. zu pflegen. „Diese Schuldgefühle werden durch den finanziellen Druck, einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu müssen, verstärkt“ (ebd., S. 190).

4 Teilhabe ermöglichen

Angesichts der vielfältigen Herausforderungen und Belastungen, die ein Leben mit einem pflegebedürftigen Kind mit sich bringen kann, und der Feststellung, dass die familiären Belastungen vorwiegend nicht behinderungs- bzw. krankheitsspezifisch sind, sondern aus einer unzureichenden Versorgungs- und Entlastungssituation in den Bereichen Pflege, Pädagogik und psychosoziale Begleitung resultieren, bilden diese den Fokus der nachfolgend skizzierten Unterstützungsoptionen. Diese haben alle eine größtmögliche gesellschaftliche Teilhabe aller Familienmitglieder zum Ziel. Hierbei bietet die Erkenntnis die Basis, dass „für eine erfolgreiche familiäre Krankheitsbewältigung (…) Qualität der familiären Interaktion, Aufgabenverteilung innerhalb der Familie, Kommunikation und Werteorientierungen eine wesentliche Rolle (spielen). Bei vielen Familien konnte festgestellt werden, dass sie sich gut an die chronische Erkrankung eines Kindes anpassen und eine Elternschaft mit einem Beziehungs- und Erziehungsverhalten entwickeln können, welches in den meisten Fällen dem in Familien mit gesunden Kindern ähnelt. Daraus resultierten Empfehlungen, Eltern gezielt darin zu unterstützen, ein gutes Gleichgewicht zwischen den Autonomiebedürfnissen des Kindes und den Bedürfnissen eines wirksamen Krankheitsmanagements zu finden.“ (Fricke 2020, S. 800)

Hierbei spielt die Frage einer grundlegenden Orientierung im Hilfesystem eine große, wenn nicht sogar entscheidende Rolle. Für diese bedarf es umfassender und gebündelter Information, Beratung und Begleitung für Eltern im Sinne eines spezifischen, äußerst komplexen Case- bzw. Caremanagements, das bedarfsorientiert die Funktionen Advocacy, Broker, Gatekeeper und Social Support (Klie 2020, S. 170) umfasst. Dieses sollte unmittelbar nach der Diagnose verfügbar sein, aber auch im weiteren Prozess im Sinn eines Lotsenmodells oder als Teil einer multidisziplinären Familiengesundheitspflege zur Verfügung stehen. Als ein Konzept, das diesem Anspruch gerecht zu werden versucht, kann auf das Berliner Modellprojekt „VK KiJu – Versorgungskoordination für versorgungsintensive Kinder und Jugendliche“ verwiesen werden. Das Angebot kann in Anspruch genommen werden, „wenn ein gut aufeinander abgestimmtes Vorgehen notwendig ist, um Unter- oder Fehlversorgungen des Kindes sowie Belastungssituationen in der Familie zu mindern oder zu vermeiden.“ (Kinderversorgungsnetz Berlin 2021) Ein ähnlicher Ansatz wird auch mit der Reform des SGB VIII durch das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (KJSG) verfolgt. Hier sollen in der zweiten Stufe ab 2024 „Verfahrenslotsen“ beim Jugendamt eingesetzt werden, die für junge Menschen mit Behinderung und ihre Eltern als verbindliche Ansprechpersonen fungieren und sie bei der Beantragung und Inanspruchnahme von Leistungen unterstützen. „Die Verfahrenslotsen erhalten quasi die Funktion der Behindertenbeauftragten des Jugendamtes. Die Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatungsstellen (EUTB) behalten weiterhin ihre Verantwortung für die Familien.“ (Müller-Fehling 2021, S. 38) Auch wenn die Umsetzung dieses neuen, deutlich inklusiver ausgerichteten Gesetzes abzuwarten bleibt, ist bereits jetzt zu bedenken, dass der Einsatz der Verfahrenslotsen zu Beginn der Begleitung mit einem flexibel-hohen Stellenanteil zu planen ist, aber auch im weiteren Prozess bedarfsorientierte Leistungen der Information, Beratung und Begleitung von den Familien abgerufen werden können sollten. Wichtige Inhalte der Beratung sind für die Familien Informationen zum Nachteilsausgleich (familiäre Hilfe und Servicestellen nach SGB IX). In diesem Zusammenhang wäre statt der Sektorisierung der Hilfsangebote, die die Kinder mal als pflegebedürftig, mal als chronisch krank oder aber als behindert mit je eigens zuständigen Sozialgesetzbüchern definieren, eine sektorenübergreifende Pool-Finanzierung für ihre Unterstützungsbedarfe sinnvoll. So wenig wie ein Kind teilbar ist, ist auch sein Unterstützungsbedarf teilbar. Für Familien, die über die erforderlichen Managementkompetenzen verfügen, kann das Persönliche Budget ein sinnvoller, da eigenständig verantworteter Weg der Organisation von Pflege und Assistenz sein, die inhaltlich passgenaue und/oder zeitlich flexible Lösungen für ihr Kind suchen.

Für Kinder stellen sich besondere Exklusionsrisiken in Bezug auf Kita und Schule vor allem dann, wenn diese kein, zu wenig oder nur unzureichend qualifiziertes Personal für die pflegerische Versorgung bereitstellen können. Hierfür lassen sich zwei optimalerweise miteinander verzahnte Strategien denken:

  1. 1.

    Ausstattung der pädagogischen Institutionen mit Kita- und Schulgesundheitsfachkräften (School Health Nurse) unter Berücksichtigung der für Pflege notwendigen räumlichen und materiellen Bedingungen. An vielen Förderschulen mit den Schwerpunkten geistige und körperlich-motorische Entwicklung sind diese bereits in die Versorgung und Pflege von Kindern und Jugendlichen eingebunden. Dass auch Kinder ohne dauerhafte Pflegebedarfe von Schulgesundheitsfachkräften profitieren, zeigt die Evaluation eines entsprechenden Modellprojekts in Brandenburg. Auch für inklusiv arbeitende Schulen kann dies ein Weg sein, Schulausschlüsse zu verhindern, Kinder gut pflegerisch zu versorgen und somit auch ihre Eltern zu entlasten (Heinrichs et al. 2021). Bis zu einer Etablierung dieses in anderen Ländern schon gängigen Handlungsfeldes für Pflegefachkräfte könnten Kooperationsverträge zwischen Schulträgern und ambulanten Kinderkrankenpflegediensten die pflegerische Versorgung in den Bildungsinstitutionen sicherstellen.

  2. 2.

    Einen zweiten Weg der Ermöglichung verlässlicher Teilhabe an Bildung stellt die Qualifizierung pädagogischen Personals für grundpflegerische Tätigkeiten dar. Hierfür müsste Pflege als auch pädagogische Aufgabe und Teil des Kompetenzprofils von Erzieherinnen und Erziehern, Lehrkräften und Pädagoginnen und Pädagogen zumindest dann gedacht und strukturell verankert werden, wenn diese sich für heil- und sonderpädagogische Qualifizierungszweige entscheiden (Klauß 2007). Dies entspräche der Forderung nach einem „variablen Qualifikationsmix, der auch die fachlich differenzierte Delegation von Pflegeleistungen zulässt“ (Paquet 2020, S. 19) und nicht nur der Kompensation des Fachkräftemangels dient, sondern auch der Aufwertung der Pflege als unverzichtbarem Bestandteil, Voraussetzung und Inhalt von Pädagogik.

Parallel zu den Strategien zur Teilhabeförderung der von Pflege betroffenen Kinder bedarf es umfassender, flexibler Lösungen, um deren Eltern zu ermöglichen, an verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen teilzuhaben und somit auch gesundheitlich stabil zu bleiben. Hierbei ist vor allem darauf zu achten, dass die Angebote der unterstützenden Maßnahmen auch tatsächlich auf die individuellen Bedarfe passen. Da diese sich äußerst heterogen darstellen, benötigen die Familien individuell zugeschnittene Hilfen, für deren Ausgestaltung entsprechende Rahmenvorgaben zu installieren sind. So sind die bislang existierenden Leistungen der Pflegezeit und Familienpflegezeit (BMFSFJ 2021) für Familien mit dauerhaft pflegebedürftigen Kindern wenig angemessen. Zehn Tage jährliche Auszeit mit Lohnersatzleistung sind für die meisten Familien in keinster Weise hinreichend, da die wenig verlässlichen Pflegeleistungen in der ambulanten Kinderkrankenpflege sowie in Kita und Schule dazu führen, dass die Pflege deutlich häufiger übernommen werden muss. Zudem erleben viele pflegebedürftige Kinder regelmäßig gesundheitliche Krisen, die z. T. mit Krankenhausaufenthalten einhergehen und die Präsenz zumindest eines Elternteils erfordern. Die ebenfalls gesetzliche mögliche Freistellung von der Arbeit im Umfang von sechs bzw. 24 Monaten ist aufgrund der langen Krankheitsdauer für die Familien allenfalls in Krisensituation oder in der ggfs. letzten Lebensphase des Kindes attraktiv. Auch die Tatsache, dass diese Modelle mit einem Rechtsanspruch auf zinslose Darlehen einhergehen, ist für die meisten Familien aufgrund der skizzierten angespannten Finanzsituation wenig passgenau. Statt dieser sollten Entgeldersatzleistungen zur Kompensation ökonomischer Benachteiligung entwickelt werden, z. B. im Sinne eines ElternPflegegeldPlus für pflegende Eltern. Auch die derzeit bestehende Diskrepanz zwischen der Höhe der Leistungen von Pflegegeld und Pflegesachleistungen sollten für pflegende Eltern überdacht und im Sinne individuell feststellbarer Sonderregelungen korrigiert werden.

Um eine berufliche Tätigkeit der Eltern gezielt zu unterstützen und somit auch ihrer Altersarmut entgegenzuwirken, scheint es sinnvoll, diese mit zusätzlichen finanziellen Mitteln zu unterstützen. Diese können sowohl Zuschüsse zur Betreuung des Kindes und zu haushaltsnahen Dienstleistungen beinhalten als auch gezielte Mentoringprogramme, um einen Verbleib im Beruf oder den Wiedereinstieg zu fördern (Meyer-Gräwe et al. 2014). Angesichts des derzeitigen Fachkräftemangels sollten auch Unternehmen ein Interesse daran haben, qualifizierte Frauen und Männer durch die Übernahme haushaltsnaher Dienstleistungen zu gewinnen (z. B. Dinner to go etc.).

Einen weiteren Baustein familiärer Unterstützung stellen quantitativ ausreichende und qualitativ fundierte Kurzzeit- und Dauerwohnangebote für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Pflegebedarf dar. Diese müssen neben einer fachlich qualifizierten Pflege auch Ansprüchen an pädagogische Pflege und Teilhabe entsprechen und im Sinne eines „flexible boarding“ sektorenübergreifend finanziert werden. Hierbei ist vor allem darauf zu achten, dass der seit Einführung der Pflegeversicherung festzustellende Trend eines Anstiegs von Menschen mit geistiger Behinderung in Pflegeeinrichtungen nicht auch im Kinder- und Jugendbereich mit dem Effekt der „Durchrationalisierung der Hilfe- und Versorgungsstrukturen, (…) (und) deren Reduzierung auf das elementar Notwendigste, sodass Bildungs- und Entwicklungspotenziale ungenutzt bleiben“ einhergeht (Dederich 2017, S. 108). Vor allem nach akuten Krankenhausaufenthalten, aber auch bei gesundheitlichen oder familiären Krisen besteht in vielen Familien der Bedarf, situativ auf angemessene Möglichkeiten, d. h. pädagogisch und pflegerisch adäquat ausgestattete Einrichtungen der externen stationären Versorgung, zurückzugreifen. Sowohl für kurzzeitiges als auch für dauerhaftes Wohnen außerhalb des Familiensettings sind im Sinne einer „inklusiven Heimerziehung“ nicht-diskriminierende und Teilhabe im Sinne der folgenden Dimensionen sichernde Wohnformen zu ermöglichen:

  • „nicht-diskriminierend und barrierefrei,

  • unter Anerkennung ggf. vielfältiger Bedarfs- und Lebenslagen,

  • partizipativ,

  • entwicklungsfördernd,

  • Autonomie/Selbstbestimmung anerkennend und unterstützend,

  • unter aktiver Einbeziehung der Eltern/Zugehörigen,

  • die Wahlfreiheit berücksichtigend,

  • vor Gefahren schützend,

  • mit sozialräumlicher Perspektive.“

(Schönecker et al. 2021, S. 10)

Dauerhafte Wohnangebote werden für junge pflegebedürftige Menschen vorrangig dann bedeutsam, wenn sie eine altersgemäße Ablösung vom Elternhaus ermöglichen sollen. In jüngeren Lebensjahren ist eine stationäre Wohnform häufig dann unumgänglich, wenn die ambulanten Strukturen keine adäquate Unterstützung der Familien auf Dauer oder zeitweilig gewährleisten können. Um eine dauerhafte häusliche Unterstützung der Familien vor allem in der Pflege ihrer Kinder sicherzustellen, sollten die Löhne in der ambulanten Kinderkrankenpflege an die der stationären Versorgungssettings angeglichen werden. Für die Begegnung des grundsätzlichen Fachkräftemangels in der Gesundheits- und Krankenpflege sei auf die diesbezüglichen, meist mehrdimensionalen Lösungsstrategien verwiesen (z. B. Paquet 2020). Für eine dauerhaft qualifizierte Kinderkrankenpflege scheint es aber nach derzeitigem Stand auch erforderlich, die erwartbaren Spezialisierungsdefizite der generalisierten Pflegeausbildung durch die Bereitstellung ausreichender Weiterbildungsangebote der Kinderkrankenpflege zu kompensieren.

5 Fazit

Familien, in denen Kinder mit dauerhaftem Pflegebedarf leben, sind äußerst heterogene soziale Systeme mit je eigenen Dynamiken, Kommunikationsstrukturen und sozialen, finanziellen und immateriellen Ressourcen. Entsprechend divers stellen sich auch ihre Bedarfe an Unterstützung und Begleitung dar, die sich zudem auf der Grundlage der gesundheitlichen Entwicklung der Kinder sowie anderer innerfamilialer Dynamiken meist wenig konstant, sondern immer wieder anders präsentieren. Bei der Betrachtung der Gestaltung familiärer Unterstützungsangebote ist somit als Leitidee ein hohes Maß an Flexibilität zu konstatieren, die im Einzelfall passgenaue Lösungen für das individuelle Familiensystem ermöglichen muss. Hierbei ist die Aufhebung der Sektoralisierung von (sozialrechtlichen und praktischen) Zuständigkeiten und die Zusammenführung von unterschiedlichen Versorgungssystemen im Sinne eines ganzheitlich konzipierten Begleitungs- und Versorgungsnetzes ein notwendiger und zukunftsweisender Weg. Die Entwicklung hin zur Komplexleistung Frühförderung und die Reform des SGB VII zeigen bereits Entwicklungen auf, Teilhabemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen mit Pflegebedarf inklusiver und transparenter zu gestalten. „Neben der gezielten Beratung von Angehörigen und den Möglichkeiten zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflege bedarf es darüber hinaus der Entwicklung von Formen der verbesserten Zusammenarbeit von formeller und informeller Pflege.“ (Büscher 2020, S. 62) Hierbei sollte als Primat aller Entwicklungen stets die Familie als Ganzes im Fokus stehen, da sich die Teilhabebedürfnisse der Akteurinnen und Akteure in verschiedenen Kontexten nach Lebenssituation und gesundheitlicher Verfasstheit des erkrankten Kindes äußerst unterschiedlich darstellen können. Sämtliche Unterstützungsleistungen müssen demnach die Bedürfnisse einzelner Familienmitglieder in Bezug auf unterschiedliche Bereiche sozialer Teilhabe berücksichtigen (z. B. Schule, Arbeit, Wohnen, Freizeit). Hierzu liegen bislang nur unzureichende empirische Daten vor, die es mittels entsprechend komplexer Mixed-Methods-Studien zu ermitteln gilt.