Skip to main content

Behandlungsmaßnahmen und -programme im Strafvollzug

  • Chapter
  • First Online:
Das Gefängnis auf dem Prüfstand

Zusammenfassung

Der Strafvollzug in Deutschland soll der Resozialisierung dienen und ist deswegen als Behandlungsvollzug angelegt. Der Beitrag stellt Behandlungsmaßnahmen vor, die im Strafvollzug außerhalb von sozialtherapeutischen Einrichtungen (teilweise auch dort als Bestandteile eines umfassenden Programms) durchgeführt werden und die in erster Linie der Kriminalprävention bzw. der Reduktion von Gefährlichkeit dienen. Es wird ein kurzer Überblick über verschiedene Formen der therapeutischen Arbeit, Behandlungsziele und mögliche Erfolgsindikatoren gegeben und es werden ausgewählte Behandlungsmaßnahmen vorgestellt (z. B. R&R, BPS, KIM, Wohngruppenkonzepte, Vollzugslockerungen). Trotz theoretischer Plausibilität und langjährigem Einsatz sind Behandlungsmaßnahmen im Strafvollzug nur selten empirisch fundiert, so dass vermehrte Anstrengungen im Bereich der Wirkungsforschung dringend erforderlich erscheinen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 79.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 99.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Wir sprechen hier bezüglich Einzelmerkmalen von Korrelationen mit dem Rückfall in Höhe von ungefähr 0,30. Zusammengefasste Indizes (z. B. die Scores von Risikobeurteilungsinstrumenten) erreichen in seltenen Fällen eine prognostische Validität von ungefähr r = 0,40. Das ist weit entfernt von einer perfekten Vorhersage. Es lassen sich jedoch mit solchen Instrumenten Gruppen mit hohem Rückfallrisiko (z. B. im LSI-R 80 % Wiederverurteilung innerhalb von 2 Jahren) und mit geringem Rückfallrisiko (16 %) unterscheiden (Daten aus Dahle et al. 2012, S. 74).

  2. 2.

    Mittlerweile gibt es auch Kurzformen (R&R2) mit nur 14 Sitzungen für verschiedene Zielgruppen (Erwachsene, Jugendliche, Frauen, psychisch Auffällige), die aber noch nicht gut empirisch untersucht sind.

  3. 3.

    Dies entspricht bei einer Basisrate von etwa 50 % der von Tong und Farrington (2006) berichteten mittleren Odds Ratio von 1,16.

  4. 4.

    Im englischen Strafvollzug allerdings wurde R&R wegen unbefriedigender Ergebnisse vor einigen Jahren eingestellt und durch andere Programme ersetzt (Friedrich Lösel, persönliche Mitteilung).

  5. 5.

    Dies sei an einem Beispiel erläutert: Angenommen, man wird an einer Bushaltestelle von einer Gruppe anscheinend Betrunkener belästigt. Nur ein Mister Spock, aber kein normaler Mensch wird sich dann im Sinne der R&R-Empfehlungen daran machen, alle möglichen Verhaltensoptionen hinsichtlich ihrer Konsequenzen sowie deren Eintrittswahrscheinlichkeiten und Valenzen zu analysieren. Die meisten Leute werden das Erstbeste tun, das ihnen einfällt, um die Situation zu beruhigen oder sich aus ihr zu entfernen. Manche aber werden vielleicht die Heuristik befolgen: Was werden meine Kumpels, wenn sie davon hören, für cool halten?

  6. 6.

    Vgl. die Angaben auf der Website der Anbieter: http://www.konfrontative-paedagogik.de/grundlagen/anti-aggressivitats-training.

  7. 7.

    Im bayerischen Strafvollzug wurde ein einheitliches Konzept für ein Anti-Gewalt-Training entwickelt. Zukünftige AGT-Trainer sollen ein an der Justizvollzugsakademie angebotenes AGT-Curriculum durchlaufen.

  8. 8.

    Eine große Schwierigkeit liegt im Strafvollzug darin, geeignete Verstärker/Anreize zu finden, auf die erstens die Inhaftierten nicht einen rechtlichen Anspruch haben und die zweitens nicht auf Sicherheitsbedenken stoßen. Beliebte Anreize im Rahmen des beschriebenen Konzepts sind die Erlaubnis, ein Telefongespräch zu führen (sonst im bayerischen Justizvollzug sehr restriktiv gehandhabt) oder Süßigkeiten und Getränke.

  9. 9.

    Das Manual des standardisierten Prognoseverfahrens LSI-R (Dahle et al. 2012) gibt vorläufige Cutoff-Werte hinsichtlich einer Eignung für den Offenen Vollzug an.

  10. 10.

    Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur Sicherungsverwahrung vom 05. Mai 2011 (2 BvR 2365/09) u. a. gefordert, der Vollzug dieser Maßregel sei „so auszugestalten, dass die Perspektive einer Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt“; hierzu bedürfe es eines „freiheitsorientierten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung mit klarer therapeutischer Ausrichtung auf das Ziel, die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr zu minimieren und auf diese Weise die Dauer der Freiheitsentziehung auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren“ (Rn 101) (vgl. auch Bartsch, in diesem Band). Das BVerfG verweist in seinen weiteren Ausführungen auf eine vorausgegangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das durch ein „hohe(s) Maß an Betreuung durch ein multidisziplinäres Team sowie intensive und individuelle Arbeit mit den Untergebrachten anhand unverzüglich zu erstellender, individueller Pläne“ einen Weg sehe, „der Fortschritte in Richtung Entlassung ermögliche, wobei die Entlassung eine realistische Möglichkeit sein solle“ (Rn 107). Das klingt so, als biete guter Wille und stetes Bemühen bereits weitestgehend die Garantie dafür, dass das Resozialisierungsziel erreicht wird. Grenzen der Behandelbarkeit und dessen, was sich erreichen lässt, werden nicht angesprochen.

  11. 11.

    Das gilt allerdings primär für die Studien, an denen die Urheber der Multisystemischen Therapie selber beteiligt waren. Replikationen dieser Effekte durch unabhängige Forscher stehen noch aus.

Literatur

  • Andrews, D. A., & Bonta, J. (2010). The psychology of criminal conduct (5. Aufl.). New Providence: LexisNexis.

    Google Scholar 

  • Anstiss, B. (2003); Steyn, P., & Devereux, R. (2006); Devereux, R. (2007). Psychologists short motivational programme (SMP) session guide for use with offenders. Wellington: Department of Corrections.

    Google Scholar 

  • Ayllon, T., & Cole, A. (2008). Münzverstärkung. In M. Linden & M. Hautzinger (Hrsg.), Verhaltenstherapiemanual (6. Aufl., S. 240–243). Berlin: Springer.

    Chapter  Google Scholar 

  • Borduin, C. M., Schaeffer, C. M., & Heiblum, N. (2009). A rondomized clinical trial of multisystemic therapy with juvenile sexual offenders: Effects on youth social ecology and criminal activity. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 77, 26–37.

    Article  Google Scholar 

  • Breuer, M. M., Gerber, K., Buchen-Adam, N., & Endres, J. (Hrsg.). (2014). Kurzintervention zur Motivationsförderung. Ein Manual für die Arbeit mit straffällig gewordenen Klientinnen und Klienten. Adaptierte Fassung des “Short Motivational Programme: Session guide for use with offenders” des Department of Corrections, New Zealand (Anstiss, 2003; Steyn & Devereux, 2006; Devereux, 2007). Lengerich: Pabst.

    Google Scholar 

  • Dahle, K.-P., Harwardt, F., & Schneider-Njepel, V. (2012). LSI-R: Inventar zur Einschätzung des Rückfallrisikos und des Betreuungs- und Behandlungsbedarfs von Straftätern. Deutsche Version desLevel of Service Inventory-Revised nach Don Andrews und James Bonta. Göttingen: Hogrefe.

    Google Scholar 

  • Endres, J. (2015). Unterbringung. In W. Schweder (Hrsg.), Handbuch Jugendstrafvollzug (S. 228–244). Weinheim: Beltz.

    Google Scholar 

  • Endres, J., & Breuer, M. M. (2014). Leugnen bei inhaftierten Sexualstraftätern. Ursachen, Korrelate und Konsequenzen. Forensische Psychiatrie, Psychologie und Kriminologie, 8, 263–278.

    Article  Google Scholar 

  • Endres, J., Breuer, M. M., & Stemmler, M. (2016). „Intention to treat“ oder „treatment as received“: Umgang mit Abbrechern in der Forschung zur Straftäterbehandlung. Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 10, 45–55.

    Article  Google Scholar 

  • Endres, J., & Schwanengel, M. F. (2015). Straftäterbehandlung. Bewährungshilfe, 62(4), 293–319.

    Google Scholar 

  • Endres, J., & Schwanengel, M. F. (2016). „Forensische Psychotherapie“ und „Kriminaltherapie“: Unterschiedliche Bezeichnungen oder divergierende Zielsetzungen in der Straftäterbehandlung? Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, 23, 137–144.

    Google Scholar 

  • Gigerenzer, G. (2007). Bauchentscheidungen. München: Bertelsmann.

    Google Scholar 

  • Göbbels, S., Ward, T., & Willis, G. (2013). Die Rehabilitation von Straftätern: Das „Good-lives“-Modell. Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 7, 122–132.

    Article  Google Scholar 

  • Hanson, R. K., Bourgon, G., Helmus, L., & Hodgson, S. (2009). The principles of effective correctional treatment also apply to sexual offenders: A meta-analysis. Criminal Justice and Behavior, 36, 865–891. https://doi.org/10.1177/0093854809338545.

    Article  Google Scholar 

  • Hirtenlehner, H., & Hiebinger, I. (2013). Rückfallergebnisse eines gruppenorientierten Antigewalttrainings in der Bewährungshilfe – Befunde aus Österreich. Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe, 31(1), 57–64.

    Google Scholar 

  • Hosser, D., & Boxberg, V. (2014). Intramurale Straftäterbehandlung. In B. Bliesener, F. Lösel, & G. Köhnken (Hrsg.), Lehrbuch Rechtspsychologie (S. 446–469). Bern: Huber.

    Google Scholar 

  • Lipsey, M. W., & Cullen, F. T. (2007). The effectiveness of correctional rehabilitation: A review of systematic reviews. Annual Review of Law and Social Science, 3, 297–320.

    Article  Google Scholar 

  • Lösel, F. (2014). Evaluation der Straftäterbehandlung. In B. Bliesener, F. Lösel, & G. Köhnken (Hrsg.), Lehrbuch Rechtspsychologie (S. 529–555). Bern: Huber.

    Google Scholar 

  • Lösel, F. (2016). Wie wirksam ist die Straftäterbehandlung im Justizvollzug? In M. Rettenberger & A. Dessecker (Hrsg.), Behandlung im Justizvollzug (S. 17–52). Wiesbaden: Kriminologische Zentralstelle e. V.

    Google Scholar 

  • Lösel, F., & Bender, D. (2003). Protective factors and resilience. In D. P. Farrington & J. Coid (Hrsg.), Early prevention of adult antisocial behaviour (S. 130–204). Cambridge: Cambridge University Press.

    Chapter  Google Scholar 

  • Lösel, F., Koehler, J. A., & Hamilton, L. (2012). Resozialisierung junger Straftäter in Europa: Ergebnisse einer internationalen Studie über Maßnahmen zur Rückfallprävention. Bewährungshilfe, 59, 175–190.

    Google Scholar 

  • Mann, R. E., Hanson, R. K., & Thornton, D. (2010). Assessing risk for sexual recidivism: Some proposals on the nature of psychologically meaningful risk factors. Sexual Abuse A Journal of Research and Treatment, 22, 91–217.

    Article  Google Scholar 

  • Niemz, S. (2015). Evaluation sozialtherapeutischer Behandlung im Justizvollzug. Wiesbaden: Kriminologische Zentralstelle e. V.

    Google Scholar 

  • Rehder, U., Wischka, B., & Foppe, E. (2013). Das Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter (BPS): Entwicklung, Aufbau, Praxis. In B. Wischka, W. Pecher, & H. van den Boogaart (Hrsg.), Behandlung von Straftätern (2. Aufl., S. 418–453). Freiburg: Centaurus.

    Chapter  Google Scholar 

  • Rooke, A. (2002). Das Sex Offender Treatment Programme (SOTP) in England und Wales. In B. Wischka et al. (Hrsg.), Justizvollzug in neuen Grenzen. Modelle in Deutschland und Europa. 11. Bundeskongress im Justizvollzug in Barsinghausen (S. 272–287). Lingen: Kriminalpädagogischer Verlag.

    Google Scholar 

  • Ross, R. R., Fabiano, E. A., & Ross, R. (2004). Reasoning & Rehabilitation: Handbuch zur Vermittlung kognitiver Fähigkeiten. Haina: Institut für Forensische Psychiatrie (Original erschienen Ottawa, 1986).

    Google Scholar 

  • Schmucker, M., & Lösel, F. (2015). The effects of sexual offender treatment on recidivism: An international meta-analysis of sound quality evaluations. Journal of Experimental Criminology, 11, 597–630.

    Article  Google Scholar 

  • Schwedler, A., & Schmucker, M. (2012). Verlaufsmessung im sozialtherapeutischen Behandlungsvollzug – Wie sinnvoll sind allgemeine Persönlichkeitsmaße? Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 95, 269–280.

    Google Scholar 

  • Suhling, S., & Endres, J. (2016). Deliktorientierung in der Behandlung von Straftätern: Bestandsaufnahme und Kritik. Rechtspsychologie, 2, 345–370.

    Article  Google Scholar 

  • Tong, L. S. J., & Farrington, D. P. (2006). How effective is the „Reasoning and Rehabilitation“ programme in reducing reoffending? A meta-analysis of evaluations in four countries. Psychology, Crime and Law, 12, 3–24.

    Article  Google Scholar 

  • Weidner, J., Kilb, R., & Kreft, D. (Hrsg.). (2009). Gewalt im Griff 1: Neue Formen des Anti-Aggressivitäts-Trainings (5. Aufl.). Weinheim: Juventa.

    Google Scholar 

  • Wischka, B. (2013). Das Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter (BPS-R): Erfahrungen und Evaluationsergebnisse. Recht & Psychiatrie, 31, 138–145.

    Google Scholar 

  • Wößner, G. (2014). Wie kann man in der Sozialtherapie Therapieerfolg feststellen oder messen? Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 8, 49–58.

    Article  Google Scholar 

  • Wößner, G., & Schwedler, A. (2014). Correctional treatment of sexual and violent offenders: Therapeutic change, prison climate, and recidivism. Criminal Justice and Behavior, 41, 862–879.

    Article  Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Johann Endres .

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2018 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Endres, J., Breuer, M.M. (2018). Behandlungsmaßnahmen und -programme im Strafvollzug. In: Maelicke, B., Suhling, S. (eds) Das Gefängnis auf dem Prüfstand. Edition Forschung und Entwicklung in der Strafrechtspflege. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20147-0_5

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-20147-0_5

  • Published:

  • Publisher Name: Springer, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-20146-3

  • Online ISBN: 978-3-658-20147-0

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics