Zusammenfassung
Das Spannungsverhältnis zwischen unterschiedlichen Interessen und ihren vielfältigen Abwägungs- und Vermittlungsprozessen in politischen Entscheidungsprozessen ist einem demokratischen Staatswesen inhärent. Mit dem Begriff des Lobbyismus werden in der öffentlichen Debatte jedoch zumeist intransparente Aushandlungsprozesse zugunsten partikularer Eigeninteressen und zu Lasten des Gemeinwohls verbunden, wodurch die Glaubwürdigkeit von Politik sowie die Legitimität parlamentarischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse beeinträchtigt wird. Dies dürfte insbesondere an der weitgehenden Intransparenz des Miteinanders von Staat, Zivilgesellschaft und privatem Sektor bei der Entstehung von Politik liegen.
Vor diesem Hintergrund beleuchten die Autoren den aktuellen Stand der Debatte um notwendige Transparenzerfordernisse dieses Miteinanders und sprechen sich für die Schaffung eines einheitlichen Regelungsrahmens aus gesetzlichen wie untergesetzlichen Maßnahmen aus. Ein solcher Regelungsrahmen normiert gesetzliche Transparenzverpflichtungen bei der Vertretung von Interessen gegenüber Parlament und Regierung durch ein obligatorisches und sanktionsbewehrtes Lobbyregister, verpflichtet die Verwaltung des Deutschen Bundestages und die Bundesregierung zur Einhaltung klarer Regeln im Umgang mit Externen und setzt Anreize zur grundsätzlich freiwilligen, aber sanktionsbewehrten Selbstregulierung von Interessenvertretern in Ausübung ihrer Tätigkeit. Gemeinsam würden diese Regelungen möglichen Interessenkonflikten entgegenwirken, unzulässige Einflussnahmen erschweren und das Vertrauen in das Zustandekommen demokratisch legitimierter Politik stärken.
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Notes
- 1.
BT-PlPr. 17/102, S. 11678-11690.
- 2.
BT-PlPr. 17/120, S. 14010-14018.
- 3.
So der CDU-Abgeordnete Bernhard Kaster laut BT-PlPr. 17/102, S. 11679.
- 4.
So der FDP-Abgeordnete Stefan Ruppert laut BT-PlPr. 17/102, S. 11684-11685.
- 5.
Marco Bülow (2010, S. 181) schreibt beispielsweise: „In Berlin wird die Anzahl der Lobbyisten mittlerweile auf mehr als 5.000 Personen geschätzt. Damit kommen auf einen Abgeordneten etwa acht Lobbyisten.“
- 6.
Quelle: Schriftliche Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit vom 2. April 2012 auf Anfrage eines der Autoren.
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Schmedes, HJ., Kretschmer, H. (2014). Interessen, Transparenz, Vertrauen – und die Legitimität von Politik. In: von Winter, T., von Blumenthal, J. (eds) Interessengruppen und Parlamente. Schriften der DVPW-Sektion Regierungssystem und Regieren in der Bundesrepublik Deutschland. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19161-4_12
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