Hintergrund

Das Potenzial der sog. Liquid Biopsy, womit u.a. die Analyse von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) sowie zirkulierenden Tumorzellen (CTCs) bezeichnet wird, ist seit Längerem bekannt und in zahlreichen Übersichtsarbeiten umfassend diskutiert [15]. Arbeiten der letzten Jahre haben bewiesen, dass ctDNA die molekulargenetischen Veränderungen von Tumoren und deren Metastasen reflektiert und daher als Surrogatmarker für das gesamte Tumorgenom angesehen werden kann. Die Analyse von ctDNA erlaubt nicht nur eine kontinuierliche Überwachung des Therapieansprechens über den gesamten Krankheitsverlauf, sondern auch die Identifizierung von Resistenzmechanismen, neu aufkommenden Therapiezielen oder die Detektion einer minimalen Resterkrankung (MRD, engl. minimal residual disease). Viele Experten aus unterschiedlichen Disziplinen sind sich daher einig, dass die Analyse von ctDNA ein vielversprechendes Werkzeug für das Überwachen und Management von Krebspatienten darstellt (Abb. 1).

Abb. 1
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Die Analyse zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) eröffnet vielerlei Möglichkeiten für den Einsatz in der Klinik. Für die Früherkennung von Tumoren bzw. Rezidiven sind hochauflösende Methoden notwendig, da die zu erwartende Menge an ctDNA gering ist. Das Monitoring der Tumorevolution, das Identifizieren von neuen Therapietargets sowie die Überwachung des Therapieerfolgs erfordern umfassendere Analysen und somit einen höheren Tumoranteil, da diese Methoden meist eine geringere analytische Sensitivität aufweisen. Bekannte Resistenzmechanismen können auch bei einem niedrigen Tumoranteil identifiziert werden, unbekannte hingegen erfordern genomweite Analysen, die bislang nur mit einem hohen Tumoranteil in der Probe möglich sind

Dennoch findet die Analyse von ctDNA noch keine breite Anwendung in der klinischen Routine, hauptsächlich aufgrund von regulatorischen Hürden sowie des Fehlens von einheitlichen Verfahrensanweisungen (SOPs) für standardisierte Probengewinnung und nachfolgende Analysen oder die Befunderstellung. Diese Problematik wird an anderer Stelle in dieser Ausgabe diskutiert. Auch die Biologie der ctDNA hinsichtlich ihrer Freisetzung, Dynamik und Kinetik ist noch nicht vollständig geklärt. Unklar ist, inwieweit ctDNA tatsächlich ein repräsentatives Porträt der Krebserkrankung darstellt, oder ob ctDNA nur die am meisten proliferierenden Klone reflektiert. Außerdem unterscheidet sich die Prävalenz der ctDNA in verschiedenen Tumorentitäten und selbst innerhalb einer Entität findet man eine erhebliche Variabilität [6]. Die Tatsache, dass zellfreie DNA (cfDNA) auch bei gesunden Individuen zu finden ist, spricht dafür, dass es sich bei der Freisetzung eigentlich um einen physiologischen Prozess handelt. Studien weisen aber darauf hin, dass man in bestimmten pathologischen Konditionen wie dem systemischen Lupus erythematodes (SLE), der rheumatoiden Arthritis und speziell bei Tumorpatienten erhöhte Mengen an zellfreier DNA findet [3, 613]. cfDNA wird unter physiologischen Bedingungen durch im Blut vorhandene DNAsen rasch abgebaut. Die Tatsache, dass bei Tumorpatienten häufig eine erniedrigte DNAse-Aktivität festgestellt wurde, ist eine Erklärung für die erhöhten Konzentrationen an cfDNA [12]. Aufgrund der charakteristischen Größenverteilung der zirkulierenden DNA-Fragmente von rund 166 bp, die exakt der Länge der DNA, die um ein Nukleosom gewickelt ist inklusive der linker region entspricht, ist es naheliegend anzunehmen, dass die Mehrheit der Fragmente von apoptotischen Zellen stammt [14, 15]. Sobald ein Tumor zu wachsen beginnt, erhöht sich nicht nur die Tumormasse, es kommt auch gleichzeitig zu einem Anstieg des Zellsterbens. Dadurch kann es zu einer verstärkten Freisetzung der Tumor-DNA kommen, woraus ein Ungleichgewicht zwischen der Ausbreitung und dem Abbau von cfDNA resultiert [16].

Studien zeigten, dass die cfDNA von unterschiedlichen Zellen freigesetzt werden kann [17, 18], wobei in der Regel der Hauptteil der cfDNA auf Zellen aus dem hämatopoetischen System zurückgeführt werden kann. Bei Personen mit Krebserkrankungen kann jedoch die ctDNA in unterschiedlichen Prozentsätzen in der cfDNA präsent sein. Zusätzlich zum zellulären Turnover hängt die Menge der im Blut vorhandenen ctDNA von einer Reihe weiterer Faktoren ab, wie beispielsweise dem Tumorstadium, der Anzahl und Lokalisation der Tumorherde, der Vaskularität oder dem Therapieansprechen und wahrscheinlich noch anderen, zurzeit unbekannten Faktoren. All diese Faktoren können zu einer immensen Variabilität der ctDNA beitragen. Sogar im metastasierten Krebsstadium kann der Anteil der Tumor-DNA im Plasma weniger als 1 % bis zu mehr als 90 % ausmachen [3, 6]. Die Diskriminierung der Tumor-DNA von DNA-Fragmenten, die von gesunden Zellen stammen, ist somit zusammen mit der starken Fragmentierung eine große Herausforderung im Bereich der ctDNA-Analytik.

In den letzten Jahren hat der technologische Fortschritt viele neue Methoden gebracht, die die nötige analytische Sensitivität und Spezifität aufweisen, um auch eine Detektion von stark unterrepräsentierten Allelen in der Zirkulation zu ermöglichen. Die meisten dieser sog. „High Resolution“ Methoden sind zielgerichtet, d. h. sie beschränken sich auf die Analyse von einzelnen oder wenigen bekannten Mutationen oder Hotspots (Abb. 2). In späteren Stadien verändern sich die Tumorgenome zunehmend und kontinuierlich im Rahmen ihrer Progression und des selektiven Drucks von Therapien. Hier sind nicht zielgerichtete Ansätze, die das Genom umfassend analysieren, notwendig, um die Dynamik des Tumorgeschehens und neu auftretende Veränderungen im Tumorgenom kontinuierlich erfassen zu können (Abb. 2). Ein weiterer Vorteil solcher genomweiten Ansätze ist die Tatsache, dass sie sich nicht auf rekurrent auftretende Veränderungen beschränken und kein a priori Wissen über die genetische Zusammensetzung des Tumors notwendig ist [1921].

Abb. 2
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Der Anteil an zirkulierender Tumor-DNA im Vergleich zu zellfreier DNA aus normalen Zellen ist entscheidend für die Auswahl der Analysemethoden. Für Proben mit geringen Mengen an Tumor-DNA (<1 %) sind gezielte, hochauflösende Methoden notwendig, um die durch gesunde DNA verdünnte Mutation noch nachzuweisen. Wenn ausreichende Mengen an Tumor-DNA in der Zirkulation vorhanden sind (>5–10 %), können auch genomweite Methoden mit geringerer analytischer Sensitivität angewandt werden

Im Folgenden werden nun neue Technologien und methodische Ansätzen für die Analyse von ctDNA sowie deren potenzielle Anwendungen diskutiert (Tab. 1).

Tab. 1 Ausgewählte Methoden zur Analyse von ctDNA

Hochauflösende Methoden zu Detektion von unterrepräsentierten Allelen

In den letzten Jahren konnten in der Analyse von ctDNA, betreffend die analytische Sensitivität und Spezifität, erhebliche Fortschritte gemacht werden. Die erhöhte Sensitivität kann man einerseits auf den Einsatz von modifizierten Polymerasen mit einer reduzierten Fehlerrate sowie auf die Verwendung von digitalen Methoden und ausgefeilten bioinformatischen Algorithmen zurückführen. Seit den ersten zielgerichteten Mutationsanalysen in Plasma bzw. Serum in den 1990ern hat der technologische Fortschritt eine ganze Reihe von hoch sensitiven Methoden wie beispielsweise ARMS [22], digitale PCR [23, 24] oder BEAMing [25] mit sich gebracht, mit denen es heute möglich ist, Mutationen auch weit unter 1 % zu detektieren. Mittels ARMS-PCR und anderer allelspezifischer Ansätze ist es zum Bespiel möglich, Hotspot-Mutationen in KRAS, BRAF, und EGFR mit einem Detektionslimit (LOD, engl. limit of detection) von 0,001–2 % nachzuweisen [22, 2630].

Die castPCR (competitive allele-specific TaqMan PCR) basiert auf einem ähnlichen Ansatz, bei dem die Wildtyp-Allele blockiert und die Zielmoleküle präferenziell amplifiziert werden, und erlaubt somit eine Detektion von bis zu 0,1 % mutierter DNA [31]. In einem direkten Vergleich zwischen dem Therascreen ARMS assay (Qiagen) – ein von der FDA zugelassener diagnostischer Test für die Detektion von EGFR- und KRAS-Mutationen aus FFPE-Material – und der castPCR (Life Technologies) für KRAS, erreichte die castPCR eine vergleichbar gute Sensitivität und Spezifität [32]. Eine ganze Reihe von ähnlichen, etwas exotischeren Anwendungen wurde bereits publiziert, allerdings hat bisher keine davon eine breite Anwendung gefunden [3348].

Trotz der riesigen Auswahl an hochauflösenden Methoden scheinen sich digitale Verfahren durchzusetzen [49, 50]. Die digitale PCR (dPCR) beruht auf einer Verdünnung und Partitionierung der zu analysierenden Proben in Einzelmoleküle, die klonal amplifiziert und separat detektiert werden. Zwei unterschiedliche Ansätze für die dPCR werden zurzeit angeboten: Fluidigm sowie Thermo Fisher (OpenArray, QuantStudio) partitionieren die individuellen Reaktionen in Mikrofluidik Reaktionskammern, während RainDance Technologies und Biorad die Moleküle in einer Wasser-in-Öl-Emulsion vereinzeln. Diese Technologien werden häufig auch als digital droplet PCR (ddPCR) bezeichnet. Die klonale Amplifikation kann aber auch an magnetischen Beads erfolgen, wie bei der BEAMing-Methode (beads, emulsions, amplification and magnetics) [23, 25, 51]. Mit einer dPCR kann man analytische Sensitivitäten von 0,01–0,0005 % erzielen [24, 50, 52, 53]. In diesem Kontext muss erwähnt werden, dass diese Sensitivitäten nur durch ausreichende Ausgangsmengen an DNA gewährleistet werden können, was in vielen Fällen für cfDNA nicht möglich ist.

Eine ebenfalls hoch sensitive und vor allem auch spezifische Methode ist die Identifizierung von chromosomalen Umbauten, wie beispielsweise Translokationen, aus dem Primärtumor, mit einer nachfolgenden Detektion aus Plasma mithilfe von dPCR [54, 55]. Fusionsbruchpunkte können somit in der Blutzirkulation bis zu einem LOD von 0,001 % nachgewiesen werden, wodurch sich dieser Ansatz speziell für die Identifizierung von MRD und die Früherkennung von Rezidiven eignet. Eine breite Anwendung ist im Moment aber noch ausgeschlossen, da der Identifizierung von Bruchpunkten eine Genomsequenzierung (WGS, engl. whole genome sequencing) vorausgeht, welche im Moment noch zu kosten- und zeitintensiv ist.

Next Generation Sequencing basierte Methoden und Unterdrückung der Fehlerraten

Der Vorteil von NGS (engl. next generation sequencing)-basierten Methoden liegt darin, dass umfassendere Analysen von mehreren Genen oder genomischen Regionen möglich sind. Konventionelle NGS-Methoden sind allerdings auf eine Sensitivität zwischen 1–5 % limitiert, da während Amplifikation und Sequenzierung aufgrund mangelnder Genauigkeit der Polymerasen PCR-Fehler oder Sequenzierartefakte in die DNA eingeführt werden können. Durch die starke Fragmentierung und die limitierten Ausgangsmengen an cfDNA wird die Situation noch erschwert, da zumeist die Anzahl der PCR-Zyklen in der Library Präparation im Vergleich zu genomischen DNA-Proben erhöht werden muss, was wiederum zu einer Erhöhung der Fehlerrate führt.

In den letzten Jahren wurden unterschiedliche Ansätze entwickelt, um die Fehlerrate zu minimieren. Ein Algorithmus, entwickelt von Narayan et al., in dem eine Konsensussequenz nach einer Paired-End-Sequenzierung über den überlappenden Bereich gebildet wird, konnte die Fehlerrate von 0,31 % pro Base auf 0,07 % verringern [56]. Mit demselben Ansatz konnte eine japanische Gruppe LODs von 0,01, 0,01 und 0,05 % für die Detektion der EGFR Hotspot Mutationen L858R, L861Q, und T790M aus Plasma erzielen [57, 58].

Eine weitere Möglichkeit, die Fehlerrate zu reduzieren, stellen molekulare Barcoding Strategien dar. Dabei wird bei der PCR jedes Ausgangsmolekül mit einem sog. Unique Identifier (UID), einer kurzen degenerierten Sequenz markiert, die es erlaubt, nach der Sequenzierung alle Tochterstränge zu einer Konsensussequenz zusammenzufassen. Mutationen müssen demnach in allen Sequenzen der Tochterstränge vorkommen, während Artefakte nur in einem Teil der Fragmente zu finden sind. Dieser Ansatz wurde 2011 erstmals von der Vogelstein-Gruppe unter dem Namen Safe-SeqS publiziert und findet eine immer breitere Anwendung [5961]. Kinde et al. konnten durch diese Strategie die Fehlerrate für einzelne Targets um das 15- bis 24-Fache reduzieren. Mit einer Kombination von molekularem Barcoding und ausgefeilten bioinformatischen Algorithmen (iDES, digital error suppression) konnten Newman et al. die Fehlerrate pro Base auf 9 × 10−5 verringern [62]. Im Gegensatz zur Safe-SeqS, bei der UIDs über eine PCR angefügt werden, werden die Barcodes beim sog. CAPP-Seq im Rahmen der Library Präparation ligiert. Mittels einer anschließenden hybridisierungsbasierten Anreicherung von Zielregionen ist es möglich, mehrere Gene gleichzeitig zu analysieren. Die Firma Guardant Health, Inc. (http://www.guardanthealth.com/guardant360/) bietet mit dem Digital SequencingTM eine ähnliche Methode an, mit der nach Sequenzierung von 54 klinisch relevanten Targets eine Auflösung von 0,1 % mutierter Allelfrequenz bei einer analytischen Spezifität von mehr als 99,99 % erreicht wird [63].

Panel Sequenzierung

Obwohl die zielgerichtete Analyse von einzelnen oder wenigen Targets eine hohe Auflösung erreichen kann, ist in vielen Szenarien auch eine umfassendere Analyse von Bedeutung, insbesondere wenn neue Veränderungen, die während der Tumorevolution entstehen können, erfasst werden sollen. Wenn die zu analysierenden Targetregionen auf eine Größe von einigen hundert Kilobasen beschränkt sind, kann eine amplikonbasierte Anreicherung eine kostengünstige Variante darstellen. Für größere Regionen ist allerdings eine hybridisierungsbasierte Anreicherung anzuraten.

Im klinischen Umfeld wird zumeist die Analyse von bekannten prädiktiven bzw. therapierbaren Alterationen favorisiert. Das National Comprehensive Cancer Network (NCCN) empfiehlt beispielsweise für die Auswahl zwölf zielgerichteter Therapien für nicht kleinzellige Lungentumoren (NSCLC, engl. non-small cell lung cancer) die Analyse von sieben Genen (EGFR, ALK, ERBB2/HER2, BRAF, MET, ROS1 und RET) [64]. Eine relativ aktuelle Studie konnte zeigen, dass nach Analyse von 25 sog. Driver-Genen, also Genen, die an Initiierung und Progression des Tumors beteiligt sind, in zehn unterschiedlichen Tumorentitäten zumindest jeweils eine relevante Mutation detektiert werden konnte (Sensitivität 65–77 %) [65]. Obwohl im Bereich der Pathologie eine ganze Reihe von kommerziell erhältlichen sog. Hotspot Panels in Verwendung sind (AmpliSeq Cancer Panel, Life Tech; TruSeq Cancer Amplicon, Illumina; TruSight 15, Illumina; the ThunderBolts™ Cancer Panel, Raindance), gibt es aufgrund technischer Limitationen kaum Daten für cfDNA [66]. In einer kürzlich veröffentlichen Studie wurde nach der Analyse des AmpliSeq Cancer Panel in Plasma-DNA und korrespondierenden Tumorproben eine Konkordanz von 76 % gezeigt [67]. Eine weitere Studie erzielte zwar eine hohe Spezifität (>95 %), allerdings lag die Sensitivität bei Verwendung desselben Panels nur bei 55 %. Eine suboptimale Detektionsrate der Mutation aufgrund niedriger Ausgangsmengen in der Plasma DNA, das Vorliegen der Mutationen mit Allelfrequenzen, die unter der Nachweisgrenze liegen, sowie schlechte DNA-Qualität der Tumorproben und Tumorheterogenität wurden als mögliche Faktoren für diese Ergebnisse angeführt [68]. Aus diesem Grund haben verschiedene Gruppen eigene Panels, die besser für die Analyse von cfDNA geeignet sind, entwickelt. TAm-Seq (tagged-amplicon deep sequencing), etabliert von der Rosenfeld-Gruppe in Cambridge, vereint beispielsweise eine Präamplifikation der Zielregionen im Multiplexansatz mit einer anschließenden selektiven Amplifikation der Region in Singleplex, um nicht spezifische PCR-Produkte zu vermeiden [69, 70]. Dabei kann ein LOD von 2 % bei einer Sensitivität und Spezifität von >99 % erreicht werden. Die zu analysierenden Zielregionen können einfach und rasch für unterschiedliche Tumorentitäten angepasst werden, wodurch eine große Flexibilität für das Design von personalisierten Assays gegeben ist [69].

Eine Limitation von PCR-basierten Ansätzen ist die Tatsache, dass man damit keine komplexen genomischen Alterationen detektieren kann. Ein kostengünstigerer Lösungsansatz als ein WGS ist hierfür die spezifische Anreicherung von Regionen, die in chromosomalen Umbauten involviert sind [21, 71]. In einer aktuellen Studie, in der eine hybridisierungsbasierte Anreicherung mit inkludierten molekularen Barcodes von kodierenden sowie von in Translokationen involvierten Regionen aus Plasma-DNA von NSCLC-Patienten durchgeführt wurde, konnte eine diagnostische Sensitivität und Spezifität von 100 % bei einem Detektionslimit für mutierte Sequenzen von 0,4 % erreicht werden [72]. Eine andere Gruppe machte sich öffentlich zugängliche Sequenzierdaten von Lungentumoren zunutze, um ein Panel zu designen, mit dem in mehr als 90 % der Patienten zumindest eine Mutation detektiert werden kann [73]. Durch das Hinzufügen von molekularen Barcodes konnte deren ursprünglich publizierter CAPP-Seq Ansatz hinsichtlich der analytischen Sensitivität massiv verbessert werden, wobei eine hypothetische Sensitivität von 0,0025 % (2,5 in 105 Molekülen) angegeben wurde [62]. Da eine solch hohe Sensitivität nur durch die Detektion von mehreren Mutationen erzielt werden kann, haben die Autoren das Panel optimiert, sodass bei zumindest 50 % der Patienten mindestens acht Mutationen nachgewiesen werden können.

Exome sequencing

Die erste Exomsequenzierung (WES, whole exome sequencing) aus Plasma-DNA wurde 2013 berichtet; dabei wurden Patienten über mehrere Therapielinien verfolgt, wobei jeweils zum Zeitpunkt der Progression ein WES durchgeführt wurde, während zu den dazwischenliegenden Zeitpunkten die identifizierten Mutationen mit hochauflösenden Methoden gescreent wurden [74]. Mittels dieser Strategie konnten bei allen Patienten resistenzassoziierte Mutationen nachgewiesen werden [74]. Obwohl WES auch in zwei weiteren Studien angewandt wurde, ist es aufgrund der Kosten, der geringen Sensitivität bzw. der umfassenden Interpretation der Varianten wohl nicht die geeignetste Methode für ein Therapiemonitoring [75, 76]. Hingegen erweist sich ein WES aus Tumormaterial für die Identifizierung von patientenspezifischen Mutationen als nützlich, welche dann für ein hochauflösendes, longitudinales Monitoring im Plasma herangezogen werden können [77, 78].

Umfassende genomweite Ansätze

Speziell in späten Stadien unterliegen Tumorgenome einer immensen Dynamik. Die genetische Landschaft von Tumoren und/oder Metastasen kann sich rasch, und in manchen Fällen gravierend, verändern, sodass nicht zielgerichtete, genomweite Ansätze notwendig sind, um diese Änderung zu erfassen [19, 21, 79, 80]. Außerdem erlauben solche Methoden unter anderem eine genomweite Bestimmung von somatischen Kopienzahlveränderungen (SCNA, engl. somatic copy number alteration), die kennzeichnend für 90 % der soliden bzw. 50 % der hämatologischen Malignitäten sind [81]. Zudem sind Onkogene häufig von Änderungen der Kopienzahl betroffen und eine erhöhte Anzahl an SCNAs ist mit einer schlechteren Prognose assoziiert [8284]. Kopienzahlanalysen, die traditionell mittels Array-CGH oder SNP-Arrays bestimmt wurden, werden seit Einführung des NGS mehr und mehr durch WGS abgelöst [14, 85]. Dabei wird das Genom virtuell in definierte Abschnitte unterteilt, in denen dann die generierten Sequenzinformationen gezählt und mit einem Erwartungswert bzw. einer Kontrollpopulation verglichen werden. Die Etablierung von SCNAs aus Plasma anhand von low-coverage WGS, wie beispielsweise die von uns etablierte plasma-Seq Technologie, hat sich als eine äußerst effektive Methode erwiesen, um rasch und kostengünstig die Plastizität und Evolution von Tumoren zu erfassen [21, 75, 86, 87]. Das erste WGS aus Plasma wurde 2012 publiziert [55]. In den folgenden Jahren wurden dann weitere Ansätze, hauptsächlich von uns und der Gruppe um Dennis Lo, etabliert [19, 21, 75, 79, 86, 87]. Mittels einer kombinierten Analyse von SCNAs und Hypomethylierung konnte die Lo-Gruppe eine diagnostische Sensitivität und Spezifität von 74 % bzw. 94 % im Vergleich zu den korrespondierenden Tumorproben erzielen [79].

Wie auch bei der WES ist die fehlende analytische Sensitivität bei diesen Analysen die größte Limitation [3]. Mit unserer plasma-Seq Methode ist es möglich, SCNAs mit einer Sensitivität und Spezifität von 80 % zu detektieren, wenn 5–10 % der cfDNA im Plasma vom Tumor stammt. Allerdings kann es sogar bei hochmetastasierten Patienten aufgrund der im ersten Abschnitt dargelegten Parameter vorkommen, dass dieser Cut-Off nicht erreicht wird [6, 21, 55, 75] und bei rund 20–30 % der Patienten können mit diesen Methoden keine informativen Ergebnisse erzielt werden. Um jene Patienten vorab zu identifizieren, bei denen ausreichend Tumor-DNA für genomweite Analysen in der Zirkulation vorhanden ist, haben wir kürzlich eine pre-screening Methode entwickelt [88]. Das sog. mFAST-SeqS basiert auf einer selektiven Amplifikation von LINE1-Sequenzen, die im gesamten Genom verteilt vorliegen. [88]. Ähnlich wie bei der genomweiten Kopienzahlanalyse werden die generierten LINE1-Sequenzen gegen das Genom kartiert und pro Chromosomenarm gezählt. Das Ausmaß einer möglichen Abweichung wird durch den Vergleich mit Kontrollproben in einem z‑Score zum Ausdruck gebracht. Die Summe aller chromosomenarmspezifischen z‑Scores ist ein generelles Maß für Aneuploidie und reflektiert den Anteil der tumorspezifischen DNA in der Probe [88].

Potenzielle klinische Anwendungen von hochauflösenden Methoden

Die gezielte Analyse von bekannten prädiktiven Targets sowie die frühzeitige Identifizierung von Resistenzmechanismen aus Plasma ist zur Zeit die Anwendung, die am ehesten ihre Verwendung in der Klinik findet. Allerdings bedarf es hier hochauflösender Methoden, damit etwaige Resistenzmutationen frühzeitig auch bei geringen Tumorfraktionen im Plasma detektiert werden können.

Speziell bei Kolon- und Lungenkarzinomen bekommt die molekulargenetische Charakterisierung der Tumore immer mehr Bedeutung, um beispielsweise das Ansprechen auf EGFR-gerichtete Therapien vorherzusagen [89]. Lungentumore, die aktivierende Mutationen im EGFR-Gen tragen, sprechen in der Regel gut auf eine Klasse von Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) an [90]. Allerdings kommt es bei fast allen Patienten nach einem initial guten Ansprechen innerhalb von zwölf Monaten zur Resistenz [91]. Die Resistenz ist in den meisten Fällen (~60 %) auf das Auftreten einer sekundären EGFR-Mutation (T790M) zurückzuführen. Da mittlerweile eine zweite Generation von TKIs auf dem Markt ist, die auch bei Vorhandensein der Resistenzmutation zu einer EGFR-Blockade führen, ist die frühzeitige Identifizierung der Resistenzmutation von großem klinischen Interesse [92, 93], wobei die Analyse von ctDNA aus Plasma hier immenses Potenzial zeigt. In einer bereits 2011 veröffentlichten Studie konnte mit der BEAMing-Methode bei 43 % der resistenten Patienten die T790M-Mutation im Plasma nachgewiesen werden [94]. Eine aktuelle Studie erzielte unter Verwendung von ddPCR einen positiven prädiktiven Wert von 100 % für zwei aktivierende EGFR-Mutationen (19 del, L858R) sowie 74 % für die Detektion von T790M [95].

Ein überaus wichtiger Punkt ist zudem, dass Resistenzmutationen im Plasma auch dann nachgewiesen werden können, wenn eine zeitgleiche Biopsie nicht möglich ist oder ein negatives Ergebnis liefert [96, 97]. Der Nachweis der T790M-Mutation aus Plasma kann somit in vielen Fällen ein Therapieversagen vorhersagen, lange bevor eine klinische Progression evident ist, woraufhin die Therapie frühzeitig adaptiert werden kann.

Da Mutationen in KRAS ebenfalls anerkannte Resistenzmechanismen auf eine EGFR-Blockade darstellen, und rund 40 % der Kolontumore KRAS-Mutationen aufweisen, ist KRAS ein negativer Prädiktor für eine Anti-EGFR-Therapie. Daher wird bei Kolontumoren routinemäßig eine Bestimmung des KRAS-Mutationsstatus durchgeführt. Ähnlich wie bei Lungenkarzinomen ist die Ansprechrate von Patienten mit Kolorektalkarzinomen mit KRAS-Wildtyp-Tumoren anfangs sehr gut, allerdings kommt es auch hier in dem meisten Fällen nach sechs Monaten zur Progression. Wie bei den Lungenkrebspatienten können auch hier Resistenzmechanismen aufgrund von KRAS-Mutation oder Amplifikationen frühzeitig im Plasma detektiert werden [98, 99].

Mittlerweile gibt es auch Studien, welche die Verwendung von ctDNA zur Detektion von MRD bzw. Früherkennung von Rezidiven belegen, wofür sich aufgrund der hohen Sensitivität und Spezifität speziell der Nachweis von tumorspezifischen chromosomalen Umbauten eignet. Garcia-Murillas et al. konnten bei Patientinnen mit lokalisiertem Brustkrebs nach neoadjuvanter Therapie und Operation mit kurativer Intention mittels dPCR aus dem Tumor etablierte Fusionsbruchpunkte im Schnitt acht Monate vor dem Auftreten eines Rezidivs im Plasma nachweisen. Im Gegensatz dazu konnten bei Patientinnen mit Mammakarzinom und einem Langzeit-progressionsfreien Überleben keine tumorspezifischen Veränderungen im Plasma detektiert werden [100]. Eine schwedische Gruppe lieferte ähnliche Ergebnisse: Das Vorhandensein von ctDNA, ebenfalls gemessen anhand spezifischer Fusionsbruchpunkte mit dPCR, erlaubte die Diskriminierung von Patientinnen mit Rezidiven und jenen mit Langzeit-progressionsfreiem Überleben, wobei das Auftreten der Rezidive bis zu zehn Monate vorhergesagt werden konnte [101].

Klinischer Nutzen von umfassenden Mutationsanalysen

In vielen Tumorentitäten, beispielsweise bei Brustkrebs gibt es, im Gegensatz zu Kolon- und Lungentumoren oder auch dem Melanom, keine rekurrent auftretenden aktivierenden oder resistenzverleihenden Mutationen. Daher wird für ein effektives Therapiemonitoring solcher Entitäten eine umfassendere Analyse benötigt. Die Verwendung von Genpanels kann einerseits zu einer nicht invasiven Identifizierung von neu aufkommenden Therapiezielen beitragen, andererseits ermöglicht eine breite Genanalyse auch Einblicke in die Heterogenität und Evolution der Tumore [102]. In einer Proof-of-Principle Studie haben De Mattos-Arrunda et al. 300 Gene bei einer Brustkrebspatientin (ER+/Her2) im Tumor, einer Lebermetastase sowie in der Plasma-DNA sequenziert [103]. Obwohl in der Metastase Mutationen gefunden wurden, die im Primärtumor nicht nachgewiesen werden konnten, reflektierte die ctDNA Aberrationen aus beiden Tumorgeweben [103]. Butler et al., konnten nach WES mehr Gemeinsamkeiten zwischen einer Lebermetastase und der ctDNA als mit dem Primärtumor finden, was für eine klonale Selektion unter der verabreichten Anastrozol Therapie spricht. Während im Primärtumor eine PIK3CA Hotspot Mutation detektiert wurde, die im Plasma und der Metastase nicht nachgewiesen werden konnte, trat dort eine neue ESR1-Mutation auf, die mit großer Wahrscheinlichkeit für das Therapieversagen verantwortlich war [76]. Dieselbe Gruppe, die erstmalig WES aus Plasma publizierte, hat kürzlich einen Case Report veröffentlicht, indem sie bei einer metastasierten Brustkrebspatientin extensive Vergleiche der Mutationen in multiplen Biopsien und Plasmaproben anstellte. Die Ergebnisse zeigten, dass Plasma-DNA die Größe und Aktivität von unterschiedlichen Subklonen widerspiegelt und sogar ein differenzielles Therapieansprechen unterschiedlicher Metastasen reflektiert.

Bedeutung von genomweiten Analysen

Während die Entstehung und Progression einer Reihe von Tumoren eher von Mutationen in bestimmten onkogenen Pathways getrieben ist, findet man bei anderen Entitäten keine rekurrent mutierten Gene und auch insgesamt eine geringere Mutationslast. In diesen Tumoren findet sich häufig eine genomische Instabilität und daraus resultierend eine Reihe von SCNAs [104]. Daher ist hier eine Analyse von SCNAs für die Identifizierung von Resistenzmechanismen oder Therapiezielen von großer Bedeutung.

Bei Patienten mit Prostatakarzinom unter Hormontherapie konnte anhand von ctDNA-Analysen eine Assoziation zwischen dem Vorliegen von bestimmten SCNAs und dem klinischen Outcome gezeigt werden [105]. Die vermehrte Entstehung von fokalen Amplifikationen in fortgeschrittenen Stadien, was auf eine hohe Plastizität der Tumore hindeutet, konnte von uns kürzlich aus dem Plasma nachgewiesen werden [80]. Zudem konnten wir auch umfassende klonale Veränderungen in der Plasma-DNA beobachten, welche höchstwahrscheinlich auch mit einer Diversifizierung des Tumors einhergehen. Ähnliche Daten zeigen Carreiera et al., die im Tumorgewebe sowie in der Zirkulation mehrere unabhängige Klone detektieren konnten, die zu Therapieresistenzen beitragen [106].

Auch in anderen Entitäten unterliegen viele Resistenzmechanismen Kopienzahlveränderungen. Neben Mutationen in den Genen KRAS oder EGFR zeigen sich unter anderem auch fokale Amplifikationen von KRAS und MET bei progredienten Patienten unter Anti-EGFR-Therapie, die aus dem Plasma nachgewiesen werden können [86]. Diese und viele weitere Daten weisen auf eine äußerst komplexe Dynamik von Tumoren hin und unterstreichen die Notwendigkeit von kontinuierlich erfassten, genetischen Follow-up-Daten.

Zusammenfassung und Ausblick

Der technologische Fortschritt auf dem Gebiet der ctDNA Analytik hat eine breite Implementierung in die Klinik in greifbare Nähe gebracht. Das Potenzial von ctDNA als Biomarker ist unbestritten, da in unzähligen Studien der klinische Nutzen für ein verbessertes Therapiemanagement von Krebspatienten belegt wurde. Mittels genomweiter Analysen erlaubt die Analyse der ctDNA, insbesondere in fortgeschrittenen Stadien, ein umfassendes Therapiemonitoring, das es den behandelnden Ärzten erlaubt, möglichst rasch auf Veränderungen im Tumor zu reagieren und somit ihren Patienten teure Behandlungen mit teils sehr toxischen Medikamenten ab dem Augenblick zu ersparen, in dem diese ohnehin nicht mehr wirksam wären. Außerdem können neue Therapieziele, die im Laufe der Erkrankung auftreten, identifiziert werden und so dem Patienten zu neuen Therapiemöglichkeiten verhelfen. ctDNA bietet außerdem eine einzigartige Gelegenheit, mehr über Metastasierungsprozesse und die damit verbundenen Signalwege zu erfahren.

Anhand von hochauflösenden Methoden ist es möglich, ctDNA-Analysen auch schon in frühen Stadien, in denen der Anteil der Tumor-DNA in der Zirkulation oft nur sehr gering ist, durchzuführen und so frühzeitig das Auftreten eines Rezidivs vorherzusagen. Trotz all dieser methodischen Möglichkeiten fehlt es aber im Moment noch an etablierten internationalen Qualitätsstandards, wie und in welchem Umfang ctDNA-Analysen durchgeführt werden sollen. Die Notwendigkeit für einen Konsens über die präanalytischen und analytischen Strategien sowie die nachfolgende Befundung, Interpretation und Konsequenzen für Betroffene ist offensichtlich und entsprechende Konsortien wie beispielsweise das Cancer-ID (http://www.cancer-id.eu/) befassen sich mit entsprechenden Anforderungen, um eine erfolgreiche Implementierung der Liquid Biopsy als validen klinischen Test voranzutreiben.