Das Professionswissen als zentraler Aspekt der professionellen Kompetenz von Lehrkräften hat einen starken Einfluss auf die Unterrichtsqualität und die Schülerleistungen (Bransford et al. 2005; Hill et al. 2005; Baumert und Kunter 2006; Baumert et al. 2010). Professionswissen wird üblicherweise in die Kategorien Fachwissen, fachdidaktisches Wissen sowie pädagogisches Wissen der Lehrkraft eingeteilt (Shulman 1987; Baumert und Kunter 2013). Die bisherige Forschung fokussierte primär auf die Untersuchung des Fachwissens und des fachdidaktischen Wissens (Hill et al. 2005; De Jong et al. 2005; Loewenberg et al. 2008; Krauss et al. 2008; Baumert et al. 2010), weniger Beachtung fand bislang das pädagogische Wissen. Im deutschsprachigen Raum haben sich erst in jüngerer Zeit vermehrt unterschiedliche Projekte der Erforschung des pädagogisches Wissens gewidmet (z. B. BilWiss, Kunina-Habenicht et al. 2012; COACTIV, Voss et al. 2011; KiL-Projekt, Kleickmann et al. 2014; ProWin, Tepner et al. 2012; TEDS-M, König et al. 2011). Aufbauend auf unterschiedlichen Definitionen von pädagogischem Wissen – zum Teil erweitert auf pädagogisch-psychologisches Wissen oder bildungswissenschaftliches Wissen − wurden verschiedene Testinstrumente entwickelt, die die jeweiligen Konstrukte reliabel und valide messbar machen sollen. Vor dem Hintergrund dieser Vielzahl an Projekten stehen in diesem Heft einerseits ein Überblick in einem Stichwortartikel und andererseits drei einzelne empirische Studien zum pädagogischen Wissen im Mittelpunkt.

Der Stichwortartikel von Thamar Voss und Kollegen macht deutlich, dass die Untersuchung von pädagogischem Wissen in Deutschland ein prominentes Anliegen ist und es eine ganze Reihe an Projekten gibt (exemplarisch werden acht Projekte vorgestellt), die sich mit der Konstruktion von Testinstrumenten zur Erfassung des pädagogischen Wissens befassen und dabei unterschiedlichen Definitionen des Konstrukts folgen und verschiedene Zielgruppen haben (Lehramtsstudierende, Referendarinnen und Referendare sowie Lehrkräfte). Voss und Kollegen geben einen detaillierten Überblick über die jeweiligen Konzeptionen des pädagogischen Wissens und heben Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ansätze hervor. Des Weiteren stellen sie überblicksartig Studien und deren Ergebnisse vor, die die Entwicklung und Förderung von pädagogischem Wissen untersuchen. Abschließend werden offene Forschungsfragen diskutiert. Der Stichwortartikel ermöglicht einen tiefen Einblick in die letzten zehn Jahre der Forschungspraxis im deutschsprachigen Raum in Bezug auf das pädagogische Wissen. Er verdeutlicht, dass die Untersuchung von pädagogischem Wissen derzeit meist auf die Entwicklung von Testinstrumenten beschränkt ist, dass weitergehende Erforschung aber unbedingt notwendig ist.

Gerlinde Lenske und Kollegen stellen eine Studie vor, die den Test zur Erfassung pädagogisch-psychologischen Wissens, welcher im Rahmen des ProWin-Projekts (Professionswissen in den Naturwissenschaften) für Lehrkräfte der Fächer Biologie, Chemie und Physik entwickelt wurde, evaluieren soll. Das Testinstrument hat den Anspruch, deklaratives und konditional-prozedurales pädagogisches Wissen von Lehrkräften unterrichtsnah und anwendungsbezogen zu erfassen. Die vorgestellten Ergebnisse einer Pilot- und einer Hauptstudie zeigen, dass die Skalen des Tests analytisch trennbar sind und die Messung des Konstrukts reliabel erfolgt. Zum Teil liegen allerdings geringe Trennschärfen der Items vor. Im Rahmen der Hauptstudie konnten Hinweise auf die Konstruktvalidität des Instruments identifiziert werden. Die Erfassung pädagogischen Wissens mit zwei Skalen zu deklarativen und konditional-prozeduralen Wissen stellt einen neuen Trend in der Forschung dar, da in den vorangegangenen Arbeiten vermehrt das deklarative Wissen fokussiert wurde.

Ziel des Beitrags von Johannes König und Stefan Klemenz ist ein Vergleich der Wirksamkeit der Lehrerausbildung für den Ausbau des pädagogischen Wissens zwischen Deutschland und Österreich. Der Test zur Erfassung von pädagogischem Wissen, welcher im Rahmen des internationalen Forschungsprogramms TEDS-M (Teacher Education Development Study- Learning to Teach Mathematics) entwickelt wurde, wird in der Studie EMW (Entwicklung berufsspezifischer Motivation und pädagogischem Wissen in der Lehrerausbildung) eingesetzt. Diese Studie untersucht in einem längsschnittlichen Forschungsdesign in Deutschland, Österreich und der Schweiz u. a. die Entwicklung von pädagogischem Wissen. Fokus der vorgestellten Studie ist die Entwicklung des pädagogischen Wissens in Deutschland und Österreich. Es zeigt sich, dass sowohl in Deutschland als auch in Österreich zu zwei Messzeitpunkten ein Wissenszuwachs bei Lehramtsstudierenden zwischen dem ersten und fünften Semester vorliegt. König und Klemenz zeigen weiterhin, dass unterschiedliche schulpraktische Lerngelegenheiten einen Einfluss auf die Testergebnisse ausüben (österreichische Studierende zeigen höhere Zuwächse in der Dimension „Kreieren/Generieren von Handlungsoptionen“). In Österreich sind die schulpraktischen Lerngelegenheiten umfangreicher als in Deutschland.

Johanna Kaiser und Kollegen stellen als Abschluss des Thementeils eine Studie vor, die es erstmalig ermöglicht, in einem experimentellen Design den Einfluss von Schülermerkmalen auf Leistungsurteile zu untersuchen. Die Studie stellt einen interessanten Ansatz vor, prozedurales Wissen der Lehrkräfte bei der Leistungsbeurteilung als Bestandteil des pädagogischen Wissens der Lehrkräfte zu untersuchen. Dazu wurde das Schülerinventar entwickelt, mit dessen Hilfe die diagnostische Kompetenz von Lehrkräften im experimentellen Setting erfasst werden kann. Die diagnostische Kompetenz wird als die Urteilsgenauigkeit bei der Beurteilung von Schülerleistungen verstanden. In dem Schülerinventar werden dem Probanden urteilsrelevante und irrelevante Informationen zu Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt. Relevante Informationen sind z. B. Informationen über die schriftliche und mündliche Leistung der Schülerinnen und Schüler, nicht direkt beurteilungsrelevante Informationen sind Angaben über das Geschlecht, Leistungen in anderen Fächern oder motivationale Variablen. Der Proband wird aufgefordert, die Leistung der Schülerinnen und Schüler zu beurteilen, so dass eine handlungsnahe Erfassung der diagnostischen Kompetenz möglich wird. Die Ergebnisse zeigen, dass die Lehrkräfte sich in ihren Urteilen von nicht direkt leistungsrelevanten Merkmalen (wie Leistungen in anderen Fächern, Intelligenz) beeinflussen lassen.

Zusammenfassend machen die vorliegenden Arbeiten deutlich, dass die Entwicklung des pädagogischen Wissens in der Lehrerausbildung ein wichtiges Forschungsfeld darstellt. Der Stichwortartikel von Thamar Voss und Kollegen ermöglicht einen lange vermissten Überblick über bestehende Forschungsarbeiten und strukturiert das Forschungsfeld. Die weiteren Arbeiten gehen insofern über die bestehende Forschung hinaus, da sie sich einerseits mit der Konzeptualisierung des Wissens (deklarativ/prozedural) befassen, Unterschiede in der Lehramtsausbildung im Ländervergleich identifizieren und eine prozedurale Erfassung einer Facette des pädagogischen Wissens ermöglichen. Die Arbeiten verdeutlichen, dass die in vielen Projekten entwickelten Testinstrumente künftig dazu eingesetzt werden sollten, die Aspekte im Lehramtsstudium sowie im späteren Beruf zu identifizieren, die einen Aufbau und eine stetige Optimierung pädagogischen Wissens unterstützen.