Zusammenfassung
Durch den Bologna-Prozess hat die Diskussion über die Beziehung zwischen Theorie und Praxis in der universitären (Aus-)Bildung neue Impulse erhalten. Dabei wird häufig nicht definiert, was mit „Praxisbezug“ genau gemeint ist. Der vorliegende Artikel basiert auf der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Praxisbegriff von Wildt (2007), der fünf Ebenen unterscheidet: 1. Qualifikation, 2. Professionalität, 3. Schlüssel-Kompetenz, 4. Employability, 5. Citizenship. Ziel des Beitrags ist es festzustellen, was unterschiedliche Akteursgruppen unter Praxisbezug im Fach Medien- und Kommunikationswissenschaft verstehen. Dazu wurden drei quantitative sowie qualitative Studien herangezogen, die am Fachbereich Kommunikationswissenschaft in Salzburg entstanden sind und die Perspektiven von Studienanfänger/inne/n, Absolvent/inn/en sowie potentiellen Arbeitgeber/inne/n abbilden. Die Ergebnisse legen nahe, dass sich Studienanfänger/innen stärker an einer engen Definition von Praxisbezug orientieren und vom Studium eine Berufsausbildung einfordern. Ehemalige und Personalverantwortliche hingegen erwarten eher Schlüsselkompetenzen und Employability. Allen ist aber gemeinsam, dass sie vermehrt Praxisbezüge im Studium wünschen.
Abstract
The Bologna reform process has given the debate on the relationship between theory and practice in academic education a new twist and a renewed relevance. Often enough, an orientation towards more “practice” is demanded of the universities. However, the empirical data presented in this article shows that practice orientation is a vague concept and open to different interpretations. Based on a theoretical elaboration of five levels of practical orientation by Wildt (2007), who distinguishes between Qualification, Professionalism, Key skills, Employability and Citizenship, this paper shows the often only implicitly voiced definitions of the concept in media and communication by different stakeholders. Three quantitative and qualitative studies were combined to analyze the perspectives of first-year university students, alumni and potential employers. While all of them see practical orientation as relevant for a university education, the results suggest that first-year students use a narrower definition than the other groups. In their majority they expect a professional training that prepares them for specific positions in the job market. Alumni and employers put more emphasis on key skills and employability.
Notes
Bei den übrigen neun Befragten lag der Studienabschluss entweder vor dem Jahr 2000 oder das Studium wurde im Wesentlichen in den 1980er und 90er Jahren absolviert und erst nach einer mehrjährigen Pause nach 2000 abgeschlossen. Da 2001 der Studienplan auf Bachelor/Master umgestellt und umfangreich reformiert wurde, sind die Studienerfahrungen dieser Personen von denen der anderen Befragten so verschieden, dass sie hier nicht berücksichtigt wurden.
Dies scheint vor allem ein österreichisches Phänomen zu sein, wobei aufgrund der geringen Anzahl an deutschen Befragten die Daten nur Hinweise liefern können: Während 37 % der 208 Österreicher/innen sehr zustimmen, tut dies keiner der 22 Deutschen. Im Gegenteil stimmen 55 % der Deutschen dem wenig bis nicht zu, gegenüber lediglich 23 % der Österreicher/innen.
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Klaus, E., Dürager, A. & Kirchhoff, S. Mehr als der Gegensatz von Theorie. Publizistik 60, 147–164 (2015). https://doi.org/10.1007/s11616-015-0231-y
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