Zusammenfassung
Hintergrund
Mit dem Pädiatrischen Anhaltsbogen liegt ein Erhebungsverfahren zur Einschätzung von psychosozialem Unterstützungsbedarf von Familien mit kleinen Kindern in pädiatrischen Früherkennungsuntersuchungen vor. Primäres Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Anwendung des Pädiatrischen Anhaltsbogens in der Praxispädiatrie erstmalig zu evaluieren.
Material und Methoden
Die Zielgruppe bildeten Familien mit Säuglingen, die zur Früherkennungsuntersuchung U5 in den teilnehmenden pädiatrischen Praxen gesehen wurden. Die teilnehmenden Familien (n = 385) wurden von 28 Pädiatern in Freiburg und München anhand des Pädiatrischen Anhaltsbogens hinsichtlich eines psychosozialen Hilfebedarfs eingeschätzt. Eine Teilmenge dieser Familien (n = 161) wurde anschließend anhand eines ausführlichen Forschungsinterviews zur ihren psychosozialen Belastungen befragt.
Ergebnisse
Von den 385 teilnehmenden Familien wiesen 51 (13,2 %) aus Sicht der Kinder- und Jugendärzte Eintragungen im Pädiatrischen Anhaltsbogen auf. Bei knapp zwei Drittel der aus ärztlicher Sicht belasteten Familien stimmten die Interviewer mit den Ärzten überein. Waren Familien aus ärztlicher Sicht anhand des Anhaltsbogens nicht belastet, traf dies bei 72 % dieser Familien auch im Interview zu.
Diskussion
Aufgrund erheblicher Unterschiede der beiden Erhebungskontexte (pädiatrische Praxis und häusliches Umfeld der Familien) in Bezug auf die Beobachtbarkeit, Bewertung und Besprechbarkeit einzelner psychosozialer Belastungen ist die Übereinstimmung der ärztlichen Einschätzung mit dem Forschungsinterview als gut zu bewerten.
Abstract
Background
A pediatric documentation form on psychosocial issues has been developed, which enables pediatricians to assess the need for psychosocial support of families with small children in early detection screening visits. The primary goal of this study was to evaluate the practical use of this pediatric documentation form by resident pediatricians.
Materials and methods
Families who presented their 6-month-old baby for a routine check-up visit (U5) at the participating resident pediatric practices were the target group. A total of 385 familes were assessed with the pediatric documentation form by 28 pediatricians in Freiburg and Munich in Germany. Some of these families (n = 161) were subsequently questioned about the psychosocial stress in a detailed research interview.
Results
Among the 385 families there were 51 cases (13.2 %) in which pediatricians had documented psychosocial problems. The interviewers were in accordance for almost two thirds of the families who had been seen as psychosocially stressed by pediatricians. For those families who had been evaluated as not being affected by psychosocial stress by pediatricians, the interviewers made the same evaluation in 72 %.
Discussion
Taking into account the large differences in both settings used in this study (i.e. pediatric practice and homes of the families) with respect to observation, evaluation and the possibility to address particular psychosocial stressors, the correspondence of the pediatric assessment and that made in the interview can be evaluated as good.
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Danksagung
Die Autoren bedanken sich sehr herzlich bei allen an der Studie beteiligten Familien und Pädiatern, sowie beim Nationalen Zentrum Frühe Hilfen für die Förderung der Studie. Des Weiteren danken wir dem Freiburger und Münchner Studienteam, insbesondere Lorena Krippeit, Heike Martens-Le Bouar, Anna Friedmann, Julia Ufer, Lena Tillmann und Annika Fischer.
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Interessenkonflikt
F. Belzer, L. Kleinert, A. Buchholz, V. Mall und M. Barth geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder Tieren. Die Studie wurde mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission durchgeführt.
Additional information
Die Studie wurde gefördert durch das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH), Köln.
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Belzer, F., Kleinert, L., Buchholz, A. et al. Pädiatrische Einschätzung von elterlichen Belastungen und Unterstützungsbedarf. Präv Gesundheitsf 10, 314–319 (2015). https://doi.org/10.1007/s11553-015-0513-2
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Issue Date:
DOI: https://doi.org/10.1007/s11553-015-0513-2
Schlüsselwörter
- Belastungen, psychosoziale
- Frühe Hilfen
- Kinder- und Jugendhilfe
- Früherkennungsuntersuchungen
- Schlafstörungen