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In den USA ist ein unkontrollierter und übermäßiger Gebrauch von verschreibungspflichtigen Opioiden mittlerweile zu einem großen Problem geworden. So sterben mehr Menschen an verschreibungspflichtigen Opioiden als an Heroin und Kokain zusammen. Seit 2009 kommen sogar mehr Menschen durch Medikamentenüberdosierungen als durch Verkehrsunfälle ums Leben.

Ob es jedoch auch außerhalb der USA eine „Opioid-Epidemie“ gibt, ist umstritten. Eine vor Kurzem publizierte Studie aus Norwegen legt nahe, dass jeder Vierte mit einer Opioid-Langzeittherapie aufgrund chronischer nichttumorbedingter Schmerzen (CNTS) an der Medikation hängen bleibt [1].

In Deutschland scheinen nach AOK-Daten sowohl die Opioidverschreibungen aufgrund von CNTS insgesamt als auch der Anteil von Langzeitbehandelten zuzunehmen: Im Jahr 2000 haben rund 5,3% der Versicherten ohne Karzinomdiagnose mindestens eine Verordnung eines opioidhaltigen Analgetikums bekommen, im Jahr 2010 waren es 6,9%, heißt es in der Leitlinie „Opioide, Langzeitanwendung zur Behandlung bei nicht tumorbedingten Schmerzen“ [2]. Eine Langzeittherapie über 90 Tage hinweg hatten von diesen Patienten im Jahr 2009 7,5% erhalten, 2001 waren es 4,3%. Damit hätten bis vor einigen Jahren deutlich weniger als ein halbes Prozent der Versicherten eine Opioid-Langzeittherapie erhalten.

Zunahme der Langzeittherapien

Nach einer aktuellen Auswertung der Barmer GEK dürfte dieser Anteil mittlerweile deutlich höher liegen. Ärzte um PD Winfried Häuser von der Klinik für Innere Medizin in Saarbrücken haben Angaben zu 870.000 Versicherten aus dem Jahr 2012 ausgewertet. Von diesen hatten 1,3% eine Opioid-Langzeittherapie aufgrund von CNTS erhalten. Allerdings lassen sich die Zahlen nur schwer vergleichen, da häufig unterschiedliche Definitionen verwendet werden. Die Ärzte um Häuser gingen in ihrer Analyse von einer Langzeittherapie aus, wenn Patienten über drei Quartale hinweg mindestens eine Verschreibung pro Quartal bekommen hatten.

Im Schnitt lag die Opioiddosis bei 58 mg Morphinäquivalent (MEQ) pro Tag, eine Hochdosistherapie (über 100 mg/d) hatten 15,5% der Patienten mit Langzeittherapie bekommen, und in dieser Gruppe lag die MEQ-Dosis im Mittel bei 173 mg/d.

Das Gros der Verschreibungen ging an Versicherte im Alter von über 60 Jahren — meist aufgrund von chronischen Rückenbeschwerden, Bandscheibenproblemen und Arthroseschmerzen. Bei den älteren Patienten verordneten die Ärzte etwas seltener eine Hochdosistherapie als bei den jüngeren. Auch waren die Patienten mit Hochdosistherapie gehäuft Männer und benötigten tendenziell öfter Antikonvulsiva und Antidepressiva als solche mit konventionellen Dosierungen.

Keine Opioidintoxikationen

Unter den rund 12.000 Patienten mit Opioid-Langzeittherapie im Jahr 2012 wurde keine einzige Klinikeinweisung aufgrund einer Intoxikation mit narkotischen Substanzen festgestellt, und weniger als 1% der Behandelten mussten aufgrund von psychischen oder mentalen Auffälligkeiten, die durch psychoaktive Substanzen ausgelöst wurden, in eine Klinik. „Die Seltenheit solcher Berichte in Europa deutet wohl darauf hin, dass Opioidabhängigkeit und -missbrauch hier noch wenig problematisch sind“, folgern die Autoren der Studie.