Mit der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) kann die Aktivierung bestimmter Hirnareale beobachtet werden, insbesondere bei bestimmten kognitiven Aufgaben oder Reizen. Bei Frauen und Männern haben sich geschlechtsspezifische Muster gezeigt. Von besonderem Interesse sind die Aktivierungsmuster bei Trans*Menschen im Hinblick darauf, ob diese Muster eher dem biologischen oder dem Wunschgeschlecht entsprechen.

Die Definitionen und Schreibweisen von Transgendern – als Oberbegriff – werden selbst innerhalb der eigenen Netzwerke und Vereine nicht einheitlich verwendet. Wir haben uns für die Schreibweise Trans* entschieden, um zu verdeutlichen, dass hierunter diverse Geschlechtsidentitäten verstanden werden können, beispielsweise die Identifikation mit dem gegengeschlechtlichen Geschlecht, aber auch eine fehlende Identifikation mit den binären Geschlechtern Mann und Frau.

Grundlagen und Verfahren der Magnetresonanztomographie

Durch Handlungen, Emotionen, visuelle oder taktile Stimulationen sowie jegliche Reize werden spezifische Aktivitätsmuster in bestimmten Regionen des Gehirns ausgelöst. Diese können mithilfe des Blood-oxygenation-level-dependent(BOLD)-Kontrast in der fMRT dargestellt werden. Dabei werden Unterschiede in der Durchblutung gemessen. Areale, die stärker durchblutet werden, gelten als Areale, in denen gerade eine gesteigerte neuronale Aktivität vorliegt. Bei der Durchführung von bestimmten Aufgaben ist die Mitarbeit der Probanden von Bedeutung; auch haben die Gerätequalität und die Auswahl der statistischen Methoden Einfluss auf die Ergebnisse. Die sogenannte Resting-state-fMRT (rsfMRT, Ruhezustand) stellt regionale Hirnaktivitäten analog zur fMRT dar, allerdings ohne dass eine bestimmte Aufgabe oder Handlung ausgeführt werden würde. Auch Konnektivitätsstudien zur Darstellung der Interaktion bestimmter Hirnregionen können mithilfe dieser Methode durchgeführt werden.

Als Konnektivitätsstudie gilt auch die Darstellung von Nervenfaserverbindungen durch diffusionsgewichtete Auswertungen. Anhand der Diffusionsrichtung von Flüssigkeiten gemessen mit dem „diffusion tensor imaging“ (DTI) lässt sich der Faserverlauf rekonstruieren. Sowohl anatomische als auch funktionelle Netzwerke können dargestellt werden.

Die voxelbasierte Morphometrie (VBM) basiert auf der statistischen Analyse von MRT-Daten, wobei neuroanatomische Strukturen und Besonderheiten der grauen und weißen Substanz herausgearbeitet werden können. Häufig wird mit dieser Methode die Dicke der grauen Substanz analysiert. Alle diese Verfahren haben jedoch das Problem, dass sie häufig nicht der Einzelanalyse von Pathologien dienen. Für die individuelle Diagnosestellung sind sie zumindest bislang nicht geeignet.

In früheren Studien diente die Positronenemissionstomographie (PET) der Darstellung von Hirnaktivitäten mithilfe bestimmter radioaktiver Nuklide. Diese Methode kann ebenfalls die vermehrte Durchblutung aufgrund von Nervenzellaktivitäten darstellen. Der Vorteil ist, dass die Nuklide ein sehr viel höheres Signal haben als der BOLD-Kontrast in der MRT. Damit sind „Direktbeobachtungen“ möglich, wofür in der MRT eine Aufgabe mehrfach ausgeführt werden müsste. Je nach Fragestellung kann dies schwierig sein und Einfluss auf die Art der Hirnaktivität haben. Die PET ist jedoch mit einer Strahlenbelastung für die Probanden verbunden, sodass ihr Einsatz limitiert ist.

Geschlechtsspezifische Unterschiede in der fMRT

Trotz individueller Unterschiede in den fMRT-Aktivitätsmustern fallen im Vergleich verschiedener Gruppen, beispielsweise Männer und Frauen, jeweils Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede auf.

Erotische Stimuli

Geschlechtsspezifische Unterschiede der zerebralen Aktivierung konnten beispielsweise während der Präsentation erotischer Stimuli in kurzen Filmsequenzen gezeigt werden [2, 4, 10, 17, 18, 41]. Das Lösen bestimmter Denkaufgaben zeigt durch Präsentation entsprechender Paradigmen in der fMRT in manchen Studien geschlechtsspezifische Unterschiede [1, 5, 7, 19, 29, 32, 33, 37, 45].

Sehr grob zusammenfassend sind typischerweise folgende Teile des Gehirns an der Verarbeitung sexueller Reize beteiligt:

  • Hypothalamus

  • Zingulärer und orbitofrontaler Kortex

  • Putamen und Nucleus caudatus

  • Amygdala

Was sind hier die bisherigen Ergebnisse? Männlichen Probanden wurden im Rahmen der fMRT erotische Stimuli, entspannende Sequenzen und Sportsequenzen als kurze Filmausschnitte präsentiert [2]. Unter einem erotischen Stimulus zeigte sich eine deutliche Aktivität in der rechten subinsulären Region, im Hypothalamus und Putamen. Des Weiteren wurde eine Korrelation der Aktivierung dieser Hirnareale mit der penilen Erregung während der Präsentation erotischer Stimuli festgestellt – die Erregung wurde mit einer Blutdruckmanschette für Neugeborene gemessen.

Bei Frauen ist die Aktivierung von Hirnarealen vom Zyklus abhängig

Eine verstärkte Aktivität in Hypothalamus und Amygdala wurde angesichts erotischer Videosequenzen bei heterosexuellen Männern gezeigt [4, 13, 17]. Die Amygdala und der orbitofrontale Kortex sind an der kognitiven Verarbeitung emotionaler Inhalte beteiligt [40].

Auch Frauen zeigen bei erotischen visuellen Stimuli eine Aktivierung der oben beschriebenen Hirnareale (Abb. 1). Allerdings wurde unter Stimulation mit erotischen Filmsequenzen bei Frauen keine vermehrte zerebrale Aktivierung im Vergleich zu einer Gruppe von Männern festgestellt, wohingegen bei Männern im Vergleich zu Frauen eine verstärkte Aktivität im zingulären und orbitofrontalen Kortex zu beobachten war [10]. Hypothalamus und Thalamus zeigten im Gegensatz zu diesen Ergebnissen in anderen vergleichbaren Studien bei Frauen keine Aktivität unter erotischen Stimuli [13, 17]. Zu beachten ist allerdings, dass bei Frauen die Aktivierungen auch vom Zyklus abhängig sind und die Gruppen in den Studien diesbezüglich sehr heterogen waren. Männer zeigen deutliche Präferenzen für das von ihnen begehrte Geschlecht, wohingegen Frauen eine vergleichbare Reaktion auf beide demonstrierten Geschlechter zeigten [41]. Es wurden homo- und heterosexuelle Probanden untersucht, deren Ergebnisse sich nicht unterschieden. Eine Studie konnte zeigen, dass die Aktivierung des Hypothalamus bei homo- und heterosexuellen Männern sehr ähnlich ist: jeweils dann, wenn der Stimulus den jeweils begehrten Reiz zeigt [28].

Abb. 1
figure 1

Netzwerk der Aktivierungen beim Betrachten von erotischen Stimuli in einer Gruppe von Frauen. Dieselben Areale sind prinzipiell auch bei Männern aktiviert. Hauptsächlich sind die Anteile des limbischen Systems sowie der orbitofrontale Kortex und Thalamus/Hypothalamus dargestellt

Neuroanatomische Unterschiede

Bildgebend konnten spezifische Unterschiede bei Trans*Menschen im Vergleich zur Neuroanatomie des biologischen Geschlechts dargestellt werden – teilweise in Post-mortem-Studien. Die Unterschiede betreffen die Neuronenzahl im limbischen System [21], die Kortexdicke [24] oder auch strukturelle Veränderungen der grauen Substanz in mehreren Regionen, beispielsweise beidseits im Gyrus frontalis superior, im rechten Gyrus orbitalis und ebenso im Parietal- und Okzipitallappen [23, 35]. Neuroanatomische Unterschiede in der MRT bei Trans*Menschen waren abhängig von der jeweiligen Region [26]. Noch unbehandelte Frau-zu-Mann-Transgender zeigen in der MRT eine Kortexdicke, die mit der männlichen Kontrollgruppe vergleichbar ist, wohingegen Mann-zu-Frau-Transgender eher Ähnlichkeiten zur weiblichen Kontrollgruppe aufweisen [46].

Andererseits konnte eine weitere Studie mit anderer Methodik anhand der voxelbasierten Morphometrie keine typisch weiblichen strukturellen Muster bei Mann-zu-Frau-Trans*Menschen nachweisen. Die Studie fand bei Mann-zu-Frau-Trans*Menschen einen dickeren Kortex zerebellär, aber ein geringeres Volumen präzentral im Vergleich zu Frauen. Des Weiteren zeigte sich im Vergleich zu Männern und Frauen der Kontrollgruppe ein vermindertes Volumen im Putamen und Thalamus, aber ein erhöhtes Volumen in der rechten Insula und im Gyrus frontalis inferior; die Autoren vermuten daher, dass bei Trans*Menschen eher Veränderungen in mehreren Strukturen im Sinne eines Netzwerks vorliegen [31].

Kontroverse Ergebnisse hat auch die Messung des Putamenvolumens ergeben. In zwei Studien stellte sich das Putamen von Mann-zu-Frau-Trans*Menschen „weiblicher“ dar als die vergleichbaren männlichen Kontrollen, wohingegen die Volumina des Putamens der Frau-zu-Mann-Trans*Menschen im Durchschnitt der männlichen Kontrollen lagen [23, 36, 46]. Im Gegensatz dazu wurde in einer weiteren Studie bei Mann-zu-Frau-Trans*Menschen ein Putamenvolumen gemessen, das kleiner war als bei männlichen und weiblichen Kontrollen [31]. Ähnlich diskrepante Ergebnisse wurden für morphologische Charakteristika des Cerebellums gefunden [31, 35, 36]. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass die sexuelle Orientierung der untersuchten Personen nicht berücksichtigt wurde, aber Einfluss auf die Entwicklung des Cerebellums hat. Eine weitere mögliche Erklärung ist ein heterogener Beginn der gegengeschlechtlichen Hormontherapie [36]. In einer quantitativen diffusionsgewichteten MRT-Studie (DTI) wurde der Diffusivitätsgrad der Faserzüge in der weißen Substanz untersucht [20]. Es konnten im Vergleich der vier untersuchten Gruppen signifikante Unterschiede festgestellt werden: Männliche Kontrollen zeigten die höchsten Werte im Diffusionsgrad nahezu aller Faserbahnen, gefolgt von Mann-zu-Frau-Trans*Menschen, nachfolgend die Frau-zu-Mann-Trans*Menschen und abschließend die weiblichen Kontrollen mit den niedrigsten Diffusionswerten.

Spezifische Muster der strukturellen Konnektivität wurden für jede Gruppe, also für Mann-zu-Frau- und Frau-zu-Mann-Trans*Menschen, weibliche und männliche Kontrollen festgestellt. Diese konnten keinem biologischen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden [12].

Zerebrale Aktivität

Zunächst wurde angenommen, dass sowohl Mann-zu-Frau- als auch Frau-zu-Mann-Trans*Menschen zerebrale Aktivitätsmuster zeigen, die zwischen den biologischen Geschlechtern Mann und Frau liegen [8]. Ähnlich wie mit der fMRT können auch mit der PET (wie oben beschrieben) zerebrale Aktivierungen während des Lösens bestimmter Aufgaben bzw. Ausführens bestimmter Handlungen gemessen werden. Die PET wird aufgrund der Strahlenbelastung heute aber nur noch bei speziellen Fragestellungen durchgeführt, so etwa wenn keine mehrfache Wiederholung möglich ist. Bei Mann-zu-Frau-Trans*Menschen wurden mittels PET die Aktivitäten beim Riechen bestimmter Steroide gemessen, die auf der Beziehungsebene als relevant gelten und geschlechtsspezifisch bestimmte Regionen im Hypothalamus aktivieren. Es zeigte sich eine Aktivierung, die dem Zielgeschlecht der Genderidentität entsprach [3]. Lin et al. fanden in der fMRT bei Trans*Menschen von Kontrollen abweichende spezifische Aktivierungsmuster in Regionen, die bei der eigenen Körperwahrnehmung eine Rolle spielen, beispielsweise im somatosensorischen Kortex [22].

Während der Präsentation von erotischen Filmsequenzen mit heterosexuellen Paaren wurde bei Vergleichen von Mann-zu-Frau-Trans*Menschen mit Männern ein zerebrales Aktivitätsmuster in Thalamus, Insula, Amygdala und orbitofrontalem Kortex gezeigt, das dem Vergleich der Männer mit der weiblichen Kontrollgruppe ähnelte ([10]; Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Die Vergleichsanalyse von Kontrollmännern und Mann-zu-Frau-Trans*Menschen zeigt eine vermehrte Aktivierung der Insula und des orbitofrontalen Kortex in der Gruppe der Kontrollmänner (hier dargestellt). Interessant ist, dass hier zwei Männergruppen ohne Hormontherapie miteinander verglichen werden

Allerdings wurde hier Filmmaterial mit heterosexuellen Paaren präsentiert. Unter der Annahme, dass die sexuelle Orientierung eine wesentliche Rolle spielt, hätten möglicherweise Filmsequenzen mit homosexuellen weiblichen Personen zu anderen Ergebnissen geführt. Aus diesem Grund lassen sich die vorhandenen Studien auch schwer miteinander vergleichen. Die sexuelle Orientierung wurde in der folgenden fMRT-Studie bei homo- bzw. heterosexuellen Männern berücksichtigt. Ein charakteristisches Aktivitätsmuster vor allem im Hypothalamus zeigte sich nur bei Videos mit Personen, die der eigenen sexuellen Orientierung entsprachen [28].

Bei Mann-zu-Frau-Trans*Menschen wurde in der fMRT die zerebrale Aktivität gemessen, während geschlechtsspezifische Stimmen präsentiert wurden. Generell werden Stimmen des anderen Geschlechts besser erkannt. Bei den Trans*Menschen ließ sich in dieser Studie das zerebrale Muster weder dem Zielgeschlecht noch dem biologischen Geschlecht zuordnen [16].

Körperwahrnehmung

Die eigene Körperwahrnehmung spiegelt sich in spezifischen strukturellen und funktionellen fMRT-Mustern wider. Interessanterweise zeigten Frau-zu-Mann-Trans*Menschen mittfrontal, parietal und im lingualen Kortex dickere Kortexstrukturen als männliche und weibliche Kontrollpersonen. In Regionen, die für eine geschlechtsspezifische Ausprägung bekannt sind, wie Hippocampus, Thalamus, Nucleus caudatus und Putamen, zeigten sich Muster wie bei den weiblichen Kontrollen. Auch in der Konnektivitätsanalyse der Resting-state-MRT wurden bei Frau-zu-Mann-Trans*Menschen Besonderheiten im Vergleich zur männlichen und weiblichen Kontrollgruppe dargestellt: Es zeigten sich schwächere Aktivitäten in den anteroposterioren und temporoparietalen Anteilen des Netzwerks sowie in der Amygdala. Daraus könnte geschlossen werden, dass diese strukturellen und funktionellen Veränderungen ein biologischer Marker für die veränderte Körperwahrnehmung sind [25].

Einfluss von Hormonen

Menstruationszyklus

Der hormonelle Einfluss auf intellektuelle Leistungen wurde in verschiedenen Modellen untersucht, beispielsweise ist das räumliche Denken bei Männern besser ausgeprägt, die sprachlichen Fähigkeiten dagegen bei Frauen [15, 36]. Bei Frauen sind bestimmte Fähigkeiten abhängig von der Zyklusphase. In mentalen Rotationstests, bei der Sprache und beim räumlichen Vorstellungsvermögen zeigte sich eine zyklusabhängige zerebrale Aktivierung und Lateralisierung [33, 45]. Das räumliche Vorstellungsvermögen ist in Zyklusphasen mit höheren Testosteron- und niedrigeren Östrogenspiegeln höher [14]. Bei dieser Methode ist kritisch anzumerken, dass Paradigmen mit einem mentalen Rotationstest oder auch Videospielen einen gewissen Übungseffekt beinhalten. Die Probanden zeigen bei wiederholten Messungen häufig eine Verbesserung ihrer Leistung, auch Gender-Unterschiede können durch Training beider Gruppen aufgehoben werden [15, 42].

Eine Zyklusabhängigkeit wurde auch bei der Präsentation erotischer Stimuli mit spezifischen zerebralen Aktivitätsmustern gezeigt [9]. Während der Ovulation wurden der anteriore zinguläre und orbitofrontale Kortex sowie die linke Insel stärker aktiviert als in der Menstruationsphase. Die mittzyklische Aktivität war in Vergleichsanalysen mit der Aktivität der männlichen Kontrollgruppe vergleichbar.

Beim Lösen arithmetischer Aufgaben zeigten Frauen in der Follikelphase in einzelnen testpsychologischen Untersuchungen typische Fehlermuster, die sich von den Fehlermustern bei Männern und bei Frauen in der Lutealphase signifikant unterschieden [29].

Hormontherapie bei Trans*Menschen

Zu Auswirkungen der Hormontherapie bei Trans*Menschen auf neuroanatomische Strukturen und zerebrale Aktivierungsmuster liegen widersprüchliche Studienergebnisse vor. MRT-Messungen vor und 4 Monate nach Beginn der Hormontherapie haben gezeigt, dass bei Mann-zu-Frau-Trans*Menschen die Behandlung mit Antiandrogenen und Östrogenen zu einer Reduktion des intrakraniellen Hirnvolumens führte, wohingegen eine androgene Therapie bei Frau-zu-Mann-Trans*Menschen eine Zunahme des gesamten Hirn- und des Hypothalamusvolumens zur Folge hatte [30]. Eine testosteronabhängige Veränderung der Kortexdicke wurde im Verlauf der Hormontherapie bei Frau-zu-Mann- und Mann-zu-Frau-Trans*Menschen gezeigt [47]. Die zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen sind allerdings unklar. Auch die Progesteronspiegel im Blut scheinen einen Einfluss auf zerebrale Strukturen zu haben, insbesondere auf die subkortikale graue Substanz. Bei Mann-zu-Frau-Trans*Menschen wurden eine Abnahme der grauen Substanz im rechten Hippocampusareal und eine Zunahme im Ventrikelsystem unter einer Therapie mit Östradiol beobachtet [34]. Auch dieser Mechanismus ist bisher nicht verstanden; er zeigt aber eine veränderte Plastizität des Gehirns unter einer hoch dosierten gegengeschlechtlichen Hormontherapie. Dies zeigt sich auch in einer Korrelation von zirkulierenden Androgenen mit Veränderungen in Cerebellum und frontalem Kortex bei Frau-zu-Mann-Trans*Menschen in der rsfMRT [27].

Auch die Progesteronspiegel im Blut scheinen Einfluss auf zerebrale Strukturen zu haben

Eine Korrelation zwischen dem Östrogenspiegel und der Verarbeitung emotionaler Inhalte bei der Bewertung von Bildmaterial wurde an Frau-zu-Mann-Trans*Menschen 8 Wochen nach Suppression mit einem Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analogon im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Medikation untersucht. Es zeigte sich interessanterweise keine Korrelation der zerebralen Aktivität mit den gemessenen Östrogenspiegeln, die sich in beiden Gruppen signifikant unterschieden [37]. So zeigten die Frau-zu-Mann-Trans*Menschen eine verminderte Aktivität im superioren Temporallappen verglichen mit den Frauen der Kontrollgruppe.

Schöning et al. [32] untersuchten Mann-zu-Frau-Trans*Menschen vor und während der Hormontherapie und männliche Kontrollen in der fMRT mit einem mentalen Rotationstest. Es zeigten sich eine stärkere linksparietale Aktivierung bei den männlichen Kontrollen und eine stärkere okzipitale Aktivierung bei Mann-zu-Frau-Trans*Menschen. Andererseits war auch vor Therapie eine deutlich stärkere Aktivierung der temporookzipitalen Hirnregionen bei den Mann-zu-Frau-Trans*Menschen im Vergleich zu den männlichen Kontrollen zu finden [32].

In einer sehr frühen testpsychologischen Studie nahm das räumliche Vorstellungsvermögen unter der androgenen Hormontherapie bei Frau-zu-Mann-Trans*Menschen zu, wohingegen sich bei Mann-zu-Frau-Trans*Menschen die sprachlichen Fähigkeiten verbesserten; bei der Transition in das jeweils andere Geschlecht zeigte sich der gegenläufige Effekt [43, 44]. Das visuelle Gedächtnis wurde bei Frau-zu-Mann-Trans*Menschen unter der Hormontherapie besser [11]. Mentale Rotationstests in beiden Gruppen bei bereits begonnener Therapie zeigten keine spezifischen Muster für Frau-zu-Mann-Trans*Menschen im Vergleich zu den Kontrollen. Bei Mann-zu-Frau-Trans*Menschen hingegen wurden orbital und rechts dorsolateral präfrontal erhöhte Aktivitäten dargestellt, im linken präfrontalen Gyrus geringere Aktivitäten. Diese unterschieden sich deutlich von den männlichen Kontrollen [6]. Allerdings sind bei diesem Test, wie oben beschrieben, schon die Vergleiche von männlichen und weiblichen Kontrollgruppen schwierig.

Bezüglich des Lösens diverser Aufgabenstellungen konnte bei Mann-zu-Frau- und bei Frau-zu-Mann-Trans*Menschen im Verlauf der Hormontherapie nach 3 Monaten keine signifikante Zunahme der Aktivierung beim mentalen Rotationstest gezeigt werden, die Aktivierung bei sprachlichen Aufgaben nahm jedoch in beiden Gruppen zu. Es bestand eine signifikante Korrelation zu den Östrogenspiegeln im Blut nach der Hormontherapie. Die Lateralisierung veränderte sich nicht [38].

Neuronale Korrelate der Empathie wurden bei Mann-zu-Frau- und Frau-zu-Mann-Trans*Menschen vor und nach Therapiebeginn und bei männlichen und weiblichen Kontrollen in einer Konnektivitätsstudie mit 7‑T-rsfMRT untersucht. Es zeigten sich spezifische Muster um den supramarginalen Gyrus bei den Mann-zu-Frau-Trans*Menschen, allerdings war keine Veränderung unter der Therapie festzustellen, sodass diese spezifischen Aktivitätsmuster bei Empathie steroidhormonunabhängig zu sein scheinen [39].

Limitationen von fMRT-Studien

Studien auf fMRT-Basis haben bestimmte Limitationen: Die meisten Studien arbeiten mit eigenen Paradigmen, sodass Metaanalysen und Vergleiche der Studien untereinander nur sehr eingeschränkt möglich sind. Für Diagnosezwecke und als Hilfe bei therapeutischen Entscheidungen ist die fMRT bei Trans*Menschen noch ungeeignet, da bisher immer nur Gruppenanalysen zu Unterschieden führen. Beim Einzelprobanden ist die Signifikanz zumindest derzeit nicht gegeben. Des Weiteren wird der momentane Zustand dargestellt, eine Aussage über zugrunde liegende Mechanismen ist nicht möglich. Auch für strukturelle Untersuchungen wie DTI und VBM gilt derzeit noch die Einschränkung, dass Signifikanzen erst im Gruppenvergleich erhalten werden und Aussagen über Einzelprobanden nur sehr eingeschränkt möglich sind. Gerade im Bereich der Forschung mit Trans*Menschen sind soziale und gesellschaftliche Einflüsse, Lernmechanismen und eine mögliche genetische Prädisposition von großer Bedeutung. Dies ist auch als Grundlage für die sehr unterschiedlichen Gruppenergebnisse insgesamt anzunehmen.

Andererseits geben die Ergebnisse aus fMRT-Studien bei Trans*Menschen sehr interessante Einblicke in das Zusammenspiel von biologischem Geschlecht, Zielgeschlecht, sexuellen Präferenzen und gesellschaftlichen Einflüssen. Auch wenn die fMRT die Hirnaktivität über den „Umweg“ der vermehrten Durchblutung bestimmt und stark abhängig von Gerätefaktoren, der Mitarbeit der Probanden sowie statistischen Verfahren ist, ist sie doch die aktuell einzige Methode, mit der sich in einer hohen Auflösung und ohne Nebenwirkungen das Gehirn „bei der Arbeit“ beobachten lässt.

Fazit für die Praxis

  • Trans*Menschen zeigen entgegen früherer Annahmen keine zerebralen Aktivitätsmuster, die zwischen den Geschlechtergruppen Mann und Frau liegen.

  • Kognitive Fähigkeiten, die als geschlechtsspezifisch gelten, sind eher mit morphologischen und funktionellen Charakteristika des Zielgeschlechts als mit denen des biologischen Geschlechts vergleichbar. Allerdings sind die Varianzen bereits in den Kontrollgruppen groß und teilweise abhängig vom hormonellen Zyklus der Frau.

  • Emotionale Verarbeitungen führen zu unterschiedlichen zerebralen Aktivierungen bei Trans*Menschen, aber auch bei Kontrollgruppen mit unterschiedlichen emotionalen Ausrichtungen. Daher sind die Einflussfaktoren multifaktoriell und schwer zu kontrollieren.

  • Der Einfluss der Hormontherapie auf zerebrale Aktivitätsmuster wird kontrovers diskutiert; eine klare Korrelation von Hormonspiegeln mit bestimmten geschlechtsspezifischen Mustern konnte bei Trans*Menschen bisher nicht gezeigt werden.

  • Funktionelle und strukturelle Untersuchungen in toto sprechen dafür, dass bei Trans*Menschen zerebrale Netzwerke modelliert sind, ohne dass dies bedeutet, dass diese Veränderungen eine Erklärung für einen zugrunde liegenden Pathomechanismus bieten. Auch Veränderungen durch interne und externe Einflussfaktoren sind zu diskutieren.