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Hinkelbein J (2016) Notfallnarkose beim Erwachsenen. Immer mit Rocuronium. Notfall+Rettungsmedizin, DOI 10.1007/s10049-016-0170-9

Roessler M (2016) Notfallnarkose beim Erwachsenen. Wenn Muskelrelaxierung, dann mit Succinylcholin. Notfall+Rettungsmedizin, DOI 10.1007/s10049-016-0171-8

Notfallnarkose, Atemwegsmanagement und Beatmung sind untrennbar miteinander verwoben und eine zentrale Maßnahme in der prähospitalen und frühen innerklinischen Notfallmedizin, um die Oxygenierung und Ventilation der uns anvertrauten kritisch kranken oder schwerverletzten Patienten zu sichern.

Die Handlungsempfehlung „Prähospitale Notfallnarkose beim Erwachsenen“ der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI; [2]) und S1-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF; [9]) bietet für die Notfallnarkose eine klare Indikations- und Hilfestellung bei der Durchführung.

Für die Notfallnarkose stehen zahlreiche Medikamente zur Hypnose, Analgesie und auch Muskelrelaxierung zur Verfügung [7]. Die Auswahl fällt dem Anwender dabei nicht immer einfach: Welches ist für den individuellen Patienten das beste Medikament und welche Kombination ist am geeignetsten?

Dabei hat sich in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel vollzogen: Während in den vergangenen Jahrzehnten die Muskelrelaxation kontrovers diskutiert wurde [4, 5], insbesondere vor dem Hintergrund von „Cannot-ventilate-cannot-intubate“-Situationen, steht heute der „first-pass success“, d. h. die endotracheale Intubation und damit Atemwegssicherung möglichst im ersten Intubationsversuch im Vordergrund [1, 6]. Dies ist insbesondere die Konsequenz der Erkenntnis, dass bei jedem weiteren Intubationsversuch das Risiko für Komplikationen deutlich ansteigt [1, 6].

Entsprechend der DGAI-Handlungsempfehlung zur prähospitalen Atemwegssicherung [8] wird heute also definitiv eine Vorwärtsstrategie in der Atemwegssicherung gewählt. Die Möglichkeit eines „Wieder-aufwachen-Lassens“ aus der Notfallnarkose steht demnach – bei richtiger Indikation einer Notfallnarkose – nicht wirklich zur Verfügung. Demnach müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um den „first-pass success“ bzw. letztendlich den Gesamterfolg („overall success“) der endotrachealen Intubation zu erhöhen und ggf. bei Misslingen der Atemwegssicherung mittels Intubation auf alternative Atemwege ausweichen [2, 8]. Zu diesen Optimierungsstrategien zählen neben der Schaffung von günstigen Umgebungsbedingungen (Licht − Raum − Wärme) auch die optimale Präoxygenierung und Vorbereitung der Notfallnarkose, und dann letztendlich auch die Wahl der dafür am besten geeigneten Medikamente [2]. Unter Berücksichtigung internationaler Daten ist dabei bereits heute ein Wechsel der zur Muskelrelaxation genutzten Substanzen zu bemerken [3]. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Argumentationskette ist es also nicht mehr die Frage, ob ein Muskelrelaxans genutzt wird, sondern lediglich welches der zur Verfügung stehenden Präparate wir verwenden.

Auf diese Frage versuchen nun Hinkelbein als Fürsprecher für das moderne Rocuronium auf der einen Seite [10] und Roessler als Gegenspieler und Vertreter des bewährten Succinylcholin auf der anderen Seite [11] in einem interessanten akademischen Diskurs die Vor- und Nachteile beider Substanzen zu präsentieren.

Entscheiden Sie als Anwender, welche Partei aus Ihrer Sicht die besseren Karten auf den Tisch legt und die schlagkräftigeren Argumente hat. Wir wünschen Ihnen viel Spaß und Wissenszuwachs bei dieser Pro-und-Kontra-Stellungnahme zu Succinylcholin und Rocuronium in der Notfallmedizin.

Mit besten Grüßen und Wünschen zu einem hohen Wirkungsgrad,

Ihre

Michael Bernhard

Björn Hossfeld

Bernd W. Böttiger