Zusammenfassung
Hintergrund
Die Inzidenz multiresistenter Keime nimmt in Deutschland zu. Angaben zum Vorkommen und zur Relevanz dieser Keime in der Unfallchirurgie fehlen bislang, insbesondere für multiresistente gramnegative Stäbchen (MRGN).
Fragestellung
Wie hoch ist die Inzidenz von Methicillin-resistentem Staphylococcus aureus (MRSA), Methicillin-resistenten koagulasenegativen Staphylokokken (MRKNS) und MRGN in unfallchirurgischen Gewebematerialien?
Material und Methode
Es erfolgte eine retrospektive Analyse der Resistenzdaten für Keime, die im Rahmen von unfallchirurgisch-septischen Eingriffen einer spezialisierten Sektion intraoperativ gewonnen wurden. Besonders berücksichtigt wurde die MRGN-Klassifikation für gramnegative Stäbchen.
Ergebnisse
Die MRSA-Rate stieg in tiefen Gewebeproben oder Knochenbiopsaten zwischen 2010 und 2014 von 13% auf 21 % (p = 0,052) an, während die Rate von MRKNS in diesem Zeitraum nahezu konstant bei ca. 60 % lag. MRGN spielen derzeit eine geringe Rolle bei Knocheninfektionen (3MRGN: Pseudomonas aeruginosa 5 % und Escherichia coli 7 %, 4MRGN: kein Nachweis), sind aber wegen der eingeschränkten therapeutischen Optionen bedeutsam.
Schlussfolgerungen
Multiresistente Keime sind problematisch in der Unfallchirurgie aufgrund zunehmender Inzidenz von MRSA in tiefen Gewebeproben und wenigen Therapieoptionen für MRGN. Die zukünftige Resistenzentwicklung von Keimen bei Knocheninfektionen sollte in der Unfallchirurgie durch ein engmaschiges Monitoring überwacht werden.
Abstract
Background
The incidence of multiresistant bacteria in Germany is increasing. Data about the rate and relevance of these pathogens in trauma surgery have not yet been published, particularly for multiresistant gram-negative bacteria (MRGN).
Objective
This study investigated the incidence of methicillin-resistant Staphylococcus aureus (MRSA), methicillin-resistant coagulase-negative staphylococci (MR-CoNS) and MRGN in bone and tissue biopsies obtained during trauma surgery.
Methods
A retrospective analysis of resistance data in bacterial isolates obtained intraoperatively from bone and deep tissue biopsies in a specialized trauma surgery department was carried out with particular emphasis on the MRGN classification of gram-negative bacteria.
Results
In this study the rate of MRSA increased from 13 % to 21 % during the period from 2010 to 2014 in deep tissue and bone biopsies (p = 0.052). The rate of MR-CoNS was stable at a high level of 60 % during this period but MRGN played a minor role in infected bone samples (Pseudomonas aeruginosa in 5 % and Escherichia coli in 7 % multiresistant); however, there were significantly less treatment options for MRGN compared to MRSA and MR-CoNS.
Conclusion
Multiresistant bacteria are a problem in trauma surgery due to an increasing incidence of MRSA in bone biopsies and limited treatment options for MRGN. In the future, the development of resistance patterns in bacteria from deep tissue or bone biopsies in trauma surgery should be closely monitored.
Multiresistente Erreger stellen zunehmend ein Problem für die antibiotische Therapie dar. Hier spielen nicht nur Methicillin-resistente Staphylokokken (MRS) oder Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) eine Rolle, sondern auch multiresistente gramnegative Stäbchen (MRGN). Deswegen wurde Ende 2012 von der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut eine Empfehlung zu einer neuen Nomenklatur von MRGN mit entsprechenden Hygienemaßnahmen publiziert [9]. Daten zur Häufigkeit und Relevanz dieser Keime für die Unfallchirurgie fehlen bislang.
Betrachtet man multiresistente Keime in der Unfallchirurgie, sind 2 Gruppen von Bakterien besonders wichtig: zum einen die grampositiven Kokken mit Methicillin-resistentem Staphylococcus (S.) aureus (MRSA), den Methicillin-resistenten koagulasenegativen Staphylokokken (MRKNS) und den VRE. Auf der anderen Seite spielen die gramnegativen Stäbchen eine große Rolle, wobei in dieser Gruppe multiresistente Stäbchen als MRGN bezeichnet werden. Hier sind Enterobakterien, Pseudomonas (P.) aeruginosa und Acinetobacter (A.) baumannii von besonderer Bedeutung. Für beide Gruppen gibt es aktuelle, interessante Aspekte, die in diesem Beitrag behandelt werden.
Grampositive Kokken
Die häufigsten Keime in der Knochenchirurgie sind nach wie vor Staphylokokken mit einem Anteil von 45 % der nachgewiesenen Keime, wobei S. aureus überwiegt (Abb. 1). Die Rate von MRSA aus Knochenbiopsaten (gemessen an der Gesamtzahl aller S.-aureus-Isolate vom Knochen) ist in den letzten 5 Jahren in unserem Kollektiv von 13% auf 21 % tendenziell angestiegen (p = 0,052) (Abb. 2). Der Anteil der MRKNS an allen Isolaten koagulasenegativer Staphylokokken lag – wie zu erwarten – mit ca. 60 % deutlich höher, hat sich in den letzten Jahren aber nicht wesentlich verändert (Abb. 2). Hingegen waren VRE selten und Knochenisolate eine Rarität. Von 204 Enterkokken-Isolaten wiesen nur 12 (5,8 %) eine Vancomycin-Resistenz auf und davon stammte nur ein einziges Isolat vom Knochen (0,5 %).
Für die Therapie der Osteomyelitis durch multiresistente grampositive Kokken stehen uns heute verschiedene Alternativen zur Verfügung. Die parenterale Therapie im stationären Bereich bietet selbst bei Antibiotikaunverträglichkeiten mehrere Ausweichstrategien (Tab. 1), aber auch im ambulanten Bereich sind einige Optionen verfügbar. Studien für die orale Therapie belegen z. B. eine gute Wirksamkeit von Linezolid plus Rifampicin [11], von hochdosiertem Cotrimoxazol plus Rifampicin [11] oder gegen Staphylokokken von Fusidinsäure plus Rifampicin [19]. Parenterale Möglichkeiten als 1-mal tägliche Gabe bietet Daptomycin [17], wobei aber erfahrungsgemäß im ambulanten Bereich das Wochenende ein großes Problem darstellt, weil die Therapie auch dann fortgesetzt werden muss. Teicoplanin mit einer 3-mal wöchentlichen i.v.-Gabe (z. B. Montag/Mittwoch/Freitag) hat hier logistische Vorteile [12, 18].
Gramnegative Stäbchen
Im gramnegativen Bereich gilt seit Ende 2012 in Deutschland eine eigene Nomenklatur für multiresistente Stäbchen [9]. Für die Klassifizierung der Keime werden 4 Gruppen von Antibiotika mit jeweils unterschiedlichen Markersubstanzen herangezogen. Bewertet werden die Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme und Fluorchinolone. Sind bei einem Keim drei dieser vier Antibiotikagruppen resistent, sprechen wir von einem 3MRGN, sind alle vier Gruppen resistent, handelt es sich um einen 4MRGN. Ein 4MRGN-Keim ist also aus klinischer und hygienischer Sicht deutlich kritischer zu sehen, weil hier kaum noch therapeutische Optionen verbleiben und ein großes Ausbreitungspotenzial, z. B. im Krankenhaus, besteht.
Welche Rolle spielen diese Keime derzeit in der Unfallchirurgie? Bei knochenchirurgischen Eingriffen waren hochresistente 4MRGN-Keime im Jahr 2014 in unserem Kollektiv nicht nachweisbar und auch 3MRGN-Keime hatten in Knochen- und tiefen Gewebematerialien nur geringe Raten: P. aeruginosa 5 % und E. coli 7 % (Tab. 2). Interessant ist, dass von den nachgewiesenen Klebsiella- oder Acinetobacter-Knochenisolaten 2014 keines eine Multiresistenz aufwies.
Völlig anders sah die Situation bei oberflächlichen Wund- oder Hautabstrichen aus, in denen Acinetobacter spp. nicht nur relativ häufig nachweisbar waren, sondern mit 23 % auch einen hohen Anteil an Multiresistenz hatten (Tab. 2). In diesen oberflächlichen Abstrichen fanden sich auch P. aeruginosa und Acinetobacter spp. mit 4MRGN-Resistenzmuster.
Bei Pseudomonas kam noch erschwerend hinzu, dass P. aeruginosa sehr häufig als Partnerkeim in Mischinfektionen auftrat. In unserer Auswertung im Zeitraum 2010–2014 waren von 141 Pseudomonas-Osteomyelitiden 98 (70 %) Mischinfektionen. Verglichen mit S.-aureus-Infektionen, bei denen von 719 Patienten 286 (40 %) eine Mischinfektion aufwiesen, waren Osteomyelitiden durch P. aeruginosa signifikant häufiger Koinfektionen mit anderen Keimen (p < 0,0001). So hatten auch beide Patienten mit intraoperativem Nachweis von 3MRGN-Pseudomonas (Tab. 2) eine Mischinfektion: der eine mit Stenotrophomonas maltophilia, der andere mit Candida albicans und S. haemolyticus. Dies führt bei multiresistenten Pseudomonaden nicht nur zu einer komplizierten Therapie des P. aeruginosa, sondern der gesamten Osteomyelitis. Häufig sind dann Kombinationstherapien mit 2, 3 oder mehr Antibiotika notwendig.
Grundsätzlich ist die antibiotische Therapie von MRGN-Keimen am Knochen sehr schwierig. Derzeit stehen nur 3 Ausweichsubstanzen zur Verfügung, nämlich Aztreonam, Tigecyclin und Colistin. Voraussetzung ist, dass diese Substanzen im Antibiogramm als sensibel getestet wurden. Alle drei müssen mehrfach täglich parenteral appliziert werden, was i.d.R. einen stationären Aufenthalt notwendig macht. Fosfomycin ist eine sehr gut knochengängige Substanz, sollte aber wegen der Resistenzentwicklung bei gramnegativen Stäbchen v. a. adjuvant eingesetzt werden [3]. Eine Kombinationstherapie muss aber auch unbedingt beim Einsatz von Aztreonam (z. B. mit Amikacin), Tigecyclin (z. B. mit Amikacin oder Colistin) und Colistin (z. B. mit Amikacin, Rifampicin, Carbapenem oder Fosfomycin) erwogen werden, um der weiteren Resistenzentwicklung bei ohnehin schon multiresistenten Bakterien entgegenzuwirken.
Für den ambulanten Bereich stehen zur einfachen Therapie der Osteomyelitis durch MRGN derzeit kaum Substanzen zur Verfügung. So waren in unserem Kollektiv alle 4MRGN-Isolate der Jahre 2013 und 2014 (n = 15) ebenfalls resistent gegenüber den oralen Antibiotika Cotrimoxazol oder Doxycyclin. Isolate mit 3MRGN-Resistenzmuster können noch Sensibilitäten für orale Antibiotika aufweisen. Die Raten sind aber sehr niedrig und lagen in unserer Kohorte für P. aeruginosa, A. baumannii, E. coli und Klebsiella spp. für jeweils Ciprofloxacin, Doxycyclin bzw. Cotrimoxazol kumuliert bei 4 % (4/101), 20 % (18/92) bzw. 23 % (22/95). Eine Austestung der Antibiotikawirksamkeit ist also vor Therapiebeginn dringend angezeigt.
Antibiotika im Knochenzement
Nicht selten kommt präoperativ in der Endoprothetik die Frage auf, ob man dem Knochenzement wirksame Antibiotika beimischen kann, z. B. bei Spacer-Implantationen. Voraussetzung ist die Kenntnis des kausalen Infektionserregers und seines Resistenzmusters. Hier gibt es für multiresistente Keime einige Möglichkeiten. Die besten Daten existieren im grampositiven Bereich für Vancomycin, wobei für MRSA und MRKNS eine Kombination von Vancomycin mit Gentamicin im Knochenzement stark bakterizid wirkt [13]. Wichtig ist, dass die selbst durchgeführte Beimischung von Vancomycin zum Knochenzement einen „off-label use“ darstellt. Dies gilt im Übrigen auch für die meisten anderen Antibiotika. Für Linezolid [5], Daptomycin [15] und Teicoplanin [1] existieren mittlerweile In-vitro-Daten zur Elution der Antibiotika und Stabilität des Zements. Daptomycin wurde in einem Fall auch klinisch erfolgreich bei Hüftprothesenimplantation im Zement eingesetzt [2]. Im gramnegativen Bereich kann gemäß In-vitro-Untersuchungen Aztreonam [7], Tigecyclin [4] oder Colistin [4, 16] dem Zement beigegeben werden, allerdings sind die klinischen Daten zum Teil ernüchternd. So konnte z. B. für Zugabe von Colistin plus Erythromycin keine signifikante Abnahme von tiefen oder oberflächlichen Infektionen im Vergleich zur Kontrollgruppe nachgewiesen werden [6]. Möglicherweise bietet die Kombination aus Colistin mit Tobramycin hier Vorteile [8]. Für die Kombination Aztreonam/Vancomycin liegen nur eingeschränkte klinische Daten vor [7], sodass die Ergebnisse weiterer Studien abgewartet werden müssen.
Hygienemaßnahmen
Die Hygienemaßnahmen bei Nachweis multiresistenter Keime bestehen im Krankenhaus neben verschiedenen anderen Faktoren v. a. in der Isolierung betroffener Patienten. Patienten mit MRSA, VRE oder 4MRGN sollten in allen Bereichen eines Krankenhauses isoliert werden. Patienten mit 3MRGN-Keimen werden auf Risikostationen wie Intensivstation, Dialyse usw. isoliert. Für den ambulanten Bereich, z. B. Alten- und Pflegeheime, hat das Robert-Koch-Institut für MRSA und VRE eine Isolierung nur bei schwerer Pflegebedürftigkeit empfohlen [14]. Für MRGN-Keime liegen für Alten-/Pflegeheime v. a. Empfehlungen auf Landes- oder Kreisebene vor (z. B. [10]), die nicht einheitlich sind. Wichtig sind Basishygienemaßnahmen, insbesondere die Händedesinfektion. Für MRGN-positive Bewohner ist eine Teilnahme am Gemeinschaftsleben ohne Einschränkungen möglich, eine prinzipielle Isolierung dieser Personen ist im Heim im Gegensatz zum Krankenhaus nicht erforderlich. Selbst Träger von 4MRGN-Keimen können ein Zimmer mit anderen teilen, sofern diese keine Risikofaktoren wie z. B. offene Wunden aufweisen [10].
Fazit
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Die Inzidenz von MRSA nahm in unserem Klientel zwischen 2010 und 2014 bei Knocheninfektionen zu.
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Die Inzidenz von MRKNS blieb auf hohem Niveau stabil.
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MRGN spielen derzeit bei Osteomyelitis eine geringe Rolle.
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Multiresistenter P. aeruginosa tritt häufig in Mischinfektionen auf und bedarf i.d.R. einer Kombinationstherapie.
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Die antibiotische Therapie der Osteomyelitis durch multiresistente grampositive Kokken bietet verschiedene Optionen im stationären und ambulanten Bereich, für MRGN steht nur ein eingeschränktes Spektrum an Ausweichantibiotika zur Verfügung.
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Patienten mit MRSA, VRE und 4MRGN-Keimen sollten in allen Bereichen eines Krankenhauses isoliert werden, Patienten mit 3MRGN-Keimen in Risikobereichen (z. B. Intensivstation).
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Zöllner, B., Glombitza, M. Multiresistente Keime in der Unfallchirurgie. Trauma Berufskrankh 18 (Suppl 1), 69–72 (2016). https://doi.org/10.1007/s10039-015-0035-3
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