Grundlagen für die Durchführung des Reha-Managements (RM) sind das Eckpunktepapier der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) vom 25.02.2008 und der Handlungsleitfaden zum Reha-Management vom 13.09.2010 in der Fassung vom 17.07.2014.

Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) hat nach Vollzug der verschiedenen Fusionen im Januar 2012 ein einheitliches RM in all ihren 11 Bezirksverwaltungen eingeführt. Einzelne Bezirksverwaltungen betreiben RM aber bereits seit ca. 10 Jahren.

Welche Erfahrungen haben wir gemacht?

Zum frühzeitigen Erkennen der entsprechenden Fälle ist eine exakte Erstdiagnose zwingend erforderlich. Dies ist aber leider häufig nicht der Fall. Sehr oft wird anstatt des geforderten Freitextes im Durchgangsarztbericht lediglich die ICD-10-Übersetzung eingetragen, was ein Problem der Arztsoftware sein mag.

Allerdings wird die Mehrzahl der Fälle erst im späteren Verlauf ins RM überführt. Gründe hierfür liegen in der Ergänzung der Diagnose oder dem Auftreten von Komplikationen.

Leider erfahren wir häufig nichts von den Kontextfaktoren, die den Heilverlauf beeinflussen. Hierauf möchte ich Ihr besonderes Augenmerk richten. Bitte geben Sie uns unter Ziffer 11 des Durchgangsarztberichtes rechtzeitig den Hinweis, dass ein besonderer Beratungsbedarf für die oder den Versicherten besteht.

Wir unterhalten in unseren Bezirksverwaltungen sog. „Reha-Sprechstunden“ zur Beratung der Versicherten unter Mitwirkung eines besonders erfahrenen Arztes und im Beisein des Reha-Managers oder der Reha-Managerin.

Hierbei machen wir die Erfahrung, dass die Versicherten häufig nicht vollständig über die Ursachen ihrer Beschwerden informiert sind. Sie berichten auch, dass die behandelnden Ärztinnen und Ärzte kaum Zeit für ein Patientengespräch gehabt hätten. Dabei dürfte doch unbestritten sein, dass die Kenntnis über die Art der Beschwerden, deren Ursachen und Wirkungsweisen die erforderliche Eigenverantwortung und Motivation der Versicherten fördert und damit dem Reha-Prozess positiv beeinflusst.

Wir stellen weiterhin fest, dass den behandelnden Ärztinnen und Ärzten zum Teil die erforderlichen Kenntnisse über den Arbeitsplatz fehlen. In Berichten wird häufig der erlernte Beruf und nicht die zurzeit ausgeübte Tätigkeit angegeben. Hier ist auch der Unfallversicherungsträger in der Pflicht, entsprechende Informationen an die Behandler weiterzugeben.

Ich möchte hier nicht dem Motto „koste es, was es wolle“ das Wort reden. Auch die gesetzliche Unfallversicherung ist dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit unterworfen. Dennoch scheint es mir so, dass Ärztinnen und Ärzte sich bei der Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln an den Vorgaben der Krankenversicherung orientieren. Es darf in der Unfallversicherung auch mehr sein als einmal Krankengymnastik pro Woche, wenn dies dem Heilungsprozess dient.

Auswirkungen auf die Verwaltung

Für mich ist die Einführung des RM ein ganz entscheidender Schritt der Umorientierung der Verwaltung von der hoheitlich auftretenden klassischen Behörde zum kundenorientierten Dienstleister. Persönliche Kontakte, statt Formtexte und Bescheide zu versenden, unbürokratische Hilfe, statt Verweis auf Vorschriften etc.

Ein solches Handeln bringt neue Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sich. War früher die Ausbildung überwiegend juristisch ausgerichtet, sind heute Kommunikationsfähigkeit, Sozialkompetenz und medizinische Kenntnisse gefordert. Reha-Managerinnen und -Manager müssen sich auch in Gesprächen mit Ärzten und Versicherten und in kritischen Situationen behaupten können.

RM bedeutet mehr Aufwand. Ließen sich vor dessen Einführung schriftlich an einem Tag zig Fälle bearbeiten, sind das im RM mit Reiseaufwand und Wartezeiten für Gespräche mit Ärzten und Versicherten vielleicht nur noch 2 Fälle.

Dies kann ohne Personalsteigerung nach meinem Dafürhalten nur gelingen, wenn Reha-Managerinnen und -Manager von reinen Verwaltungstätigkeiten weitgehend entlastet werden und sich ausschließlich ihrer eigentlichen Aufgabe, der persönlichen Betreuung von Versicherten, widmen können. Andere Aufgaben und Fälle (Stichwort: „Leichtfallbearbeitung“) müssen nach „unten“ delegiert werden. Unverzichtbare Voraussetzung hierfür ist eine funktionierende Datenverarbeitung einschließlich eines Dokumentenmanagementsystems, sodass mehrere Personen gleichzeitig auf einen Fall zugreifen können.

Auch aus dem Rückgang der Fallzahlen können selbstverständlich Ressourcen geschöpft werden.

Befragung zum Reha-Management

Im Jahr 2015 soll eine Befragung der Versicherten zum RM erfolgen. Aus diesem Grund kann ich heute noch nicht repräsentativ über Erfahrungen berichten. Allerdings fand kürzlich ein Pretest hinsichtlich der Qualität des zu verwendenden Fragebogens statt, an dem 78 Versicherte teilnahmen.

Diese ersten Ergebnisse möchte ich Ihnen nicht vorenthalten:

  • 90,7 % der Versicherten kennen ihren Reha-Manager/ihre Reha-Managerin.

  • In 77,6 % der Fälle erfolgte die Kontaktaufnahme wie gefordert innerhalb eines Monats nach dem Unfall.

  • In 60,8 % der Fälle erfolgte bei Problemen eine sofortige Kontaktaufnahme (in 35 % der Fälle war dies nicht erforderlich).

  • In 76,1 % der Fälle wurde ein Reha-Plan erstellt.

Über die Gesamtzufriedenheit der Versicherten informiert Abb. 1.

Abb. 1
figure 1

Gesamtzufriedenheit RM

Wie wirkt sich das Reha-Management auf die Ausgaben der Unfallversicherungsträger aus?

Valide Zahlen lassen sich nur schwer ermitteln, da keine Vergleichsgruppe existiert. Aus ethischen Gründen ist es uns nicht möglich Versicherten zum Zweck der Gewinnung von aussagekräftigen Zahlen das RM vorzuenthalten.

Aussagen lassen sich nur aus dem zeitlichen Vergleich vor und nach Einführung eines RM gewinnen. Wir bei der BGHM haben dies anhand der Diagnose „Geschlossener Fersenbeinbruch“ mit jeweils ca. 250 Fällen aus den Jahren 2002 und 2012 getan.

Hierzu im Folgenden ein paar Zahlen, zunächst möchte ich mit Ihnen aber einen Blick auf die allgemeine Entwicklung bei den neuen Renten wegen Arbeits- und Wegeunfällen werfen.

Wie der Abb. 2 zu entnehmen ist, hat sich die Zahl der neuen Renten von 2009 auf 2012 absolut von ca. 2700 auf ca. 2200 Fälle reduziert. Auch relativ (neue Renten je 1000 Vollarbeiter bzw. je 100 meldepflichtige Arbeitsunfälle) lässt sich ein deutlicher Rückgang erkennen.

Abb. 2
figure 2

Einfluss des Reha-Managements auf neue Renten

Am Beispiel der Fersenbeinfraktur konnten wir nachweisen, dass unsere Anstrengungen im RM zu kürzeren Arbeitsunfähigkeitszeiten und damit zu geringeren Verletztengeldzahlungen führen.

Tabelle 1 zeigt, dass der Zahlbetrag für das Verletztengeld pro Fall nominal in etwa gleich geblieben ist, real aber um ca. 20 % gesunken ist.

Tab. 1 Einfluss des Reha-Managements auf das Verletztengeld

Die Arbeitsunfähigkeitszeit pro Fall sank um 36 Tage, also um ca. 14 %.

Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Anteil der Fälle mit kürzerer Arbeitsunfähigkeit steigt und dagegen die Zahl der Langläufer mit Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als 1,5 Jahren deutlich sinkt (Tab. 2). Wir nehmen den Grund hierfür darin an, dass wir dank des RM Fälle mit Problemen und Heilentgleisungen früher erkennen und gegensteuern können.

Tab. 2 Einfluss des Reha-Managements auf die Zahl der Langläufer

Aber erkaufen wir uns diese positiven Aspekte durch deutlich höhere Aufwendungen bei der stationären Behandlung? Dies ist nicht der Fall! Wie Tab. 3 belegt, sind auch hier die Kosten preisbereinigt sogar leicht gesunken.

Tab. 3 Einfluss des Reha-Managements auf die ambulanten und stationären Heilbehandlungskosten

Die intern bei der BGHM gewonnenen Ergebnisse decken sich auch mit denen des Benchmark-Projektes „Effektivität Fallsteuerung“ der DGUV. Am Beispiel Unterschenkelbruch konnte nachgewiesen werden, dass eine intensive Steuerung zu geringerer durchschnittlicher Arbeitsunfähigkeit führt (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Einfluss der Fallsteuerung auf die Dauer der Arbeitsunfähigkeit

Welche Erwartungen haben wir?

Die neuen Heilverfahren garantieren eine der Schwere der Verletzung angemessene kompetente Akutbehandlung. Die Anforderungen zum RM an die zum Schwerstverletzungsartenverfahren zugelassenen Kliniken lassen eine bessere Zusammenarbeit zwischen Behandlern und Reha-Managerinnen und -Managern erwarten.

Es gilt die Fallauswahl, insbesondere die formale Zugangsvoraussetzung von Arbeitsunfähigkeit ab 112 Tagen, zu überprüfen. RM bedeutet Aufwand im Verfahren. Nicht jeder Fall mit entsprechender Arbeitsunfähigkeit benötigt ein RM. Ob dies notwendig ist, ist auch von der beruflichen Tätigkeit abhängig. Wir müssen uns fragen, in welchen Fällen wir durch das RM bessere Ergebnisse erreichen. Dies ist auch eine Frage der Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns.

Prinzipien des RM bei Arbeits- und Wegeunfällen sind auf die Bearbeitung von Berufskrankheiten zu übertragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Erkrankte noch im Arbeitsleben stehen. Dies werden wir 2015 umsetzen.

Hinsichtlich der Bildung funktionierender Netzwerke besteht noch Bedarf. Es steht ohne Zweifel, dass die berufsgenossenschaftlichen Unfallkliniken hier unsere ersten Ansprechpartner sind, dennoch ist es erforderlich darüber hinaus auf dem „flachen Land“ Partner zu gewinnen. Dies gilt nicht nur für Ärzte und Kliniken, sondern auch für andere Leistungserbringer, z. B. Physiotherapeuten und Orthopädietechniker.

Von der in 2015 geplanten Kundenbefragung erwarten wir uns wichtige Hinweise zur Verbesserung der Qualität unseres RM.

Der Besuchsdienst muss im Hinblick auf das RM, das ja ohnehin zeitnahe Kontakte vorsieht, effizienter gestaltet werden.

Ein weiteres Anliegen, das sich auch aus der UN-Behindertenrechtskonvention ergibt, ist die Einbeziehung von Peers – also die Beratung Verletzter durch gleichartig Betroffene – in den Prozess der Wiederherstellung und Wiedereingliederung in das Arbeitsleben und das Leben in der Gemeinschaft. Zurzeit läuft die Gewinnung solcher Paten mit dem Ziel eine „Peer-Landkarte“ zu erstellen.

Gerade die Wiedereingliederung in das Leben in der Gemeinschaft müssen wir stärker als bisher und von Anfang an in den Fokus nehmen, z. B. schon bei der Erstellung des Reha-Planes. Hierfür sind eine Checkliste und qualitätssichernde Maßnahmen in Arbeit.

Fazit

Reha-Management

  • … verbessert bestehende Verfahren

  • … bezieht die Beteiligten besser ein

  • … führt zu besseren Ergebnissen

  • … führt zu zufriedeneren Kunden und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern

  • … ist unbürokratisch

  • … spart Geld