Hintergrund

Um die Sicherheit des Patienten im Rahmen operativer Eingriffe zu gewährleisten, sind neben der eindeutigen Identifizierung des Patienten und seines Operationsgebiets alle Maßnahmen zur Verhinderung postoperativer Wundinfektionen [SSI („surgical site infections“)] zu treffen. Das betrifft in erster Linie die direkt patientenbezogenen Maßnahmen, allerdings werden durch bauliche Voraussetzungen die Bemühungen der Infektionsprävention unterstützt.

Der Empfehlung „Safe surgery saves lives“ der WHO (Weltgesundheitsorganisation; [129]) ist die grundsätzliche Aussage zu entnehmen, dass das Operationsteam alle zur SSI-Prävention als gesichert geltenden Maßnahmen konsequent umsetzen muss (sog. „best practice“) und die Ergebnisqualität mittels Surveillance zu evaluieren ist. Dabei werden als Schwerpunkte, weil besonders wichtig und häufig nicht konsequent umgesetzt, die Notwendigkeit der indikationsgerechten perioperativen Antibiotikaprophylaxe (PAP) innerhalb 1 h vor dem Schnitt (ist Bestandteil der „surgical safety checklist“ der WHO) und die sichere Aufbereitung von Medizinprodukten hervorgehoben.

Der Begriff der Hygienevorschrift lässt semantisch den Grad der Verbindlichkeit offen, d. h. was gesetzlich verbindlich, was evidenzbasierte Empfehlung, was Basishygiene, was kritisch zu hinterfragende Tradition ist. Diese Unterscheidung wird nachfolgend als Handlungshilfe getroffen.

Gesetzlich verbindliche Maßnahmen zur Prävention von SSI

IfSGuaÄndG

Das IfSGuaÄndG (Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze; [23]) und die Landeshygieneverordnungen [68] bilden die Grundlage zur Gewährleistung der Struktur- und Prozessqualität als Voraussetzung zur erfolgreichen Prävention von HAI („healthcare-associated infections“) einschließlich SSI. Die Strukturqualität betrifft die Sicherstellung baulicher Anforderungen, die Einsetzung von Hygienefachpersonal (Krankenhaushygieniker und Hygienefachkräfte) mit der Maßgabe der Erfüllung der kapazitären Vorgaben bis 2016 und die Bestellung einer Hygienekommission.

Eckpfeiler der Qualitätssicherung sind

  • der Aufbau eines mehrdimensionalen schnittstellenübergreifenden Qualitätsmanagements (QM) zur Realisierung der Praxis einer guten Krankenhaushygiene,

  • die Realisierung von Antibiotika-Stewardship-Programmen und

  • die Surveillance von SSI einschließlich des Auftretens von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen.

Für die Surveillance von SSI ist mindestens eine sog. Markeroperation auszuwählen. Wegen der Vergleichbarkeit kann es vorteilhaft sein, hierfür einen aseptischen Eingriff heranzuziehen. Entscheidend ist, dass sich für die Markeroperation eine repräsentative Anzahl ergibt. Zusätzlich sind Ausbrüche von HAI, d. h. ≥ 2 gleichartige Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, innerhalb von 3 Tagen an das zuständige Gesundheitsamt zu melden [23]. Hinzu kommt die Einhaltung der 2009 eingeführten Meldepflicht eines MRSA-Nachweises (MRSA: methicillinresistenter Staphylococcus aureus) in Blut und Liquor.

Die Einsetzung von hygienebauftragten Ärzten und Pflegekräften („link nurse“) ist durch die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut (KRINKO) [78] geregelt. Im IfSGuaÄndG [23] wird zur Verbindlichkeit der Empfehlungen beider Kommissionen des Robert Koch-Instituts die wichtige Aussage getroffen, dass die Einhaltung des Standes der medizinischen Wissenschaft auf diesem Gebiet vermutet wird, wenn jeweils die veröffentlichten Empfehlungen der KRINKO und der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (ART) beachtet wurden. Gemäß der KRINKO-Empfehlung [78] sollte jedes Krankenhaus mindestens einen hygienebeauftragten Arzt berufen. In Behandlungszentren mit mehreren organisatorisch getrennten Abteilungen und einem speziellen Risikoprofil für nosokomiale Infektionen, z. B. Chirurgie mit Intensivstation oder Neurochirurgie, soll jede Fachabteilung einen hygienebeauftragten Arzt bestellen. Analoges gilt für ambulante Operationszentren.

Gemäß IfSGuaÄndG [23] haben die Leiter von Krankenhäusern, von Einrichtungen für ambulantes Operieren und weiterer hier nicht aufgeführter Einrichtungen sowie in einer Reihe von Bundesländern auch von Arztpraxen [68] sicherzustellen, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um HAI einschließlich SSI zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, zu vermeiden. Dazu müssen die innerbetrieblichen Verfahrensweisen in Hygieneplänen festgelegt werden.

KRINKO-Empfehlungen

Folgende Empfehlungen sind für die Prävention von SSI besonders relevant:

  • Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet [77],

  • Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen [72],

  • Anforderungen der Hygiene beim ambulanten Operieren in Krankenhaus und Praxis [70],

  • Händehygiene [73],

  • Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen [76],

  • Empfehlungen zur Surveillance [74, 75] mit Erläuterung [40],

  • Empfehlung zur Prävention und Kontrolle von MRSA [71] sowie

  • Hygienemaßnahmen bei Infektionen oder Besiedlung mit multiresistenten gramnegativen Bakterien (MRGN, [82]).

Den gesetzliche Rahmen für die Aufbereitung von Medizinprodukten (MP) schaffen das Gesetz und die Verordnung für Medizinprodukte [20] sowie die Medizinproduktebetreiberverordnung [22], während die detaillierten Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von MP in der gemeinsame Empfehlung der KRINKO und des BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, [81]) verankert sind. In Studien wurde belegt, dass trotz Durchführung des Aufbereitungsprozesses Restkontaminationen feststellbar waren [9, 97]. Eine Analyse in Südhessen ergab, dass die Voraussetzungen für die Durchführung des Aufbereitungsprozesses z. T. nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprachen [114]. was sich mit anderen Berichten deckt [11, 49]. Als Hauptursachen für die Mängel erwiesen sich die hohen Kosten bei ordnungsgemäßer Durchführung der Aufbereitung, der untergeordnete Stellenwert, der der Aufbereitungsabteilung innerhalb der Gesundheitseinrichtung beigemessen wurde, und Defizite bei der behördlichen Überwachung [114]. Für die Aufbereitung von MP ergeben sich demnach folgende Konsequenzen:

  • Für die Aufbereitung innerhalb der niedergelassenen Praxis besteht gemäß § 135a SGB (Sozialgesetzbuch) V die Verpflichtung zur Qualitätssicherung, es ist jedoch keine Zertifizierung erforderlich.

  • Krankenhäuser, die für sich selbst und zusätzlich für andere Einrichtungen aufbereiten, müssen nicht zertifiziert und nicht beim DIMDI (Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information) gemeldet sein [21]. Rechtlich ist die Situation des externen Aufbereiters aufgrund der Definition des sog. Inverkehrbringens von MP allerdings nicht eindeutig, sodass einige Juristen eine Zertifizierung empfehlen und viele Krankenhäuser sich daran orientieren.

  • Die Aufbereitung von Kritisch-C-MP muss gemäß DIN EN ISO 13485/13488 [52, 53] durch eine von der zuständigen Behörde akkreditierte Stelle zertifiziert sein. Bei Auftragsvergabe ist die Aktualität der Dokumente zu überprüfen.

Evidenzbasierte Empfehlungen

Multibarrierenstrategie

Die gesicherten Maßnahmen zur Infektionsprävention werden sinnvollerweise aufeinander abgestimmt als sog. Multibarrierenstrategie umgesetzt. Dadurch gelingt es, die SSI-Rate im Behandlungsprozess zu minimieren [116, 131]. Voraussetzung dafür ist, dass die Bausteine der Multibarrierenstrategie im Konsens aller Beteiligten anhand der verfügbaren Evidenz festgelegt und ihre Einhaltung fortlaufend überprüft werden.

Ungeachtet der Evidenzstärke unterliegen die etablierten Standards zur SSI-Prävention aufgrund neuer Erkenntnisse oder neuer Entwicklungen der fortlaufenden Evaluierung. Da sich die Studienlage seit der CDC-Leitlinie (CDC: „Center for Disease Control and Prevention“) zur Prävention von SSI aus dem Jahr 1999 [88] und der KRINKO-Empfehlung aus dem Jahr 2007 [77] ständig erweiterte, sollen die Standards nachfolgend gemäß ihrer sich ergebenden Evidenz eingeordnet (Tab. 1) und bei veränderter Evidenzlage kurz kommentiert werden. Dabei werden über die KRINKO-Empfehlung [77] hinausgehende Quellen nur dann zitiert, wenn daraus eine veränderte Evidenz abgeleitet wurde. Zur Bewertung der Evidenzstärke wird die Einteilung der KRINKO (Tab. 2, [80]) zugrunde gelegt.

Tab. 1 Stellenwert wichtiger Maßnahmen zur Prävention von SSI
Tab. 2 Einteilung der KRINKO

Prä-, perioperative Maßnahmen

Screening und Dekolonisierung von Staphylococcus aureus

Nach Dekolonisierung mittels Screening identifizierter Träger von Staphylococcus aureus im Vestibulum nasi wurde die SSI-Rate bei Hüftimplantationen signifikant gesenkt [108]. Bei positivem Screeningergebnis auf Staphylococcus aureus war die Dekolonisierung kosteneffektiv (Level-II-Evidenz, [27]). Selbst bei Screening und nasaler Dekolonisierung in Verbindung mit antiseptischer Körperwaschung bei allen chirurgisch aufgenommenen Patienten war der Einfluss auf die Herabsetzung der SSI-Rate signifikant [15, 109].

Dagegen war in der Kopf-Hals-Chirurgie durch Screening und Sanierung kein Einfluss nachweisbar [112].

Sofern die Folgen einer SSI durch Staphylococcus aureus besonders kritisch sind, z. B. bei Implantation einer HEP (Hüftendoprothese) oder KEP (Knieendoprothese), sollte das Screening mit nachfolgender Dekolonisierung erwogen werden. Für eine generelle Empfehlung ist die Evidenz derzeit noch nicht als ausreichend anzusehen.

MRSA-Screening

Es dient bei planbaren Operationen der Möglichkeit der präoperativen Dekolonisierung [3] bzw. bei nicht aufschiebbarer Operation im Fall der Indikation zur PAP der Auswahl des effektiven Antibiotikums und der gezielten Aufbereitung der Operationseinheit nach dem Eingriff [67].

Inzwischen werden auch für andere multiresistente Erreger (MRE) zunehmend Erfahrungen zu ihrem Vorkommen bestimmenden Risikofaktoren gesammelt. So ist die Gefahr des Auftretens von 3MRGN und 4MRGN (gegen 3 bzw. 4 Antiobiotikagruppen multiresistente gramnegative Stäbchenbakterien) bei positiver Anamnese, nach Kontakt mit bekanntermaßen mit 3- und 4MRGN kolonisierten oder infizierten Patienten und bei Patienten aus Ländern mit hoher Prävalenz gegeben [82].

Korrektur metabolischer Abweichungen bei elektiven Eingriffen

Bei Adipositas Grad II und III ist eine Gewichtsreduktion insbesondere für Eingriffe zu erwägen, bei denen der Operationserfolg von der Körpermasse beeinflusst wird [z. B. Hüft-TEP (TEP: Totalendoprothese), Knie-TEP, Narbenhernien; [77]].

Mangelernährung sollte präoperativ ausgeglichen werden. Grundsätzlich sollen Patienten bis zum Operationstag und so rasch wie möglich postoperativ beginnend enteral ernährt werden. Die Europäische Gesellschaft für klinische Ernährung und Metabolismus empfiehlt in ihren Leitlinien die präoperative Ernährung mangelernährter Patienten vor großen gastrointestinalen Eingriffen für die Dauer von 7 bis 14 Tagen.

Generell ist postoperativ keine Unterbrechung der Nahrungszufuhr erforderlich. Der frühzeitige orale bzw. enterale Kostaufbau führt gegenüber längerfristiger Nüchternheit zur Verminderung des SSI-Risikos [127].

Bei Diabetes mellitus sollte der Blutglukosespiegel prä- und postoperativ engmaschig kontrolliert werden mit Vermeidung von Werten > 200 mg/dl bzw. > 11,1 mmol/l.

Eine präoperativ nachgewiesene Anämie sollte ausgeglichen werden [77].

Rauchen

Ein Verzicht ist mindestens 30 Tage vor dem Eingriff dringend nahezulegen, eine Karenz von 6 bis 8 Wochen vor elektiven Eingriffen reduziert die SSI-Rate signifikant [77].

PAP bei gesicherter Indikation

Entscheidend für den Beginn und die Dauer der Antibiotikagabe ist, dass ab dem Zeitpunkt des Hautschnitts für die Dauer der Operation ein wirksamer Blut- und Gewebespiegel gewährleistet ist. Für die Auswahl des Antibiotikums sind die Wirksamkeit gegen die häufigsten Wundinfektionserreger für die jeweilige Operation und die lokale Resistenzsituation entscheidend [77].

Clipping oder keine Rasur

Haare sind präoperativ nur bei operationstechnischer Notwendigkeit bevorzugt mittels Clipping zu entfernen [62].

Verbot künstlicher Fingernägel und Fingerringe

Die Bakteriendichte ist auf künstlichen Nägeln höher als auf natürlichen. Zugleich verleiten künstliche Nägel zur Vernachlässigung des Händewaschens und erhöhen die Perforationsgefahr für Schutzhandschuhe [47, 91, 107, 110, 117]. Als Reservoir für nosokomiale Erreger konnten wiederholt künstliche Nägel als Ursache für SSI-Ausbrüche identifiziert werden [37, 42, 44, 96, 102, 104, 106].

Das Tragen von Eheringen geht mit einer erhöhten Perforationshäufigkeit von Operationshandschuhen einher [99]. Da es für das Tragen von Ringen bisher keine Evidenz als Quelle von SSI gibt [2, 125], können Ringdosimeter toleriert werden, sofern sie von Seiten des Arbeitsschutzes vorgeschrieben sind. Für getragene Ringdosimeter ist es ausreichend, diese zur Desinfektion für 10 min in ein alkoholisches Flächendesinfektionsmittel einzulegen. Danach kann der Ring ohne Klarspülen mit Wasser nach Lufttrocknung erneut auf die desinfizierte Hand angelegt werden [61].

Chirurgische Händedesinfektion

Zur Gewährleistung der standardisierten Durchführung sollte das Vorgehen in einer SOP („standard operating procedure“) festgelegt sein [63]. Für die Einwirkungszeit von 1,5 min ist folgendes Vorgehen effektiv: Zunächst werden beide Hände mit dem alkoholbasierten Präparaten vollständig benetzt (10 s). Im 2. Schritt werden beide Unterarme benetzt (10 s). In der sich anschließenden Händedesinfektionsphase (70 s) ist darauf zu achten, dass Benetzungslücken verhindert werden, wobei das Hauptaugenmerk auf Fingerkuppen, Nagelfalze und Fingerzwischenräume zu legen ist [50].

Jodophore sind aus toxikologischen Gründen nicht mehr einzusetzen [12].

Hautschutz der Hände

Handschutz und -pflege sind eine berufliche Pflicht, weil eine geschädigte Haut nicht mehr sicher desinfizierbar ist [87], bereits kleinste Risse bzw. Mikrotraumen zum Erregerreservoir werden können [38, 83] und letztlich ein irritativ toxisches Kontaktekzem mit Berufsunfähigkeit entstehen kann. Um der Hautirritation vorzubeugen, müssen Hautschutz und -pflege systematisch und konsequent erfolgen. Dabei ist der präexpositionelle Hautschutz am wichtigsten und lässt sich nicht durch postexpositionelle Hautpflege ersetzen [13].

Anhand einer Fragebogenerhebung unter Chirurgen mit 1433 auswertbaren Datensätzen ergab sich ein erschreckendes Defizit in Bezug auf die Kenntnisse über den Unterschied zwischen Hautschutz und Hautpflege und die zeitliche Abfolge der Anwendung von Hautschutz- und -pflegepräparaten [19]. Deshalb sind Hautschutz und -pflege in einem Hautschutzplan festzulegen. Bei der Auswahl der Präparate ist deren Eignung in Bezug auf den nachgewiesenen Nutzen zu berücksichtigen [69]. Außerdem muss gewährleistet sein, dass die Wirksamkeit der chirurgischen Händedesinfektion nicht beeinträchtigt wird [43].

Präoperative Hautantiseptik

Die Effektivität der präoperativen Hautantiseptik ist einer der Schlüsselpunkte für die Prävention von SSI. Mittel der Wahl sind Alkohole mit Zusatz remanenter Wirkstoffe, weil durch die Beigabe z. B. von Chlorhexidin oder Octenidin die Wirkung der Alkohole signifikant verbessert wird [29]. Allerdings wurde die Erregerzahl auf talgdrüsenreicher Haut, untersucht auf der Stirn, durch 70 % Propan-2-ol bei 10 min Benetzung nur um 1,1 log10 reduziert. Durch Zusatz von 2 % Chlorhexidin zu 70 % Propan-2-ol stieg die Wirksamkeit auf 1,6 log10 (p < 0,05) an, was in Anbetracht der durchschnittlichen Kolonisationsdichte auf talgdrüsenreicher Haut von 105–106 [48] ebenfalls noch als unzureichend angesehen werden muss.

Durch die Entwicklung einer Vorrichtung zur assistierten Applikation mit Freigabe des Hautantiseptikums auf ein Schwämmchen (ChloraPrep®) werden die wünschenswerte Standardisierung der präoperativen Hautantiseptik und zugleich eine höhere Effektivität erreicht. Gemäß Herstellerangabe wird die Haut im Operationsgebiet zunächst mit dem Schwämmchen 30 s mechanisch gewischt, danach soll sie 1,5 min benetzt bleiben. Alternativ ist das Vorgehen mit Tupfer und Kornzange mit gleicher Effektivität standardisierbar [121]. Der epidemiologische Nachweis für die Überlegenheit dieses Vorgehens im Vergleich zur mechanisch assistierten Applikation steht noch aus.

Insgesamt sind weitere Studien erforderlich, um die Wirksamkeit der Hautantiseptik auf > 3 log10 zu verbessern und dabei zugleich die Haarfollikel und Talgdrüsen zu erreichen.

Hautversiegelung

Um die auf der Haut nach Hautantiseptik verbleibende Mikroflora zu fixieren, wurde die Versiegelung der Haut nach Hautantiseptik eingeführt.

In einer retrospektiven nichtrandomisierten Studie in der Herzchirurgie wurde durch Anwendung des Wundversieglers Integuseal® die SSI-Rate signifikant reduziert [31], was allerdings in einer nachfolgenden prospektiven Studie nicht bestätigt werden konnte [123]. Bei Gefäßoperationen an der unteren Extremität konnte in einer prospektiven, randomisierten, doppelblinden Studie dagegen wiederum eine signifikante Herabsetzung der SSI-Rate nachgewiesen werden [55]. Gestützt werden diese Befunde durch eine signifikante Minderung der wiedergewinnbaren Hautflora aus Inzisionswunden beim Schwein [128] bzw. beim Menschen nach Versiegelung [32, 118].

Antiseptische Inzisionsfolie

Bei nicht antiseptisch imprägnierter Inzisionsfolie steigt das SSI-Risiko signifikant, weshalb ihr Einsatz kontraindiziert ist [126]. Mit Jod imprägnierte Folie ist in vitro mikrobiozid wirksam [64]. Demzufolge kommt es auch bei ihrer Anwendung auf der Haut zu einer antiseptischen Wirkung unter der Inzisionsfolie, zugleich wird die bakterielle Wundkontamination verringert [64]. Aufgrund der geringen Effektstärke war die Reduktion der SSI-Rate jedoch nur bei großem Stichprobenumfang zu sichern [101].

Erregerdichte Operationsabdeckung

Nach präoperativer Antiseptik wird das Operationsfeld unter aseptischen Bedingungen mit als MP zertifizierten Abdeckmaterialien der Qualität „standard“ oder „high performance“ [8] steril abgedeckt.

Verzicht auf Darmreinigung in der Darmchirurgie

Sofern die präoperative Darmreinigung nicht aus operationstechnischer Sicht für erforderlich angesehen wird, ist sie als entbehrlich zu betrachten [4, 39, 89, 98].

Screening des Operationsteams

Wird im Rahmen der Surveillance eine Häufung von SSI durch Staphylococcus aureus oder Gruppe-A-Streptokokken auffällig, ist ein Screening hinsichtlich einer Kolonisation beim Operationsteam indiziert [77].

Intraoperative Maßnahmen

Vermeidung einer akzidentellen Hypothermie

Im Gegensatz zur therapeutisch oder protektiv erwünschten Hypothermie (z. B. bei bestimmten herzchirurgischen Eingriffen, Reanimation komatöser Patienten) ist eine akzidentelle Hypothermie zu vermeiden [17, 36, 92]. Allerdings konnte der präventive Einfluss auf die SSI-Rate als unabhängiger Faktor nicht durchgehend bestätigt werden [85], wobei die betreffende Studie methodische Grenzen aufwies. Aktives Erwärmen ist effektiver als passives Erwärmen, aber für besonders vulnerable Eingriffe kann die Kombination beider Möglichkeiten einschließlich präoperativer Erwärmung überlegen sein [95].

Mund-Nasen-Schutz, Haarschutz, steriler Kittel mit Wechsel vor jeder neuen Operation sowie bei sichtbarer Kontamination

Vor Betreten des OP (Operationssaal) werden Mund-Nasen-Schutz und Haarschutz angelegt, sofern die sterilen Instrumente bereits gerichtet sind, eine Operation demnächst beginnt oder durchgeführt wird. Die sterilen Operationshandschuhe werden nach dem Anlegen des sterilen Operationskittels übergestreift. Vor jeder neuen Operation muss die sterile Operationskleidung einschließlich Mund-Nasen- und Haarschutz gewechselt werden [77].

Sterile Operationshandschuhe mit Wechsel bei intraoperativer Beschädigung

Sterile Operationshandschuhe sind vor jedem direktem Kontakt mit nicht kolonisierten Bereichen des Körpers sowie im Umgang mit sterilen MP oder sterilem Material anzulegen. Dabei ist darauf zu achten, dass sie erst nach vollständiger Trocknung des Händedesinfektionsmittels anzuziehen sind, weil andernfalls das Perforationsrisiko steigt [105]. Durch unter dem Operationshandschuh getragene sterile Baumwollhandschuhe kann einem Feuchtigkeitsstau entgegengewirkt werden [14].

Es empfiehlt sich der Einsatz puderfreier Operationshandschuhe aus Naturlatex, da zurzeit von keinem anderen Material gleichwertige Eigenschaften hinsichtlich Tragekomfort, Passgenauigkeit, Griffigkeit und mechanischer Belastbarkeit erreicht werden. Gepuderte Latexhandschuhe sind wegen des Allergisierungsrisikos untersagt [7]. Nachdem Talkum wegen des Auftretens von Talkumgranulomen nach Laparotomien in die Kritik geriet, wurde es durch Maisstärke ersetzt. Da auch hierfür die Bildung von Granulomen durch Kontamination des Operationsgebiets beschrieben wurde [34, 35, 56, 100, 113], ist auch deren Einsatz abzulehnen. Ob das auch für in eine Emulsion eingebrachte Maisstärke (Biosorb®) zutrifft, ist nicht untersucht. Da jedoch für Biosorb® kein signifikanter Einfluss auf die Handschweißmenge nachgewiesen werden konnte, ist dessen Einsatz als entbehrlich anzusehen [111].

Bei invasiven Eingriffen mit hoher Perforationsgefahr der Handschuhe wird das Tragen von 2 Paar Handschuhen empfohlen [77]. Alternativ sollten die Handschuhe bei viszeralchirurgischen Eingriffen durch den Operateur und den 1. Assistenten nach spätestens 90 min, durch die weiteren Assistenten und Operationsschwestern nach 150 min gewechselt werden [45, 103]. Bei intraoperativer Handschuhbeschädigung müssen 2 frische sterile Operationshandschuhe angelegt werden. Zuvor ist eine Händedesinfektion für die Dauer von 30 s durchzuführen [57, 58]. Ereignete sich die Perforation zum Ende der Operation, kann es ausreichend sein, einen frischen sterilen Handschuh über den perforierten Handschuh zu ziehen.

Bei Übertragungsrisiko für HIV („human immunodeficiency virus“) oder Hepatitisviren (oder andere Infektionskrankheiten) vom Patienten auf das Personal sollte stets „double gloving“ mit Indikatorsystem gewählt werden. Alternativ kommen Operationshandschuhe mit zusätzlicher antimikrobieller Barriere in Betracht. Bei Nadelstichverletzung wurde dadurch der Bakterientransfer signifikant herabgesetzt [28], und es wurden ≥ 99 % der eindringenden HCV (Hepatitis-C-Virus) und HIV inaktiviert [86]. Im Trageprozess wurde bei diesem Handschuhtyp die in den Handschuh freigesetzte Hautflora unabhängig von der Operationsdauer und der Art des Eingriffs signifikant herabgesetzt, sodass sich das Risiko für SSI reduzieren dürfte [6]. Nach Ablegen der Operationshandschuhe ist bei gegebener Indikation eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen, da die Hände durch unerkannte Leckagen oder Kontakt beim Abstreifen der Handschuhe kontaminiert worden sein können. Bei Eingriffen mit erhöhter Viruslast muss das ausgewählte Desinfektionsmittel, sofern es sich um unbehüllte Viren handelt, viruzid wirksam sein.

Extrakorporale aseptische Implantatlagerung

Befindet sich der Instrumententisch außerhalb des Lüftungsfelds des Laminar Air Flow, kommt es durch Erregeraufwirbelung aus der Umgebung zu dessen Kontamination [30].

Antiseptisches Nahtmaterial

Kommt es zur Biofilmbildung auf chirurgischem Nahtmaterial, sind die Mikroorganismen weitgehend vor der Wirtsabwehr geschützt und können entlang des Fadens tiefere Gewebeschichten erreichen. Ein Einfluss auf die SSI-Rate von antiseptisch imprägniertem Nahtmaterial wurde bei einer Reihe von Eingriffen nachgewiesen [60, 115]. In einer Metanalyse wurde eine Herabsetzung der SSI-Rate um 30 % kalkuliert, mit konsistenten Ergebnissen bei abdominellen Eingriffen und sauberen oder sauber kontaminierten chirurgischen Wunden [124]. In einer in „Surgical Infections“ zum Druck akzeptierten erweiterten Metaanalyse mit 15 RCT (RCT: „randomized controlled trial“) und 4800 eingeschlossenen Patienten konnte die Effektivität des antiseptischen Nahtmaterials untermauert werden (Leaper, pers. Mitteilung). Die Autoren einer 2012 veröffentlichten Metaanalyse kamen noch zu dem Ergebnis, dass Nahtmaterial ohne signifikanten Einfluss auf die SSI-Rate sei [24]. In einer randomisierten Multicenterstudie bei kolorektalen Eingriffen war kein Effekt auf die SSI-Rate nachweisbar [10], was mit der im Darm dominierenden gramnegativen Flora im Zusammenhang stehen dürfte, da Triclosan unwirksam gegen Pseudomonas aeruginosa ist. Ebenso war bei gefäßchirurgischen Eingriffen an der unteren Extremität [120] und onkologischen Eingriffen im Kopf-Hals-Bereiche [25] kein Einfluss auf die SSI-Rate nachweisbar. Zur Eingrenzung des effektiven Indikationsbereichs bedarf es weiterführender RCT-Studien.

Keine extrakorporale Implantatlagerung außerhalb Sterilverpackung und TAV (turbulenzarme Verdrängungsströmung)

Das ist v. a. dann essenziell, wenn sich der Instrumententisch außerhalb des Lüftungsfelds der RLTA (raumlufttechnische Anlage) befindet, weil es dann zu dessen Kontamination durch Erregeraufwirbelung aus der Umgebung kommt (s. oben, [30]).

Turbulenzarme Verdrängungsströmung

Während sich aus einigen Studien eine schwache Evidenz für den positiven Einfluss von Laminar Air Flow bei alloplastischem Hüft- und Kniegelenkersatz ableiten lässt, wurden diese Ergebnisse durch Analysen aus den Jahren 2008 und 2011 in Zweifel gestellt [16, 18, 79]. Allerdings wurden die SSI-Raten nicht im Rahmen kontrollierter Studien, sondern aus KISS-Daten (KISS: Krankenhausinfektionssurveillancesystem) generiert.

Zweifellos ist bei sog. kleinen operativen Eingriffen in einem Eingriffsraum und bei Eingriffen, für die die Risikobewertung ergibt, dass die in der Operationseinheit vorhandene Luftkoloniezahl der normalen Raumluft entsprechen kann, aus infektionsprophylaktischer Sicht keine RLTA erforderlich. Da jedoch durch eine leistungsfähige RLTA mit dynamischer TAV das Operationsfeld nahezu erreger- und partikelfrei gehalten wird, ist bei Hüft- und Kniegelenkimplantation durch TAV eine größere Sicherheit erreichbar. Hinzu kommt, dass sich die Investitionskosten zwischen Raumklasse Ib und la bei modernen Planungen nicht wesentlich unterscheiden. Schließlich besteht Konsens, dass zur Verhinderung implantatassoziierter Infektionen nach Hüft- und Kniegelenkimplantation alle präventiven Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, um eine Kontamination des alloplastischen Implantats mit nachfolgender Biofilmbildung und Infektion zu verhindern [67]. Voraussetzung ist die ausreichende Größe des Deckenfelds (etwa 518 × 383 cm2), weil bei kleinem Ausmaß desselben (380 × 120 cm2) die Effektivität der TAV durch Luftverwirbelungen signifikant herabgesetzt ist [30].

Postoperative Maßnahmen

Desinfektion von relevanten Flächen und Inventar im OP

Nach jeder Operation sind die patientennahen und die sichtbar kontaminierten Flächen sowie der begangene Fußbodenbereich im OP zu desinfizieren. Nach Betriebsende werden alle Fußbodenflächen und potenziell kontaminierte Flächen in allen Räumen der Operationsabteilung einer Wischdesinfektion unterzogen [77].

Aseptische Wundversorgung

Die primär verschlossene, nicht sezernierende Operationswunde wird am Ende des Eingriffs mit einer sterilen Wundauflage abgedeckt. Da nach 24 h keine Infektionsgefährdung mehr besteht, wird die Verwendung einer neuen Wundauflage vom Schutz vor mechanischer Belastung der Wunde bestimmt [77].

Strenge Indikationsstellung für Drainagen

Wunddrainagen sollen nicht routinemäßig, sondern nur bei Indikation und so kurzzeitig wie möglich eingesetzt werden. Offene Drainagen sind wegen des Infektionsrisikos nicht zu verwenden. Sofern Drainagen indiziert sind, sollen sie über eine separate Inzision gelegt werden [77].

Surveillance von SSI

Die Infektionssurveillance dient der Evaluierung der Maßnahmen der Primärprävention. Sie beinhaltet die fortlaufende Erfassung von SSI auf der Basis der Definitionen der US-amerikanischen CDC [88] mit Analyse und Interpretation der Inzidenz. Allein durch ihre Einführung wird bereits das Infektionsrisiko gesenkt [94]. Im KISS, Modul OP-KISS, können sog. häufig vorkommende bzw. besonders relevante Indikatoroperationen ausgewählt werden [41].

Rahmenbedingungen

Operationstechnik und chirurgische Erfahrung

Die Literatur ist wenig ergiebig bezüglich der Inzidenz von SSI und dem Einfluss chirurgischer Exzellenz bzw. Technik. Selbstverständlich ist ein atraumatischer Gewebeumgang wichtige Voraussetzung für eine primäre Wundheilung und somit für die Vermeidung von SSI [90]. Davon abgesehen gelten die allgemeingültigen Empfehlungen zur Vermeidung von Gewebeschädigungen.

In der Literatur finden sich keine Hinweise auf eine Korrelation von chirurgischer Exzellenz und SSI-Rate, aber auf eine solche mit chirurgischer Expertise. Bei Chirurgen mit hoher Fallzahl (also jenseits der Lernkurve) finden sich bei minimalinvasiver Rektumchirurgie deutlich weniger SSI als bei Kollegen, die sich noch in der Lernkurve befinden [54].

Qualitätsmanagement der Hygiene

Das IfSGuaÄndG [23] gewährleistet im Zusammenwirken mit den Landeshygieneverordnungen, den rechtsrelevanten Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und den in Vorbereitung befindlichen Hygieneindikatoren des GBA (Gemeinsamer Bundesausschuss) die Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Prävention von SSI. Im Fokus stehen die optimale Umsetzung der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention mit Hilfe der Multibarrierenstrategie und deren fortlaufende Überprüfung z. B. mittels Checklisten, Hygienevisiten, Vor-Ort-Begehungen und In-Prozess-Kontrollen.

Für die Herstellung von Lebensmitteln ist das HACCP-Konzept (HACCP: „hazard analysis and critical control point“) seit langem Standard, um die Sicherheit des Verbrauchers auf dem höchstmöglich vertretbaren Sicherheitslevel zu gewährleisten. Die Etablierung eines QM der Krankenhaushygiene nach dem Vorbild des HACCP-Konzepts beinhaltet den Aufbau eines mehrdimensionalen Hygienekontrollsystems, das die Limitierungen einer nicht prozessual integrierten und nicht schnittstellenübergreifenden Betrachtung der Hygiene überwindet [51]. Schwerpunkte sind die Identifizierung von Risikopunkten und Infektionsreservoirs, die Beobachtung von Handlungsabläufen und deren Gefährdungsbeurteilung vor Ort durch Einbeziehung hygienisch-mikrobiologischer Untersuchungen sowie die Entwicklung von Konzepten der Infektionsprävention. Nicht die Einzelmaßnahme steht im Vordergrund, sondern die aufeinander abgestimmte Durchsetzung der anerkannten Maßnahmen zur Infektionsprävention einschließlich der Überwachung potenzieller Erregerreservoirs mit einem Warnsystem für kritische Pathogene.

Einführung von SSI-Bündeln

Es erwies sich als effektiv, besonders wichtige Maßnahmen zu einem sog. Maßnahmenbündel zusammenzufassen (sog. Bündelstrategie), die Bündel zu trainieren und deren Einhaltung in Form einer Selbstkontrolle mitttels Checkliste zu überwachen [26, 84, 119]. Durch das Eintrainieren mit nachfolgender Supervision wird die Compliance der Durchführung verbessert [1, 33]. Die Bündelstrategie begleitet die Kultur der Nulltoleranz, d. h. Nulltoleranz gegenüber Nichteinhaltung der gesicherten Maßnahmen zur Prävention von SSI, um deren Rate auf das erreichbare Minimum zu reduzieren.

Ein SSI-Bündel sollte in jedem Fall das risikoadaptierte präoperative MRSA-Screening, die indikations- und zeitgerechte PAP, die standardisierte präoperative Hautantiseptik, die aseptische Disziplin des Operationsteams und die Surveillance umfassen. Clipping ist im Bündel entbehrlich, sofern die Rasierer konsequent eliminiert wurden.

Fehleranalyse

Wurden mehr als 2 Fehler bei der PAP (z. B. falscher Zeitpunkt, falsche Auswahl des Antibiotikums) analysiert, hatte das einen signifikanten Effekt auf die SSI-Rate [130]. Daraus kann im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass durch eine Fehleranalyse Einfluss auf die SSI-Rate genommen werden kann. Ebenso war allein durch die Kontrolle der Einhaltung der PAP mittels Checkliste eine signifikante Senkung der SSI erreichbar [46].

Evaluation der Hygiene durch die Patienten

Nach Einführung des sog. Infektionspräventionschecks durch Kramer et al. [65] wurde das Hygieneverhalten der Ärzte höher bewertet als das des Pflegepersonals. Da üblicherweise von der umgekehrten Situation ausgegangen wird, ist zu vermuten, dass sich das Bewusstsein der Evaluierung durch die Patienten auf die Disziplin der Ärzte stärker als auf die des Pflegepersonals auswirkte [93].

Basishygiene

Die Voraussetzungen für eine effektive Händedesinfektion sind nur z. T. untersucht und leiten sich überwiegend aus der hygienischen Risikobewertung ab. Klinik und Praxis sind mit sauberen Händen und Fingernägeln zu betreten. Schmutzige Hände und Fingernägel (z. B. nach Gartenarbeit) sind bereits zu Hause zu säubern. Kommt es während der Tätigkeit zur Verschmutzung der Hände, sind ein Reinigungspräparat und wegen der Schonung der Haut nur im Bedarfsfall eine Nagelbürste zu benutzen. Kurzgeschnittene, mit den Fingerkuppen abschließende Fingernägel gewährleisten die gründliche Reinigung der subungualen Spatien und minimieren die Gefahr der Handschuhperforation an den Fingerkuppen.

Nagellack ist abzulehnen, nicht nur weil er die Sichtbeurteilung der Nägel verhindert, sondern weil bei 5 Tage altem Nagellack eine grenzwertig signifikante Unterlegenheit der Händedesinfektion im Vergleich zum Referenzverfahren ohne lackierte Nägel nachweisbar war. Obwohl dieser Einfluss bei frischem Nagellack nicht nachweisbar war, ist die Empfehlung, keinen Nagellack zu tragen, berechtigt, weil das Alter des Nagellacks und dessen Güte (Mikrorisse u. Ä.) in der Praxis nicht beurteilbar sind [5].

Hände und Fingernägel sollen beim Betreten des Operationstrakts sauber sein. Nägel und Nagelfalze sind bei Verschmutzung der subungualen Spatien mit weicher, thermisch desinfizierter Kunststoffbürste oder Einmalnagelbürste zu säubern. Hände und Unterarme sind wegen des Risikos der Wegbereitung von Hautirritationen und der damit verbundenen höheren Bakterienabgabe nicht mit einer Bürste zu behandeln [59, 77].

Vor operativen Eingriffen sollen keine Nagelbettverletzung oder entzündliche Prozesse an der Hand vorliegen [77]. Bei schwerer Onycholyse und Onychomykose des rechten Fingernagels mit gleichzeitigem subungualem Nachweis von Pseudomonas aeruginosa wurde ein Ausbruchgeschehen verursacht, obwohl chirurgische Latexhandschuhe getragen worden waren [91]. Auch bei Psoriasis mit Kolonisation durch Serratia marcescens wurde ein Ausbruch verursacht [122]. Unter sorgfältiger Risikoabwägung erscheint es bei nichtentzündlichen Veränderungen bzw. kleinen Verletzungen im Bereich der Hand jedoch vertretbar, die Operation mit 2 übereinander gezogenen Paar Handschuhen, ggf. nach vorheriger Abdeckung mit antiseptischer Salbe und zusätzlichem Fingerling, durchzuführen [77]. Gegebenenfalls ist eine Vorstellung beim Betriebsarzt anzuraten.

Zur Operationsabteilung gehören ein oder mehrere Operationseinheiten, ggf. Haltezone und getrennte Aufwacheinheit, Personalschleuse mit unreiner und reiner Seite, Patientenzuführung, getrennte Ver- und Entsorgungsschleuse (Übergaberaum), Lagerräume, Aufenthaltsraum und Verwaltungsräume. Weitere Funktionen können auf Flächen statt in separaten Räumen realisiert werden. Für ambulante Patienten wird zusätzlich eine Patientenumkleide benötigt. Die nachfolgend zusammengefassten baulich-funktionellen Anforderungen beruhen auf dem hygienischen „risk assessment“ einschließlich der Überprüfung der theoretischen Plausibilität, weil eine systematische Überprüfung durch Studien methodisch nicht durchführbar ist. Folgende Anforderungen bzw. Raumforderungen wurden durch die KRINKO [72] erhoben und seinerzeit sogar mit Evidenzkategorien versehen:

  • Abtrennung der Operationsabteilung vom übrigen Krankenhaus

  • Patientenübergaberaum oder -fläche, alternativ Umbettung in Einleitungszone

  • Innerhalb der Operationsabteilung keine Trennung der Flurwege (für Patienten, Personal, Güter usw.) mit Ausnahme ausgewiesener Sterilgutflure

  • Ein Operationstisch pro Raum

  • Als Räume ausgelegt: Personalschleuse, Aufenthaltsraum; unreiner Arbeitsraum, Entsorgungs- und Übergaberaum, Raum für Putzmittel – diese 3 Räume können kombiniert werden; ggf. Vorbereitungsraum für Instrumententische, Patientenumkleideraum, Aufwachraum

  • Als Flächen ausreichend oder als Räume ausgelegt: Narkoseein- und -ausleitung entweder im OP oder in separaten Räumen/Flächen, Entsorgung, Händewaschung und -desinfektion, Lager für saubere Geräte, Sterilgut u. a., Bettenabstellplatz, Übergabe reiner Güter, Notfalllabor, Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben

  • Keine Wasserarmaturen und Bodeneinläufe im OP

Kritisch zu hinterfragende Tradition

In der KRINKO-Empfehlung [72] findet sich keine Aussage zur Notwendigkeit der baulichen Trennung zwischen aseptischem und septischem OP. Da es keine epidemiologische Evidenz für den Einfluss der baulichen Trennung auf die SSI-Rate gibt und auch das „risk assessment“ nicht für die Notwendigkeit der Trennung spricht, ist die funktionelle Trennung als ausreichend anzusehen [66]. Sie kann durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

  • Ein Operationsprogramm mit aseptischen Operationen zu Beginn und septischen Operationen am Ende des Programms kann organisatorisch vorteilhaft sein, ist jedoch nicht zwingend erforderlich.

  • Falls Mischströmung anstatt TAV-Decke: Schlussdesinfektion nach septischer Operation und bei bekannter Kolonisation mit MRE, OP bis zum Abschluss der Desinfektion als septisch kennzeichnen

  • Wechsel der Reinigungsutensilien und Bereichskleidung des Reinigungspersonals nach septischer Operation

  • Ausschleusung des Operationsteams mit Entsorgung der Operationsschutzkleidung innerhalb der Operationseinheit und Schuhwechsel nach septischer Operation mit erneuter Einschleusung

  • Für Anästhesieteam und Springer: Wechsel der Bereichskleidung nach septischer Operation

Bei entsprechend großer Anzahl septischer Patienten kann es selbstverständlich logistisch vorteilhaft sein, einen separaten septischen OP vorzuhalten.

Fazit für die Praxis

  • Durch Einhaltung der gesicherten Standards zur Infektionsprävention lässt sich die Rate von SSI auf das erreichbare Minimum senken.

  • Aufgrund des endogenen Infektionsrisikos ist die Nulltoleranz nur für Handlungslücken, nicht aber für SSI erreichbar.

  • Die klare Regelung der Arbeitsabläufe prä-, intra- und postoperativ, die Einführung eines SSI-Bündels mit Training, Supervision und Selbstbewertung mittels Checkliste und die Surveillance von SSI bilden die Eckpfeiler der Praxis einer guten Krankenhaushygiene.

  • Die Einbeziehung der Patienten in die Evaluation ist eine weitere Möglichkeit zur Umsetzung der Philosophie der Nulltoleranz gegenüber Hygienemängeln.

  • Eine Sicherheitskultur ist nur dann erfolgreich zu etablieren, wenn Hygiene zur Chefsache erklärt wird!