1 Einleitung

Systemverständnis und Handlungskompetenz in komplexen Systemzusammenhängen sind wesentliche Voraussetzungen für das Treffen von nachhaltigen Entscheidungen in unserer vernetzten Welt (Frischknecht-Tobler et al. 2008). Die 2030-Agenda für eine nachhaltige Entwicklung (UN 2015) beschreibt klare Zusammenhänge zwischen einer nachhaltigen Entwicklung, der Notwendigkeit eines umfassenden Systemverständnisses und neuen gesellschaftlichen Lösungsansätzen (Bückmann 2015).

Demgegenüber stehen die Ergebnisse der PISA-Studie aus 2006 (OECD 2009), die bei 15-jährigen Jugendlichen ein Basiswissen zu Umwelthemen dokumentierten, allerdings klar ein fehlendes Verständnis und geringes Wissen bei den jungen Menschen aufzeigten, wie Umweltprobleme zukünftig gelöst werden könnten. Auch Evaluierungsergebnisse von Wissenstests bei 15- bis 17-jährigen SchülerInnen belegten, dass das Verständnis für komplexe Zusammenhänge gewässerökologischer Themen wenig ausgeprägt ist (Poppe et al. 2013).

Im Oktober 2014 startete im Rahmen des Forschungsprogrammes „Sparkling Science“ des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung das Projekt „Traisen.w3 – Traisen. Was? Wie? Warum? – Identifizierung und Wahrnehmung von Funktionen in Flusslandschaften und Verstehen einzugsgebietsbezogener Prozesse am Beispiel der Traisen“Footnote 1. In diesem Projekt arbeitet ein WissenschaftlerInnen-Team gemeinsam mit SchülerInnen und PädagogInnen zweier Oberstufenklassen des BG/BRG St. Pölten über einen Zeitraum von zwei Jahren zu Forschungsfragen des Flusslandschaftsmanagements. Inhaltlich baut das Projekt auf Erkenntnissen des Vorgängerprojektes „FlussAu:WOW!“ auf (Poppe et al. 2013). Neben der Integration der SchülerInnen in den Forschungsprozess, in Freilandarbeiten und Datenauswertungen und -interpretationen ist vor allem der Aufbau von Systemverständnis in Bezug auf Prozesse in Flusslandschaften Ziel des Projektes. Systemverständnis wird nach Frischknecht-Tobler et al. (2008) als „Fähigkeit, komplexe Wirklichkeitsbereiche als Systeme zu beschreiben, zu rekonstruieren und zu modellieren sowie Erklärungen zu geben, Prognosen zu treffen und Handlungsmöglichkeiten zu entwerfen und zu beurteilen“ definiert.

Als Werkzeug der Wissensvermittlung und vor allem um das Systemverständnis für Prozesse in Flusslandschaften zu vertiefen, eignet sich das Konzept des qualitativen Modellierens (Bredeweg et al. 2013; Zitek et al. 2009). Im Projekt „Traisen.w3“ wurden die SchülerInnen angeregt, sich mithilfe der Lern-Software „DynaLearn“Footnote 2 selbständig konzeptuelles und kausales Wissen anzueignen und damit systemische Prozesse in der Umwelt zu verstehen und in qualitative Modelle umzusetzen. Bereits durchgeführte Evaluierungen dieses Ansatzes mit SchülerInnen einer berufsbildenden höheren Schule haben gezeigt, dass es durch die Arbeit mit der Lern-Software zu einem signifikanten Anstieg von kausal richtigen Beziehungen bei den Antworten zu fachlichen Wissensfragen kam (Zitek et al. 2013; Poppe et al. 2011). Durch diese Möglichkeit der Darstellung von Umweltphänomenen mittels Modellierungsinstrumenten können „Wissenschaftsneulinge“ eine Art von Problemlösungsverhalten von ExpertInnen erleben und erlernen (Jonassen 2003).

Ein weiteres Instrument, die Komplexität von Flusslandschaften anzusprechen, sie „greifbarer“ und damit operationalisierbar zu machen, stellt das Konzept der Ökosystemleistungen (ÖSL) dar. Dieses behandelt die Schnittstelle zwischen Ökosystemen und menschlichem Wohlbefinden und rückt die von Ökosystemen bereitgestellten Güter und Leistungen in den Vordergrund, die zum menschlichen Wohlbefinden beitragen können. Diese können in Versorgungsleistungen (z. B. Verfügbarkeit von Wasser und Rohstoffen), Regulierungsleistungen (z. B. Hochwasserschutz), kulturelle Leistungen (z. B. Erholungsleistung) sowie unterstützende Basisleistungen (ökologische Leistungen, z. B. Erfüllung der Habitatfunktion) eingeteilt werden (MEA 2005). Vor dem Hintergrund sich ständig wandelnder Nutzungsansprüche an unsere Landschaft sind sowohl ökologische als auch kulturelle Funktionen und Leistungen von besonderem Interesse. Gerade letztere spielen für Kinder und Jugendliche, als eine der größten NutzerInnengruppen natürlicher Freiflächen (Millward and Mostyn 1989; Tapsell et al. 2001), eine große Rolle. In der Praxis, zum Beispiel im Rahmen von Kulturlandschaftsbewertungen, finden diese jedoch meist noch wenig Berücksichtigung (Schaich et al. 2010). Um kulturelle ÖSL in Managementkonzepte einfließen zu lassen, wird von Chan et al. (2012) vorgeschlagen, soziokulturelle Methoden in ÖSL-Bewertungen einzubinden. Besonders die Sichtweisen von Kindern und Jugendlichen könnten in diesem Rahmen dazu beitragen, die Nutzbarkeit von Fließgewässern z. B. für Erholungszwecke zu verbessern (Tapsell et al. 2001). Die meisten Untersuchungen bisher beschränken sich jedoch auf Stakeholder-Gruppen mit gewissen Entscheidungskompetenzen an Fließgewässern (Böck et al. 2013) bzw. erwachsene BewohnerInnen eines betroffenen Gebiets (Plieninger et al. 2013). Bis dato gibt es nur vereinzelte am ÖSL-Konzept orientierte, wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit der Wahrnehmung von Jugendlichen in Flusslandschaften befassen (z. B. Chuchmáková 2009; Eder und Arnberger 2010).

Die Erhebung der Wahrnehmung von ÖSL durch BürgerInnen, insbesondere Jugendliche, kann zu einer umfassenden Betrachtung der Flusslandschaft in zukünftigen Planungen im Flusslandschaftsmanagement beitragen. Mittels der in diesem Rahmen identifizierten Wissenslücken kann der zukünftige Bildungsbedarf hinsichtlich Funktionsfähigkeit und Leistungen von Flusslandschaften abgeschätzt werden. Seit der Entstehung des ÖSL-Konzepts gibt es Bemühungen, dieses in Bildungsaktivitäten einzubauenFootnote 3. So wird beispielsweise auf UN-Ebene das ÖSL-Konzept in bestehende Bildungsprogramme (z. B. SWEDESDFootnote 4) eingebunden. Es soll in diesem Zusammenhang dazu beitragen, das Verständnis von Kindern und Jugendlichen für den Nutzen sichtbar zu machen, den Menschen aus intakten Ökosystemen ziehen, und damit die Bedeutung einer nachhaltigen Entwicklung zu unterstreichen. Auch im vorliegenden Projekt „Traisen.w3“ wird das Konzept der ÖSL als Kommunikations- und Bildungswerkzeug in der Zusammenarbeit mit SchülerInnen eingesetzt.

Flusslandschaftsplanung und -management im Sinne einer zukunftsverträglichen Entwicklung einer Flusslandschaft sind dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet. Ziel ist es dabei, eine Entwicklung von Flusslandschaften zu initiieren, die Anforderungen des Natur- und Gewässerschutzes mit den sozialen und wirtschaftlichen Ansprüchen der betroffenen Menschen in Einklang bringt. Umweltwissen und Systemverständnis sind zentrale Grundlagen für eine nachhaltige Entwicklung (UNESCO 2011; Bilharz und Gräsel 2006). Auch im Flussgebietsmanagement, wo komplexe Zusammenhänge u. a. zwischen den Bereichen Wasserwirtschaft, Ökologie, Landschaftsplanung, Siedlungsentwicklung, Land- und Forstwirtschaft, Wirtschaft, Naturschutz und Tourismus bestehen, sind nachhaltige Entscheidungen und Lösungen unabdingbar. Um gemeinsame Entscheidungen zu treffen, Entscheidungsprozesse auf eine breite Basis zu stellen und die Akzeptanz der Entscheidungen zu erhöhen, ist die Information und Partizipation sowohl von EntscheidungsträgerInnen, Akteursgruppen als auch von der breiten Öffentlichkeit notwendig. Die Information und Beteiligung der Bevölkerung an Entscheidungsprozessen ist durch mehrere EU-Richtlinien (u. a. Wasserrahmenrichtlinie: Richtlinie 2000/60/EG, Hochwasserrichtlinie: Richtlinie 2007/60/EG, Richtlinie über die Beteiligung der Öffentlichkeit: Richtlinie 2003/35/EG) gefordert und festgelegt. Daher ist es wichtig, dass sich Jugendliche der Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung von Flusslandschaften bewusst sind und als zukünftige BewohnerInnen und NutzerInnen dieser Landschaften nachhaltige Planungen, Maßnahmen und Entscheidungen unterstützen. Umweltbildung und gelebte Partizipation bedingen einander und unterstützen sich gegenseitig.

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Förderung von Systemverständnis und Umweltwissen zu Prozessen in Flusslandschaften im Rahmen des Projektes „Traisen.w3“. Die Ergebnisse der Wissensevaluierung von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen in Flusslandschaften, des Konzepts der ÖSL und zum regionalen Wissen zur Traisen liegen bereits vor und sind hier zentrales Thema. Ziel ist es, folgende Fragen zu beantworten: 1) Können SchülerInnen durch die Arbeit im Forschungsprojekt mit einer Lern-Software und Arbeiten im Feld verstärkt systemare Zusammenhänge in Umweltfragen herstellen? und 2) Inwiefern ist das ÖSL-Konzept zur Anwendung als Kommunikationsinstrument und zur Verbesserung des Systemverständnisses bei Jugendlichen geeignet?

2 Vorgangsweise und Methodik

2.1 Durchführung der Schüleraktivitäten

Mit dem Kick-off-Workshop im Oktober 2014 startete für die 5. und 7. Klasse des naturwissenschaftlichen Zweiges (5N und 7N) des Gymnasiums St. Pölten die Forschungsmitarbeit im Sparkling-Science-Projekt „Traisen.w³“. Bei der Zusammenarbeit mit den SchülerInnen wurde neben der Wissensvermittlung besonderes Augenmerk auf die Förderung des Verständnisses der SchülerInnen für komplexe Zusammenhänge in Flusslandschaften gelegt. In multi-modalen Workshops wurden die SchülerInnnen in die Forschungsthemen eingeführt (Tab. 1).

Tab. 1 Überblick über zeitliche Abfolge und Inhalte der Schul-Aktivitäten inkl. der Wissensevaluierungen im Projekt „Traisen.w3“ im ersten Schuljahr 2014/2015

2.1.1 Modellierungs-Workshops

Die SchülerInnen der 7. Klasse waren bereits im Vorgängerprojekt „FlussAu:WOW!“ (Poppe et al. 2013) tätig und arbeiteten dort mit der Lern-Software „DynaLearn“. Darauf aufbauend wurden im ersten Modellierungs-Workshop Expertenmodelle als „Rahmenmodelle“ vorgestellt, die zur Beschreibung typischer Prozesse in Flusslandschaften entwickelt wurden. Basierend auf diesen Modellen konnten regionale Modelle, die für das Traisen-Einzugsgebiet gültig sind, entwickelt werden. Die SchülerInnen erstellten in Kleingruppen von 2 bis 3 Personen qualitative Modelle zum Zustand der Traisen. Sie setzten Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in Flusslandschaften am Beispiel ihres Heimatflusses in kausale Modelle um. Im zweiten Workshop verfassten die SchülerInnen eine textliche Version eines potenziellen Entwicklungsszenarios für das Einzugsgebiet der Traisen. Darauf aufbauend wurde ein entsprechendes Modell konstruiert. Das Modellieren diente vor allem der Unterstützung bei der Ausformulierung der Szenarien. Zur Orientierung wurden den SchülerInnen drei Hauptfragen zur Entwicklung der Szenarien gestellt: (1) Was ist das Hauptproblem an der Traisen, das ihr modellieren wollt? (2) Wie soll sich der Zustand verändern? Und (3) Wo müsste man vermutlich ansetzen?

2.1.2 Workshops zu ÖSL

Im Zuge der Workshops mit dem thematischen Schwerpunkt „Ökosystemleistungen“ sollten SchülerInnen der 5. Klasse einen Einblick in die verschiedenen Funktionen und Nutzungsformen von Fließgewässern, insbesondere der Traisen erhalten. Der Fokus wurde dabei auf „unterstützende Basisleistungen“ (z. B. Fluss-Lebensraum) und kulturelle Leistungen (u. a. Bewegung, Naturerlebnis) gelegt. In Kleingruppen erarbeiteten die SchülerInnen verschiedene Themengebiete im Kontext von ÖSL in Flusslandschaften und präsentierten diese dann ihren MitschülerInnen. Im folgenden Workshop erstellten die SchülerInnen digitale Karten in Google Earth, in denen sie ÖSL des Einzugsgebiets der Traisen identifizierten und in der Karte abbildeten.

2.1.3 Feldarbeiten

Beim Aktionstag im Juni 2015 kartierten die SchülerInnen beider Klassen gemeinsam an zwei Abschnitten der Traisen ausgewählte Indikatoren für ökologische (z. B. Sedimentbänke, Uferstrukturen) und kulturelle Ökosystemleistungen (u. a. Radwege, Sitzgelegenheiten am Ufer, Infotafeln). Danach konnten sie im Rahmen einer Führung das Projektgebiet des LIFE+ Projekts Traisen und die dort neu entstandene Flusslandschaft besichtigen.

2.2 Durchführung und Auswertungen der Wissensevaluierungen

Zu Beginn des Projekts erfolgte der erste Wissenstest (Prä-Test; T1) während der Kick-off-Veranstaltung in den beiden Klassen 5N und 7N. In der 5N wurde der Mid-Test (T2) nach den beiden Workshops über ÖSL durchgeführt, in der 7N nach zwei Modellierungs-Workshops (siehe Tab. 1). Insgesamt absolvierten 47 SchülerInnen alle drei Tests. Die SchülerInnen beantworteten jeweils die gleichen Fragen zu den Themenblöcken „regionales Wissen“, „Systemverständnis“ und „ÖSL“. Die Antworten folgender Fragen (Block A – regionales Wissen, Block B – Systemverständnis) wurden für diesen Beitrag mit einer Punktebewertung analysiert:

  • A1) „Wodurch ist der Zustand der Traisen deiner Meinung nach beeinträchtigt?“ und

  • A2) „Kennst du Renaturierungsprojekte im Traisen-Einzugsgebiet? Wenn ja, welche?“

  • B1) „Warum wurden/werden Flüsse reguliert? Was verändert sich dadurch (für Menschen, Tiere und Pflanzen)?“ und

  • B2) „Warum werden Flüsse renaturiert? Was verändert sich dadurch (für Menschen, Tiere und Pflanzen)?“

Bei den Fragen A1), B1) und B2) konnten maximal 4 Punkte erreicht werden, bei A2) 2 Punkte.

Zusätzlich wurden die Antworten auf die Frage A3) „In welchem ökologischen Zustand befindet sich die Traisen im Bereich St. Pölten deiner Meinung nach?“ nach den Zustandsklassen analysiert sowie die einzelnen Antworten auf die Frage A1) Beeinträchtigungstypen zugeordnet und in einem Balkendiagramm dargestellt.

Die Antworten auf die Frage C1) „Welchen Nutzen haben Flusslandschaften für den Menschen?“ wurden den vier ÖSL-Hauptklassen (unterstützende-ökologische Basisleistungen, kulturelle, regulierende und versorgende ÖSL) entsprechend der Einteilung nach MEA (2005) kategorisiert und ausgewertet.

2.3 Auswertung qualitativer Modelle und Szenarien

Die SchülerInnen-Modelle wurden in Hinblick auf das Erlernen einer kausalen, qualitativen Ausdrucksweise, die das systemare Verständnis fördern soll, evaluiert. Der in „DynaLearn“ umgesetzte qualitative kausale Ansatz, der vom generellen sprachlichen Verständnis ausgeht, wurde dabei durch Elemente der qualitativen Systemdynamik erweitert (Zitek et al. 2013). Die erstellten SchülerInnen-Modelle wurden im Detail auf deren wesentliche Elemente und Zusammenhänge hin analysiert und mit den ExpertInnen-Modellen verglichen. Evaluierungskriterien waren (1) die Verwendung wesentlicher Hauptelemente und deren hierarchische Beziehung und (2) Richtigkeit der Terminologie, der kausalen Beziehungen und der Darstellung von Prozessen in Flusslandschaften.

Die am Ende von den SchülerInnen erstellten Szenarien sollten letztendlich auf einem erweiterten kausalen Verständnis der Situation beruhen und dementsprechend formuliert und aufgebaut sein. Die Idee dabei war, dass lediglich ein gutes kausales Verständnis der Zusammenhänge die Formulierung von sinnvollen und effektiven Maßnahmen zur Verbesserung einer beeinträchtigten Ausgangssituation führen kann.

Es wurden von den SchülerInnen insgesamt 10 Modelle zum Ist-Zustand der Traisen und 10 Szenarien entwickelt; wobei nur 9 Szenarien auswertbar waren, da eines von der Software nicht mehr geöffnet werden konnte.

3 Ergebnisse

3.1 Ergebnisse der Wissensevaluierung

3.1.1 Regionales Wissen zur Traisen

Die Traisen im Bereich St. Pölten weist durch Begradigung und Wasserausleitung einen „unbefriedigenden ökologischen Zustand“ (Klasse 4; BMLFUW 2015) auf und wird im 2. Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan als „prioritärer Sanierungsraum“ definiert. Kein Jugendlicher stufte die Traisen mit einem „sehr guten“ ökologischen Zustand ein. 20 SchülerInnen (39 %) teilten der Traisen im Prä-Test einen guten ökologischen Zustand zu, der keinen Verbesserungsbedarf zur Folge hätte. Beinahe gleich viele SchülerInnen (n = 21; 42 %) ordneten der Traisen die Zustandsklasse 3 (mäßiger ökologischer Zustand, n = 21) zu. Nur 8 SchülerInnen (16 %) nannten im Prä-Test die richtige „unbefriedigende“ Einstufung des ökologischen Zustands. Ein Schüler stufte die Traisen schlechter ein (Klasse 5), ein Jugendlicher gab keine Bewertung ab (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Einschätzung des ökologischen Zustands der Traisen im Bereich von St. Pölten durch die SchülerInnen im Prä-Test, N = 51

Die Auswertung der Antworten auf Frage A1) betreffend die Beeinträchtigungstypen an der Traisen zeigte einen signifikanten Unterschied zwischen beiden Klassen. Die SchülerInnen der 7N, die bereits im Vorgängerprojekt „FlussAu:WOW!“ beteiligt waren, nannten vor allem hydromorphologische Beeinträchtigungen (Begradigung n = 15; Wehre, Restwasser n = 2), Verschmutzung und Müll (n = 14) sowie unterschiedliche intensive Landnutzungstypen (n = 13). Weiters wurden der „Mensch“ allgemein als übergeordneter Belastungstyp bzw. „keine Natur“ genannt. SchülerInnen der 5N nannten im Mittel signifikant weniger Belastungstypen, wobei die Kategorie „Verschmutzung und Müll“ die meisten Nennungen (n = 7) aufwies (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Antworten der SchülerInnen beim Prä-Test (T1) auf die Testfrage A1) „Wodurch ist der Zustand der Traisen deiner Meinung nach beeinträchtigt?“ differenziert nach Belastungstypen

Die SchülerInnen hatten zu Beginn des Projektes (Prä-Test T1) kaum ein regionales Wissen über die Traisen. Nur 7 SchülerInnen der 51 Befragten (14 %) kannten das LIFE+ Traisen-Projekt im Unterlauf. Kein einziger Jugendlicher konnte ein anderes Renaturierungsprojekt im Einzugsgebiet der Traisen im Prä-Test nennen. Im Median wurde für beide Fragen A1) „Wodurch ist der Zustand der Traisen deiner Meinung nach beeinträchtigt?“ und A2) „Kennst du Renaturierungsprojekte im Traisen-Einzugsgebiet? Wenn ja, welche?“ nur 1 Punkt von maximal 6 möglichen Punkten erreicht. Beim Mid-Test (T2) konnte ein signifikanter Wissenszuwachs festgestellt werden (Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test, α = 0.05, p = 0.001), der beim Post-Test (T3) nur mehr in Einzelfällen gesteigert wurde (Abb. 3). Hier war kein signifikanter Unterschied zwischen den Ergebnissen der 5. und der 7. Klasse feststellbar.

Abb. 3
figure 3

Ergebnisse der Testfragen in Block A „regionales Wissen“ (A12) im Prä-Test (T1), Mid-Test (T2) und Post-Test (T3), N = 47; max. Punkteanzahl = 6; Fragen: A1) „Wodurch ist der Zustand der Traisen deiner Meinung nach beeinträchtigt?“ und A2) „Kennst du Renaturierungsprojekte im Traisen-Einzugsgebiet? Wenn ja, welche?“

3.1.2 Systemverständnis

Die Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge von Regulierung und Renaturierung von Fließgewässern (Block B – Systemverständnis) waren den Jugendlichen zu Beginn des Projektes weniger bekannt. Im Median erreichten sie beim Prä-Test (T1) nur 3 von 8 möglichen Punkten (vgl. Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Ergebnisse der Testfragen zum Block „Systemverständnis“ (B12) im Prä-Test (T1), Mid-Test (T2) und Post-Test (T3), N = 47; max. Punkteanzahl = 8; Fragen: B1) „Warum wurden/werden Flüsse reguliert? Was verändert sich dadurch (für Menschen, Tiere und Pflanzen)?“ und B2) „Warum werden Flüsse renaturiert? Was verändert sich dadurch (für Menschen, Tiere und Pflanzen)?“

Beim Mid-Test (T2) konnte ein signifikanter Wissenszuwachs festgestellt werden (Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test, α = 0.05, p = 0.001). Beim Post-Test (T3) erreichten einzelne SchülerInnen die maximale Punktezahl von 8, in der Gesamtheit konnte aber kein weiterer Wissenszuwachs dokumentiert werden (Abb. 4). Die SchülerInnen der 7. Klasse erreichten bei allen drei Tests signifikant höhere Punktezahlen als jene der 5. Klasse.

3.1.3 Ökosystemleistungen

Auf die Frage C1) „Welchen Nutzen haben Flusslandschaften für den Menschen?“ nannten die Jugendlichen im Prä-Test (T1) vor allem versorgende ÖSL (n = 43; z. B. Landwirtschaft oder Stromproduktion) und kulturelle Ökosystemleistungen (n = 42) wie verschiedene Freizeitaktivitäten, die am Fluss durchgeführt werden können (Abb. 5). Im Durchschnitt nannte jeder Jugendliche zwei ÖSL. Durch die Schulworkshops (Mid-Test, T2) wurde vor allem das Bewusstsein für kulturelle ÖSL (n = 87) bei den SchülerInnen erweitert. Nach den Feldarbeiten am Fluss und im Augebiet der Traisen wurden neuerlich vermehrt kulturelle ÖSL angeführt (n = 97). Die Jugendlichen nannten weniger versorgende ÖSL (n = 30), währende regulierende ÖSL (n = 14), wie Klimaregulierung oder Hochwasserschutz, verstärkt angeführt wurden. Die Angabe von unterstützenden ökologischen Basisleistungen wie Lebensraum, blieb bei allen drei Befragungen etwa auf gleichem Niveau. Sowohl beim Mid-Test als auch beim Post-Test nannten die SchülerInnen im Durchschnitt 3 ÖSL auf die Frage C1).

Abb. 5
figure 5

Nennungen von unterschiedlichen ÖSL auf die Testfrage C1) „Welchen Nutzen haben Flusslandschaften für den Menschen?“ im Prä-Test (T1), Mid-Test (T2) und Post-Test (T3)

Die Auswertung aller Fragen zeigte einen signifikanten Zuwachs des Wissens und Verständnisses der SchülerInnen zwischen dem ersten und zweiten Test aufgrund der durchgeführten Schul-Workshops. Nach den Feldarbeiten konnte im Post-Test (T3) kein weiterer signifikanter Wissenszuwachs festgestellt werden.

3.2 Ergebnisse der Modellbildung und Entwicklung der Szenarien

Die zehn SchülerInnen-Modelle der 7N zum Zustand der Traisen beschreiben die komplexen Zusammenhänge zwischen menschlichen Aktivitäten am Fluss und in der Au sowie die Veränderungen des Lebensraumes der Au und des Gewässers durch menschliche Einflüsse (z. B. Begradigung) anhand unterschiedlicher abiotischer Parameter (Fließgeschwindigkeiten, Flusslänge, Gefälle, Sedimenttransport) und deren Auswirkung auf Landtiere, Vegetation und Fische. Die Häufigkeiten der einzelnen Hauptelemente sind in Abb. 6 dargestellt. In neun der zehn Modelle wurde der Mensch als Ursache für Veränderungen in der Traisen-Flusslandschaft modelliert.

Abb. 6
figure 6

Häufigkeiten der Hauptelemente in den zehn SchülerInnen-Modellen zum Zustand der Traisen

Flussbegradigungen, Brücken- und Kraftwerksbauten bzw. Bau von Fabriken und Siedlungen sowie die intensive Landwirtschaft wurden als anthropogene Eingriffe in Flusslandschaften als Haupteinflussgröße simuliert. Renaturierungen und Umweltprogramme wurden als Gegenmaßnahmen in die Modelle eingebaut. Als mögliche Motive für Handlungen, die den ökologischen Zustand bzw. die Ökosystemleistungen von Flusslandschaften potenziell negativ beeinflussen, wurden das Streben des Menschen nach Wohlstand, Lebensqualität, Erholung und sichere Arbeitsplätzen genannt. Als mögliche Auswirkungen wurden die Zunahme der Häufigkeit von Hochwässern, die Abnahme des Fischbestandes und der natürlichen Vegetation sowie Wasserverschmutzung genannt. In einigen Modellen wurden auch die durch Hochwässer verbundenen Schäden und Kosten einbezogen. Alle Modelle beinhalteten zum Großteil richtige kausale Beziehungen, wenngleich immer wieder falsche Termini verwendet wurden.

In neun Modellen wurden von den SchülerInnen-Gruppen explizit Startbedingungen gesetzt, die in der Simulation zu unterschiedlichen negativen Auswirkungen menschlicher Handlungen auf die Modellelemente einer Flusslandschaft führten. Nur in zwei Modellen wurden positive Auswirkungen auf das Ökosystem der Traisen durch die Zunahme von Umweltprogrammen bzw. durch Renaturierungen simuliert. In sieben SchülerInnen-Modellen wurden negative Auswirkungen auf die Ökosystem-Elemente, z. B. durch Bevölkerungswachstum, Zunahme von Flussbegradigungen, intensiver Landwirtschaft und steigender Umweltzerstörung, simuliert.

In Abb. 7 ist ein SchülerInnen-Modell der 7N abgebildet. In Abhängigkeit von der Bevölkerungsentwicklung (Start der Simulation – grauer Pfeil) steigt u. a. der Strom- bzw. der Raumbedarf, was mit negativen Auswirkungen auf die hydromorphologischen Bedingungen in der Traisen verbunden ist, und auch deutliche Auswirkungen auf Fische und Vegetation hat. Die Entwicklungstendenzen sind in Abb. 7 durch blaue Pfeile erkennbar. Gleichzeitig steigen die Hochwässer und die damit verbundenen Schäden und Kosten. Erholungsmöglichkeiten werden durch Radwege am Fluss dargestellt. In Bezug auf diese ÖSL liefert die Simulation kein eindeutiges Resultat (drei blaue Pfeile). Das kommt dadurch zustande, dass zwar durch das Vorhandensein von Radwegen die Erholungsnutzung steigt, zusätzlich wurde durch die generelle Veränderung der Flusslandschaft durch den Menschen auch eine verschlechterte Gewässerqualität angenommen, welche die Freizeitnutzung durch Radwege kontrastiert.

Abb. 7
figure 7

SchülerInnen-Modell zur Traisen – Modellstruktur mit Simulationsergebnissen (grauer Pfeil: Start der Simulation, blaue Pfeile zeigen Entwicklungstendenzen)

Die SchülerInnen-Modelle spiegelten oft die generelle Schwierigkeit wider, in Flussgebieten ein Gleichgewicht zwischen der Nutzung der Flusslandschaft durch den Menschen, den Anspruch auf intakte hydromorphologische Prozesse und die Notwendigkeit des Lebensraumes für verschiedenste Lebewesen zu finden. Viele zeigten klar das Spannungsfeld zwischen Wirtschaftswachstum, und damit intensiver Nutzung der Flusslandschaft Traisen, und den beeinträchtigten Umweltbedingungen auf.

In einer Weiterentwicklung der Modelle wurden im zweiten Modellierungs-Workshop Szenarien für das Einzugsgebiet der Traisen entwickelt. Die verschiedenen Beeinträchtigungen des Ist-Zustandes sowie die entsprechenden Maßnahmen zur Verbesserung, die von den SchülerInnen in den einzelnen Szenarien genannt wurden, sind in Tab. 2 dargestellt. In zwei Modellen wurde der „schlechte ökologische Zustand“ bzw. das „schlechte Ökosystem“ der Traisen als Ausgangssituation gewählt. Drei SchülerInnen-Modelle simulierten zwei hydromorphologische Beeinträchtigungstypen – „Restwasser“ bzw. „Begradigung“ – an der Traisen. Mit dem „Rückgang der Fischarten“ bzw. „des Fischbestandes“ arbeiteten zwei SchülerInnen-Gruppen. Zwei Modelle gingen über den Flusslauf hinaus und fokussierten auf die Beeinträchtigungstypen „Verschmutzung“ bzw. „Nutzungsdruck“ in den Aubereichen bzw. in den angrenzenden Flächen der Traisen.

Tab. 2 Szenarien der potenziellen Entwicklung der Traisen, ausgehend von anthropogenen Beeinträchtigungen mittels unterschiedlicher Maßnahmentypen

Der häufigste genannte Maßnahmentyp zur Verbesserung des ökologischen und hydromorphologischen Zustandes war „Renaturierung“ (n = 7), gefolgt von der „Entfernung von Wehranlagen“ (n = 3) bzw. „Einschränkung der Nutzungen“ (n = 3), vor allem im Ufer- und Aubereich. In einem Modell trug die Maßnahme „Umweltbildung“ indirekt zur Verbesserung der Wasserverschmutzung und des ökologischen Zustandes der Traisen bei. In den Szenarien der SchülerInnen für das gesamte Einzugsgebiet der Traisen gingen alle SchülerInnen-Gruppen vom schlechten ökologischen Ist-Zustand der Traisen aus und verbesserten den Zustand durch wirksame Maßnahmen. In sieben Szenarien wurden sogar Maßnahmenkombinationen modelliert.

Anhand der dargestellten Szenarien konnte ein deutlich zum Ausdruck gebrachtes Verständnis der wichtigsten kausalen Zusammenhänge zwischen Belastung, Zielzustand und Maßnahme bei den SchülerInnen nachgewiesen werden.

4 Bedeutung der Ergebnisse für ein nachhaltiges Flusslandschaftsmanagement

4.1 Umweltwissen und Systemverständnis als Basis

4.1.1 Wissensvermittlung

Wissensvermittlung von gewässerökologischen Themen ist wichtig, da bei den Jugendlichen kaum Bewusstsein über regionale Vorgänge oder Prozesse in Flusslandschaften vorhanden ist.

Die Auswertung der Wissenstests zeigte, dass regionales Wissen über den Heimatfluss und Vorgänge im Einzugsgebiet nicht im Bewusstsein der Jugendlichen verankert ist. 39 % der SchülerInnen bewerteten den ökologischen Zustand der Traisen im Prä-Test mit „gut“, wobei der Fluss gerade in St. Pölten, wo sie zur Schule gehen, stark anthropogen verändert, in einem Trapezprofil begradigt und durch Wasserausleitung beeinträchtigt ist. Hier schnitten sowohl die jüngeren als auch die älteren SchülerInnen im Mittel gleich schlecht ab. Auch europaweite Umfragen (EC 2009) zeigen, dass die Bevölkerung über Belastungen der Flusslandschaften und den Zustand der Fließgewässer kaum informiert ist.

Im Projekt „FlussAu:WOW!“ konnten wir dokumentieren, dass bei SchülerInnen „falsche“ Bilder von Belastungstypen an Flüssen vorhanden sind (Poppe et al. 2013). Dies wurde auch im gegenständlichen Projekt bestätigt, da Gewässergüte und Verschmutzungen als Hauptbelastungen im Traisen Flusssystem gesehen wurden. Viele SchülerInnen nannten die sichtbare Verschmutzung des Flusses und der Au mit Müll als Hauptbelastungstyp, während sie reduzierte Wasserführung, Regulierung oder Staubereiche nicht als anthropogene Eingriffe wahrnahmen. Zu Beginn des gegenständlichen Projekts konnten wir klar ein fehlendes Problembewusstsein der Jugendlichen zum ökologischen Zustand der Traisen belegen. Durch die Durchführung der Schulworkshops konnte dieses maßgeblich verbessert, erweitert und geschärft werden.

Um Interesse und Begeisterung der Jugendlichen hervorzurufen, muss das Thema interessieren und für die jeweilige Person, die an einem Lernprozess beteiligt ist, von Bedeutung sein (Hüther und Hauser 2012). Mit Themen wie z. B. Umweltqualität, die das eigene regionale Umfeld der SchülerInnen betreffen, bzw. mittels eigens formulierter Fragestellungen, können Jugendliche wesentlich leichter motiviert werden, aktiv und gestaltend am Unterricht teilzunehmen (Hödl 2015).

4.1.2 Systemverständnis

Systemverständnis ist wichtig um Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu erkennen und nachhaltige Entscheidungen im Flussgebietsmanagement zu treffen.

Hinsichtlich des Erlernens, aber auch Verknüpfens wissenschaftlicher Konzepte und Zusammenhänge wird die Verwendung von technischen Hilfsmitteln, wie Computer-Software, zur Erstellung von repräsentativen Modellen als sehr sinnvoll und motivierend betrachtet (Jonassen und Strobl 2006). Insbesondere in der Wissenschaftserziehung hat der Prozess des Modellbildens und -testens eine große Bedeutung (Schwarz und White 2005). Qualitative kausale Modellierung wird hierbei immer öfter als wertvolles Werkzeug zur Wissenschaftserziehung betrachtet, da Lernen grundsätzlich viel mit der Entwicklung von konzeptionellem Verständnis zu tun hat (Bredeweg und Forbus 2003). Dieses bildet die Basis für das Verständnis der zugrunde liegenden Systemstrukturen und die spätere quantitative Analyse (Bredeweg und Forbus 2003; Jonassen 2003). „Qualitative konzeptuelle Modellierung auf der Basis von feldbasierter ökologischer Forschung kann Lernenden effektiv helfen, Aspekte komplexer Ökosystemfunktionen besser zu verstehen. So werden sonst abstrakte Konzepte über Interaktionen, Feedback, Subsysteme, Einflüsse und Auswirkungen zugänglicher gemacht“ (Dresner und Elsner 2009).

Im Projekt „Traisen.w³“ konnten SchülerInnen damit Zusammenhänge herstellen und ihr Bewusstsein für Flusslandschaften stärken – ein Zugang der auch im nachhaltigen Flussgebietsmanagement immer mehr Anwendung findet (Hare 2011; Halbe et al. 2013). Sowohl die SchülerInnen der 5. Klasse, die verstärkt mit dem ÖSL-Konzept arbeiteten, als auch jene der 7. Klasse, die mit der Lern-Software „DynaLearn“ modellierten, zeigten nach den Schul-Workshops einen signifikanten Verständniszuwachs. Die SchülerInnen der 7. Klasse zeigten bereits zu Beginn des Projektes im Prä-Test bessere Ergebnisse und einzelne SchülerInnen dieser Klasse konnten nach allen Schulaktivitäten die maximale Punktezahl erreichen. Das ist aufgrund der bereits erfolgten Involvierung dieser SchülerInnen im Projekt „FlussAu:WOW!“, ihrer aufgrund des Alters größeren Erfahrung und ev. durch die Fokussierung auf die Modellierungsarbeit zu begründen. Das Modellieren, das mit der Externalisierung des eigenen persönlichen Wissensstandes beginnt und neues Wissen in konstruktiver Art und Weise in diese Modellvorstellung inkorporiert, stellt eine Aktivität dar, mit der gezielt die Komplexität und Wissenschaftlichkeit der Vorstellungen der Lernenden erweitert werden können (Erweiterung der „conceptual models“ oder „mental models“; Greca und Moreira 2000; White und Frederikson 1990; Doyle und Ford 1998). Dadurch werden die SchülerInnen letztendlich im Umgang mit komplexen und umfangreichen Informationen unterstützt und die Entwicklung einer wissenschaftlichen Denkweise über Umweltphänomene wird gefördert (Jonassen und Strobel 2006).

Die „Dynalearn“ Modelle der SchülerInnen zeigen die schwierigen komplexen Fragestellungen im Flussgebietsmanagement auf. In den zehn Szenarien zur Traisen wurde von den Jugendlichen eine Verbesserung der Umweltbedingungen als auch eine Nutzung der Flusslandschaft für Freizeit und Erholung modelliert. Steigender Strombedarf und Nutzungsdruck in Flusslandschaften wurde zwar als konkurrierende Einflussgrößen festgelegt, Renaturierungen, Entfernung von Wehranlagen und effektivere Gesetzgebung zum Flächenschutz in Augebieten wurden hingegen als Startimpuls für Szenarien gesetzt.

Grundsätzlich bietet das gemeinsame Erstellen analoger oder digitaler „Concept maps“ im Rahmen eines gemeinsamen „multimodalen Modellierens“ einen motivierenden Einstieg in neue Themenbereiche und unterstützt dabei das gemeinsame Entwickeln und Texten (Liu et al. 2013), wie dies im Rahmen des Modellierungsworkshops anhand der am Ende der Übung verfassten verbalen Szenarien deutlich wurde. Damit konnte auch die Entwicklung der Kompetenzen in Hinsicht auf die „Scientific literacy“ (naturwissenschaftliche Grundbildung nach Bybee 1997) deutlich gefördert werden.

Gleichzeitig wurden das Verständnis über kausale Zusammenhänge sowie das grundsätzliche Systemverständnis signifikant gefördert. Die spielerische Entwicklung von Szenarien unter Einbeziehung der menschlichen Bedürfnisse und Handlungen führte zu einem besseren Verständnis über mögliche Handlungsalternativen in einem gegebenen sozialen Umfeld. Alle am Ende des Workshops erstellten Modell-Szenarien der SchülerInnen spiegelten nachhaltige Entwicklungen der Flusslandschaft wider.

Wichtig für die Wissensvermittlung und das Lernen erscheinen multimodale Unterrichtsformen (Zitek et al. 2013; Poppe et al. 2013), die unterschiedlichste Aktivitäten (u. a. Verwendung analoger und digitaler Systemzugänge, z. B. mit der „DynaLearn“-Lern-Software, Diskussionen, Vorträge, Feedback-Runden, Schreiben von Blog-Beiträgen, Befragungen, Feldarbeiten, selbstständig durchgeführte Gruppenarbeiten, Erstellung eines Kurzfilms) in der Zusammenarbeit mit den SchülerInnen integrieren. Interessanterweise konnte bei der Punkteauswertung der Wissenstests kein signifikant erweitertes Systemverständnis durch die Feldarbeiten der SchülerInnen dokumentiert werden. Bei der Analyse der einzelnen Antworten wurden aber nach den Feldarbeiten neue Begriffe verwendet. Beim Themenblock der ÖSL wurden durch die Arbeit im Augebiet der Traisen neue Funktionen von Flusslandschaften wie Hochwasserretention oder Klimaregulation von den SchülerInnen wahrgenommen und in den Testantworten angeführt, während andere, ursprünglich genannte ÖSL weggelassen wurden.

Gemeinsam mit den SchülerInnen des BG/BRG St. Pölten wurde während der Workshops und der Feldarbeiten ein Kurzfilm erstelltFootnote 5. Hier ist der Spaß an der Feldarbeit deutlich ersichtlich, was auch im Feedback der SchülerInnen an das Projektteam gemeinsam mit den vielfältigen, abwechslungsreichen Schulaktivitäten klar als positive Aspekte des Projektes angesprochen wurde.

4.1.3 Social-learning-Aktivitäten

Social learning ist ein wichtiger Aspekt im nachhaltigen Flussgebietsmanagement (Pahl-Wostl et al. 2008; Koontz 2014) und wird durch interaktives, kollaboratives Modellieren und Gruppenaktivitäten gefördert (Hare 2011; Halbe et al. 2013). Zusätzlich zu dem Ziel des gemeinsamen Arbeitens war es wichtig, den SchülerInnen spannende Möglichkeiten des gemeinsamen Lernens zu bieten, bei denen gleichzeitig der Wissensaustausch, aber auch soziale Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Kooperation, Konflikt- und Teamfähigkeit gefördert werden sollten. Dies wurde von einzelnen SchülerInnen im direkten Feedback an das Forschungsteam als bereichernde Art des Lernens genannt. Die durch die Schul-Workshops erworbenen Kompetenzen können z. B. bei zukünftigen Partizipationsprozessen eingesetzt werden.

4.2 Das Konzept der ÖSL als geeignetes Kommunikationsinstrument

Die Ergebnisse dokumentieren, dass das Konzept der ÖSL eine geeignete Methode zur Wissensvermittlung von komplexen Zusammenhängen in Flusslandschaften darstellt. Damit bestätigen sich die Ergebnisse einer Untersuchung an den Flusslandschaften Enns und Drau (Böck et al. 2015), in der InterviewpartnerInnen aus unterschiedlichen Fachbereichen das ÖSL-Konzept als vielversprechendes Instrument für Kommunikationszwecke und Umweltbildung einstuften. Es wurde angenommen, dass das Konzept das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Gesellschaft und Natur verbessern und Neugier und Interesse fördern kann (Böck et al. 2015).

Zu Beginn des Projekts waren vor allem kulturelle und versorgende ÖSL im Bewusstsein der Jugendlichen und wurden auch im Prä-Test genannt. Die Flusslandschaft wurde als Ort für Freizeitaktivitäten (Freunde treffen, spazieren gehen, fischen) gesehen, aber auch als bedeutsam für die Landwirtschaft oder zur Stromproduktion wahrgenommen. Interessanterweise wurde von den SchülerInnen nach den Feldarbeiten eine Vielzahl von kulturellen ÖSL genannt sowie neue regulierende Leistungen. Diese wurden verstärkt durch die Feldarbeit an der Traisen und im Augebiet des LIFE+ Projekts wahrgenommen. Die Bedeutung kultureller Leistungen zeigt sich auch in früheren Untersuchungen zur Wahrnehmung von ÖSL durch unterschiedliche Stakeholder-Gruppen (Chiari 2010; Böck et al. 2013; Hauck et al. 2013). Diese steht jedoch im starken Widerspruch zur Berücksichtigung dieser Leistungen in der Praxis (Daniel et al. 2012; Schaich et al. 2010). Hier wird den Versorgungsleistungen, denen in dieser Studie von den Jugendlichen ebenfalls eine hohe Bedeutung zugemessen wurde, der Vorrang gegeben. Es sollte jedoch nicht vergessen werden, dass besonders kulturelle Leistungen eine entscheidende Rolle beim Management der Interaktionen zwischen Mensch und Umwelt sowie bei der Erreichung öffentlicher Unterstützung für den Schutz von Ökosystemen einnehmen (Daniel et al. 2012).

4.3 Ansätze zur Partizipation: Einbeziehung der Jugend wichtig

Europaweite Umfragen (EC 2012) zeigten, dass gerade die lokale Bevölkerung wenig über die Möglichkeit der Partizipation bei Planungen im Flussgebietsmanagement weiß. Neun von zehn Personen ist der Begriff eines Gewässerbewirtschaftungsplans nicht bekannt. In Österreich gaben 93 % aller Befragten (n = 1003) an, dass sie sich nicht an der Entwicklung der Gewässerbewirtschaftungspläne im Rahmen von Konsultationsprozessen beteiligt haben, wobei davon 45 % bei entsprechender Information teilgenommen hätten (EC 2012).

Einige Studien (CIS 2003; de Stefano 2010; Demetropoulou et al. 2010) zeigten, dass Partizipationsprozesse auf lokaler und regionaler Ebene besonders geeignet sind, um das Umweltwissen, Systemverständnis und das Interesse der Bevölkerung zu erhöhen. Gerade bei jungen Menschen ist es wichtig, das Interesse für Umwelthemen zu fördern und eine mögliche Beteiligung an Entscheidungen zu forcieren (Nguyen und Bosch 2014). Je mehr Jugendliche frühzeitig in einen Partizipationsprozess eingebunden werden, der ihnen Handlungsoptionen zur Verbesserung der Umweltsituation ermöglicht, desto größer sind die Chancen auf ein bewusstes Umwelthandeln in späteren Jahren (Kromer und Zuber 2003). „Stimme der JugendFootnote 6“, „strukturierter DialogFootnote 7“, „Jugend in AktionFootnote 8“ oder „Youth for the Alps“ (CIPRA 2013) sind österreichische bzw. alpen- oder europaweite Initiativen, die junge Menschen aktiv in Entscheidungsprozesse im politischen und sozialen Umfeld einbinden. Diese Initiativen sollten gezielt auch auf ökologische Themenfelder ausgeweitet werden, damit junge Menschen zukünftig als BewohnerInnen und NutzerInnen der Flusslandschaften nachhaltige Planungen und Maßnahmen unterstützen, sich aktiv an der Entscheidungsfindung beteiligen, und damit Verantwortung für die Gestaltung ihrer Umwelt übernehmen können.