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Zur Unterscheidung von terminaler Sedierung und Sterbehilfe

Differentiation between terminal sedation and active euthanasia

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Ethik in der Medizin Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Bei der „terminalen Sedierung“ wird ein unheilbar kranker und schwer leidender Patient für den Rest seines Lebens in ein tiefes Koma versetzt. Das hierzu verwendete Morphin bzw. Midazolam kann lebensverkürzend wirken. Ist dies also eine Maßnahme, die das Leben des Patienten beendet, auf seinen Wunsch hin oder nicht? Gewöhnlich wird diese Frage mit nein beantwortet, wenn die lebensverkürzende Wirkung nur vorhersehbar, aber nicht beabsichtigt ist. Allerdings ist der Zugang der Menschen auch zu ihren eigenen Intentionen fallibel, so dass sogar ihre Selbstangaben in komplexen Fällen nicht sehr zuverlässig sind. Wenn ein Arzt sagt, dass er „beabsichtigt“, das Leben eines Patienten zu verkürzen, meint er damit möglicherweise nur, dass dieses vorhersehbare Ergebnis ein erwünschtes ist. Diese Art der Einschätzung kann nicht als solche moralisch diskreditiert werden, weil sie bei anderen allgemein akzeptierten Entscheidungen unvermeidlich ist, z. B. von einer „vergeblichen“ Behandlung Abstand zu nehmen. Legitimerweise können wir von einem Fachmann erwarten, dass er begründet handelt. Deshalb sollte unsere Klassifikation von ärztlichem Handeln als „terminale Sedierung“ oder „Beendigung des Lebens des Patienten“ nicht von den Intentionen des Arztes abhängen, sondern von den in dieser speziellen Krankheitsphase bei diesem speziellen Patienten verwendeten Dosierungen.

Abstract

Definition of the problem: “Terminal sedation” refers to a palliative action in which an incurably ill and severely suffering patient is brought into a deep coma for the rest of his life. The morphine and/or dormicum used to create that effect may also have a life-shortening effect. Shouldn’t we consider the action in such cases a form of ending the life of a patient, with or without his consent?

Arguments and Conclusion: Usually it is thought that we shouldn’t, if the life-shortening effect is only foreseen but not intended. However, people’s access to their own intentions is as fallible as anyone else’s, hence even their honest opinions in complex cases are not very reliable. If a doctor says that he “intends” to shorten a patient’s life, he may only mean that this foreseeable result is a particularly welcome one. That kind of judgment cannot be morally discredited as such, because it is unavoidable in other generally accepted end-of-life decisions, e.g. abstaining from “futile” treatment. What we may legitimately expect of a professional is, however, that he primarily acts in a justifiable way, whatever his private intentions. Hence, whether we should classify a medical action as “terminal sedation” or as “ending the life of a patient” should not depend on the doctor’s intention, but rather on the dosages used at this particular stage of this particular patient’s illness.

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Notes

  1. Wie es der US Supreme Court in Washington gesehen hat, v. Glucksberg, 521 U.S. 702 (1997) und Vacco v. Quill 521 U.S. 793 (1997); vgl. [4].

  2. Der legale Status einer Hilfe zur Selbsttötung durch den Arzt in Belgien ist nicht ganz klar.

  3. Es ist wichtig, zu bedenken, dass eine ärztliche Maßnahme in den Niederlanden und in Belgien nur dann als „Euthanasie“ bezeichnet wird, wenn der Patient diese ausdrücklich verlangt hat. In Fällen, in denen der Patient keinen Wunsch äußern kann, zählt eine lebensverkürzende Maßnahme als Mord. Technisch kann sich ein Angeklagter dann immer noch auf „Notfall“ oder „höhere Gewalt“ als Rechtfertigung für sein Handeln berufen. In den Niederlanden wurde dies von den Gerichten in zwei Fällen anerkannt, die Neugeborene betrafen.

  4. Gelegentlich wird sogar behauptet, dass Bewusstlosigkeit nur ein unbeabsichtigter Nebeneffekt einer Sedierung ist (z. B. [3], S. 262). Dies ist ein klares Beispiel dafür, was Elisabeth Anscombe einmal als „double talk about double effect“ bezeichnet hat.

  5. Die Ergebnisse wurden in [14] in Englisch mit etwas anderen Prozentangaben veröffentlicht.

  6. Die vergleichende Forschung in sechs europäischen Ländern kommt zu vergleichbaren Ergebnissen, von 19% in Italien bis zu 26% in Dänemark [9].

  7. In 48% der Fälle denken die Ärzte anschließend so, aber der tatsächliche Prozentsatz muss viel höher sein. Dies legen vor allem die verwendeten Dosierungen nahe. Die mediane kumulative Dosis über 24 h betrug 30 mg (Variationsbreite: 5–240 mg); in Fällen, in denen die explizite Intention die Beschleunigung des Todes war, 60 mg (10–540 mg). Im Vergleich dazu die Daten aus einer Studie über 800 Fälle, in der die Patienten bis zum Tod von einem deutschen Schmerzdienst versorgt wurden: Median 60 mg, Variationsbreite 30–120 mg ([6], S. 97, S. 158).

  8. Und 37% der Ärzte, die im Fragebogen angaben, dass sie „teilweise beabsichtigt [hatten], das Lebensende zu beschleunigen“, erklärten in den Interviews, dass die Lebensverkürzung eher erhofft als beabsichtigt war, oder sie gaben beim zweiten Nachdenken an, dass sie überhaupt nicht beabsichtigt war ([6], S. 110).

  9. Wie ich hier zu dieser Ansicht erkläre, können solche gegenseitigen Erwartungen nur zwischen Menschen aufrechterhalten werden, die im Großen und Ganzen durch kooperative Tugenden charakterisiert sind, d. h. die so veranlagt sind, dass sie die gegenseitigen Erwartungen nicht verraten oder ausnutzen. Aber selbst wenn Pflichten auf diese Weise von Tugenden abhängig sind, kann der Inhalt der Pflicht nicht identifiziert werden, indem danach gefragt wird, was eine tugendhafte Person tun würde.

  10. Solche Standards beziehen sich übrigens nicht auf eine „im idealen Sinn“, sondern nur auf eine „im normalen Sinn“ tugendhafte Person.

  11. Der Unterschied besteht darin, dass das Prinzip des Doppeleffekts sich auf Auswirkungen von Aktionen bezieht; die Kant-Maxime dagegen auf Personen. Das bedeutet sicherlich, dass das Kant-Prinzip das grundlegendere ist.

  12. Ähnlich gilt, dass wenn ein Arzt beschließt, eine lebensverlängernde Behandlung abzusetzen, weil diese zu belastend wäre, er die Sachlage bereits unter diesen beiden Dimensionen vergleicht, selbst wenn er nicht zu beurteilen braucht, ob es im Gesamtinteresse des Patienten liegen würde, jetzt zu sterben. Daraus folgt, dass wir gegen diese letzte Einschätzung (die gemacht werden muss, wenn die Behandlung als „vergebens“ beurteilt werden soll) nicht einwenden können, dass sie von dieser Art von Vergleich abhängt.

  13. Wie von Birnbacher [2] vorgeschlagen wurde. In dieser Hinsicht kann nicht geleugnet werden, dass die terminale Sedierung die Begriffe in der Diskussion um die Legalisierung von Sterbehilfe verändert hat.

  14. Die niederländische Ärztegesellschaft KNMG überlegt gegenwärtig, ob es wünschenswert wäre, solche Leitlinien zu entwickeln.

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den Hartogh, G.A. Zur Unterscheidung von terminaler Sedierung und Sterbehilfe. Ethik Med 16, 378–391 (2004). https://doi.org/10.1007/s00481-004-0333-y

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