FormalPara Leserbrief zu

Sorleto M, Wuttig H, Aydilek E, Wiemer M (2016) Missmanagement im Arrhythmieerkennungsalgorithmus der LifeVest® mit konsekutivem letalen Verlauf. Herzschr Elektrophys 27(1):57–62. doi:10.1007/s00399-016-0420-z

In der ersten Ausgabe 2016 von Herzschrittmachertherapie und Elektrophysiologie beschreiben M. Sorleto et al. einen interessanten Fall eines plötzlichen Herztodes nach Kammerflimmern (VF), das durch den verordneten tragbaren Kardioverter/Defibrillator (WCD) nicht korrekt erkannt worden und somit durch die nicht erfolgte Defibrillation der WCD für den plötzlichen Tod des Patienten verantwortlich sei. Die Autoren führen dies auf ein „Missmanagement“ des WCD zurück und fordern daher eine technische Weiterentwicklung des WCD (LifeVest®. ZOLL, Pittsburgh, PA, USA).

Dieser Auffassung möchte ich widersprechen und eine andere Interpretation der durch die LifeVest® aufgezeichneten EKGs, die mit 2 externen Ableitungen (seitlich und posteroanterior) generiert werden, nahelegen.

Bei dem Patienten handelte es sich um einen 64-jährigen, multimorbiden Mann mit dekompensierter Herzinsuffizienz bei koronarer Dreigefäßerkrankung, Zustand nach Vorderwandinfarkt mit einer Situation nach aortokoronarer Bypassoperation, Dialysepflicht bei akuter Niereninsuffizienz, deutlicher Aortenklappenstenose sowie Linksschenkelblock bei Vorhofflimmern und einer linksventrikulären Auswurffraktion von 30 %. Vor einer geplanten CRT-D-Implantation wurde unter dem Schutz des WCD die medikamentöse Rekompensation angestrebt. Der Patient wurde 3 Tage nach stationärer Entlassung von seinen Angehörigen tot aufgefunden. Zur Erklärung des „Missmanagement“ der LifeVest® werden 4 unvollständige EKG-Aufzeichnungen aus dem zentralen Server des LifeVest® Network (ZOLL, Pittsburgh, USA) in einem Zeitraum von 10 min präsentiert. Allerdings fehlen dabei jeweils der Beginn und das Ende der Aufzeichnung der jeweiligen Episoden.

Es handelt sich m. E. weder um eine behandlungsbedürftige ventrikuläre Tachykardie (VT), noch um ein Kammerflattern oder Kammerflimmern (gezeigt im Fallbericht als Abb. 12 und 3) und bei der letzten EKG-Abbildung nicht um eine Asystolie. Was tatsächlich zum Zeitpunkt der Aufzeichnung bestand, ist ein sogenanntes „dying heart pattern“ elektrischer Erregungsabläufe mit chaotischen, langsamen (<2,5 Hz), um die Nulllinie undulierenden QRS-Komplexen, die kontinuierlich breiter werden und immer niedrigere Amplituden erreichen. Daraus entsteht dann schließlich eine „elektrische Asystolie“, was aber in den Abbildungen nicht gezeigt wird. Klinisch bestand sehr wahrscheinlich bereits zum Beginn der ersten EKG-Aufzeichnung eine sogenannte „PEA“, eine „pulseless electrical activity“, wobei trotz der noch langsam über das Ventrikelmyokard laufenden elektrischen Erregungsausbreitungen keine Kontraktion des Myokards mehr besteht, d. h. eine elektromechanische Entkopplung eingetreten ist. Diese Form des „dying heart pattern“ ist kein „shockable rhythm“, eine Defibrillation bleibt meist erfolglos und führt i. d. R. zu einer Asystolie, die nur durch einzelne wenige QRS-Komplexe ohne Myokardkontraktion unterbrochen wird. Eine solche abnorme, langsame elektrische Erregungsausbreitung wurde durch die beiden EKG-Ableitungen der LifeVest® korrekt übertragen und vom Detektionsalgorithmus richtig erkannt, indem für 22 s eine mögliche Schockabgabe geprüft wurde und auch eine Kondensatoraufladung begonnen wurde, die dann aber wegen fehlender typischer VT- oder VF-Signale nicht zu einer Schockabgabe geführt hat. Dieses Erkennen eines abnormen, aber zu langsamen Erregungsablaufes und ein Verwerfen der Kondensatorentladung (Schockabgabe) wurden innerhalb von 10 min 4‑mal durchgeführt. Erst als die elektrischen Amplituden zu gering und langsam wurden, hat der Detektionsalgorithmus eine Asystolie angenommen.

Abb. 1
figure 1

Beispiel für die Terminierung einer schnellen Kammertachykardie durch die LifeVest®. Die ersten 17 s repräsentieren die EKG-Aufzeichnung direkt vor dem Beginn der VT. (Die Zahlen unter den EKG-Streifen repräsentieren die Zeit in Sekunden)

Abb. 2
figure 2

Beispiel für die Terminierung von Kammerflimmern; nach etwa 10 s einer schnellen polymorphen VT (a) entsteht daraus hochfrequentes VF (b), das nach 48 s durch Schock terminiert wird (c); danach resultiert für etwa 8 s ein bradykarder Rhythmus (d) und insgesamt nach etwa 70 s ist ein normaler Sinusrhythmus hergestellt (e)

Abb. 3
figure 3

Beispiel für die Degeneration einer Kammertachykardie (a) in ein „dying heart pattern“. Nach etwa 20 s unterdrückt der Patient die Schockabgabe durch den „response button“ (b), erkennbar durch das Symbol über der EKG-Registrierung. Nach etwa 80 s terminiert die VT spontan und es resultiert eine Asystolie (e), aus der dann nach einer weiteren Minute ein „dying heart pattern“ entsteht (f, g); nach weiteren 30 s erfolgt die Kondensatoraufladung (h) und nach 50 s eine Schockabgabe (i), aus der eine Bradykardie/Asystolie entsteht (j). Die Schockabgabe muss als „inadäquat“ eingestuft werden, da es sich nicht mehr um eine therapierbare VT oder VF handelte. Der Patient ist während dieses Ereignisses verstorben

Eine behandlungsbedürftige VT oder ein defibrillierbares Kammerflimmern hat bei dieser „Dying-heart-pattern“-Episode nicht bestanden. Es kann aber anhand der gezeigten Aufzeichnungen davon ausgegangen werden, dass ein charakteristisches, hochfrequentes Kammerflimmern oder eine VT erkannt und auch zu einer Schockabgabe geführt hätten. Einen „Non-shockable“-Rhythmus eines sterbenden Herzens zu defibrillieren, ist i. d. R. ineffektiv.

Ein Programmierungsproblem, oder was die Autoren als nicht korrekt arbeitendes „Betriebsprogramm“ bezeichnen, hat nicht bestanden, denn sonst hätte das Gerät die undulierenden elektrischen Wellen gar nicht aufgezeichnet und auch den Alarm nicht ausgelöst (rotgefärbte EKG-Aufzeichnung). Der Detektionsalgorithmus der LifeVest® besteht nicht nur aus einer Frequenzauszählung, sondern analysiert eine elektrische Vektorschleife, ähnlich einem Vektor-EKG, in dem die Vektorschleife der QRS-Komplexe während eines als abnorm erkannten Rhythmus mit der Konfiguration der Vektorschleife des „Baseline-EKG“ verglichen wird. Das „Baseline-EKG“ wird beim ersten Anlegen der LifeVest® aufgezeichnet und bleibt für den Detektionsalgorithmus gespeichert. Dieser Detektionsalgorithmus unterscheidet sich von den meisten transvenösen ICD-Detektionsalgorithmen, welche die Zeitintervalle bipolarer Elektrogramme analysieren. Die Frequenzanalyse ist bei der LifeVest® nur ein Teilaspekt.

Diskussion

Während die Kammertachykardie i. d. R. nach wenigen Aktionen ein völlig gleichförmiges, schnelles Erregungsmuster im WCD erkennen lässt (Abb. 1), hat defibrillierbares Kammerflimmern (Abb. 2) ein sehr viel höheres „power spectrum“ als das im beschriebenen Fall registrierte „Dying-heart-pattern“-Signal. Ein wirkliches Kammerflimmern wird im Elektrophysiologielabor als „high-frequency spinning rotors“ identifizierbar. Dies sind Flimmerfrequenzen von 20-30 Hz, was insbesondere beim ischämischen Myokard durch die stark verkürzte Aktionspotenzialdauer möglich wird. Eine ununterbrochene periodische Aktivität hochfrequenter Re-entry-Kreise läuft über die Ventrikel und wird durch die myokardiale Gewebeheterogenität fragmentiert und wieder neu aufgebaut, was dann im Standard-EKG und der WCD-Aufzeichnung durch hochfrequente Flimmerwellen erkennbar wird (Abb. 2). Man unterscheidet grob 3 Phasen des Kammerflimmerns: das sogenannte „periodische“ Flimmern (< 1 min Dauer), das „highly periodic fibrillation“ (2–3 min Dauer) und das „aperiodic fibrillation“ (nach 3–4 min Dauer) [1]. Das Power-Spektrum-Signal beim „dying heart pattern“ liegt deutlich unter 5 Hz und ist dann durch seine langsamen undulierenden Wellen zu erkennen. Ein „dying heart pattern“ kann, aber muss nicht, aus einem Kammerflimmern entstehen; es kann in einem versagenden Herzmuskel auch spontan entstehen und geht dann i. d. R. nach kurzer Zeit (1–3 min) in eine extreme Bradykardie mit ganz vereinzelten QRS-ähnlichen Komplexen oder direkt in eine bleibende Asystolie über (Abb. 3; [2, 3]). Ein solcher Fall hat m. E. bei dem von M. Sorleto et al. beschriebenen Fall vorgelegen. Hätte ein wirkliches Kammerflimmern vorgelegen, hätte die LifeVest® dieses auch mit Sicherheit zuvor aufgezeichnet, denn sie hat auch das abnorme „dying heart pattern“ erkannt und völlig korrekt keinen Defibrillationsschock abgegeben. Ein solcher nicht erfolgreicher und nicht adäquater Schock beim „dying heart pattern“ durch den WCD ist im Beispiel in Abb. 3 aufgezeichnet. Ein immer wieder gefordertes externes Anti-Bradykardie-Pacing nach einer Schockabgabe ist nicht nur extrem gefährlich, sondern i. d. R. bei einem versagenden Herzmuskel auch wirkungslos.

Nicht korrekt ist in der geführten Diskussion dieses Fallberichtes auch die Feststellung der „Erstbeschreibung“ einer nicht erfolgreichen Verhinderung des plötzlichen Herztodes bei Anwendung der LifeVest®. Wir haben bereits bei der Übersicht der ersten Erfahrungen mit dem WCD in Deutschland darüber berichtet [4]. M. Chung et al. (2010) haben bei 3569 Patienten mit dem WCD über 25 Fälle von Asystolie oder PEA mit und ohne WCD-Schocks berichtet, wobei 19 Patienten verstorben sind [5]. Wir haben beim WEARIT-II-US Register von 2000 Patienten bei 6 Patienten eine Asystolie ohne Schockabgabe beobachtet, dabei sind 3 Patienten unmittelbar danach verstorben [6]. Man muss leider davon ausgehen, dass beim spontan auftretenden „Dying-heart-pattern“-Ereignis oder bei der spontanen Asystolie des versagenden Herzens eine Wiederbelebung, mit oder ohne Defibrillation, i. d. R. erfolglos bleibt.