Wie sehen zeitgemäßes Screening auf urogenitale Malignome und ihre State-of-the-Art-Therapie aus? Wie hoch ist für welche Zeiträume das Risiko von Rezidiven oder Metastasen nach kurativer Therapie urogenitaler Tumore? Ab wann sind welche Basistherapiepräparate vertretbar? Obwohl derzeit nicht alle diese Fragen evidenzbasiert zu beantworten sind, will sich diese Überblicksarbeit den Antworten nähern und praxisnah darstellen, wie die interdisziplinäre Behandlung von Patienten mit urogenitalen Malignomen und entzündlich rheumatischen Erkrankungen aussehen kann.

Bedeutung urogenitaler Tumoren für die Rheumatologie

Tumoren des Urogenitaltrakts gehören zu den häufigeren Malignomen. Alleine deshalb ist damit zu rechnen, dass sie auch bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) oder anderen entzündlich rheumatischen Erkrankungen auftreten. Zudem ist Nikotinabusus ein Risikofaktor für die Entstehung von Nierenzellkarzinomen (RCC) [23], Urothelkarzinomen (TCC) [22] und Prostatakarzinomen (PCa) [14] sowie auch einer seropositiven RA [7]. Dieser Umstand und der demografische Wandel erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Rheumatologen Patienten mit zeitgleich bestehenden urologischen Tumorerkrankungen behandeln müssen.

Epidemiologie und Standardtherapie urologischer Tumoren

Prostatakarzinom

Das PCa ist eines der weltweit häufigsten Malignome, besonders in alternden Populationen. Im Jahr 2010 erkrankten in Deutschland geschätzt 164,2/100.000 Männer; 31,6/100.000 Männer verstarben am PCa [2]. Demografische Daten zu allen beschriebenen urologischen Tumorentitäten sind in Tab. 1 zusammengefasst.

Tab. 1 Daten RKI (Robert Koch-Institut) Krebs in Deutschland 2010 [2]

Bei Erstdiagnose eines PCa steht in Abhängigkeit vom Alter die Ausbreitungsdiagnostik im Vordergrund. Angelehnt an die S3-Leitlinie zum PCa [1], ergeben sich folgende Behandlungsoptionen: Bei lokal begrenzten PCa kann eine kurative Therapie per radikaler Prostatektomie oder definitiver Radiatio erfolgen. Ab einer zu erwartenden verbleibenden Lebenserwartung von unter 10 Jahren kann in Absprache mit dem Patienten statt einer invasiven Therapie auch „watchful waiting“ betrieben werden. Bei sog. Low-risk-PCa (PSA < 10 ng/ml, ≤ 2 positive Stanzzylinder, Gleason-Score ≤ 6 und PCa nicht tastbar), die bei nur ca. 5 % der betroffenen Männer zum Tod durch das PCa führen [25], stellt die aktive Überwachung eine Alternative dar. Dabei wird regelmäßig durch Tastuntersuchung, Überprüfen des PSA-Verlaufs und Prostatabiopsie kontrolliert, ob sich die Charakteristika des PCa verändern.

Hormonentzug (Übersicht der bei urologischen Malignomen eingesetzten Substanzen in Tab. 2) kann den Verlauf nur hinauszögern. Praktisch alle Männer, die an einem PCa versterben, versterben im Stadium des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (CRPC) mit metastasierter Erkrankung. Das CRPC-Stadium wird unter Hormonentzug früher oder später immer erreicht. Beim CRPC wird palliativ, aber teils mit der Möglichkeit zur Überlebenszeitverlängerung mittels Next-generation-Hormonentzugstherapie (Abirateronacetat, Enzalutamid), Chemotherapie (Docetaxel, Cabazitaxel) oder Radionukliden (z. B. Radium-223) therapiert. Soweit aktuell absehbar, wird eine immunmodulierende Therapie beim PCa keine nennenswerte Rolle spielen. Hingegen wird parallel zur Therapie mit Abirateronacetat und taxanhaltiger Chemotherapie regelhaft eine entzündungshemmende Begleittherapie mit niedrig dosierten Glukokortikoiden durchgeführt.

Tab. 2 Systemische Therapien urologischer Malignome

Urothelkarzinom

In Deutschland kam es im Jahr 2010 zu 28,3 Neuerkrankungen eines TCC pro 100.000 Männern und 10,0/100.000 Frauen; 9,1/100.000 Männer und 4,5/100.000 Frauen mit einem TCC verstarben daran [2]. Bei organbegrenzten TCC (70 %) ohne Muskelinfiltration (< pT2) kann bei 90 % der Patienten mittels transurethraler Harnblasentumorresektion eine Erkrankungskontrolle erreicht werden, teilweise mithilfe von intravesikalen Chemo- oder Immuntherapeutika. Bei den 10 % der organbegrenzten Karzinome, bei denen dies nicht gelingt, und bei 30 % der erstdiagnostizierten TCC mit Muskelinvasion kann nur zu 50 % mittels radikaler Zystektomie und Harnableitung eine Heilung erreicht werden. Die deutliche Mehrzahl der Patienten, die an einem TCC versterben, verstirbt im metastasierten Erkrankungsstadium. In diesem Stadium kann eine palliative Chemotherapie (Cisplatin/Gemcitabine, Vinflunine), perspektivisch aber auch eine Immuntherapie mit PD-1-, PD-L1- oder CTLA-4-Antagonisten durchgeführt werden.

Nierenzellkarzinom

Es gibt drei 3 Haupttypen des RCC mit spezifischen genetischen und prognostischen Charakteristika. Am häufigsten ist das klarzellige RCC, seltener sind die papillären und chromophoben Subtypen.

Im Jahr 2010 wurde in Deutschland die Inzidenz des RCC auf 22,3/100.000 Männer und 13,4/100.000 Frauen geschätzt [2]. Demgegenüber standen 7,7/100.000 Todesfälle bei Männern und 5,2/100.000 bei Frauen.

Die primäre Therapie des lokalisierten organbegrenzten RCC besteht in einer nierenerhaltenden Tumorresektion oder, wenn nicht möglich, in der Tumornephrektomie.

Die Prognose nach operativer Therapie hängt von den pathohistologischen Charakteristika und bestimmten klinischen Faktoren, wie z. B. dem ECOG-Performance-Status, ab. Für die Integration dieser Parameter wurden Vorhersagemodelle entwickelt. Exemplarisch kann das tumorspezifische Überleben an einem sehr gut validierten Nomogramm bestimmt werden [16]. Für einen kleinen (2 cm), inzidentell entdeckten lokalisierten G2-Tumor ohne Symptomatik ist die tumorspezifische Überlebenswahrscheinlichkeit nach 5 Jahren mit 98 % hoch. Für einen symptomatischen (Makrohämaturie) G3-Tumor von 6 cm Durchmesser mit Thrombosierung in der V. cava inferior, jedoch ohne lymphogene oder Fernmetastasen läge die tumorspezifische 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit nach Operation bei noch immer etwa 60 %.

Im metastasierten Stadium können durch den sequenziellen Einsatz moderner Therapeutika mediane Gesamtüberlebenszeiten von 30 Monaten erreicht werden [11, 20].

Keimzelltumoren

Man unterscheidet Seminome (SKZT) und Nichtseminome (NSKZT) bzw. Mischtumoren mit Anteilen beider Histologien. Maligne Keimzelltumoren (KZT) machen 0,7 % aller malignen Neubildungen beim Mann aus [12]. Die Neuerkrankungsrate lag 2010 in Deutschland bei 9,7/100.000 Männer, die Mortalitätsrate bei 0,4/100.000 Männern [2]. Auf 10.000 geschätzte Todesfälle werden 2012 lediglich 2200 Fälle den mehr entwickelten Weltregionen zugeschrieben [12].

Die Primärtherapie besteht in der Entfernung des befallenen Hodens. Anschließend wird bei nicht metastasierten Tumoren in Abhängigkeit von Histologie und Risikostratifizierung eine adjuvante Chemotherapie oder eine aktive Überwachung angeboten. In Einzelfällen kann beim NSKZT auch eine retroperitoneale Lymphknotenentfernung angeboten werden. In metastasierten Stadien wird eine primäre cisplatinhaltige Chemotherapie durchgeführt. Metastasenresiduen nach Chemotherapie werden beim NSKZT operativ entfernt, beim SKZT lediglich im Verlauf kontrolliert [3].

Über alle Stadien gesehen, werden 5-Jahres-Überlebensraten von 97 % erreicht. In metastasierten Stadien liegt diese immerhin noch zwischen 48 und 92 % [3].

Screening auf De-novo-Tumoren in der Urologie

Prostatakarzinom

Ein bevölkerungsbasiertes Screening auf ein PCa bleibt auch heute, 25 Jahre nach Einführung des PSA-Tests, umstritten [5, 27]. Einer vergleichsweise geringen Reduktion des PCa-spezifischen Überlebens steht einer eher hohen Rate an Überdiagnose und Übertherapie gegenüber.

Die S3-Leitlinie empfiehlt, dass mindestens 45 Jahre alte Männer, die eine mutmaßliche Lebenserwartung von mehr als 10 Jahren haben, über die Möglichkeit einer Früherkennung informiert werden sollen [1]. Die Männer sollen über Vor- und Nachteile der Früherkennung aufgeklärt werden, insbesondere über die Aussagekraft von positiven und negativen PSA-Testergebnissen und daraus abzuleitenden weiteren Maßnahmen. Diese Beratung sollte durch den Urologen erfolgen. In diesem Zusammenhang ist auf das mögliche Auftreten von paraneoplastischen rheumatischen Symptomen in Zusammenhang mit PCa hinzuweisen (Tab. 3; [15, 21]).

Tab. 3 Wichtige Paraneoplasien bei urologischen Malignomen

Urothelkarzinom

Im Gegensatz zum PCa existiert für das TCC kein etablierter Screeningtest. Zur Diagnose eines TCC stehen auch heute die Klinik und Anamnese im Vordergrund. Das Kardinalsymptom ist weiter die schmerzlose Makrohämaturie, die immer einen fachurologischen Tumorausschluss der ableitenden Harnwege nach sich ziehen sollte. Auch ein irritativer Harndrang kann ein Symptom eines TCC sein. Eine oft asymptomatische Hydronephrose kann ein Spätsymptom darstellen.

Kardinalsymptom ist die schmerzlose Makrohämaturie

Bei rheumatologischer Therapie mit TCC-fördernder Wirkung (z. B. Cyclophosphamid) sollte z. B. 3-monatlich ein Urinstatus erhoben werden. Bei erstmaligem Nachweis einer Hämaturie sollte bei Ausschluss einer Infektion und bei kurzfristiger Bestätigung des Befundes eine urologische Vorstellung erfolgen. Hiermit besteht eine Chance zur Früherkennung eines TCC. Insbesondere ehemaliger und aktiver Nikotinabusus geht mit einem TCC einher. Paraneoplasien sind beim TCC selten [26].

Nierenzellkarzinom

Ein einfach einzusetzender Screeningtest für RCC existiert nicht. Im Rahmen von nicht durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) getragenen Vorsorgeuntersuchungen kann die Ultraschalluntersuchung des Abdomens Hinweise auf RCC ergeben. Am häufigsten werden RCC aber mittlerweile inzidentell im Rahmen bildgebender Untersuchungen aufgrund anderer Indikationen entdeckt. In einer aktuellen Serie beläuft sich der Anteil inzidentell entdeckter RCC auf 67 % [18]. Die klassische Symptomtrias aus Flankenschmerz, Makrohämaturie und einem abdominellen Tumor findet sich lediglich in fortgeschrittenen Stadien. Paraneoplastische Syndrome sind beim RCC häufig [17]. Eine signifikante Assoziation mit Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises ist jedoch für RCC nicht beschrieben.

Keimzelltumoren

KZT werden durch einen palpablen Tumor symptomatisch. Regelmäßige Selbstuntersuchungen junger Männer sind daher wünschenswert. Jede Hodenschwellung sollte umgehend urologisch abgeklärt werden. Systematische Screeningtests existieren nicht. Als Risikofaktoren für die Entstehung eines malignen KZT gelten ein Hodenhochstand im Kindesalter und eine positive Familienanamnese. Ist ein Patient bereits an einem Hoden wegen eines KZT behandelt worden, hat er ein deutlich erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Tumors auf der Gegenseite [3].

Nachsorge urologischer Tumoren

Prostatakarzinom

Laut S3-Leitlinie wird nach kurativer Therapie eine PSA-gestützte Nachsorge empfohlen [1]. Detaillierte Nachsorgeschemata zu den urologischen Malignomen sind in Tab. 4 dargestellt.

Tab. 4 Nachsorgeschemata urologischer Malignome nach kurativer Therapie

Nach radikaler Prostatektomie kennzeichnet ein in mindestens 2 Messungen bestätigter PSA-Wert von > 0,2 ng/ml ein Lokalrezidiv. Nach definitiver Radiatio liegt ein Rezidiv vor, wenn der PSA-Wert mehr als 2 ng/ml über den Nadir nach Radiatio wieder ansteigt. Bei einer PSA-Verdopplungszeit < 10 Monate ist eine zwischenzeitlich entstandene Fernmetastasierung wahrscheinlich [24]. Wenn ein Lokalrezidiv wahrscheinlich ist, kann je nach vorheriger Therapie eine Salvage-Radiatio oder eine radikale Prostatektomie vorgenommen werden, um jeweils eine Kuration zu erreichen. Eine routinemäßige bildgebende Nachsorge erfolgt nicht, sondern nur bei klinischem Verdacht auf eine Metastasierung oder wenn aus der Bildgebung eine Konsequenz erwachsen würde.

Urothelkarzinom

Die europäische Leitlinie zum nicht muskelinvasiven TCC der Harnblase sieht zur Nachsorge von Low-risk-TCC nach makroskopisch vollständiger Resektion die regelmäßige Zystoskopie vor [6]. Die Nachsorge von High-risk-TCC erfolgt engmaschiger. Zusätzlich zum Ausschluss von Malignomen im Ureter oder Nierenbecken sollte bei High-risk-TCC jährlich eine Ausscheidungsurographie oder MR-Urographie erfolgen. Beim muskelinvasiven TCC ist die Nachsorge komplexer und abhängig von der Ausgangssituation nach radikaler Zystektomie und Harnableitung [29].

Nierenzellkarzinom

Nach operativer Therapie des RCC empfehlen die europäischen Leitlinien eine Risikostratifizierung mittels integrierter Stagingsysteme, die sowohl das TNM-System als auch den Performance-Score oder andere Parameter einbeziehen. Exemplarisch wurde ein solches Nomogramm bereits vorgestellt [16]. Für Erkrankungen mit niedrigem Rezidivrisiko – vergleichbar dem oben vorgestellten kleinen asymptomatischen Tumor – empfehlen die Leitlinien ein großzügigeres Nachsorgeschema. Bei Patienten mit mittlerem und hohem Risiko (vergleichbar dem oben vorgestellten Tumor mit Thrombus in der V. cava inferior) sollte eine intensivierte Nachsorge erfolgen [19].

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass RCC teilweise sehr lange rezidivfreie Intervalle aufweisen und auch nach deutlich mehr als 5 Jahren noch Rezidive auftreten können [9].

Keimzelltumoren

In der Nachsorge von KZT muss zwischen lokalisierten Tumoren ohne Metastasierung und metastasierten Tumoren sowie zwischen SKZT und NSKZT unterschieden werden.

Der NSKZT ohne Metastasen unter aktiver Überwachung wird in den ersten 2 Jahren alle 3 Monate nachgesorgt. Immerhin bestehen bei Patienten mit im CT unauffälligen KZT bei 15–30 % doch Metastasen.

Die Nachsorge des SKZT ist im Detail anders geregelt.

Bei metastasierten Hodentumoren erfolgen die Nachsorgeuntersuchungen engmaschiger [3].

Worauf sollten Rheumatologen achten?

Aus Sicht des Urologen sollte der Rheumatologe beim Erstkontakt mit einem Patienten mit Symptomen einer rheumatischen Erkrankung die prinzipielle Möglichkeit eines zugrunde liegenden urologischen Malignoms im Hinterkopf behalten. Eine systematische Suche nach einem Malignom wird zwar aufgrund der Seltenheit dieser Konstellation nicht empfohlen [21], gerade bei atypischer Präsentation ohne klare Serologie sind aber Fragen nach einer Symptomatik und nach regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen oft sinnvoll. Immerhin können verschiedene rheumatische Symptome paraneoplastisch durch ein urologisches Tumorleiden hervorgerufen werden [15, 21, 26].

Bei vorbekanntem urogenitalem Malignom muss ein Rezidiv ausgeschlossen werden. Es gibt keine Evidenz, ab wann nach potenzieller Kuration eines urologischen Malignoms eine konventionelle oder biologische Basistherapie der rheumatischen Erkrankung sicher begonnen werden kann. Je nach Tumorentität ist mehr oder weniger vorsichtig, bei kritischer Indikationsstellung und nicht kontrollierbarer rheumatischer Erkrankung aber auch ein relativ früher Einsatz empirisch gerechtfertigt. Bei PCa, die aufgrund ihrer Biologie einen in der Regel eher langsamen Verlauf und keine wesentliche immunologische Komponente haben, ist eine notwendige Therapie oft ohne wesentliche Risikoerhöhung durchführbar. Insbesondere der Einsatz der antihormonalen Therapie ist unkritisch. Auch Kortisonderivate sind teils sogar zur Behandlung des PCa förderlich, während ein Rückschluss auf andere entzündungshemmende Prinzipien bisher nicht möglich ist. Da auch PCa hochmaligne sein können, sollte vor Beginn einer antirheumatischen Therapie ein interdisziplinärer Austausch erfolgen.

Ein interdisziplinärer Austausch sollte vor einer antirheumatischen Therapie erfolgen

Beim TCC ist eine potenziell negative Beeinflussung durch Antirheumatika bei unkontrolliertem Karzinom wahrscheinlicher, da hier Anti-Tumor-Immunphänomene die Regel darstellen [13]. Hier können beim Einsatz von Immuntherapeutika, sei es zur Therapie des TCC oder zur Therapie der rheumatischen Erkrankung, unerwünschte Wechselwirkungen eintreten, denn ein breiter Einsatz von Immuntherapeutika im Rahmen von immunonkologischen Ansätzen steht bevor. Auch weiterhin wird bei Patienten mit nicht muskelinvasivem TCC zur Rezidiv- und Progressionsprophylaxe oft eine Instillationsimmuntherapie mit Bacillus Calmette-Guérin (BCG) durchgeführt. Hierunter kann es in sehr seltenen Fällen zur einer BCG-assoziierten Arthritis im Sinne einer reaktiven Arthritis, theoretisch aber auch im Rahmen einer mykobakteriellen Infektion immunsupprimierter Patienten kommen. Daher ist ein intensiverer Gedanken- und Erfahrungsaustausch zwischen Urologen und Rheumatologen/Immunologen wichtig. Besonders kritisch sollte bei vorbekanntem TCC der Einsatz von Cyclophosphamid überdacht werden, da dieses alleine für sich schon TCC induzieren kann. Patienten, die Cyclophosphamid erhalten, sollten regelmäßig vom Urologen zum Ausschluss von TCC untersucht werden.

Das RCC gilt ebenfalls als immunaktivierender Tumor, der schon vor mehr als 10 Jahren im metastasierten Stadium mit Zytokinen behandelt wurde [4]. Allerdings ist ein gehäuftes Auftreten von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises bei Patienten mit RCC in der Literatur nicht beschrieben. Auch beim RCC liegen mittlerweile vielversprechende Resultate zur Behandlung mit modernen Immunkontrollpunktblockern (PD-1-, PD-L1- und CTLA-4-Antagonisten) vor [8]. Hier sollte bei einer Koinzidenz von RCC und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises die Therapie zwischen Uroonkologen und Rheumatologen abgestimmt werden.

Bei KZT fällt der Altersgipfel der Erkrankungen nicht mit den Altersgipfeln der meisten rheumatischen Erkrankungen zusammen. Spondylarthritiden stellen eine Ausnahme dar, sind aber kaum je mit paraneoplastischen Symptomen zu verwechseln. Rheumatische Erkrankungen werden eher später als früh auftreten. Dass sie als Spätfolge von Chemotherapien auftreten, ist unwahrscheinlich, da unter den typischen Spätfolgen der Chemotherapie als einziges bekanntes Problem ein Raynaud-artiges Syndrom auf Bleomycin beschrieben ist [3]. Prinzipiell ist bei einer Anamnese von KZT bei Diagnose einer rheumatischen Erkrankung eine uroonkologische Vorstellung sinnvoll, um insbesondere bei Einleitung immunsuppressiver Therapien das Risiko eines Tumorrezidivs abzuschätzen und den Patienten zu beraten.

Bei palliativer Behandlungssituation eines urologischen Malignoms und koinzidenteller rheumatischer Erkrankung sollte in interdisziplinärer Absprache zwischen Urologen, Rheumatologen und ggf. Palliativmedizinern das Für und Wider der individuell möglichen Ansätze der antirheumatischen Therapie abgewogen werden. Hier wird im Regelfall das Befinden des Patienten Vorrang vor der theoretisch denkbaren schnelleren Progression des Tumors haben.

Worauf sollten Urologen achten?

Aus rheumatologischer Sicht erscheinen für die Zusammenarbeit 2 Punkte wichtig: Erstens sind rheumatische Erkrankungen schwere, die Lebensqualität dramatisch und das Überleben signifikant reduzierende Erkrankungen, die fast immer therapiert werden müssen. Die aus urologischer Sicht oft attraktiv erscheinende Option, nichts zu tun, besteht in der Regel nicht. Rheumatologen werden immer wieder auch urogenitale Malignome ausschließen müssen, sei es, weil Paraneoplasien infrage kommen, sei es, weil pathologische Befunde (wie eine persistierende Mikrohämaturie) auffallen. Hier sind wir auf urologisches Verständnis und die Zusammenarbeit angewiesen. Da diese Themen für Rheumatologen Randthemen sind, für die wir nur eine geringe Expertise haben, wird häufig der direkte Kontakt helfen, effizienter und fehlerfreier zusammenzuarbeiten.

Mögliche Exazerbation rheumatischer Erkrankungen durch Immuntherapeutika

In naher Zukunft werden, soweit heute schon absehbar, zudem immunonkologische Substanzen zur Behandlung von zumindest TCC und RCC zugelassen werden. Wie auch andere Autoimmunerkrankungen werden rheumatische Erkrankungen beim Einsatz z. B. von CTLA-4-Antikörpern oder PD-1-Antikörpern unter Umständen exazerbieren. Auch Neumanifestationen sind denkbar [10, 28]. Das wird uns in eine völlig andere Situation als bei der klassischen Chemotherapie bringen, die durch Immunsuppression rheumatische Probleme meist wirksam mit behandelt. Neu aufgetretene Gelenkschmerzen und -schwellungen, aber auch andere Symptome, die verdächtig auf eine entzündlich rheumatische Systemerkrankung, z. B. eine Dermatomyositis oder einen systemischen Lupus erythematodes, sind, sollten zur raschen rheumatologischen Konsultation führen.

Interdisziplinärer Ansatz

Die Autoren sind der Ansicht, dass ein direkter, am besten institutionalisierter Austausch zwischen Urologen und Rheumatologen wünschenswert ist. Schon aufgrund der relativen Häufigkeit der Krankheitsbilder und des zunehmend immer höheren Alters unserer Patienten werden wir mehr Patienten mit urogenitalen Tumoren und rheumatischer Erkrankung sehen. Zudem kommen Paraneoplasien rheumatischer Art bei urologischen Malignomen durchaus vor. Neue Immuntherapeutika im onkologischen Ansatz werden Autoimmunphänomene auslösen und vorbestehende rheumatische Erkrankungen beeinflussen. Gerade in Anbetracht der vermutlich noch über Jahre spärlichen Evidenz wird der fachübergreifenden Entscheidungsfindung mehr Gewicht zukommen. Die Erfahrungen in unserer Arbeitsgruppe mit der interdisziplinären Betrachtung waren durchweg positiv. Wir hoffen, dass sich das auch in der täglichen Routine durchsetzen wird.

Fazit für die Praxis

  • Stattgehabte wie neu auftretende urogenitale Malignome sind bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen durch demografischen Wandel zunehmend.

  • Neu aufgetretene muskuloskeletale Symptome und Autoimmunerkrankungen können selten auch als Paraneoplasien Hinweis für das Vorhandensein urologischer Malignome sein.

  • Die Datenlage zum Sicherheitsprofil von Basistherapien und Immunsuppressiva ist für klare Empfehlungen nicht ausreichend, daher wird eine individuelle Abwägung erforderlich sein. Meist wird eine (konventionelle und/oder biologische) Basistherapie aber nicht zu einer wesentlichen Risikoerhöhung führen.

  • Der zunehmende Einsatz von Medikation mit positiv immunmodulatorischer Wirkung bei urologischen Tumorleiden könnte zu Neumanifestationen und zur Exazerbation rheumatischer Erkrankungen führen.

  • Eine direkte Kommunikation und Kooperation von Rheumatologen und Urologen/Onkologen in einem interdisziplinären Ansatz z. B. in Form gemeinsamer Fallkonferenzen ist wichtig, um diese Herausforderungen zu bewältigen.