Hintergrund und Fragestellung

Die Inzidenz der Schilddrüsenkarzinome hat weltweit, auch in Deutschland, erheblich zugenommen. In den USA sind die Schilddrüsenkarzinomraten in den letzten 5 Jahren schneller gewachsen als bei irgendeiner anderen Krebsentität. Der Anstieg der Schilddrüsenkarzinome ist nahezu ausschließlich Folge einer Zunahme papillärer Karzinome (PTC), wobei dies vorwiegend die kleinen PTC betrifft, aber nicht auf diese beschränkt ist. Neben einer insgesamt verbesserten Diagnostik als Ursache des Karzinomanstiegs gibt es in den letzten Jahren vermehrt Hinweise für Umweltfaktoren, ggf. in Verbindung mit einer diätetisch erhöhten Jodaufnahme, die das Phänomen der Zunahme an PTC erklären könnten. Beim papillären und follikulären (FTC) Schilddrüsenkarzinom wurden in den letzten Jahren verschiedene Mutationen molekularer Biomarker (BRAF, RAS, RET/PTC u. a.) nachgewiesen, deren jeweilige Häufigkeit mit dem Tumortyp und der Prognose korreliert. Die vorliegende Studie diente der Frage, in welcher Häufigkeit die genannten Biomarkermutationen in den vergangenen 4 Jahrzehnten aufgetreten sind und welche Schlussfolgerungen sich daraus für die Diagnostik und Therapie ergeben.

Methoden

An 341 PTC und FTC der Jahre 1974 bis 1985, 1990 bis 1992, 2000 und 2009 erfolgten Mutationsanalysen der BRAF- und RAS-Gene und RET/PTC-Rearragements. Die Häufigkeiten der jeweiligen Mutationsnachweise wurden jeweils mit dem Tumor(sub)typ und der Jahresgruppe korreliert.

Ergebnisse

Im Untersuchungszeitraum der 4 Jahrzehnte erhöhte sich das mediane Patientenalter von 37 auf 53 Jahre (p < 0,001), der Anteil papillärer Mikrokarzinome (≤ 1,0 cm) nahm von 33 auf 51 % zu (p < 0,001). Beim klassischen PTC nahm der Anteil der prognostisch relevanten BRAF-Mutationen von 50 auf 77 % zu (p = 0,008), der Anteil RAS-Mutationen bei follikulär gebauten PTC und FTC nahm von 18 auf 44 % zu (p < 0,001), der Anteil RET/PTC-Rearrangements, die vermehrt bei strahleninduzierten PTC gefunden werden, nahm von 11 auf 2 % ab.

Diskussion und Fazit

Aus chirurgischer Sicht ergeben sich aus diesen Befunden folgende praxisrelevanten Schlussfolgerungen:

  1. 1.

    BRAF-Mutationen treten exklusiv beim PTC, nicht jedoch beim FTC auf, sie sind mit einer schlechteren Prognose und häufiger mit Lymphknotenmetastasen assoziiert. Der Nachweis einer BRAF-Mutation kann bereits präoperativ am Zytopräparat geführt werden. Patienten mit suspekten Schilddrüsenknoten sollten daher heute bereits präoperativ zytologisch auf das Vorliegen einer BRAF-Mutation abgeklärt werden.

  2. 2.

    Die Befunde dieser und anderer Arbeiten [1] sprechen dafür, dass bei PTC mit BRAF-Mutation unabhängig von der Primärtumorgröße zusätzlich zur totalen Thyreoidektomie eine zentrale Lymphknotendissektion erfolgen sollte. Der diesbezügliche Forschungs- und Diskussionsbedarf ist jedoch noch nicht abgeschlossen.