1 Hintergrund, Ziel und Zweck

Der Klimawandel findet bereits statt. Er hat auch nachweislich Auswirkungen auf die belebte Umwelt (IPCC 2007). Aber selbst wenn zahlreiche Arten aussterben sollten, kann er die Natur nicht insgesamt zerstören, sondern nur verändern, wenn auch in erheblichem Maße. Gefährlich kann der Klimawandel für den Menschen in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht werden (z. B. Daschkeit und Sterr 2003; EEA 2008; Rammert 2004; Schröter et al. 2005; Stern 2006; Stock 2003, 2004; UBA 2008; Zebisch et al. 2005). Die Gesellschaft ist in hohem Maße auf Naturleistungen angewiesen, sodass es gravierende Auswirkungen haben kann, wenn Naturleistungen nicht mehr oder nicht im gewohnten Umfang erbracht werden. Schließlich ist die Menschheit als Teil der Natur ebenso wenig vor dem Aussterben geschützt wie jede andere Art. Bereits jetzt liegen Hinweise auf klimainduzierte gesundheitliche Gefährdungen durch Infektionskrankheiten und Allergien (Vektoren/Neozoen) in bisher nicht betroffenen Gebieten vor (Maier et al. 2003; Schröder et al. 2007a).

Es liegt also nahe, Monitoringsysteme zu entwickeln, mit denen klimainduzierte Veränderungen inklusive deren Folgen und Gefahren im Sinne von Frühwarnsystemen erhoben, bewertet und damit rechtzeitig erkannt werden können. Wenn es um komplexe Wirkungen von Veränderungen auf Systeme oder um Wirkungen von Veränderungen auf komplexe Systeme geht, werden zu ihrem Nachweis erfolgreich Bioindikationsmethoden eingesetzt. Anders als Messgeräte zeigen sie entweder direkt eine Reaktion auf Einwirkungen aus ihrer Umwelt (Reaktionsindikatoren) oder reichern bestimmte Stoffe in ihrem Gewebe an (Akkumulationsindikatoren) und geben damit einen besser interpretierbaren Hinweis auf die Gefährlichkeit von Stoffen in der Umwelt als physikalische oder chemische Nachweismethoden (Arndt et al. 1987; Zimmermann 1996). Die Verwendung von Bioindikatoren zum Monitoring des Klimawandels sowie seiner Auswirkungen und Folgen auf die belebte Umwelt bezeichnen wir hier als Klima-Biomonitoring.

Veränderungen der Lebensbedingungen stellen an das Anpassungsvermögen von Tieren und Pflanzen hohe Anforderungen. Je nach dem Anpassungsvermögen sowie der Fähigkeit und Möglichkeit zur Abwanderung als Reaktion auf sich ändernde Umweltgegebenheiten (u. a. Klimaänderungen), ergibt sich beispielsweise eine neue räumliche Verteilung und Zusammensetzung der natürlichen Lebensgemeinschaften (Baierlein und Hüppop 2004; Grabherr et al. 1994; Hickling et al. 2006; Shukhdev 2008; Walther et al. 2005).

Bei einer Temperaturerhöhung um 1 °C wird eine Verschiebung der Vegetationszonen um etwa 200–300 km polwärts beziehungsweise um bis zu 200 Höhenmeter angenommen (IPCC 2007). Gegenüber diesen Entwicklungen sind montane, alpine und polare sowie Arten der Insel- und Küstengemeinschaften besonders empfindlich (Tegart et al. 1990). Selbst eine solch geringe Temperaturerhöhung könnte für Deutschland das zumindest gebietsweise Aussterben arktisch-alpiner Arten sowie von Glazialrelikten bedeuten. Dagegen wird es bezüglich der Verbreitung frostempfindlicher bzw. wärmeliebender Tier- und Pflanzenarten als Folge der Erwärmung zu einer Arealerweiterung oder Zuwanderung auch gebietsfremder Arten kommen, wodurch gebietsansässige Arten einer neuen Konkurrenzsituation unterliegen (Böcker et al. 1995; Gebhardt 1996; Gebhardt et al. 1996; Kowarik 2003).

Da die einzelnen Pflanzenarten unterschiedliche Reaktionsgeschwindigkeiten aufweisen, kommt es zu einer räumlichen und zeitlichen Entmischung bisher bestehender Artengemeinschaften. Dabei werden besonders weniger „mobile“ Tier- und Pflanzenarten in Mitleidenschaft gezogen. Wälder, Feuchtlebensräume und Gebirge, aber auch Agrarökosysteme werden beispielsweise von dieser Entwicklung betroffen sein (EEA 2008; Gebhardt 2000, 2007; Kammann et al. 2000; Obst 1999; Rammert 2004; Walther 2006; Weigel und Kriebitzsch 1995; Wohlgemuth et al. 2006).

Darüber hinaus wird eine Beeinflussung der Nahrungsketten und Stoffkreisläufe beobachtet. Zu rasche oder zu starke klimatische Veränderungen führen somit zu vielfältigen Belastungen für Ökosysteme – bis hin zu deren Zerstörung (Shukhdev 2008). Selbst Arten mit einem hohen Anpassungsvermögen können in ihren Reaktionsmöglichkeiten eingeschränkt sein, da auf sie neben den Auswirkungen des Klimawandels auch andere anthropogene Faktoren wirken.

Die Artenzusammensetzung und die biologische Diversität werden ebenfalls durch Klimaänderungen beeinflusst (EEA 2008; Klose 2000; Saetersdal et al. 1998). Arten mit geringerem ökologischem oder genetischem Anpassungsvermögen gegenüber sich ändernden Standortfaktoren reagieren auf die klimatisch ausgelösten neuen Lebens- und Konkurrenzbedingungen besonders empfindlich. Der Ausfall von größeren Populationen einer Art, insbesondere an ihren Verbreitungsgrenzen, führt zu einer Verarmung des Genpools und in der Folge zu einer Verringerung des Anpassungsvermögens dieser Art. Sind gleich mehrere Arten von dieser Entwicklung betroffen, kann sich der Genpool eines gesamten Ökosystems verringern. Die Konsequenz daraus kann sein, dass das ökologische Gefüge destabilisiert wird und damit das Nahrungsnetz zusammenbricht und die Produktivität des ursprünglichen Ökosystems erheblich eingeschränkt wird (zum Beispiel Kabeljau in der Ostsee; HELCOM MONAS 2006).

Vor diesem Hintergrund wird in den folgenden Abschnitten unter anderem dargestellt, welche Vorteile und welchen Mehrwert ein Klima-Biomonitoring für die Analyse und Bewertung von Klimaveränderungen auf die belebte Umwelt hat. Zudem wird anhand konkreter Beispiele gezeigt, wie Methoden des Klima-Biomonitorings angewandt werden können und welcher weitere Entwicklungsbedarf besteht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Anwendung von Bioindikationsverfahren zum rechtzeitigen Erkennen unerwünschter oder gefährlicher Wirkungen des Klimawandels auf Schutzgüter. Dazu wurde vom Unterarbeitskreis Klima-Biomonitoring des Arbeitskreises Bioindikation/Wirkungsermittlung ein Konzept erstellt, das hier in Grundzügen vorgestellt wird.

2 Klima-Biomonitoring

2.1 Vorteile von Biomonitoring-Verfahren

Bioindikatoren reagieren als lebende Organismen auf der Ebene von Zellen, Organen, Individuen, Lebensgemeinschaften oder Ökosystemen auf stoffliche und nicht stoffliche Einwirkungen aus ihrer Umwelt. Biomonitoring wurde in der Vergangenheit als Methode erfolgreich dort eingesetzt, wo physikalische oder chemische Messungen nicht möglich waren oder keine Aussagekraft besaßen oder wo die Kombination mehrerer Einflussgrößen komplexe Wirkungen hervorriefen. Beispiele sind der Einsatz von aktiven und passiven Bioindikatoren zur Anzeige von Wirkungen (Wirkungs- oder Reaktionsindikatoren, z. B. Ozon, toxische Wasserinhaltsstoffe) oder zur Bestimmung von Stoffgehalten im Pflanzengewebe nach einer definierten Exposition (Akkumulationsindikatoren, z. B. Schwermetalle und Organika, Zimmermann 1995).

Die Auswahl einer geeigneten Untersuchungsmethodik hat entscheidenden Einfluss auf die Qualität der erzielten Ergebnisse. Daher ist in diesem Zusammenhang zu hinterfragen, welche Vorteile Bioindikationsverfahren bieten. Technische Messgeräte zeigen die aktuell messbaren Zustände, sie blenden akkumulative oder summarische Werte aus. Bioindikation dagegen zeigt ökologische Folgen, Reaktionen von Organismen auf über spezifische Zeiträume gemittelte Umweltzustände. So sind sowohl Summen von langfristig auftretenden, auch unterschwelligen Wirkungen als auch Wechselwirkungen und/oder Summen verschiedener einzelner Wirkungen, die jede für sich unterschwellig sein können, erfassbar.

2.2 Klima-Biomonitoring

Bioindikatoren können im Rahmen eines Klima-Biomonitorings auch der Ermittlung der Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die belebte Umwelt dienen. Klima-Biomonitoring ist die Kurzbezeichnung für das Monitoring von Klimaveränderungen und deren Folgen für die belebte Umwelt mithilfe von Bioindikatoren. Klima-Bioindikatoren zeigen als Reaktionsindikatoren klimatische Zustände an:

  • Sie zeigen rückblickend die Entwicklung des Klimas in der Vergangenheit an (paläoklimatische Bioindikatoren). Paläoklimatische Bioindikatoren werden schon seit Längerem zur Ermittlung der Entwicklung des Klimas verwendet. Bäume werden in der Paläoklimatologie eingesetzt, um auf das Standortklima vergangener Zeiten zu schließen. Anhand der Breite und der Struktur ihrer Jahresringe lassen sich Aussagen zu Parametern machen, die für das Wachstum wichtig sind (z. B. Temperatur und Feuchtigkeit; Frenzel 1996; Schweingruber 1993). Im Falle dieser paläoklimatischen Bioindikatoren wird also aus der Wirkung der Temperatur auf den Baum, die sich in den Baumringen manifestiert, wieder auf die Temperatur bzw. das Klima zur betreffenden Zeit zurückgeschlossen. Weitere Beispiele sind die Entwicklung von Otolithen bei Fischen (Checkley et al. 2009; Andrus et al. 2002; Müller und Rozenberg 2003), der Nachweis des Vorhandenseins oder Fehlens von Organismen, zum Beispiel durch Pollenanalysen (Bork 2006; Fassl 1996; Klotz 1999; Wiethold 1998). Solche Klimazustands-Bioindikatoren werden in der Paläoklimatologie als „Proxies“ (mittelbare Messverfahren) bereits verbreitet eingesetzt und haben als Indikatoren für die klimatischen Verhältnisse zu Zeiten, als noch keine physikalischen Messgeräte vorhanden waren, eine große Bedeutung erlangt (Bradley 1999). Im Prinzip sind solche Bioindikatoren auch noch heute anwendbar, wenn auch mit geringerer Präzision als direkte physikalische Messungen. Für die Beschreibung des aktuellen Klimas besitzen sie daher keine besondere Bedeutung.

  • Sie ermöglichen die aktuelle Erfassung von lokalen, regionalen und überregionalen Auswirkungen des Klimawandels auf lebende Systeme (Klimafolgen-Bioindikatoren). Für die aktuellen Betrachtungen sind Klimafolgen-Bioindikatoren von besonderer Bedeutung. Sie bieten die Möglichkeit der Erfassung und Bewertung der Auswirkungen des Klimawandels auf Individuen, Biozönosen, Biotope und Ökosysteme. Hier ist es vom ausgewählten Indikator abhängig, ob lokale, regionale oder überregionale Wirkungen angezeigt werden. So zeigen die Bioindikatoren Apfelblüte (Henniges et al. 2005; Menzel et al. 2006; LUBW 2007a; Rammert 2008), Flechtenvorkommen (Cezanne et al. 2008), Insektenverbreitung (LUBW 2007b; Müller-Motzfeld 2008) oder Vorkommen und Verbreitung von Zug- und Brutvögeln (Berndt 2007; Huntley et al. 2007) unterschiedliche räumliche Effekte des Klimawandels.

  • Prospektiv können die Wirkungen eines künftigen veränderten Klimas im Experiment (prospektive Klima-Bioindikatoren) untersucht werden. Bioindikatoren können im Experiment auch die Wirkungen eines sich erst später ergebenden Klimas vorwegnehmen. Solche Experimente sind entweder FACE-Versuche (Grüters et al. 2006; Jäger et al. 2003; Kammann et al. 2005), die nur den Einfluss erhöhter Kohlendioxid-Konzentration untersuchen oder Erwärmungsexperimente, die nur die Wirkung erhöhter Temperatur untersuchen oder eine Kombination von beidem (siehe dazu beispielsweise GiFACE http://www.uni-giessen.de/cms/ukl). Mit computergestützten (Impact-)Modellen lassen sich heute zudem schnell Aussagen zu Gefahren für natürliche Systeme im Klimawandel ermitteln. Solche Modelle sind jedoch auf die Verfügbarkeit von Beobachtungsdaten zur Verifizierung angewiesen. Auch hier kann Klima-Biomonitoring einen wichtigen Beitrag leisten.

2.3 Mehrwert des Klima-Biomonitorings

Gegenüber bisherigen Verfahren des Klimamonitorings zur Messung von Klimaparametern (z. B. Temperatur, Niederschlag) liefert das Klima-Biomonitoring unverzichtbare zusätzliche Informationen:

  • Biomonitoring ermöglicht eine Verifizierung der in Klimamodellen dargestellten Veränderungen und ihrer Wirkungen auf lokaler und regionaler Ebene. Es kann gezeigt werden, wann und in welcher Intensität klimainduzierte Wirkungen in der belebten Umwelt ankommen. Damit ist es auch möglich, besonders klimasensible oder vulnerable Räume zu identifizieren und mögliche Einschränkungen beziehungsweise Gefährdungen von Ökosystem-Dienstleistungen rechtzeitig zu erkennen.

  • Es ist eine Regionalisierung und eine Differenzierung der globalen Aussagen der Klimamodelle möglich. Über die Formulierung von Hypothesen lassen sich Ursache-Wirkung-Zusammenhänge beschreiben und mit Bioindikation prüfen.

  • An Beispielen lassen sich ökosystemare Zusammenhänge oder Zyklen (Nahrungsnetze, räumliche oder zeitliche Abhängigkeiten, Faktoren, die die Produktivität von Landschaftselementen bestimmen etc.) darstellen. Damit ist gegebenenfalls auch nachprüfbar, welche Folgen die klimainduzierte Einwanderung neuer Arten und die Verdrängung etablierter Arten nach sich ziehen.

  • Bioindikation hilft, die Bedeutung des Klimawandels für die Umsetzung der EU-Richtlinien wie Natura 2000 oder Wasserrahmenrichtlinie darzustellen. Es kann untersucht werden, ob und wie die Umsetzung der Richtlinien unter geänderten Klimabedingungen erfolgreich sein kann. Hierbei kann das Modell des Artenfehlbetrages helfen (Schwoerbel 1994).

  • Ein Monitoring mit Bioindikatoren kann rechtzeitig bestimmte Umweltveränderungen anzeigen. Einzelne Indikatorarten belegen die klimainduzierte Ausweitung oder Schrumpfung von besonderen Lebensräumen aufgrund der Veränderungen artspezifischer Habitatparameter. Dies hat Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Landnutzung. Es kann auch anzeigen, dass mit der Ausbreitung entsprechender Schädlinge zu rechnen ist. So sind eine rechtzeitige Information und die Einleitung von Vorsichtsmaßnahmen möglich.

3 Methodik des Klima-Biomonitorings

Auf der Grundlage der zuvor aufgeführten Erkenntnisse ist es möglich, die Methodik für ein gezieltes Klima-Biomonitoring zu entwickeln. Klima-Biomonitoring kann Klimafolgen nicht vermeiden. Es geht darum – im Sinne eines Frühwarnsystems – rechtzeitig auf besondere Empfindlichkeiten von Arten sowie Ökosystemen hinzuweisen und damit Maßnahmen zu deren Schutz bzw. Anpassungsstrategien zu ermöglichen, die letztlich auch den Menschen zugute kommen. Wichtige Bausteine der Methodik sind:

  • Ermittlung und Darstellung von Gefährdungen für Pflanzen, Tiere und Biotoptypen aufgrund des Klimawandels und damit möglicherweise verbunden Einschränkungen von Ökosystem-Dienstleistungen, die für die Natur und die menschliche Gesellschaft unverzichtbar sind,

  • Darstellung der Veränderung der biologischen Vielfalt von Biotoptypen und Ökosystemen durch den Klimawandel, insbesondere solche, bei denen gravierende Veränderungen zu erwarten sind wie Feucht- und Süßwasserlebensräume, Meere, Küsten und alpine Bereiche,

  • Aufzeigen des Ausmaßes und der Begünstigung des Eindringens invasiver, gebietsfremder Arten durch den Klimawandel,

  • Überwachung der Wirkungen von Maßnahmen des Naturschutzes (z. B. Biotopverbund, Artenhilfsmaßnahmen) zur Anpassung an den Klimawandel,

  • Lieferung von Hintergrundinformationen zur Ermittlung der Auswirkungen des Klimawandels auf den Menschen und sein Lebensumfeld (Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Ernährung, Erholung etc.) und

  • Schaffung bzw. Bereitstellung der Datengrundlage für eine fachlich ausreichende, politik- und handlungsorientierte Palette von Klimaindikatoren.

Das Klima-Biomonitoring macht in seiner Grundausrichtung von bereits in verschiedenen Umweltbereichen eingeführten und damit kostengünstigen Monitoringprogrammen Gebrauch. Im Rahmen eines Klima-Biomonitorings werden existierende Programme, beispielsweise die phänologischen Beobachtungsstationen und vorhandene Daten aus dem Artenmonitoring, als wesentliche Grundlage unterstützt. Darüber hinaus werden die beim Umweltbundesamt (UBA), beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) und anderen Institutionen des Bundes sowie in den Bundesländern vorliegenden Daten im Hinblick auf die in diesem Papier formulierten Ziele gemeinsam ausgewertet.

Die Auswahl der Methoden, die zweckmäßigerweise eingesetzt werden sollen, erfolgt nach den folgenden Kriterien:

  • Es handelt sich um bereits eingeführte und geprüfte, also gut begründete, handhabbare und praktisch erprobte Methoden. Gegebenenfalls sind hier noch im Sinne einer Differenzialdiagnose Methoden, die einen Klimawandel indizieren, von unspezifischen Methoden zu trennen.

  • Erkenntnisse und Daten mit besonderer Relevanz für Umwelt- und Naturschutz liegen bereits vor und können verwendet werden.

  • Die gewonnenen Erkenntnisse liefern Hintergrundinformationen für andere Themenbereiche wie menschliche Gesundheit, Land- und Forstwirtschaft.

Tabelle 1 gibt einen beispielhaften Überblick über Verfahren, die im Rahmen des Klima-Biomonitorings eingesetzt werden können.

Tabelle 1 Bioindikationsmethoden zur Ermittlung klimainduzierter Wirkungen

4 Ansatzpunkte zur Anwendung des Klima-Biomonitorings (Fallbeispiele)

Der Unterarbeitskreis Klima-Biomonitoring hat bestehende Datensammlungen und methodische Ansätze analysiert und eine umfangreiche Literaturauswertung durchgeführt. Zusätzlich wurden die in den Ländern laufenden Mess- und Beobachtungsprogramme abgefragt und auf ihre Einsetzbarkeit im Umfeld des Klima-Biomonitorings geprüft. Im Folgenden werden Beispiele für bestehende Ansätze für ein Klima-Biomonitoring aufgezeigt.

4.1 Phänologische Untersuchungen an Pflanzen

Wertvolle Datenbestände liegen beim DWD vor, der seit 1936 ein dichtes Netz phänologischer Beobachtungspunkte und eine Reihe phänologischer Gärten unterhält. An den Beobachtungspunkten werden die natürlich aufwachsenden Pflanzen beobachtet, in den Gärten werden Klonpflanzen eingesetzt (DWD 2009).

Das Netzwerk der International Phenological Gardens (IPGs), das 1953 durch Schnelle und Volkert etabliert wurde, betreibt derzeit etwa 50 Gärten in Europa in einem weiten Längen- und Breitenbereich (Chmielewski und Rötzer 2002; Schnelle und Volkert 1957). Es ist unterteilt in ein Grundprogramm mit 18 Baumarten/-sorten und ein erweitertes Programm mit zusätzlichen Arten/Sorten. Die Gärten liegen jeweils in der Nähe von meteorologischen Stationen. Die Pflanzen werden vegetativ vermehrt, um genetisch bedingte Variabilitäten auszuschließen.

Noch stärker standardisiert ist das Global Phenological Monitoring Program (GPM, Bruns et al. 2003). Nur 16 Pflanzenarten wurden dafür ausgewählt, die in bestimmten Breitenbereichen der nördlichen (35° N bis Polarkreis) und südlichen Hemisphäre (23,5–50° S) wachsen. Auch beim GPM werden die Pflanzen vegetativ vermehrt und nur von wenigen Lieferanten bezogen, um genetische Variabilität auszuschließen. GPM ist in ein Standard- und ein spezielles Blühphasenprogramm unterteilt.

Die Auswertung und Darstellung dieser und weiterer Datenquellen erfolgt auf verschiedene Weise (Menzel et al. 2006). Beispielsweise kann dies sehr anschaulich auf der Grundlage der Phänologischen Uhr (DWD 2009; Henniges et al. 2005; Rammert 2008; Schröder et al. 2005, 2007b) geschehen. Für die räumliche Analyse und Bewertung stehen geostatistische Verfahren zur Verfügung, die auch bereits im Klima-Biomonitoring angewandt wurden (Schröder et al. 2005). Eine weitere Möglichkeit ist das Monitoring der Apfelblüte (regionalspezifische Abfolge und Höhenwanderung der verschiedenen Blühphasen) seit 2006 in ganz Deutschland bzw. im Murgtal (Nordschwarzwald) durch den Südwestrundfunk bzw. die LUBW Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg („Apfelblütenland 2006–2009“, www.planet-wissen.de; LUBW 2009). Diese Aspekte werden in den folgenden Teilen dieser Serie vertieft und anhand von Beispielen erläutert.

4.2 Phänologische Untersuchungen an Tieren

Klimawandel kann zur Entkoppelung von ökologisch aufeinander abgestimmten Zyklen führen, beispielsweise der Entwicklung von Blüten und von blütenbestäubenden Insekten. Besonders deutlich wird dies an dem schon jetzt zu beobachtenden Auseinanderlaufen der temperaturgesteuerten Entwicklung der Blüten verschiedener Obstsorten und der vorrangig durch die Tageslänge gesteuerten Flugaktivität der Bienen. Dies kann zum Teil erhebliche Auswirkungen auf den Ertrag von Nutzpflanzen haben (Shukhdev 2008).

Betroffen sein können auch die Beziehungen zwischen Räubern und ihrer Beute. Das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung hat nachgewiesen, dass die Bestände des Kabeljaus in der südlichen Nordsee zurückgehen, weil die bisherige Hauptnahrung, ein an Kälte angepasster Ruderfußkrebs (Calanus finmarchius), in kältere Gewässer abwandert und durch eine an Wärme angepasste Art (Calanus helgolandicus) verdrängt wird. Diese Art tritt aber erst später im Jahr auf und steht daher nicht zum richtigen Zeitpunkt als Nahrung zur Verfügung (HELCOM MONAS 2006).

Aus diesen Beispielen wird ersichtlich, dass aus der Beobachtung der Tierphänologie wichtige Erkenntnisse zu den Wirkungen des Klimawandels gewonnen werden können, die Grundlage für die Entwicklung von Anpassungsstrategien – auch im Hinblick auf die Vermeidung ökonomischer Einbußen – sind.

Im Rahmen der Tierphänologie gibt es Untersuchungen an verschiedenen Tiergruppen. Bekannt sind insbesondere die Untersuchungen an Vögeln:

  • Monitoring rastender Wasservögelan Nord- und Ostsee sowie im Binnenland: Die Programme laufen bereits seit über 40 Jahren und sind standardisiert; die Ergebnisse können nicht nur hinsichtlich der Phänologie der betrachteten Arten dargestellt werden, sondern zeigen auch die räumliche Verteilung (in Abhängigkeit von der Witterung) der Bestände rastender Wasservögel.

  • Integriertes Monitoring von Singvogelpopulationen: Das Programm läuft seit 1999 und gibt Informationen z. B. zum Zeitpunkt des Auftretens und zur Anzahl Juveniler.

  • Brutvogelmonitoring:Dieses neue Monitoringprogramm wird inzwischen in allen Bundesländern durchgeführt; es erfasst die Bestandsveränderungen bei häufigen Brutvögeln.

  • Dauerfangstationen (Netzfang): Das Programm läuft auf Helgoland seit 1909 (mit Unterbrechungen in Kriegszeiten) ganzjährig und am Bodensee von Juli bis Anfang November (tägliche Fänge und Beringung).

  • Zugplanbeobachtungen: An verschiedenen Beobachtungsorten werden während der Zugzeit die durchziehenden Vogelarten beobachtet und gezählt; Randecker Maar (Schwäbische Alb): Beobachtungen seit über 30 Jahren; Sylt: längerfristige Zählungen existieren.

Diese Programme werden vom Bundesamt für Naturschutz und anderen Fachinstitutionen betreut. Die Daten laufen dort zusammen und werden ausgewertet. Es gibt z. B. von der Vogelwarte Helgoland zusammenfassende Publikationen über die Verschiebung der phänologischen Muster der dort vorbeiziehenden Arten (Zugvögel aus großen Teilen Skandinaviens) über einen Zeitraum von 40 Jahren. Darüber hinaus sind mittels eines neuen Indikators (Climatic Impact Indicator, vgl. Gregory et al. 2009) anhand der Ergebnisse des Brutvogelmonitorings aus 20 europäischen Staaten die Auswirkungen des Klimawandels messbar. Der Climatic Impact Indicator schätzt anhand von Modellierungen die zukünftige Verbreitung häufiger Brutvogelarten ab und setzt sie in Beziehung zu früher erhobenen Daten. Dadurch lassen sich die Vogelarten mit einer prognostizierten Erweiterung des Verbreitungsgebietes (Klimawandelgewinner) von denen mit einer Reduzierung des Verbreitungsgebietes (Klimawandelverlierer) trennen (Dröschmeister und Sudfeldt 2009). Auch Huntley et al. (2007) haben auf der Grundlage von Daten aus dem Vogelmonitoring und entsprechenden Auswertungen von Klimadaten Karten mit Gewinnern und Verlierern des Klimawandels erstellt.

4.3 Biodiversität, Artenmonitoring und Arteninventare

Die Klimaveränderung führt zu einer Verlagerung der Klimazonen und damit zu einer Verschiebung der Vegetationszonen. Eine Reaktion natürlicher und naturnaher Ökosysteme auf Klimaveränderungen ist die Veränderung der Verteilung von Flora und Fauna mit Auswirkungen auf die Biodiversität (IPCC 2007, insbesondere Ergebnisse der WG II). Diese Entwicklung stellt hohe Anforderungen an das Adaptionsvermögen von Arten und Lebensgemeinschaften. Für zahlreiche Ökosysteme und deren Lebensgemeinschaften wird keine Anpassung möglich sein. Als Folge wird sich eine räumlich und zeitlich unterschiedliche Verteilung und Zusammensetzung der natürlichen Lebensgemeinschaften einstellen. Generell reagieren Arten mit geringerem Anpassungsvermögen auf die klimatisch ausgelösten neuen Lebens- und Konkurrenzbedingungen besonders empfindlich. Dies wird durch eine schmale ökologische Amplitude bzw. geringe genetische Varianz gegenüber sich ändernden Standortfaktoren verursacht. Informationen über Zeigerwerte von Tieren liegen zwischenzeitlich leicht verfügbar vor. Ein Beispiel ist die „Freshwater Ecology Data Base“, erreichbar unter http://www.freshwaterecology.info.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Biodiversität und Stabilität ist, unter anderem wegen der nicht standardisierten Definition von Stabilität, bis heute schwer herzustellen. Das Millennium Ecosystem Assessment der Vereinten Nationen (MEA 2005) geht jedoch von einem solchen Zusammenhang aus. Selbst vorsichtige Reviews kommen heute zum Schluss, dass Biodiversität eine Einflussgröße für Stabilität ist (Ives und Carpenter 2007). Biodiversität besitzt deshalb nicht nur einen ökologischen, sondern auch einen hohen ökonomischen Wert (CBD 1993; Shukhdev 2008). Zentrales Anliegen muss es also sein, die Biodiversität in ihrer spezifischen Ausprägung und Dynamik zu erhalten. Durch die regelmäßige und dauerhafte Beobachtung der Verbreitung von Arten in einer Region werden Daten zur Veränderung von Populationen gewonnen. Diese Erkenntnis allein bringt nur wenige Aussagen. Erst die Untersuchung der möglichen Ursachen für diese Populationsveränderungen erlaubt eine tief greifende Auswertung, die gegebenenfalls auch in Handlungsempfehlungen mündet. Hierbei ist ein Bezug zu den ökologischen Ansprüchen und Zeigerwerten der betroffenen Arten bedeutsam.

Artenmonitoring und Arteninventare arbeiten mit unterschiedlichen, ihren Zielen angepassten Methoden. Bezugsräume, Beobachtungsflächen und Aufnahmemethoden sind spezifisch und es gibt hierzu detaillierte Standards. Zum Beispiel existieren bundesweit einheitliche und abgestimmte Bewertungsschemata für die derzeit in allen Ländern durchgeführten Erhebungen zur Bewertung des Erhaltungszustandes von Lebensraumtypen und Arten der FFH-Richtlinie. In Nordrhein-Westfalen wird die ökologische Flächenstichprobe (ÖFS) durchgeführt, um die Veränderungen in der Normallandschaft feststellen zu können. Das Monitoring von Vogelarten in Deutschland wurde in einem F+E-Vorhaben weiter entwickelt und stärker auf die Anforderungen des Naturschutzes ausgerichtet. Die Erhebungen werden ehrenamtlich durchgeführt und bundesweit vom Dachverband Deutscher Avifaunisten koordiniert und ausgewertet. Die Monitoringprogramme liefern Daten von häufigen, seltenen und geschützten Brutvögeln sowie von rastenden Wasservögeln. Die Datenbank Gefäßpflanzen des BfN wird in einem F+E-Vorhaben derzeit dazu verwendet, aufgrund der aktuellen Verbreitung von Gefäßpflanzen und den projizierten klimatischen Veränderungen zu ermitteln, wie sich die Verbreitung und insbesondere die Gefährdungssituation der einzelnen Arten aufgrund des Klimawandels ändern wird. Weitere Forschungsvorhaben des BfN untersuchen die mögliche Ausbreitung invasiver Arten und die Auswirkungen des Klimawandels auf Schutzgebiete.

Neben diesen Überblicksverfahren liegen auch umfangreiche Methodenbeschreibungen für einzelne Arten oder Artengruppen vor. Eine Zusammenstellung (die allerdings nicht mit Blick auf ein Klima-Biomonitoring erstellt wurde!) liefert die „Fachkonzeption für eine Naturschutzorientierte Umweltbeobachtung“.Footnote 1

Zusätzlich zu den aktuellen Erhebungen ist der Rückgriff auf ältere Erhebungsdaten erforderlich, um die zeitliche Veränderung der Arteninventare oder der Artenareale festzustellen. Hierzu werden bereits seit langer Zeit die Sammlungen (sowohl an Daten als auch an Sammlungsexemplaren) genutzt, die in Naturschutzbehörden, Forschungsinstituten und Museen, aber auch bei Naturschutzverbänden und Privatpersonen vorliegen. Probleme bereitet hierbei die Qualitätssicherung der Daten.

4.4 Krankheitsüberträger (Vektoren), Schädlinge und Allergene

Für die zeitliche und räumliche Verteilung von Vektoren und Pathogenen spielt das Klima eine große Rolle (EEA 2008). Vektoren können als Überträger von Krankheitserregern wie Viren und anderen Mikroorganismen (z. B. Borrelien, Leishmanien) von einem Reservoir (diverse Wirtstiere) auf Zielorganismen (Mensch oder Tier) fungieren. Wichtige Vektoren sind Stechmücken, Zecken und Flöhe. Wärmeliebende Arten können durch höhere Temperaturen neu zuwandern oder sich verstärkt ausbreiten. Einige Gebiete Deutschlands (u. a. Oberrhein-, Main-, Donau- und Elbegebiet, Bodenseeraum) weisen bereits heute ein vermehrtes Aufkommen und einen Zustrom von wärmeliebenden Arten – darunter Vektoren und Pathogene – auf. Teilweise zählen die genannten Gebiete zu den Hochendemiegebieten der durch Zecken übertragenen Krankheiten FSME und Borreliose.

Eine weitere Änderung des Klimas kann bei Vorhandensein geeigneter Wirte und Vektoren eine Ausweitung dieser Endemiegebiete in bisher nicht betroffene Regionen mit sich bringen. Es ist darüber hinaus zu befürchten, dass sich weitere Vektoren wie z. B. die Überträger der Leishmaniose (Sandfliegen) und der Malaria (Anopheles-Mücken), aber auch Ehrlichia- und Hanta-Viren übertragende Nagetiere in geeigneten Gebieten ausbreiten (Stark et al. 2009). Ein besonderes Augenmerk muss auf den zu Beginn der 1990er Jahre aus Asien nach Italien eingeschleppten Tigermoskito (Aedes albopictus) gerichtet werden. Im September 2007 wurde diese Mücke erstmals auch in Deutschland bei Rastatt im Oberrheingebiet nachgewiesen. Mit dem Tigermoskito ist ein potenter Vektor nach Deutschland vorgedrungen, der – das Vorhandensein von Krankheitserregern vorausgesetzt – gleich für mehrere Tropenkrankheiten (Denguefieber, Gelbfieber, Chikungunya) verantwortlich zeichnet. Modellrechnungen zeigen, dass eine dauerhafte Etablierung von Aedes albopictus innerhalb der oberrheinischen Tiefebene aufgrund der dort herrschenden günstigen Klimabedingungen möglich ist (Becker 2008; Pluskota et al. 2008).

Auch andere Krankheitserreger geraten mittlerweile in das Blickfeld. Eine Zeckenart (Gattung Hyalomma) ist beispielsweise ein kompetenter Vektor für den Erreger des Krim-Kongo-Hämorrhagischen-Fiebers (CCHF), ein Virus. Zugvögel transportieren jährlich solche Zecken auch zu uns. Bisher ist nicht bekannt, ob dadurch eine nennenswerte Gefahr besteht. Eine Untersuchung dazu ist deshalb gerade angelaufen.

Weiterhin ist davon auszugehen, dass die Land- und Forstwirtschaft durch Gradationen wärmeliebender Arten (u. a. Schwammspinner, Eichenprozessionsspinner) oder durch neu eingeschleppte Pflanzenkrankheiten (u. a. Pilze, Bakterien) und Schädlinge betroffen sein kann. Durch Stechmücken (Gnitzen) wird die sogenannte Blauzungenkrankheit auf Rinder und Schafe übertragen. Seit 2006 grassiert diese ursprünglich aus Südafrika stammende und für die Tiere potenziell tödliche Viruserkrankung auch in Nordrhein-Westfalen und weiteren Bundesländern (Conraths et al. 2008; Iben 2006; Kampen et al. 2007; Purse et al. 2005). Darüber hinaus weisen bereits heute einige Schadinsekten einen temperaturinduzierten, rascheren Generationswechsel auf (Maikäfer, Buchdrucker, Apfelwickler).

Letztendlich bedürfen auch die weitere Verbreitung von nicht einheimischen Pflanzen mit einem hohen allergenen Potenzial (z. B. Beifuß-Ambrosie, Ambrosia artemisiifolia) und die von solchen Pflanzen ausgehende gesundheitlichen Beeinträchtigung empfindlicher Personen der Überwachung (Alberternst et al. 2006; Boehme et al. 2009; Otto et al. 2008; Reinhardt et al. 2003). In betroffenen Bundesländern findet bereits ein entsprechendes Monitoring zu Vorkommen und Verbreitung der Beifuß-Ambrosie und Bekämpfungsmaßnahmen statt.

Ein Monitoring von relevanten Krankheitserregern, Vektoren und Allergenen für Mensch, Tier und Pflanze wird zur Abschätzung des Status quo sowie zur Überwachung der zukünftigen Entwicklungen (Einfalls- und Ausbreitungswege, Individuendichte, Verbreitung) sowie zur Risikoabschätzung und -minimierung empfohlen. Hierbei ist eine Integration des Vektormonitorings in bestehende Umweltbeobachtungen ökonomisch und wissenschaftlich geboten. Für die Auswertung müssen alle Beobachtungsdaten über technische Schnittstellen zusammengeführt werden, die für eine ökologisch und medizinisch umfassende Bewertung erforderlich sind.

5 Ausblick

Nachdem in diesem Artikel das Konzept des Klima-Biomonitorings eingeführt und auch anhand von Beispielen beschrieben wurde, sollen in Folgebeiträgen einzelne spezielle Verfahren genauer dargestellt und über Ergebnisse berichtet werden (Methodenanwendungs- und Ergebnisstrang) sowie der Forschungsbedarf erläutert und in diesem Zusammenhang konkrete Fragestellungen angesprochen und Lösungen dafür vorgestellt werden (Forschungs- und Weiterentwicklungsstrang).

Nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ist davon auszugehen, dass die derzeit erkennbaren Klimaveränderungen weiter fortschreiten und sich noch verstärken werden (Richardson et al. 2009). Aus diesem Grund werden gegenüber Veränderungen der klimatischen Situation empfindliche Bereiche besonders betroffen sein. Dies macht es erforderlich:

  • geeignete Bioindikationsmethoden einzusetzen und sie weiter oder neu zu entwickeln, um klimainduzierte Veränderungen in der belebten Umwelt zu detektieren; hierbei sind sowohl die jeweilige Trennschärfe der eingesetzten Methode als auch die typischen Vor- und Nachteile von Bioindikationsverfahren zu berücksichtigen (Markert 1994).

  • bereits bei den zuständigen Bundes- und Landesinstitutionen eingeführte und damit kostengünstige Biomonitoringmethoden weiter zu nutzen. Im Rahmen eines Klima-Biomonitorings sollen existierende Programme, beispielsweise die phänologischen Beobachtungsstationen und vorhandene Daten aus dem Artenmonitoring, als wesentliche Grundlage unterstützt werden.

  • die beim Deutschen Wetterdienst (DWD), beim Umweltbundesamt (UBA) und den Bundesländern vorliegenden Daten im Hinblick auf die in diesem Papier formulierten Ziele gemeinsam auszuwerten.

  • den Forschungs- und Entwicklungsbedarf für ein Klima-Biomonitoring zu benennen und über entsprechende Projekte zu decken; vor allem gilt es

  • Klimaeinflüsse von anderen Wirkfaktoren zu trennen (u. a. Differenzialdiagnose wie z. B. im forstlichen Umweltmonitoring),

  • vorhandene Klima-Bioindikatoren auf ihre Einsetzbarkeit/Verlässlichkeit unter den sich verändernden Bedingungen des Klimawandels zu untersuchenFootnote 2 und

  • Auswertungsmethoden für bestehende Monitoringverfahren so weiter zu entwickeln, dass klimabezogene Aspekte aus den Daten abgeleitet werden können.

  • ein Monitoring der für Mensch, Tier und Pflanze relevanten Krankheitserreger (Vektoren), Schädlingen sowie tierischen und pflanzlichen Allergenen aufzubauen.

  • einen Standard für den Datenaustausch zwischen DWD, UBA, BfN und den Ländern zu entwickeln. Dazu müssen Klima-Bioindikatoren definiert und eine gemeinsame WebGIS-Schnittstelle nach internationalen Interoperabilitätsstandards geschaffen werden.

  • die verwendeten Verfahren zu kommunizieren, die eingesetzten Methoden abzugleichen und zu standardisieren.

  • die hier aufgezeigte Vorgehensweise in die nationale Anpassungsstrategie des Bundes und der Länder (BMU 2009) zu integrieren.

Die Erkenntnisse aus dem Klima-Biomonitoring müssen Grundlage für entsprechende Handlungen sein, sodass geeignete Anpassungsstrategien und gleichzeitig Maßnahmen zur Vermeidung oder Verminderung der Effekte im Sinne der deutschen Anpassungsstrategie (BMU 2009) eingeleitet werden können. Zugleich dienen diese Informationen der Politikberatung, der Information der Öffentlichkeit und zur Erfüllung von Berichtspflichten.

Die Autoren werden in weiteren Veröffentlichungen Beispiele zur Anwendung und Vertiefung der Thematik darstellen. Zudem sollen Anregungen zur Weiterentwicklung der Methodik und zum Schließen von Kenntnislücken gegeben werden.

Zur Weiterentwicklung von Konzept und Methodik ist es sinnvoll, die sekundären Wirkungen des Klimawandels, insbesondere die Auswirkungen der Maßnahmen zur Anpassung an den Wandel oder zum Schutz vor den Auswirkungen mithilfe der Bioindikation, auf ihre Wirkungen zu prüfen. Neben den eigenen, vom Unterarbeitskreis „Klima-Biomonitoring“ des Arbeitskreises „Bioindikation/Wirkungsermittlung“ vorzubereiteten Vorschlägen für Handlungsoptionen können dies zum Beispiel folgende Bereiche sein:

  • Auswirkungen von klimabedingten Landnutzungsänderungen auf Natur und Landschaft (v. a. Anbautechnik, genutzte Arten und Sorten, Intensität bzgl. Nähr-, Schad- und Giftstoffen, Größe und Lage von Anbauflächen),

  • Auswirkungen von technischen Anlagen der erneuerbaren Energien (z. B. Windenergieanlagen, Fotovoltaik) auf Natur und Landschaft, insbesondere auf besonders empfindliche Arten (z. B. Zugvögel),

  • Auswirkungen des Anbaus von sogenannten Energiepflanzen auf Natur und Landschaft, insbesondere die biologische Vielfalt in Agrar- und Waldlebensräumen und

  • Stabilität von Ökosystem-Dienstleistungen (beispielsweise Bestäubungsleistung) als Grundlage von Gesundheit und Nahrungsmittelsicherheit.