Zusammenfassung
Trotz zunehmender Reglementierungen des Sprachraums im ›Dritten Reich‹ findet sich eine Vielzahl opponierender, resistierender und widerständischer Sprachhandlungen. Eine wichtige Strategie im durch das Aufeinanderprallen inkommensurabler Diskursarten entstehenden semantischen Kampf um Deutungsmuster ist die der Potenzierung möglicher Bedeutungszusammenhänge durch Veruneindeutigungen, Verschleierungen und andere Formen indirekter Kommunikation, um so widerständische Botschaften in den NS-Diskurs versuchsweise einschleusen zu können. Oft auf den Ebenen der Lexik oder der Äußerung untersucht, will dieser Aufsatz einen texttypologischen Beitrag zur Erschließung von Veruneindeutigungspotenzialen im ›Dritten Reich‹ leisten. Anhand der im linguistischen Forschungsdiskurs bisher nicht wahrgenommenen textuellen Gattung Tarnschrift sollen anhand ihrer spezifischen Charakteristika Möglichkeiten des Bedeutungsbruchs sowie der Bedeutungserweiterung und -destabilisierung reflektiert werden, um so dem bestehenden Forschungsdesiderat der Aufarbeitung widerständischer Kommunikationsstrategien wie textueller Zeugnisse zu begegnen.
Abstract
Despite increasing regimentations of the linguistic space in the ›Third Reich‹, there is at the same time a multitude of opposing, resisting and resistant communicative strategies. An important strategy in the semantic struggle for interpretative patterns, resulting from the clash of incommensurable types of discourse, is that of potentiating possible contexts of meaning through ambiguity, obfuscation, and other forms of indirect communication in order to be able to smuggle resistant messages into the National Socialist discourse. Often examined on the level of lexis or utterance, this essay aims to make a texttypological contribution to the development of potentials for disambiguation in the ›Third Reich‹. On the basis of the textual genre of camouflage writing, which has not been examined in linguistic research discourse, possibilities of meaning fracture, expansion, and destabilization are to be reflected on the basis of its specific characteristics, in order to confront the still existing research desideratum of the analysis of resistant communication strategies and textual testimonies.
1 Einführendes
Veruneindeutigung lässt sich zunächst als intentionale (vgl. Stein 2008, S. 223) bzw. dem Gestaltungswillen der (Text‑)ProduzentInnen entsprechende kommunikative Strategie der Bedeutungserweiterung, -verschleierung und -destabilisierung verstehen. Bedeutungserweiterungen resultieren dabei u.a. aus sich entwickelnden Assoziationsmöglichkeiten aber auch aus dem durch den Einsatz uneigentlicher Äußerungen entstehenden ›Kotextdruck‹.Footnote 1 Bedeutungsverschleierungen sind oft Ergebnis inhaltlich-begrifflicher Unschärfen (vgl. Gottschalk/Gottschalk 1995, S. 59) und Bedeutungsdestabilisierung kann durch auftretende Ambivalenzen ebenso wie die Verwendung von z.B. Ironie ausgelöst werden (siehe dazu Abschnitt 2).
Auch wenn Veruneindeutigungen also zunächst produzentenseitig hervorgebracht werden, glücken sie erst durch ein rezipientenseitiges verstehendes Wahrnehmen (vgl. Pappert/Schröter/Fix 2008, S. 9), das sich vor einem gemeinsam geteilten oder zumindest konsensual anerkannten und zugänglichen diskursiven Weltverständnis vollziehen kann. In dieser Hinsicht wird Veruneindeutigung zu einem hermeneutischen (vgl. Pappert/Schröter/Fix 2008, S. 9) sowie kulturwissenschaftlich und damit kulturlinguistisch aufzuarbeitenden Phänomen.
Erwartet man zunächst eine Unerwünschtheit von Veruneindeutigungen – rekurriert man z.B. auf die Grice’schen Kommunikationsmaximen (vgl. Pérennec 2008, S. 71) oder den schon historisch nachweisbaren Wunsch »nach Eigentlichkeit […] [als] ein Verlangen nach ontologischer Adäquatheit der Sprache« (Gardt 2018, S. 90, Hervorhebung im Original) –, so erweisen sie sich zugleich als eine produktive und notwendige Strategie der Äußerungs- wie Textgestaltung.
Produktiv dergestalt, dass Veruneindeutigungen sowohl der Identitätsfindung bzw. -konstruktion (zwischen den Polen ich möchte veruneindeutigend handeln und ich kann nicht anders als veruneindeutigend zu handeln) als auch der Beziehungsförderung dienen können (da die Veruneindeutigung von Lesarten eine gezielt eingesetzte Strategie sein können, so dass bestimmte Sinnpotenziale nur von bestimmten Rezipierenden erkannt werden).
Notwendig dergestalt, dass Kommunikation stets ein Verbergen, ein Veruneindeutigen beinhaltet. Denn »jede Mitteilung ist in gewissem Sinne zugleich das Verschweigen aller anderen möglichen Mitteilungen« (Holly 2008, S. 147); ein Verschweigen, das aber als Sinnmöglichkeit dennoch präsent sein kann und so in der realisierten Mitteilung mitschwingen mag. Daher ist es auch nicht unerwartet, dass sich der Einsatz von Veruneindeutigungen sowohl in der privaten Interaktion als auch in öffentlichen Kommunikationsbereichen ausmachen lässt (vgl. von Polenz 2008 [1988], S. 37)Footnote 2 – so auch im politischen Bereich (vgl. Schröter 2008, S. 111).
Verfahren der Veruneindeutigung erweisen sich nun als »verständlich in Zeiten der Diktatur und der Zensur, wo die Explizitheit ein Risiko für den Sprecher und den Hörer darstellt« (Pérennec 2008, S. 72). Dies trifft auch auf den Zeitraum des ›Dritten Reiches‹ zu, innerhalb dessen »[w]ichtige Glieder des Kommunikationsprozesses […] ohne Worte oder unter (hinter) den Worten« (Bauer 1990, S. 285) ablaufen mussten.Footnote 3
In diesen Zusammenhängen verortet sich der Beitrag, der sich dem kulturlinguistisch (im Sinne von Spieß/Tienken 2019) beschreibbaren Phänomen der Veruneindeutigung als kommunikativer Strategie in der Sprachwelt des ›Dritten Reiches‹ annehmen will. Wird Veruneindeutigung zumeist an Äußerungszusammenhänge geknüpft, soll ein ergänzender Weg der texttypologischen Erfassung von Veruneindeutigung als konstitutives und charakteristisches Verfahren der textuellen Gattung Tarnschrift eingeschlagen werden, die als wichtiges Medium des diskursiven Bedeutungsbruchs sowie der diskursiven Bedeutungserweiterung und -destabilisierung vom kommunistischen (sowie z.T. sozialdemokratischen bzw. sozialistischen) Widerstand verwendet wurde.Footnote 4 Somit schließt der Beitrag an ausgewiesene Forschungsdesiderata (vgl. Schuster 2018) an, kommunikative Strategien als analyserelevante Elemente von Texten bzw. Textsorten ebenso wie die verwendeten Textformen des Widerstands selbst aufzuarbeiten.Footnote 5
Im Rahmen des bestehenden und von der (geschichts-, literatur- wie sprachwissenschaftlichen) Forschung aufgearbeiteten TextsortenverbundesFootnote 6 widerständischer Akteure nimmt dabei die »bisher wenig erforschte Textsorte der ›Tarnschrift‹« (Pillmayr 2014, S. 5) eine besondere Rolle ein, ist sie doch eine bevorzugte textuelle Gattung des lange Zeit von der Forschung wenig beachteten kommunistischen (und z.T. sozialistischen) Widerstands. Das ›Dritte Reich‹ trachtete, u.a. aus ideologischen Gründen, nach sofortiger Ausschaltung dieser Akteursgruppen. Diese wurden so in die diskursive Rolle des parrhesiastes gezwungen (vgl. dazu Markewitz 2019): Eines über die Wahrheit aufklären wollenden Diskursakteurs, der mit einem klaren »Bewusstsein für das Unrecht, für die Verbrechen, die im Namen von Ideologie und Staatsräson begangen werden« (Benz 2018, S. 481–482) handelte und unter erheblicher Gefährdung den Mut aufbrachte, dem herrschenden Diskurs zu widersprechen.
Trotz umfassender Vorbereitungen waren aber weder KPD noch SPD dem nationalsozialistischen Terror gewachsen (vgl. Benz 2018, S. 75) und wurden entweder in die Exilierung oder den Untergrund getrieben (sofern sie nicht gefangengenommen und interniert wurden). Abgeschnitten (im Exil) sowie unterdrückt (im Untergrund) vom herrschenden NS-Diskurs zielten die kommunistischen wie sozialistischen AkteureFootnote 7 auf eine umfassende Aufklärung nicht nur von GenossInnen, sondern auch des deutschen Volkes und richteten so ihre politische Überzeugungsarbeit aus. Zu diesem Zweck bedienten sie sich auch camouflierender Textgattungen, um ihre widerständisch-subversiven Botschaften in den versuchsweise hermetisch abgeschlossenen NS-Diskurs einzuschmuggeln und dort zu verbreiten.
Als zentrale Textgattung der Camouflage können Tarnschriften gelten, die Heinz Gittig in seiner »Pionierarbeit« (Pillmayr 2014, S. 7) definitorisch bestimmt als
jene Druckerzeugnisse, die unter einem harmlosen, unverfänglichen Umschlagtitel, zum Teil mit fingiertem Impressum […] zur Absicherung gegen polizeilichen Zugriff und zum Schutze der Verbreiter und Leser antifaschistische Schriften enthalten (Gittig 1972, S. 11, Hervorhebung im Original).
Als »moderne Sonderentwicklung der ›Verkleideten Literatur‹« (Gittig 1972, S. 11–12) waren sie ein so zentrales wie unsicheres Medium der Aufklärung und Propagandaarbeit (vgl. Gittig 1972, S. 52). Durch den Tarntext auf der einen Seite, der den (Sprach‑)Regeln des NS-Diskurses entsprach, um seine Funktion zu erfüllen, und dem getarnten Text auf der anderen Seite, der diesem Diskurs widersprach und epistemische sowie normative Gegenentwürfe präsentierte, entsteht so ein (textuelles) Aufeinanderprallen diskursiver Weltsichten. Das Aufeinanderprallen führt wiederum im Rezeptions- als Verstehensprozess zu einer Vielzahl an Veruneindeutigungen, die im Rahmen dieses Beitrages anhand von drei Kategorien des diskursiven Bedeutungsbruchs sowie der diskursiven Bedeutungserweiterung und -destabilisierung aufgearbeitet und reflektiert werden sollen.
2 Zu Veruneindeutigungspotenzialen in der Sprachwelt des ›Dritten Reiches‹
Die allgemeinen Charakteristika des Sprachgebrauchs im NationalsozialismusFootnote 8 bzw. der vor allem täterseitigen Sprachwelt des ›Dritten Reiches‹ sind schon früh erforscht und inzwischen auch (vor allem auf den Ebenen der Lexik und Rhetorik; vgl. Kämper/Schuster 2018, S. 2) hinreichend ausgeforscht. Ausgegangen werden kann für die Sprachwelt des ›Dritten Reiches‹ als »perfekte[m] Unterdrückungsstaat« (Weber 1994, S. 83) von einer so rasch wie umfassend einsetzenden »Entdifferenzierung« (Fix 2014b, S. 43) bzw. »Nivellierung der Sprachstile« (Bochmann 1994, S. 91) sowie »Vergröberung, Brutalisierung der gesellschaftlichen Kommunikation […]. Diktat statt Diskussion, Ausrichtung aller auf eine zentrale Autorität, Ausschaltung von Abweichungen, Unterdrückungen aller Widerworte und Gegenfragen« (Bauer 1990, S. 9).
Dabei darf die diktatorische Sprachkontrolle – z.B. durch über 75.000 an die gleichgeschaltete Presse gerichtete Sprachregelungen (vgl. Bauer 1990, S. 76) – nicht mit einem vollständigen Glücken der angestrebten kommunikativen Hermetik gleichgesetzt werden. Möglichkeiten des wenn auch z.T. nur leisen, verdeckten oder uneindeutigen Abweichens und Widersprechens gab es dennoch sowohl in bestimmten Kommunikationszusammenhängen (z.B. im Privaten oder Geheimen; vgl. Bauer 1990, S. 31), mit bestimmten kommunikativen Strategien (z.B. dem Andeuten oder dem Ironisieren; vgl. Bauer 1990, S. 33 sowie 263) und in bestimmten Textgattungen (z.B. dem Brief oder dem Tagebuch, in denen mit Codierungen verschleiernd wie veruneindeutigend gearbeitet wurde; vgl. Bauer 1990, S. 146 oder Markewitz 2018, S. 439–440).
Veruneindeutigungspotenziale sowie Strategien der Bedeutungsveränderung, -erweiterung, -verarmung, der Verschlüsselung und des Verdeckens sind für alle Akteursgruppen im ›Dritten Reich‹ nachweisbarFootnote 9 – so auch für die Täter bzw. Akteure des NS-Apparates, denen die Reglementierungen von Sprachgebrauchszusammenhängen über Strategien der Verknappung und des Verbots (vgl. Fix 2014c, S. 65) vor allem dem Machterhalt (vgl. Schlosser 2013, S. 9) und der Verschleierung des terroristischen Charakters ihres Regimes dienen sollten (vgl. Bauer 1990, S. 87).Footnote 10 Neben Strategien der »Reaktivierung ungebräuchlicher Wörter« (Sauer 1989, S. 112), der Bedeutungsveränderung, -erneuerung (vgl. Sauer 1989, S. 112–113) aber auch -einschränkung (vgl. Schlosser 2013, S. 33) finden sich auch Veruneindeutigungshandlungen, die vor allem durch den zahlreichen Gebrauch von Euphemismen (vgl. Schlosser 2013, S. 126) belegbar sind und ebenfalls dazu dienten, die Verbrechen der Täter semantisch zu verschleiern. Zugleich finden sich andere Veruneindeutigungen, z.B. durch die Verwendung grammatisch oder inhaltlich unsinniger und so bedeutungsoffener Formulierungen (vgl. Schlosser 2013, S. 42), »Unschärfe[n] durch Nominalisierung« (Fix 2014a, S. 85) sowie durch eine generelle »Verschwommenheit des Ausdrucks« (Seidel/Seidel-Slotty 1961, S. 15).
Im ›Dritten Reich‹ galt für »Kommunikationssituationen […] ebenso wie […] [für] Handlungszusammenhänge eine strikte Ordnung von oben nach unten« (Bauer 1990, S. 80). Es ist von einer relativ unmittelbaren, alle gesellschaftlichen Schichten durchdringenden Ausbreitung des reglementierten NS-Sprachgebrauchs auszugehen (vgl. Seidel/Seidel-Slotty 1961, S. 128–133 oder Maas 1984, S. 145), der insbesondere die Akteure der Integrierten Gesellschaft beeinflusste. Nichtsdestotrotz finden sich auch für diese Gruppe Veruneindeutigkeitshandlungen, die sich vor allem auf der Ebene des Witzes bewegen (vgl. Schlosser 2013, S. 343): »Nie wurden in Deutschland so viele und so gute Witze gemacht wie in der finstersten Epoche seiner Geschichte« (Bauer 1990, S. 181). Ausgehend von diesen Resistenzakten war es z.T. kein großer Schritt mehr zu explizit widerständischen Handlungen.
Widerständler begannen z.T. schon vor der Machtergreifung mit kommunikativen Oppositionshandlungen gegen die nationalsozialistische Bewegung (vgl. Benz 2018, S. 25).Footnote 11 Zahlreiche KünstlerInnen sowie Intellektuelle stellten sich ironisierend und verspottend gegen das sich konstituierende Regime und sollten diese Haltungen wie Handlungen auch im weiteren Verlauf des ›Dritten Reiches‹ beibehalten: »Viele glaubten, wenn sie ihn der Lächerlichkeit preisgaben, ihn als kleinbürgerlichen Parvenü, als Phrasen schmetternden Popanz entlarvten, würden sie der NSDAP, der rechtsextremen ›Bewegung‹ des Demagogen Adolf Hitlers das Wasser abgraben« (Benz 2018, S. 28).Footnote 12 Das sprachliche Anders-Sein bzw. -Handeln (also abweichend von den Sprachreglungen des NS-Regimes sich verhaltend, durch z.B. Verweigerungen, Regelverletzungen, Code-Switching etc.) (vgl. Fix 2014c, S. 76–77) wurde zu einem so zentralen wie identitätskonstituierenden Aspekt widerständischen kommunikativen Handelns. Ausgewählt aus einer Vielzahl möglicher Strategien kann auch der Ironie Relevanz im Rahmen der Veruneindeutigunggsstrategien widerständischer wie ausgeschlossener Akteure zukommen.
Ironie als komplexes Sprachgebrauchsphänomen (vgl. Schmiedel 2017, S. 17) der Verstellung ist zunächst relativ offen als ein Sprechen bzw. Schreiben konzeptualisierbar, bei dem ein
Sprecher oder Schreiber aufgrund von geteilten bzw. als geteilt vorausgesetzten Wissensbeständen das Gegenteil oder jedenfalls etwas Anderes meinen kann als das, was aufgrund des wörtlich Geäußerten erwartet wäre (Gloning 2019, S. 703).
In dieser Hinsicht wird sie vor allem als Werkzeug indirekter oder uneindeutiger Kritik (vgl. Schmiedel 2017, S. 26) verwendet und hat eine ebenso identitätsstiftende wie gruppenabgrenzende Funktion (vgl. Leykum 2020, S. 279). Sie ist dabei in hohem Maße verständnisoffen und kann ebenso falsch- oder missverstanden werden und erweist sich auch in dieser Hinsicht als relevante Veruneindeutigungsstrategie. Nach z.B. Grice ist Ironie dabei als Verstoß gegen die Kommunikationsmaxime der QualitätFootnote 13 wahrzunehmen:
Der Sprecher S äußert X und X steht für den Hörer H im Widerspruch zur Situation […]. Auch nach Searle (1975) muss der Hörer die ironische Äußerung re-interpretieren, um die scheinbare Unangemessenheit der Äußerung in der jeweiligen Situation sinnvoll verstehen zu können (Schwarz-Friesel 2009, S. 224).
Durch ihre hohe Kontextsensitivität, »because generally a literal interpretation of ironic utterances is also possible« (Leykum 2020, S. 281), wird sie zu einem so geeigneten wie charakteristischen Sprachgebrauchsphänomen der Veruneindeutigung und in dieser Hinsicht vielfältig von Widerständlern dazu verwendet, über z.B. die Ironisierung von NS-Akteuren, ihrer Handlungen sowie von ihnen geprägte Konzepte und Begriffe, das Regime zu kritisieren oder sich von diesem (ironisch) zu distanzieren:
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(1)
Die Entscheidungen des ›Führers‹‚ die stark von seinen augenblicklich wieder sehr heftigen Differenzen mit Göring bestimmt werden dürften, stehen noch aus (Der Rote Stoßtrupp 2018 [1933], S. 646).
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(2)
Nimmt man dazu den Verlust an schweren und mittleren Waffen, an Fahrzeugen, der im Winter 1942/43 an der Ostfront dank der »genialen« obersten Führung entstanden ist, so kommt man zu dem harten logischen Schluß, daß dieser Verlust nicht mehr wettzumachen, geschweige denn eine Verbesserung unserer Bewaffnung zu erreichen ist (Goerdeler 1969 [1943], S. 178).
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(3)
Erschüttert steht unser Volk vor dem Untergang der Männer von Stalingrad. Dreihundertdreissigtausend deutsche Männer hat die geniale Strategie dies Weltkriegsgefreiten sinn- und verantwortungslos in Tod und Verderben gehetzt. Führer, wir danken dir! (Weiße Rose 1943, S. 1).
Deutlich zeigt sich das Potenzial von Ironie zur Veruneindeutigung: Innerhalb des NS-Diskurses konsensuale bzw. charakteristische Zuschreibungen wie Führer oder Attribuierungen wie genial werden zwar aufgegriffen, durch den kotextuellen Gebrauch kommt es aber zur Veruneindeutigung von Bedeutungszusammenhängen. Der ironische Gehalt der Äußerungen wird dabei einerseits durch modalisierende Anführungszeichen (vgl. Klockow 1980 sowie Schmiedel 2017, S. 9) signalisiert bzw. angezeigt (siehe die Belege (1) sowie (2)) und andererseits (siehe Beleg (3)) durch die kotextuell auffällige bzw. irritierende Verwendung von genial im Kontext eines erschütternden Untergangs der Männer von Stalingrad indiziert, deren Tod gerade nicht dazu führt, dass man Hitler eine geniale Strategie bescheinigen kann (vgl. dazu auch Schuster 2018, S. 36–38).
Ironie wird – allerdings oft nur als »letzte Ausdrucksmöglichkeit« (Schröder 2020, S. 247) – auch von den verfolgten, internierten und so ausgeschlossenen jüdischen Akteuren verwendet. Der Gebrauch von Ironie hat bei diesen ebenfalls ein zunächst irritierendes Veruneindeutigungspotenzial, erscheinen die Äußerungen – wörtlich verstanden – als ihrer tatsächlichen Lebensrealität diametral widersprechend. Auch sie lassen sich dahingehend im Grice’schen Sinne als Maximenverletzung deuten, die zu einer Re-Lektüre führen. Deutlich wird aber so die Funktionalität von Ironie, durch die scheinbare Antizipation von Welt- oder Normverständnis der Ideologie der NS-Akteure diese durch den Einsatz von Ironie zurückzuweisen und zu kritisieren. Diesen Sprachhandlungen kann so ebenfalls widerständische Qualität zugesprochen werden, als eindringliche Beispiele des Widersprechens der menschenverachtenden Ideologie wie Handlungen von NS-Akteuren. Dies vollzieht sich dergestalt, dass in den ironischen Äußerungen scheinbar NS-Weltsichten übernommen werden, z.B. dass der Jude nun einmal kein gleichwertiger Mensch sei (Beleg (4)), diese Übernahme aber eben nur eine scheinbare ist und durch Sprechersituation wie -einstellung konterkariert wird.
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(4)
Der Jude ist nun einmal kein gleichwertiger Mensch und es ist nur recht und billig, wenn man ihn schlägt (Singer 2002 [1942], S. 59).
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(5)
Der Draht ist gut, hält uns ab vom dummen Leben. Ironie … (Rosenfeld 1994 [1942], S. 190).
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(6)
Einer tritt an einen Galgen, rüttelt am Balken. Quasi um sich zu überzeugen, ob der fest genug im Erdreich steht … Die zwei zu den Galgen geschleppt. Der Junge weinend, jammernd … Rasch vollbracht. Die Körper zucken. Es ist aus. Die Aschkenasim [=Codewort für die deutschen Besatzer des Gettos Litzmannstadt, Anmerkung FM] salutieren sich gegenseitig. Lachen. Plauschen … Heiter … Heiter … Ziehen ab. Der kurze »Spaß« vorbei (Rosenfeld 1994 [1944], S. 286, Hervorhebungen im Original).
Deutlich geworden, wenn auch nur kursorisch skizziert, wurden Veruneindeutigungspotenziale in der Sprachwelt des ›Dritten Reiches‹, die den NS-Akteuren dazu dienen konnten, die Menschenverachtung und Gewalttätigkeit ihrer Handlungen sowie Ideologie (oft euphemisierend) zu verschleiern, aber auch von anderen Akteursgruppen der Integrierten Gesellschaft sowie des Widerstands und der Ausgeschlossenen dazu verwendet wurden, Sagbarkeitsmöglichkeiten im hermetischen NS-Diskurs aufzuschließen und zu nutzen. Insbesondere der Ironie kommt dabei konstitutive Bedeutung zu, ist sie doch als Phänomen des uneigentlichen, uneindeutigenden Sprechens geradezu prädestiniert, Bedeutungserweiterungen wie -verschiebungen und zusätzliche Sinnebenen zumindest anzudeuten. Durch das ironische Kontrastieren von NS-Sprachhandlungen (siehe Beleg (4)) oder -Perspektiven (siehe die Belege (5) und (6)) wird so auch die epistemische aber auch normativ-ethische Inkompatibilität der verschiedenen heterogenen Diskurse deutlich, die sich während des ›Dritten Reiches‹ konfliktär gegenüberstehen.
3 Zu Tarnschriften als textueller Gattung des Widerstands
Im Rahmen eines kulturlinguistischen Paradigmas, in dem »Kultur als ein von Menschen hergestelltes Netz von Sinnzuweisungen zu denken ist« (Spieß/Tienken 2019, S. 165), kommt Texten als Formen sprachlichen Handelns ebenso wie Textsorten und Texttypen als routinierten bzw. musterhaften Formen des sprachlichen als kulturellen Handelns eine wichtige Rolle zu, sind sie doch Vollzugsmedium der Konstituierung, Weiterentwicklung und Kanonisierung kultureller Zusammenhänge. In dieser Hinsicht korreliert »die Struktur bzw. die Formbestimmtheit sprachlicher Handlungen in systematischer Weise mit den gesellschaftlichen Zwecken bzw. Funktionen der entsprechenden Handlungen« (Linke 2007, S. 202). Dahingehend sollen Tarnschriften als textuelle Gattung bestimmt sein, die funktional zu einem bestimmten diskursiven Zeitpunkt in dieser Form eingesetzt werden, um den camouflierenden, veruneindeutigenden kommunikativen Handlungszielen ihrer TextproduzentInnen zu entsprechen:
Gekennzeichnet sind Tarnschriften durch ihr kleinformatiges (um z.B. in einem Briefumschlag verbreitet zu werden), unverfängliches Äußeres (vgl. Ruppelt 2015, S. 104). Sie haben »einen harmlosen Titel« (Ruppelt 2015, S. 104), »sind tatsächlich erschienenen Schriften oft äußerlich angepasst« (Ruppelt 2015, S. 104), enthalten aber andere, widerständisch-subversive Inhalte, »als Umschlag, später auch Titel und erste und letzte Seiten zunächst erwarten lassen« (Ruppelt 2015, S. 104). In dieser Hinsicht entsprachen somit nur das physische Äußere sowie die ersten und letzten Seiten des Tarntextes den Sagbarkeitsregeln wie -normen des herrschenden NS-Diskurses.
Als Tarntext frequent Verwendung fanden Schutzumschläge, z.B. des Reclam-Verlags (vgl. Gittig 1972, S. 46), aber auch Umschläge von Gebrauchstextsorten wie Ratgebern und Werbungen für beliebte bzw. alltägliche Produkte wie Waschmittel, Pudding etc. Hinter diesen Tarntexten verbargen sich widerstandsdiskursive getarnte Texte: Hinter dem Ratgeber Warum Persil? Ein Wort an die sparsame Hausfrau! stand so die Resolution einer bedeutsamen Tagung des Zentralkomitees der KPD mit dem Ziel zum Sturze der faschistischen Diktatur, hinter der Werbung für Dr. Oetker’s Pudding-Pulver. Vanille-Geschmack für 4–6 Personen eine Rede Dimitroffs über den Kampf für den Frieden, hinter der Broschüre zu Skifahrten im Schwarzwald. Schneelaufgelände in Württemberg der Appell. Deutsche Frauen! und hinter Sechs Märchen der Brüder Grimm eine Rede über die kommunistischen Parteien im Kampf um die Massen.
Im Ausland hergestellt »mittels Kleinoffset- oder Hektographieverfahren in der einfachen Art des Abziehens einer mit Schreibmaschine geschriebenen Matrize« (Gittig 1972, S. 41, Hervorhebungen im Original) wurden Tarnschriften über ein dichtes Netz an grenznahen Stützpunkten nach Hitlerdeutschland eingeschmuggelt (vgl. Gittig 1972, S. 53–54) – über eine Vielzahl kreativer Schmuggelmethoden, z.B. das Verstecken in Autos (vgl. Ruppelt 2015, S. 106), »Koffern und in Rucksäcken« (Gittig 1972, S. 63), auf Düngewagen (vgl. Gittig 1972, S. 63) oder als eine Art Flaschenpost durch »die Nutzung der Grenzflüsse zum Transport von wasserdicht verpackten Druckschriften« (Ruppelt 2015, S. 106). So gelang eine »ungeheure Menge an illegalem Schrifttum« (Ruppelt 2015, S. 107) nach Deutschland und wurde in Industriezentren wie Großstädten verbreitet.
Zentrale Funktion der Tarnschrift war das camouflierende Einschleusen widerständischer Inhalte und damit epistemischer wie normativer gegendiskursiver Perspektiven und Positionen. Die getarnten Texte dienten der Anleitung zum und der Organisation von Widerstand, der Aufklärung über die Herrschaftsbedingungen wie Verbrechen des NS-Regimes, der Information über Aktionen anderer Widerstandskämpfer (z.B. in besetzten Gebieten) und der Bewahrung des kulturellen Erbes des deutschen Volkes (vgl. Gittig 1972, S. 17). Sie lassen sich als umfassender widerstandsdiskursiver Gegenentwurf zur NS-Ideologie und zum epistemischen Welt- wie ethisch-moralischen Normverständnis des NS-Diskurses verstehen. In dieser Hinsicht waren sie als textuelles Zeugnis des diskursiven Abweichens eine Gefahr für den herrschenden Diskurs. Eine Gefahr, die auch so wahrgenommen wurde (vgl. Gittig 1972, S. 29), sah das Regime doch in den Tarnschriften als »Flüsterzeitungen« (Gittig 1972, S. 56) einen »Stachel im Fleische der Machthaber« (Ruppelt 2015, S. 106). Dementsprechend drakonisch fielen »Terrorurteile« (Gittig 1972, S. 35) für die Herstellung, Verbreitung und den Besitz aus, »wie Haft, Konzentrationslager oder der Tod« (Gittig 1972, S. 12). Trotz lebensbedrohlicher Umstände, trotz »Beschlagnahme von Druckereiausrüstungen und Razzien auf Vervielfältigungsgeräte, trotz Verfolgung […] stieg die Zahl der Veröffentlichungen, die die Wahrheit über das Hitlerregime enthielten, ständig weiter« (Gittig 1972, S. 35)Footnote 14 – auch wenn über den Grad an Rezeption ebenso wie über daraus resultierende widerständische Handlungen lediglich spekuliert werden kann.
Das ›Aufeinanderprallen‹ von herrschendem (Tarntext) und widerständischem (getarntem Text) Diskurs und damit Satzarten unterschiedlicher diskursiver RegelsystemeFootnote 15 wurde in den Tarnschriften implizit wie explizit thematisiert: Implizit, indem »Tarntitel und die Inhalte in einem ironischen Zusammenhang [stehen können]« (Ruppelt 2015, S. 112). Explizit durch eine Art ›Scharniertext‹,Footnote 16 der den Übergang von Tarntext zu getarntem Text metakommunikativ vorbereitet (siehe dazu auch Abschnitt 4.1). Die durch dieses ›Aufeinanderprallen‹ entstehenden Veruneindeutigungspotenziale sollen anhand von drei Kategorien thematisiert und reflektiert werden.
4 Analyse
4.1 Tarnschriften als Medium diskursiver Bedeutungsbrüche
Eine erste kategoriale Perspektive auf die Tarnschriften hat sich schon in den wenigen Beispielen in Abschnitt 3 angedeutet: Die des Bedeutungsbruchs. Anhand des Zusammenbringens von Tarntext und getarntem Text vollzieht sich eine Kontrastierung von bzw. ein Bruch zwischen NS- und widerständischer Wirklichkeit. Der Scheinidylle der Tarnumschläge, die Kindermärchen ankündigen (Beleg (7)) oder Haushaltsprodukte wie Waschmittel (Beleg (8)) und Pudding (Beleg (9)) bewerben, wird die politische Realität des Widerstandsdiskurses entgegengesetzt. Es kommt so zu einem ›Aufeinanderprallen‹ von Äußerungen »ungleichartiger [diskursiver] Regelsysteme« (Lyotard 1987, S. 58, Einfügung von FM), einer Diskrepanz zwischen diesen Äußerungen und letztlich zu einem Bruch zwischen widerständisch hervorgebrachten und vom herrschenden NS-Diskurs geduldeten Themen und Perspektiven. Diese Bedeutungskontrastierung als Bedeutungsbruch vollzieht sich dabei auf unterschiedliche Art:
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(7)
Kindermund.
Allerhand Drolliges aus der Kinderstube
Gesammelt von E. Bechlingen
Der kleine Werner wird von allen Verwandten ob seiner schönen grossen Augen bewundert. Sein älterer Bruder Fritz, der von der Natur stiefmütterlicher behandelt ist, ärgert sich darüber und sagt eines Tages
GENOSSEN!
Das Schicksal der Jugend ist zur brennenden Frage unserer Zeit und zur wichtigsten Frage des deutschen Volkes geworden, das schwer bedrückt ist. Der Kampf um die Jugend ist jener Kampfabschnitt, wo das Trommelfeuer am stärksten ist, wo am erbittertsten gerungen wird, zwischen Reaktion und Fortschritt, Tyrannei und Freiheit, Kapitalismus und Sozialismus (Tarnschrift Bechlingen, E.: Kindermund. Allerhand Drolliges 1935, S. 1–2).
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(8)
Persil bleibt Persil!
DER TAG DER NATIONALEN ARBEIT
Dieser Feiertag, der seine Bedeutung erlangt hat durch eine Forderung der internationalen Arbeiterschaft, die bereits im Jahre 1889 beschloss, am 1. Mai durch Arbeitsniederlegung die Gemeinsamkeit der Ziele der Arbeiterklasse zu dokumentieren, fordert eine besondere Besinnung gerade heute, wo er durch die faschistischen Machthaber zwar den Charakter eines Feiertages erhalten hat, den die Arbeiterschaft ihm schon immer verleihen wollte, wo aber dieser Charakter durch die Art der Feier in das Gegenteil dessen verkehrt worden ist, was eigentlich die Arbeiterschaft damit gewollt hat […].
Für Aussenstehende!
Der tiefste und letzte Grund seines (des Arbeiters) Kampfes war nicht nackte Lohnpolitik, seine Streiks wurden nicht um kleinliche Lohnerhöhungen geführt, nein: der tiefste und letzte Grund war der Kampf um seine Anerkennung und um seine Ehre. Dieser grosse Kampf, der aus dem Stolz der Menschen geboren war, macht uns den Arbeiter so wertvoll« (Dr. Ley auf einem Empfangsabend des Aussenpolitischen Amtes der NSDAP in Berlin) (Tarnschrift Persil bleibt Persil 1934, S. 1, Hervorhebungen im Original).
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(9)
3/4 Liter Milch mit 50g Zucker und dem Vanillezucker aufkochen, mit dem angerührten Mondamin verdicken und noch 5 Minuten kochen lassen. Jetzt schnell … aber was interessiert denn das alles die Werktätigen Deutschlands, denen Hitler das Stück Brot vom Munde raubt. All diese schönen Rezepte sind doch nur eine Verhöhnung für sie. Nein, die deutschen Werktätigen interessiert etwas ganz Anderes und das ist Das soziale und nationale Befreiungsprogramm der Werktätigen Deutschlands! Kommunismus – der einzige Ausweg (Tarnschrift Mondamin-Kochbuch. 70 bewährte Rezepte 1934, S. 1–2).
Erkennbar wird an allen Belegen der sich zwischen Tarntext und getarntem Text vollziehende Bedeutungsbruch, der aber unterschiedlich explizit realisiert wird: Dies beginnt bei Formen, die ihre Wirkung durch eine inhaltlich-semantische Heterogenität erzielen, wie in Beleg (8): Ein Bedeutungsbruch ergibt sich durch die Inkompatibilität zwischen dem durch die fett markierten Zwischen-Überschriften eingeführten scheinbaren Textthema (Tarntext) und dem dazwischenliegenden widerständischen Thema (getarnter Text). Rezeptionsseitig kommt es so zu einem Bruch und damit einer Verunsicherung zwischen Rezeptionserwartung (ausgelöst durch die Beibehaltung der Textstruktur und Überschriften) und Rezeptionsvollzug. Effekt dieses Wechsels ist eine notwendige Umorientierung und damit einhergehende Akzeptanz des Verlustes vorher angenommener Bedeutungserwartungen.
Auch in Beleg (7) kommt es zu einem, funktionalstilistisch markierten, Bruch; dieses Mal vom Märcheninhalt zur politischen Protestrede. Die Rezeptionsirritation wird durch den Übergang von Tarntext zu getarntem Text sogar noch vergrößert, werden doch der Kindermärchenfigur Fritz die redeeinleitenden Äußerungen des getarnten Textes in den Mund gelegt (Sein älterer Bruder Fritz … sagt eines Tages: GENOSSEN!). In dieser Hinsicht kommt es zu einer umfassenderen Veruneindeutigung von Textinhalt wie -sinn, evoziert doch der musterhaft angelegte Textverlauf zunächst die mögliche Wahrnehmung, dass sich Fritz plötzlich politisch zu Fragen des Schicksals der deutschen Jugend äußert (und dies – markiert durch Genossen – aus einer dezidiert dem herrschenden NS-Diskurs widersprechenden und von diesem verbotenen ideologischen Perspektive). Beiden Beispielen ist dabei gemein, dass der zu erwartende Bedeutungszusammenhang durch das kontrastive und inkommensurable Nebeneinander-Bestehen von Tarntext und getarntem Text letztlich nicht eingelöst bzw. erfüllt wird.
Dass der Bruch noch expliziter vollzogen werden kann, zeigt Beleg (9), in dem das eingeführte Thema (Kochanleitung) nicht nur durch einen Bruch mit dem widerständischen Textinhalt kontrastiert wird, sondern dieser auch noch durch einen ›Scharniertext‹ kommentiert und so explizit gemacht wird: aber was interessieren denn das alles die Werktätigen Deutschlands, denen Hitler das Stück Brot vom Mund raubt. All diese schönen Rezepte sind doch nur eine Verhöhnung für sie. Diese Form des Bedeutungsbruchs ist die äußerste Möglichkeit, die Ungleichartigkeit der Äußerungen der verschiedenen unterschiedlichen diskursiven Regelsysteme anzuzeigen und so die Inkommensurabilität der verschiedenen Diskurswelten während des ›Dritten Reiches‹ anzuzeigen.
4.2 Tarnschriften als Medium diskursiver Bedeutungserweiterung
Hat sich in der ersten Kategorie zwar schon das Veruneindeutigungspotenzial der Textgattung angedeutet, das aber zumeist – und auf unterschiedlich explizite Art und Weise – rasch aufgelöst wurde, machen die nächsten beiden Kategorien (Abschnitte 4.2 und 4.3) offenkundig, dass Veruneindeutigungen Tarnschriften als Ganzes prägen können. In dieser Hinsicht kann das Beieinander-Sein von Tarntext und getarntem Text auch zu einer Bedeutungserweiterung führen, in dem Sinne, dass der im Tarntext aufgerufene Themenhorizont die anschließende Rezeption des getarnten Textes mitprägt und zusätzliche subversive Bedeutungsebenen aufschließt. Diese Form der Ausprägung findet sich so etwa bei Tarnschriften, deren Tarntexte Themen der Krankheit und Gesundheit aufrufen:
- (10):
-
Bei den Nierenkrankheiten handelt es sich in erster Linie um eine mangelhafte Ausscheidung der harnfähigen Stoffe, also vorzugsweise der Endprodukte des Eiweißstoffwechsels; diese bleiben, da das Filter der Nieren verstopft ist, zum Teil im Körper zurück, und zwar sind es vorwiegend stickstoffhaltige Produkte, welche das Blut vergiften und zu den schwersten Störungen des Allgemeinbefindens führen [...].
Die Frage, was sich hinter der Gestapo im Dritten Reich verbirgt, könnte kurz so beantwortet werden: Alle Scheußlichkeiten, alle Grausamkeiten, die je zur Unterdrückung breiter Volksmassen angewandt wurden […].
Bis an die Zähne bewaffnet, mit Karabiner, Pistolen, Gummiknüppeln, werden Häuser oder ganze Häuserblöcke abgeriegelt. Und was sich bei solchen Aktionen der Gestapo abspielt, kann das Blut in den Adern erstarren lassen (Tarnschrift Fischer, Dr. med.: Nieren- und Blasen-Krankheiten. Ärztliche Ratschläge 1934, S. 3–9, Hervorhebungen im Original).
- (11):
-
SCHÜTZE DEIN LEBEN! ANLEITUNG ZUR VERHÜTUNG VON GESCHLECHTSKRANKHEITEN […].
Kämpft in antifaschistischer Einheitsfront für die restlose Aufhebung der Notverordnungen, für den Ausbau der Rentenversorgung, gegen den brutalen Abbau der Krankenkassenleistungen, für die Wiederherstellung des von Hitler den Versicherten geraubten Mitbestimmungsrechtes, gegen die Erhöhung der Sozialbeiträge, gegen den Diebstahl des Vermögens der Versicherungsträger! (Tarnschrift Schütze dein Leben 1935, S. 1–4).
- (12):
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Willst du gesund bleiben?
Deutsche Arbeiter und Angestellte, Kollegen!
Wir wandten uns in einem unserer Flugblätter an euch mit der Feststellung: Die Organisation der deutschen Arbeiterbewegung sind vernichtet, aber die Bewegung lebt […]. Damit dies Blatt wirklich eine Hilfe ist, fordern wir dich auf, Kollege, der du es studierst: Ueberlege beim Lesen jedes Punktes, ob du dich bisher den Richtlinien gemäß verhalten hast. In welchen Fällen nicht? Hattest du einen guten Grund für ein anderes Verhalten? […]. Heb dir dies Blatt nicht auf. Aber merk dir genau, welche Richtlinien dir noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen sind und bitte einen vertrauten Kollegen, dich an deren Einhaltung immer wieder zu erinnern (am besten regelmäßig, etwa alle 14 Tage) – so lange, bis du sie ganz in dich aufgenommen hast (Tarnschrift Willst du gesund bleiben 1933, S. 1).
Wenn nun im getarnten Text (Beleg (10)) die Gestapo mit allen scheußlichen und grausamen Handlungen, die je zur Unterdrückung breiter Volksmassen angewandt wurden thematisiert wird, kann dies eine assoziative rezeptionsseitige Bedeutungserweiterung auslösen, innerhalb derer die NS-Akteure als Krankheit des Volkskörpers verstanden werden. In dem Sinne, in dem Nierenkrankheiten zu einer Vergiftung des Blutes und einer schwersten Störung des Allgemeinbefindens führen, führen die Handlungen der Gestapo zu einer Vergiftung des Volkskörpers bzw. des gesellschaftlichen Lebens und so zu schwersten Störungen des Allgemeinbefindens.Footnote 17
Auch in Beleg (11), einer Tarnschrift zur Verhütung von Geschlechtskrankheiten, ist diese Form des Bedeutungsüberschusses erkennbar, impliziert doch der Titel zunächst andere Anleitungszusammenhänge, als der getarnte widerständische Text letztlich liefert. Aus einer Anleitung zum Schutz vor Geschlechtskrankheiten wird eine Anleitung zum Schutz vor dem Regime, das so assoziativ in die abwertende Nähe zu Geschlechtskrankheiten gebracht wird.
Schließlich reicht – wie in Beleg (12) – schon eine rezeptionssteuernde Überschrift aus, den getarnten Inhaltstext mit zusätzlichen Bedeutungsaspekten aufzuladen, so dass die auf körperliche Gesundheit abzielende Frage der tarnenden Überschrift die sich anschließenden politischen Hinweise als ebenso lebensnotwendig erscheinen lassen. Dies wird noch zusätzlich durch Formulierungen verstärkt, die einen Körperlichkeits- (in Fleisch und Blut übergegangen, ganz in dich aufgenommen) sowie Behandlungs-Topos (im Sinne eines Verhaltens nach Richtlinien, dessen Einhaltung regelmäßig, am besten etwa alle 14 Tage stattfindet) antizipieren und so die bedeutungserweiternde Lesart nahelegen.
In allen Fällen laden sich Tarntext und getarnter Text durch ihre textstrukturelle Anordnung mit zusätzlichen Bedeutungsmöglichkeiten auf, die rezeptionsseitig zu Neuorientierungen führen können. Es zeigt sich zudem auf andere Art die Problematik der Inkommensurabilität zwischen NS- und widerständischem Diskurs, die sich in zusätzlichen und zumeist (Beleg (10) und (11)) den herrschenden Diskurs abwertenden Bedeutungspotenzialen, wie in diesem Fall durch den Bezug auf (Geschlechts‑)Krankheiten, entladen. Dies entspricht dem »ironischen Zusammenhang« (Ruppelt 2015, S. 112) zwischen Tarntext und getarntem Text, der so zu einer nicht aufgelösten Veruneindeutigung und assoziativen Bedeutungserweiterungen führt.
4.3 Tarnschriften als Medium diskursiver Bedeutungsdestabilisierung
Die beiden ersten Reflexionskategorien haben eines deutlich werden lassen: Veruneindeutigungspotenziale der Textgattung entstehen vor allem durch das textstrukturell charakteristische Nebeneinander-Sein bzw. Aufeinander-Prallen zwischen Tarntext und getarntem Text. Es ist gerade das Beieinander inkommensurabler diskursiver Zusammenhänge, die zu Veruneindeutigungen erwartbarer Textprogressionen, Themenentfaltungen oder Sinnebenen führen können. Dabei vollziehen sich diese Veruneindeutigungen auch dann, wenn zwischen Tarntext und getarntem Text nicht mehr eindeutig unterschieden werden kann: Bei den Tarnschriften dieser dritten Kategorie der Bedeutungsdestabilisierung findet eine scheinbare Übernahme der Perspektiven, Normen und Werte des NS-Diskurses statt, die durch Verfahren der Ironisierung die Absurdität dieser Perspektiven, Weltsichten, Normen und Werte aufzeigt. Die Ironisierungen und Überhöhungen entlarven die Sinnlosigkeit NS-diskursiver Äußerungen aus der Perspektive des widerständischen Diskurses bzw. zeigt sich so, dass NS-Äußerungen aufgrund divergierender Weltsichten und Normverständnissen nicht im widerständischen Diskurs, erneut im Lyotardschen Sinne (vgl. 1987, S. 181), stattfinden können und vice versa:
-
(13)
Ein Führerbild sein Eigen zu nennen, ist der Herzenswunsch jedes pflichtbewußten deutschen Soldaten.
Auch du kannst dir dein Führerbild verdienen!
Führe dich gut, zeige immer soldatische Haltung, Einsatzfreudigkeit und selbstständige Entschlußkraft, führe alle Befehle schnell und gewissenhaft aus und zeige im Unterricht lebendige Anteilnahme und rasche Auffassung – dann kommst du bald ins Marschbataillon. Und wer im Marschbataillon ist, der ist auf dem besten Weg zum Führerbild.
Marschbataillone werden aufgestellt, damit die Ostfront schneller Nachschub kriegt. Ab geht’s nach Rußland – der Kommandeur im Osten wartet schon. Der wirft dein Marschbataillon, so wie es kommt, gleich aus dem Eilmarsch an die Durchbruchstelle – und schon hast du deinen Russenschutz. Dein Bein ist weg – dein Bauch ist auf – dein Hals schwillt zu – das Führerbild ist dir auf alle Fälle sicher. Dir – oder deinen Angehörigen (Tarnschrift Ein Führerbild 1944, S. 1).
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(14)
Wie aber sollen unsere Sparer ihre Guthaben vor der Entwertung retten? Was können wir tun, um unseren Sparern zu helfen? Es ist schwer darauf, schon heute eine Antwort zu geben. Wie werden uns mit den maßgebenden Stellen in Verbindung setzen, und mit ihnen entsprechende Maßnahmen beraten. Sobald wir zu Beschlüssen gekommen sind, werden wir uns wieder an unsere Sparer wenden und sie unterrichten, von dem was beschlossen.
Für heute gilt nur die Parole, die jeden guten Deutschen einleuchten wird. Laß Dein Geld auf der Sparkasse! Hebe nur so viel ab, wie Du unbedingt brauchst, und besser noch: hebe garnichts ab, denn keine Not kann so groß sein, daß man lieber das rüstende Vaterland schädigt als selbst etwas Not zu leiden. Und wenn das Geld entwertet werden sollte, so können wir nur mit unserem Führer sagen: »Ich habe viel in meinem Leben erlebt, ich werde auch noch das überleben« (Tarnschrift Sparkasse der Stadt Berlin 1938, S. 4).
Dass das Veruneindeutigungspotenzial der Tarnschriften strategisch (und intentional) eingesetzt wird, ist an den Belegen dieser Kategorie am deutlichsten erkennbar: Ohne einen letztlich erneut rezeptionssteuernden Bruch zwischen Tarntext und getarntem Text sind Rezipierende herausgefordert, die scheinbaren Übernahmen möglicher Äußerungen aus dem reglementierten Sagbarkeitsraum des NS-Diskurses und die dahinterliegenden widerständischen Perspektiven zu erkennen. In Beleg (13) wird der letztlich mindestens Verletzungen, wenn nicht sogar den eigenen Tod mit sich bringende Weg zum Führerbild skizziert und dazu aufgerufen, sich den Marschbataillonen der Ostfront anzuschließen, um durch kriegerische Handlungen sich diesen Herzenswunsch jedes pflichtbewussten deutschen Soldaten zu erfüllen. In Beleg (14) wird aus ironisierter NS-diskursiver Perspektive die Bevölkerung dazu aufgerufen, ihr Vermögen dem Staat zu überlassen, dessen Bedeutung als höher bzw. wichtiger dargestellt wird, als die des Einzelnen.
Die Perfidität NS-diskursiver Perspektiven ist so durch die ironische Überhöhung in beiden Belegen prinzipiell herauslesbar, ebenso wie die Unvereinbarkeit zwischen NS- und widerständischen Diskursperspektiven, die sich, ausgehend von unterschiedlichen Weltsichten, Normen und Werten, inkommensurabel gegenüberstehen. Gleichzeitig wird diese Inkommensurabilität rezeptionsseitig durch Veruneindeutigungen auf die LeserInnen übertragen, deren Text(rezeptions)kompetenz wie diskursives Weltwissen herausgefordert ist, die unterschiedlichen potenziellen Lesarten, Bedeutungszusammenhänge und Sinndimensionen zu erkennen sowie zu verarbeiten. Es ist der äußerste Punkt einer tarnenden Strategie erreicht, den Sagbarkeitsregeln und -normen des herrschenden Diskurses so weit zu begegnen bzw. diese re-zitierend ironisch zu überhöhen und so die dahinterliegenden ideologischen Weltsichten und Perspektiven zu dekonstruieren – eindringliches Beispiel der hohen Kontextsensitivität bzw. -abhängigkeit ironischer Äußerungen, deren Ambivalenz zwischen wörtlicher und übertragener Bedeutung an dieser Stelle akteursbezogen deutlich mitschwingt.
5 Schlussbemerkungen
Mit einem genauen, so klar- wie hellsichtigen Blick hat die jüdische Journalistin und Schriftstellerin Gabriele Tergit schon Ende der 1920er und zu Beginn der 1930er-Jahre die zunehmende Bedrohung durch die aufsteigende und sich konsolidierende nationalsozialistische Bewegung wahrgenommen und in ihren Gerichtsreportagen festgehalten, in denen sie u.a. von einer Atmosphäre des aufziehenden Bürgerkrieges spricht: »Der Ausdruck der Nationalsozialisten ist der militärische. Das Zivilleben kennen sie nicht mehr« (2020a [1931], S. 247). Sie spricht damit schon das Ziel der vollständigen Vereinnahmung, Umprägung und Umgestaltung aller sozial-gesellschaftlicher Lebensbereiche an, die das NS-Regime, dann an die Macht gekommen, durchzusetzen suchte, zuungunsten von Moral und Recht:
Einmal wurden scheußliche Taten in Moabit abgeurteilt, scheußliche Morde. Damals ließ man Gnade vor Recht ergehen und die Mörder wurden Reichstagsabgeordnete, Führer des Volks. Jetzt gibt es ein Recht ohne Gnade (Tergit 2020b [1932], S. 268).
Damit einhergehend war »Gewalt […] das probateste Mittel der Nazis […]. Der Terror war zunächst auf weite Strecken ganz funktional« (Bauer 1990, S. 86). Innerhalb weniger Monate der Konsolidierung systematisierte und weitete das Regime seine umfassenden Terror- und Gewaltstrategien zunehmend aus und schuf so einen kommunikativen »Kampfplatz« (Bauer 1990, S. 10), auf dem politische und ideologische Gegner ebenso wie Abweichende und Unzufriedene mit radikalen Mitteln aus dem gesellschaftlichen Leben und damit dem herrschenden Diskurs gezwungen wurden.
Dies bedeutet aber nicht, dass Resistenz‑, Oppositions- und Widerstandspotenziale wie -handlungen völlig ausblieben. Wo es Regeln gibt, gibt es Abweichung, wo es zur Totalität staatlicher wie gesellschaftlicher Zusammenhänge kommt, gibt es Widerstand. So wurde zwar auf diesem ›Kampfplatz‹ »mit äußerst ungleichen, vielfach wechselnden Mitteln« (Bauer 1990, S. 10) gekämpft, aber der Kampf fand »unaufhörlich« (Bauer 1990, S. 10) statt und sollte widerständische wie ausgestoßene Akteure in unmittelbare Lebensgefahr und vielfach in den Tod führen.
Dabei wurde in Nazideutschland mit mindestens zwei Stimm(lag)en gesprochen: Einer schreienden offiziell-öffentlichen Stimme des Regimes und einer verdeckt-geflüsterten Stimme abweichender oder widerständischer Akteure; kommunikative Bedingungen, die Veruneindeutigkeitsstrategien nahezu konsequent nach sich ziehen.
Diesem Zusammenhang hat sich der Beitrag angenommen und versucht, Schritte der Aufarbeitung von Veruneindeutigkeitspotenzialen während des ›Dritten Reiches‹ zu skizzieren. Diese Potenziale wurden über zwei Reflexions- bzw. Analysebewegungen zumindest versuchsweise erfasst:
In einem ersten Schritt (Abschnitt 2) wurden überblicksartig Möglichkeiten zur Veruneindeutigung akteursspezifisch aufgezeigt, um die vielfältigen Potenziale ansatzweise vorzustellen. In einem weiteren Schritt (Abschnitte 3 und 4) wurde dann die bisher linguistisch nicht erschlossene textuelle Widerstandsgattung Tarnschrift als Medium der Veruneindeutigung konkret in den Blick genommen. Ihre textstrukturelle Spezifität sowie Funktionalität (Abschnitt 3) des textuellen Nebeneinanders von Äußerungen des NS- (Tarntext) und des widerständischen Diskurses (getarnter Text) führ(t)en unmittelbar zu Rezeptionsirritationen und einer Auffächerung möglicher Lesarten wie Bedeutungszusammenhängen.
Anhand von drei Kategorien des Bedeutungsbruchs, der Bedeutungserweiterung und Bedeutungsdestabilisierung wurden die texttypologisch hervorgerufenen Veruneindeutigungspotenziale dieser Textgattung in ihren Grundzügen erfasst (Abschnitt 4). Dadurch ließen sich Hinweise auf die sich vollziehende Inkommensurabilität der verschiedenen Diskurswelten während des ›Dritten Reiches‹ aufzeigen, deren Inkommensurabilität sich in nuce anhand von Tarnschriften nachvollziehen lassen kann.
Notes
Damit soll auf die Tendenz aufmerksam gemacht werden, dass, bei zunehmender Verwendung veruneindeutigender Mittel in bestimmten Äußerungen, die so entstehenden Bedeutungspotenziale sich auf nachfolgende Äußerungen bzw. den weiteren Text auswirken. Als Beispiel dafür können die Schriften Martin Heideggers fungieren: Durch dessen Methodik, die »Sprache als Sprache zur Sprache zu bringen« (Heidegger 1959, S. 242, Hervorhebungen im Original), kommt es zu oft ungewöhnlichen Verwendungen sowie Sinnaufladungen von Ausdrücken: »Da eine neue Sprache nicht verfügbar ist, muss die alte Sprache des Alltags verformt werden. So macht Heidegger aus den Zeitwörtern der Alltagssprache philosophische Begriffe. Und er prägt Wortnetze mit Hilfe von Bindestrichen, mit denen Strukturganzheiten dargestellt werden sollen« (Bolz 2019, S. 26–27). Dadurch geraten im weiteren Rezeptionsprozess auch ›unverdächtigere‹ (als nicht produzentenseitig in einem umdeutenden Sinne verwendete) Begriffe unter den Verdacht zusätzlicher Bedeutungskonnotationen. Ähnlich wie Ironie, wenn frequent eingesetzt, ein ›Kippen‹ des Textes ins Ironische evoziert, können so auch andere Formen der Bedeutungserweiterung zu einer Potenzierung von Sinnmöglichkeiten des Textgehalts führen.
Besondere Ausprägung hat das Konzept der Veruneindeutigung dabei in den Gender Studies gefunden und wird dahingehend als sowohl abstrakter als auch konzeptioneller Begriff gebraucht (vgl. Engel 2002, S. 225), um die Vielfalt möglicher Gender-Repräsentation zu erfassen. »Mit der VerUneindeutigung wird ein poststrukturalistisches Verständnis von der Unabschließbarkeit, Kontingenz und Kontextualität jeglicher Bedeutungsproduktion und Wirklichkeitskonstruktion aufgegriffen« (Engel 2002, S. 225, Hervorhebung im Original). Veruneindeutigung ist in dieser Hinsicht »überall dort am Werk, wo die Entweder-Oder-Logik sexuell-geschlechtlicher Bedeutungsdifferenzen verunsichert wird, indem innerhalb von Repräsentationspraktiken Ambivalenzen erzeugt werden, die sich einer fixierten Bedeutung entziehen« (Waldmann 2019, S. 235).
Wie der öffentliche Vorwurf einer Sprachzensur als politische Strategie genutzt werden kann, untersucht Schröter in diesem Heft.
Alle Tarnschriften des Korpus stammen aus einer Tarnschriftensammlung, die im de Gruyter Verlag verlegt wurde. Sie stehen in der Online-Datenbank Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert Online. Nationalsozialismus, Holocaust, Widerstand und Exil 1933–1945 zur Verfügung (siehe für die entsprechenden Links Abschnitt 7.1).
Widerstand wird dabei als »Oberbegriff verschiedenartige[r] Einstellungen, Haltungen und Handlungen [verstanden] […], die gegen den Nationalsozialismus als Ideologie und praktizierte Herrschaft gerichtet waren« (Benz 2018, S. 21).
Vgl. dazu »Der Kampf gegen die Nationalsozialisten wurde mit Flugblättern und Kleinzeitungen, Streuzetteln und Broschüren geführt. Sie wurden zunächst heimlich in Deutschland hergestellt, dann aber in zunehmendem Maße im Ausland gedruckt und unter großen Gefahren eingeschmuggelt und verteilt« (Benz 2018, S. 76).
Keinesfalls lassen sich die in sich heterogenen kommunistischen und sozialistischen Widerstandsgruppen in ein homogenes Verhältnis zueinander bringen. Stattdessen waren die ersten Jahre der Hitlerdiktatur von so umfassenden wie auszehrenden Abgrenzungskämpfen geprägt. Erst im Laufe der Zeit fand eine Zusammenarbeit kommunistischer wie sozialistischer Akteure statt, die sich nicht mehr durch ihre ideologischen Differenzen, sondern durch das gemeinsame Ziel der Zerschlagung des NS-Regimes zu definieren suchten.
Vgl. zum Konzeptwechsel von Sprache des NS zu Sprachgebrauch im NS schon Maas 1984.
Im Anschluss an Kämper (2005 sowie 2018) sowie Kämper/Schuster (2018) geht dieser Beitrag von folgenden konstitutiven Akteursgruppen aus, die in der Sprachwelt als Diskursraum (siehe zum Konzept des Diskursraums Markewitz 2020a, S. 381) des ›Dritten Reiches‹ zu finden sind: Täter als Akteure des NS-Apparates, Integrierte Gesellschaft als Nicht-Täter bzw. bystanders, die die sog. ›Volksgemeinschaft‹ ausmachten, Widerständler als opponierende Akteure sowie Ausgeschlossene als die Akteursgruppen, die aus rassistischen (und damit zusammenhängend ideologischen) Gründen verfolgt sowie vernichtet wurden bzw. werden sollten.
Bewusst wird an dieser Stelle auf das Zitieren aus Täterdokumenten verzichtet, um der schon an anderer Stelle (vgl. Markewitz 2020b, S. 583) kritisch angemerkten Fokussierung auf Täter bzw. Tätergruppen in der Aufarbeitung des ›Dritten Reiches‹ dahingehend zu begegnen, widerständischen, marginalisierten und unterdrückten Akteursgruppen Raum für ihre Ausführungen zu geben.
Dabei muss ein weiteres Mal darauf verwiesen werden, dass es den Widerstand nicht gab. Dahingehend hatten die verschiedenen Widerstandsakteure auch unterschiedliche Möglichkeiten des Offen-Sprechen-Könnens (vgl. Markewitz 2019, S. 240–241) und mussten sich schon aus Gründen des Selbstschutzes veruneindeutigender kommunikativer Handlungen zuwenden (vgl. Markewitz 2019, S. 241).
Als früher und konstanter literarischer Kritiker des Regimes kann z.B. der Schriftsteller Lion Feuchtwanger gelten, der noch aus dem Exil polemisierend gegen das NS-Regime opponierte, so z.B. in seinem Offenen Brief an den Bewohner meines Hauses Mahlerstraße 8 in Berlin: »Wie gefällt Ihnen mein Haus, Herr X? Lebt es sich angenehm darin? Hat der silbergraue Teppichbelag der oberen Räume bei der Plünderung durch die SA.-Leute sehr gelitten? […]. Kommt es Ihnen nicht doch manchmal merkwürdig vor, daß Sie in meinem Haus sitzen? Ihr ›Führer‹ gilt sonst nicht für einen Freund der jüdischen Literatur. Ist es da nicht erstaunlich, daß er sich so gern an das Alte Testament hält? Ich selber habe ihn mit viel Stimmaufwand zitieren hören: »Auge um Auge, Zahn um Zahn« (womit er wohl »Vermögenskonfiskation um literarische Kritik« meinte). Und jetzt hat er auch an Ihnen eine Verheißung des Alten Testaments wahrgemacht, den Spruch: »Du sollst in Häusern wohnen, die du nicht gebaut hast«. Lassen Sie mein Haus nicht verkommen, Herr X. Es zu bauen und einzurichten hat Frau Feuchtwanger und mir viel Mühe gemacht. Es zu bewirtschaften und zu erhalten macht nicht viel Mühe. Pflegen Sie es, bitte, ein bißchen. Ich sage das auch in Ihrem Interesse. Ihr ›Führer‹ hat versprochen, daß seine Herrschaft tausend Jahre dauern wird: ich nehme also an, Sie werden bald in der Lage sein, sich mit mir über die Rückgabe des Hauses auseinanderzusetzen. Mit vielen guten Wünschen für unser Haus, Lion Feuchtwanger« (1984 [1935], S. 491–493). Erkennbar werden schon an diesen wenigen Auszügen die vielfältigen uneigentlichen Sprachhandlungen, die insbesondere durch deutliche Ironisierungen hervortreten.
Vgl. »Jemand macht eine Äußerung, die offensichtlich gegen die Qualitäts-Maxime verstößt, weil sie nicht die wahre Meinung des Sprechers ausdrückt, die der Hörer aber aus dem Kontext erschließen kann, vorausgesetzt, er erkennt die Unangemessenheit der Äußerung« (Hartung 1998, S. 42).
Mit der Formulierung Satzarten unterschiedlicher diskursiver Regelsysteme wird auf die differenzdiskursiven Überlegungen Jean-Francois Lyotards und dessen Hauptwerk Der Widerstreit Bezug genommen, in dem dieser die Inkommensurabilität von Diskursarten sowie diskursiver Satzarten während der Shoa reflektiert. Er bestimmt diese Inkommensurabilität vor allem mit Hinweisen auf die Problematik ungleicher diskursiver Regelsysteme: »Ein Satz ›geschieht‹. Wie lässt er sich weiter verketten? Mit ihrer Regel liefert eine Diskursart einen Komplex möglicher Sätze, und jeder von ihnen gehört einem Satz-Regelsystem an. Eine andere Diskursart aber liefert einen Komplex anderer möglicher Sätze. Aufgrund ihrer Ungleichartigkeit besteht ein Widerstreit zwischen diesen Komplexen (oder zwischen den Diskursarten […])« (Lyotard 1987, S. 10–11). Lyotard geht es dabei insbesondere um das Herausstellen des hermetischen Ausschlusses jüdischer Diskurspositionen: »Die Autorität der SS entspringt einem Wir, aus dem der Deportierte ein für alle Mail ausgeschlossen bleibt« (Lyotard 1987, S. 173). Aus dieser Perspektive und als Ziel des herrschenden NS-Diskurses kann der jüdische Satz als Diskursphänomen (bzw. aufgehoben im Diskurs) nach den Regelsystemen des NS-Diskurses keinen Platz mehr haben. Die »Universen beider Sätze: Daß er stirbt, verfüge ich und: Daß ich sterbe, verfügt er besitzen keinerlei gemeinsame Anwendungsmöglichkeit« (Lyotard 1987: 174, Hervorhebungen im Original). Genau diese ethisch-normativ aufgeladene Inkompatibilität von Diskursen bzw. diskursiver Regel- und Satzsysteme lässt sich nun auch innerhalb des ›Aufeinanderprallens‹ von widerständischem und NS-Diskurs im textuellen Rahmen von Tarnschriften wiederfinden bzw. nachzeichnen.
An dieser Stelle möchte ich Nicole M. Wilk sehr herzlich für den Hinweis auf diese Bezeichnungsmöglichkeit (›Scharniertext‹) danken, die sie im Rahmen unseres gemeinsamen Seminars zu Tarnschriften entwickelt hat.
Dass dieser erweiternde Bedeutungszusammenhang zwischen Tarntext und getarntem Text durchaus intentional sein kann, zeigen lexikalische Parallelen der beiden: So hallt z.B. der Bezug auf das vergiftete Blut des Tarntextes in der Formulierung kann das Blut in den Adern erstarren lassen im getarnten Text wider und deutet so ein gewisses Maß an Parallelität an.
Alle Online-Quellen zuletzt abgerufen am 16.05.2022.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Alle Online-Quellen zuletzt abgerufen am 16.05.2022.
Analysierte Tarnschriften-Quellen
Fischer, Dr. med.: Nieren- und Blasen-Krankheiten. Ärztliche Ratschläge. 1934. http://db.saur.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=BTS-0064.
Bechlingen, E.: Kindermund. Allerhand Drolliges (aus der Kinderstube). 1935. http://db.saur.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=BTS-0289.
Sparkasse der Stadt Berlin. Geschäftsstellen in allen Stadtteilen. 1938. http://db.saur.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=BTS-0766.
Ein Führerbild. 1944. http://db.saur.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=BTS-0979.
Mondamin-Kochbuch. 70 bewährte Rezepte. 1934. http://db.saur.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=BTS-0076.
Persil bleibt Persil. 1934. http://db.saur.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=BTS-0194.
Schütze dein Leben! Anleitung zur Verhütung von Geschlechtskrankheiten. Herausgegeben von der Gesellschaft zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten Berlin. 1935. http://db.saur.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=BTS-0264.
Willst Du gesund bleiben. 1933. http://db.saur.de/DGO/basicFullCitationView.jsf?documentId=BTS-0042.
Weiterhin verwendete Quellentexte
Feuchtwanger, Lion (1984) [1935]: Offener Brief an den Bewohner meines Hauses Mahlerstraße 8 in Berlin. In: Lion Feuchtwanger. Ein Buch nur für meine Freunde. Frankfurt am Main, S. 491–493.
Goerdeler, Carl Friedrich (1969) [1943]: Geheime Denkschrift (für die Generalität) über die Notwendigkeit eines Staatsstreiches. In: Bodo Scheurig (Hg.): Deutscher Widerstand 1938–1944. Fortschritt oder Reaktion. München, S. 170–196.
Rosenfeld, Oskar (1994) [1940–1944]: Wozu noch Welt. Aufzeichnungen aus dem Getto Lotz. Frankfurt am Main.
Roter Stoßtrupp (2018) [1933]: NS-Bewegung/Reichstagsbrand. In: Dennis Egginger-Gonzalez (Hg.): Der Rote Stoßtrupp. Eine frühe linkssozialistische Widerstandsgruppe gegen den Nationalsozialismus. Berlin, S. 645–649.
Scholl, Hans/Schmorell, Alexander/Huber, Kurt (Weiße Rose) (1943): Kommilitoninnen! Kommilitonen! https://www.gdw-berlin.de/fileadmin/bilder/publikationen/begleitmaterialien/Faksimiles_PDFs_deutsch/FS_15.6_DE_2.Aufl-RZ-web.pdf.
Singer, Oskar (2002) [1940–1944]: »Ein Eilschritt durch den Gettoalltag«. Reportagen und Essays aus dem Getto Lodz. Berlin.
Tergit, Gabriele (2020a) [1931]: Atmosphäre des Bürgerkriegs. In: Gabriele Tergit: Vom Frühling und von der EINSAMKEIT. Reportagen aus den Gerichten. Frankfurt am Main, S. 246–251.
Tergit, Gabriele (2020b) [1932]: Bürgerkriegsgericht. In: Gabriele Tergit: Vom Frühling und von der EINSAMKEIT. Reportagen aus den Gerichten. Frankfurt am Main, S. 265–268.
Literatur
Bauer, Gerhard (1990): Sprache und Sprachlosigkeit im ›Dritten Reich‹. Köln: Bund-Verl.
Benz, Wolfgang (2018): Im Widerstand. Größe und Scheitern der Opposition gegen Hitler. München: C.H. Beck.
Bochmann, Klaus (1994): Die Kritik an der Sprache des Nationalsozialismus. Eine kritische Bestandsaufnahme der in der DDR erschienenen Publikationen. In: Werner Bohleber/Jörg Drews (Hg.): »Gift, das du unbewußt eintrinkst …«. Der Nationalsozialismus und die deutsche Sprache. Bielefeld: Aisthesis Verlag, S. 83–100.
Bolz, Norbert (2019): Ungebrochene Faszination. In: Harald Seubert (Hg.): Neunzig Jahre ›Sein und Zeit‹. Die fundamentalontologische Frage nach dem Sinn von Sein. Freiburg/München: Verlag Karl Alber, S. 26–42.
Engel, Antke (2002): Wider die Eindeutigkeit: Sexualität und Geschlecht im Fokus queerer Politik der Repräsentation. Frankfurt am Main: Campus-Verl.
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Markewitz, F. Tarnschriften als Medium des diskursiven Bedeutungsbruchs sowie der diskursiven Bedeutungserweiterung und -destabilisierung. Z Literaturwiss Linguistik 52, 569–590 (2022). https://doi.org/10.1007/s41244-022-00270-2
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