Mit fortschreitender Digitalisierung wird sich in Unternehmen und Organisationen die Notwendigkeit für die Umsetzung von Maßnahmen zur Verringerung von Informationsüberflutung zukünftig weiter erhöhen. Nicht zuletzt dadurch, dass stets neue Arten von Arbeits- und Kommunikationsmitteln zur Digitalisierung der Prozesse am Markt verfügbar sind, wodurch sich die Medienlandschaft weiter vergrößert. Um eine gesundheitsgerechte Arbeit unter den sich wandelnden Arbeitsbedingungen auch weiter zu ermöglichen, ist eine Gefährdungsbeurteilung notwendig, die Informationsüberflutung fördernde Faktoren mitberücksichtigt und durch die Maßnahmen zu deren Vermeidung gemeinsam mit den Beschäftigten abgeleitet werden können [27].

Das Arbeitsschutzgesetz zielt darauf ab, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern [ArbSchG § 1 (1)]. Es entspricht damit dem Prinzip der menschengerechten Arbeitsgestaltung da die Schädigungslosigkeit einer Arbeit in diesem Rahmen als erstes zu überprüfendes Kriterium gilt (zur Übersicht [30]). Die Erfüllung dieses Kriteriums stellt sicher, dass eine Arbeit nicht zu Gesundheitsschäden oder -beeinträchtigungen führt und somit keine Gefährdung darstellt.

Nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes können sich Gefährdungen aus der Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes, den vorhandenen physikalischen, chemischen und biologischen Einwirkungen, der Gestaltung, der Auswahl und dem Einsatz von Arbeitsmitteln, der Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren und Arbeitsabläufen sowie der Arbeitszeit, aber auch aus einer unzureichenden Qualifikation der Beschäftigten und der psychischen Belastung bei der Arbeit ergeben. Da der psychischen Belastung in unserer Arbeitswelt eine hohe Bedeutung zukommt, wird sie ebenfalls in der sog. Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt. Es sind die aus der psychischen Belastung, d. h. dem Arbeitsinhalt bzw. der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsorganisation, den sozialen Beziehungen und der Arbeitsumgebung etc. resultierenden Gefährdungen mit einzubeziehen [23].

Voraussetzung für die Ermittlung von Gefährdungen und der Entwicklung von wirksamen Maßnahmen ist, dass die konkreten psychischen Belastungsfaktoren der Arbeit, die in den erwähnten Bereichen der Arbeit eine Gefährdung darstellen können, bekannt sind bzw. deren gesundheitliche Bedeutung ermittelt wurde. Durch eine gezielte Änderung der Arbeitsbedingungen, die als relevant für die Gesundheit ermittelt wurden und somit eine Gefährdung darstellen, sollten sich z. B. gesundheitliche Beschwerden verringern.

Da sich mit zunehmender Digitalisierung der Arbeitswelt das Aufgaben- und Anforderungsspektrum ändert, ist auch von gänzlich anderen oder sich verändernden bestehenden Gefährdungen am Arbeitsplatz auszugehen. Waren es in den 1980er und 1990er Jahren die PCs, die neue Arbeitsformen hervorbrachten, so sind es heute Smart-Phones, Tablet-Computer und andere Informations- und Kommunikationstechnologien, die z. B. mobiles Arbeiten über soziale Medien, E‑Mail, Cloud Computing etc. möglich machen.

Digitale Arbeitsmittel machen ein örtlich getrenntes und zeitlich versetztes Zusammenarbeiten ohne direkte unmittelbare persönliche Begegnungen möglich [22]. Digitale Prozesse haben es Unternehmen wesentlich erleichtert, vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie Geschäftsabläufe und Produktivität z. B. aus dem Homeoffice heraus aufrechtzuerhalten. 86 % der befragten Unternehmen beim sog. „Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/2021“ gaben an, dass nur durch den Einsatz digitaler Lösungen räumlich voneinander getrennte Teams weiterhin effizient und produktiv zusammenarbeiten konnten. 82 % erklärten, auf diese Weise Zeit zu sparen. Für 81 % ließ sich die Arbeit flexibler gestalten. Viele Unternehmen nutzen digitale Kanäle und soziale Netzwerke, um Produkte und Services zu vermarkten, tagesaktuelle Angebote online zu kommunizieren oder Beratungsleistungen im Netz per Video anzubieten.

Angesichts der Entwicklung der technischen Möglichkeiten für Informations- und Kommunikationsprozesse hat das Ausmaß der digital zur Verfügung gestellten Informationen zunehmende Bedeutung für den Arbeitsalltag von Beschäftigten erlangt. Die umfangreichen Interaktions‑, Recherche- und Speichermöglichkeiten der neuen Medien haben zu einer Beschleunigung der Kommunikation und zu einer Zunahme des Informationsangebotes geführt.

Eine wichtige neue Anforderung, die der digitale Wandel mit sich bringt, besteht darin, dass die Beschäftigten mit immer mehr Informationen umgehen müssen. Bequem und beständig kann auf nahezu unbegrenzte Informationsmengen zugegriffen werden. Neue Informations- und Kommunikationstechnologien befördern die zeitliche und örtliche Mobilität der Arbeit und liefern Chancen für eine zielgerichtete Unterstützung der eigenen Arbeit. Dem steht aber auch ein oftmals schwer zu bewältigendes Informationsaufkommen gegenüber. Insofern scheint das Phänomen der Informationsflut, das bereits im letzten Jahrhundert über den Begriff der „information overload“ geprägt wurde [33], aufgrund zunehmender technischer Möglichkeiten im Wandel der Arbeit eine zunehmende Bedeutung zu erlangen.

Mehr als jeder Fünfte berichtet z. B. in der Studie „Gesund digital arbeiten?!“ des Fraunhofer Instituts für angewandte Informationstechnik, bei der über 5000 Erwerbstätige befragt wurden, von sehr starkem digitalem Stress durch verschiedene Belastungsfaktoren im Umgang mit digitalen Technologien und Medien [11]. Diese betreffen bspw. Unterbrechungen bei der Arbeit durch spontane Benachrichtigungen oder Informationen, das Gefühl überfordernder Komplexität oder Unzuverlässigkeit der Technologien, aber auch eine Überflutung mit Informationen, sodass das Gefühl entsteht, schneller und mehr arbeiten zu müssen. Eine bevölkerungsrepräsentative Querschnittstudie im Auftrag der Techniker Krankenkasse („Entspann dich, Deutschland – TK-Stressstudie“) ergab bereits 2016, dass von 13 genannten Stressfaktoren bei der Arbeit, die „Informationsflut“ durch E‑Mails bei der Arbeit auf Platz 4 der als belastend empfundenen Faktoren stand, nach Arbeitsverdichtung, Termindruck/Arbeitshetze und Störungen/Unterbrechungen während der Arbeit. Eine repräsentative Bevölkerungsstudie bei 14- bis 34-jährigen Bundesbürgern („Zukunft Gesundheit 2019“) im Auftrag der Schwenninger Krankenkasse und in Kooperation mit der Stiftung „Die Gesundarbeiter – Zukunftsverantwortung Gesundheit“ zeigte, dass sich 41 % der Befragten durch digitale Medien „stark gestresst“ fühlen, davon 53 % durch die „allgemeine Informationsflut“, ausgelöst durch Mails, Newsletter, Push-Nachrichten etc.

Informationsüberflutung ist ein eher umgangssprachlicher Begriff für das persönliche Erleben von einem „Zuviel“ an Informationen [9, 29]. In der Literatur findet man auch die Begriffe „Informationsflut“ oder „Informationsüberlastung“, die oftmals das gleiche Phänomen beschreiben. In einer Interviewstudie mit über 70 Teilnehmern im Dienstleistungsbereich wurden die Beschäftigten befragt, was sie unter Informationsflut verstehen [26]. Sie nannten zum überwiegenden Teil Aspekte des Beanspruchungserlebens, wie das „Gefühl von Zuviel“, „wenn ich die Arbeit nicht mehr handhaben kann“, „wenn ich die Informationen nicht mehr verarbeitet bekomme“. Eine Informationsüberflutung liegt somit dann vor, wenn die zu verarbeitenden Informationen die individuelle Verarbeitungskapazität einer Person überschreiten [2, 26]. Informationsüberflutung beschreibt somit in erster Linie ein subjektives Phänomen, das infolge eines hohen Informationsaufkommens auftreten kann. Es ist demnach eine Beanspruchungsfolge.

In dieser Studie findet der beanspruchungsbezogene Begriff der Informationsüberflutung Verwendung, da er dem subjektiven Überforderungserleben und damit dem „overload“ sachlich am nächsten kommt.

Welche Bedeutung Informationsüberflutung für die Gesundheit haben kann, wurde bereits anhand zweier Querschnittsbefragungen belegt [19, 20]. Auf Basis der Querschnitte von Erwerbstätigensurveys in den Jahren 2015 und 2019 (BAuA-Arbeitszeitbefragung) konnte eine konsistente Dosis-Häufigkeits-Beziehung von dem Erleben von Informationsüberflutung und insbesondere psychosomatischen Beschwerden (Kopfschmerzen, Nervosität oder Reizbarkeit, Erschöpfung etc.) in beiden Querschnitten gefunden werden. Allerdings lassen beide Studien keine direkten kausalen Schlüsse zu. Gründe hierfür sind u. a., dass bei der gleichzeitigen Erhebung des Erlebens von Informationsüberflutung und gesundheitlichen Beschwerden die zeitliche Aufeinanderfolge von Informationsüberflutung und gesundheitlichen Auswirkungen nicht belegt werden kann.

Es bedarf daher einer Längsschnittbetrachtung, um die gefundenen Zusammenhänge von Informationsüberflutung und gesundheitlichen Beschwerden in einer zeitlichen Abfolge zu analysieren. Diese kann Veränderungen im Erleben von Informationsüberflutung zwischen den zwei Befragungszeitpunkten explizit berücksichtigen, um zu prüfen, ob diese mit Veränderungen des Gesundheitszustands einhergehen, um damit die Bedeutung von Informationsüberflutung für die Gesundheit zu belegen. Eine evidente Abnahme gesundheitlicher Beschwerden im Zusammenhang mit einer Abnahme der Häufigkeit des Erlebens von Informationsüberflutung kann zum anderen als Indikator für einen wirksamen Arbeitsschutz angesehen werden.

Studiendesign und Untersuchungsmethoden

Stichprobe

Die Grundlage für die vorliegende Studie sind die Daten der BAuA-Arbeitszeitbefragungen 2015 und 2019, in der Erwerbstätige in Deutschland zu Aspekten der Arbeitszeit, aber auch zu anderen Arbeitsbedingungen, dem Gesundheitszustand und der Arbeitszufriedenheit telefonisch interviewt worden sind [16, 17]. Mit der Umsetzung der computerunterstützten Telefonbefragung (CATI) auf der Basis zufällig generierter Telefonnummern war das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH von der BAuA beauftragt worden. Die Grundgesamtheit der Erhebungen bilden alle Personen ab 15 Jahren in Deutschland, die einer bezahlten Erwerbstätigkeit von mindestens 10 h pro Woche nachgehen. Neben sozialversicherungspflichtig beschäftigten Personen gehören zur Grundgesamtheit damit u. a. auch Selbstständige und mithelfende Familienangehörige [16]. In die hier verwendete Substichprobe wurden nur abhängig Beschäftigte zwischen 19 und 69 Jahren einbezogen, die an beiden Erhebungen teilgenommen hatten. Bei der Prüfung auf Selektionseffekte in den hier verwendeten Variablen gab es keine signifikanten Verteilungsabweichungen zwischen der Substichprobe und der im Querschnitt 2015 verwendeten Stichprobe.

An der Arbeitszeitbefragung 2015 haben insgesamt 20.030 Erwerbstätige teilgenommen. Darunter befinden sich 13.460 Beschäftigte, die bei ihrer Arbeit mit Informations- und Kommunikationsmitteln umgehen. Für die Arbeitszeitbefragung 2019 wurden 10.540 Beschäftigte erhoben, wovon 7275 Beschäftigte Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnik hatten. Zwischen beiden Erhebungen ergibt sich eine Schnittmenge von 3367 Personen, die in die Längsschnittanalyse einbezogen werden konnten, darunter 1810 Männer (53,8 %) und 1557 Frauen (46,2 %).

Expositionsvariable

Für die Beantwortung der Forschungsfrage war es nötig, nur Beschäftigte zu betrachten, die unterstützt durch Informations- und Kommunikationsmittel arbeiten. Deshalb diente folgende Frage aus der Arbeitszeitbefragung als Filterfrage: „Benutzen Sie bei Ihrer Arbeit Informations- und Kommunikationsmittel wie z.B. das Internet oder E‑Mail, das Smartphone?“ Beschäftigte, die diese Frage mit „Ja“ beantwortet hatten, erfüllten die Voraussetzung, in die Analyse eingeschlossen zu werden.

Im Anschluss folgte die Frage nach der Informationsmenge während der Arbeit und wie häufig es bei der Arbeit vorkommt, dass diese Menge an Informationen schwer zu bewältigen ist (Tab. 1, Expositionsvariable). Das Auftreten von Schwierigkeiten bei der Informationsbewältigung während der Arbeit, wurde in vier Stufen erfasst. Die meisten Beschäftigten hatten 2015 selten oder manchmal Probleme (33,2 % bzw. 36,2 %), während 22,0 % häufig Schwierigkeiten mit der Bewältigung der Menge an Informationen angeben.

Tab. 1 Übersicht der verwendeten Items aus dem Fragebogen der Arbeitszeitbefragung (2015 + 2019)

Es wurde davon ausgegangen, dass eine hohe Informationsfülle, die schwer zu bewältigen ist, das Informationsüberflutungserleben widerspiegelt. Deshalb wird im Folgenden der Begriff „häufige Informationsüberflutung“ als eine „häufig“ schwer zu bewältigende Menge an Informationen betrachtet. Zu vermuten ist, dass ein Anstieg der Häufigkeit eines solchen Erlebens mit einer Erhöhung des Belastungsniveaus korrespondiert (vgl. [2, 26]) und somit gesundheitliche Beanspruchungsfolgen zu erwarten sind. Tab. 1 gibt eine Übersicht über die verwendeten Items zur Expositionsvariable Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Menge an Informationen und der Zielvariable gesundheitliche Beschwerden, so wie diese in den beiden BAuA-Arbeitszeitbefragungen vorgegeben waren.

Statistische Analyse

Da in den beiden vorangegangenen Querschnittsanalysen [19, 20] die Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit von Informationsüberflutung und dem Auftreten von gesundheitlichen Beschwerden bei Männern und Frauen unterschiedlich ausfielen, erfolgen im Weiteren alle Analysen für jedes Geschlecht separat.

Die berufliche Stellung (Arbeiter, Angestellte, Beamte) klassifiziert die Studienteilnehmer grob in je eine bestimmte berufsbedingte Grundbelastung. Diese überlagert sich möglicherweise mit der aus der Informationsüberflutung resultierenden Belastung. Daneben hängen gesundheitliche Beschwerden zumeist vom Alter ab. Ein Confounding durch Alter und beruflicher Stellung muss demnach in Betracht gezogen werden. Im Vorfeld der Querschnittsanalysen wurde deshalb geprüft, ob das Alter und die berufliche Stellung einen Effekt auf die Zielvariable haben [19, 20]. Es ließen sich Assoziationen von Alter und beruflicher Stellung mit der Einflussvariable nachweisen, dementsprechend wurden die Längsschnittanalysen zum Zusammenhang von Informationsüberflutung und gesundheitlichen Beschwerden mit Alter und beruflicher Stellung als Adjustierungsvariablen ausgeführt.

Ziel der Längsschnittanalysen war es zu prüfen, ob eine Veränderung der Exposition, d. h. der Häufigkeit des Auftretens einer Informationsüberflutung, im Zeitraum zwischen den beiden Erhebungen 2015 und 2019 einen Einfluss auf die Häufigkeit der Gesundheitsbeschwerden in der Erhebung 2019 hat. Die Querschnittsanalyse der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2019 [20] zeigte signifikante Zusammenhänge zwischen der Expositions- und den Zielvariablen. Diese Zusammenhänge werden für diese Analyse genutzt, indem die dort verwendete Expositionsvariable in zwei Komponenten zerlegt wird. Die erste Komponente ist die Exposition von 2015, die zweite die Änderung der Exposition von 2015 nach 2019. Da hier eine ordinale Kategorisierung der Exposition in vier Stufen vorliegt, ergeben sich 16 Kategorien für mögliche Übergänge von einer Expositionshöhe zur zeitlich nachfolgenden. Bei der verringerten Zahl an Personen, die an beiden Erhebungen teilgenommen haben, können sich bei einer Expositionsvariablen mit 16 Kategorien Schätzprobleme bei den Regressionskoeffizienten ergeben. Eine Verdichtung der Kategorien erscheint somit angemessen, obwohl dadurch Informationen verlorengehen. Von den 16 Änderungskategorien weisen 4 keine Änderung in der Häufigkeit der Informationsüberflutung auf, bei 6 hat die Häufigkeit zugenommen, bei weiteren 6 abgenommen. Zusammengefasst erhalten wir 3 Kategorien bezüglich der Änderung von Informationsüberflutung: 1. „Häufigkeit zugenommen“, 2. „Häufigkeit gleichgeblieben“ und 3. „Häufigkeit abgenommen“. Für 35,1 % der Studienteilnehmer ergab sich eine Zunahme in der Häufigkeit von Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Menge an Informationen, für 22,6 % eine Abnahme und für 42,2 % keine Veränderung.

Die Information, die bei der Zusammenfassung der Änderungen von 2015 nach 2019 verloren geht, bezieht sich auf die Ausgangs- und die Endkategorie einer Änderung. Die Ausgangskategorie ist andererseits in der ersten Komponente der Exposition enthalten, in der Häufigkeit der Informationsüberflutung 2015.

Zur Analyse des Zusammenhangs von gesundheitlichen Beschwerden und Informationsüberflutung kommen binäre logistische Regressionsmodelle zum Einsatz, in denen die Exposition durch die beiden Variablen Häufigkeit der Informationsüberflutung 2015 und die dreistufige Änderung der Exposition von 2015 nach 2019 operationalisiert ist. Trotz eines Informationsverlustes wird hierbei die Richtung der Expositionsänderung adjustiert auf ihren Ausgangspunkt berücksichtigt, was dem Ziel dieser Studie entspricht. Für die Analysen wurde SPSS26 GENLIN verwendet, das Signifikanzniveau wurde mit p = 0,05 angesetzt. Bei der Vielzahl der geprüften Gesundheitsbeschwerden ist die Analyse als explorativ anzusehen.

Ergebnisse

Einen Überblick über die hier verwendete Teilstichprobe gibt Tab. 2. Die Beschäftigten waren 2015 im Mittel 46,4 (Männer; SD = 9,4) bzw. 47,8 (Frauen; SD = 8,4) Jahre alt. Die größte Gruppe in der Teilstichprobe sind mit einem Anteil von 81,6 % die Angestellten. Von den hier einbezogenen Beschäftigten klagen die meisten 2019 über allgemeine Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung (53,1 %). Danach folgen Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich (52,8 %), Schmerzen im unteren Rücken (39,7 %). Insgesamt treten alle Beschwerden – bis auf Hörverschlechterung und Ohrgeräusche – bei den Frauen häufiger auf als bei den Männern.

Tab. 2 Angaben zu den Beschäftigten und deren gesundheitlichen Beschwerden (2015 + 2019)

Im Folgenden wird der Einfluss der Informationsüberflutung und deren Häufigkeitsänderung auf die Zielvariable gesundheitliche Beschwerden analysiert. In Tab. 3 sind die Ergebnisse binärer logistischer Regressionsanalysen zur Bewertung des Einflusses der Informationsüberflutung auf das Auftreten gesundheitlicher Beschwerden dargestellt. Die Informationsüberflutung ist durch ihre vier Ausprägungen „häufig“, „manchmal“, „selten“ und „nie“, welche die Referenzkategorie darstellen, charakterisiert. Die Häufigkeitsänderung im Erleben von Informationsüberflutung von 2015 nach 2019 ist durch eine Zu- oder Abnahme charakterisiert; die Referenzkategorie bezeichnet keine Änderung in der Häufigkeit („gleichgeblieben“).

Tab. 3 Binäre logistische Regressionsmodelle zur Assoziation von Informationsüberflutung und dem Auftreten gesundheitlicher Beschwerden (signifikante Odds-Ratios im Fettdruck; p < 0,05; 2015 + 2019)

Jede Zeile von Tab. 3 enthält links die betrachtete Beschwerdeart und daneben die genannten Kategorien der Informationsüberflutung und deren Veränderung. Rechts folgen die adjustierten Odds-Ratios mit Konfidenzintervall, getrennt nach Frauen und Männern. Dabei handelt es sich um relative Effekte bezogen auf die Referenzkategorie, so dass sich hier ein anderes Bild bei der Betrachtung der Geschlechter zeigt als bei den Beschwerdeprävalenzen.

Die Effekte der Informationsüberflutung 2015 differieren unterschiedlich zwischen Männern und Frauen; größere Unterschiede gibt es bei häufiger Informationsüberflutung für nächtliche Schlafstörungen (ORM = 4,34 bei den Männern im Vergleich zu ORF = 2,69 bei den Frauen) und Schmerzen im Nacken-Schulter-Bereich (ORF = 3,20 bei den Frauen im Vergleich zu ORM = 2,54 bei den Männern). Weitere Unterschiede mit höheren Werten bei den Männern finden sich bei der Niedergeschlagenheit und bei der körperlichen und emotionalen Erschöpfung; die übrigen Unterschiede sind marginal.

Bereits in früheren Arbeiten der Autoren im Rahmen von Querschnittsanalysen [19, 20] konnte nachgewiesen werden, dass häufige Informationsüberflutung einen signifikanten Effekt auf die betrachteten gesundheitlichen Beschwerden hat. In dieser Studie richtet sich das Interesse auf die Effekte der Änderungen in der Häufigkeit der Informationsüberflutung. Bei allen betrachteten gesundheitlichen Beschwerden zeigen die Effekte einen Anstieg (OR > 1) bei zunehmender Häufigkeit der Informationsüberflutung und einen Abfall (OR < 1) bei abnehmender Häufigkeit. Bei den Frauen sind alle Effekte bei zunehmender Häufigkeit signifikant, bei den Männern nicht in jedem Fall. Ebenso sind nicht alle Effekte bei abnehmender Häufigkeit signifikant.

Die stärksten Effekte bei zunehmender Häufigkeit der Informationsüberflutung sind bei den Männern bei der emotionalen Erschöpfung (ORM = 1,67), der Niedergeschlagenheit (ORM = 1,66), der allgemeinen Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung (ORM = 1,46) und der körperlichen Erschöpfung (ORM = 1,41) zu beobachten. Bei den Frauen steht ebenfalls die emotionale Erschöpfung (ORF = 1,69) vorn an, gefolgt von der Nervosität oder Reizbarkeit (ORF = 1,67), Schmerzen im Nacken-Schulter-Bereich (ORF = 1,66), der Hörverschlechterung oder Ohrgeräusche (ORF = 1,62) und der körperlichen Erschöpfung (ORF = 1,61).

Bei abnehmender Häufigkeit sind für beide Geschlechter signifikante Effekte bei der allgemeinen Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung (ORF = 0,75, ORM = 0,70) zu beobachten. Ebenso gilt dies für die emotionale Erschöpfung (ORF = 0,62, ORM = 0,60). Weitere signifikante Effekte bei abnehmender Häufigkeit der Informationsüberflutung finden sich bei den Frauen für Schmerzen im Nacken-Schulter-Bereich (ORF = 0,73), für Hörverschlechterung und Ohrgeräusche (ORF = 0,65) sowie für körperliche Erschöpfung (ORF = 0,71). Bei den Männern sind dies die Effekte für Kopfschmerzen (ORM = 0,70), nächtliche Schlafstörungen (ORM = 0,64), Nervosität oder Reizbarkeit (ORM = 0,58) und der Niedergeschlagenheit (ORM = 0,67). Es sind also teils ähnliche, teils differierende Effekte bei den Geschlechtern zu finden.

Die beschriebenen Relationen zwischen den Effekten bei abnehmender und zunehmender Häufigkeit der Informationsüberflutung sind noch einmal in Abb. 1a (Männer) und Abb. 1b (Frauen) visualisiert. Die Effekte bei zunehmender Häufigkeit der Informationsüberflutung wirken augenscheinlich steiler, lassen sich aber im Verhältnis zu den Effekten bei abnehmender Häufigkeit nur exakt beurteilen, wenn deren Reziprokwerte verwendet werden.

Abb. 1
figure 1

a 5-Jahres-Änderungseffekte (Odds-Ratios) bei verschiedenen gesundheitlichen Beschwerden (Männer). b 5-Jahres-Änderungseffekte (Odds-Ratios) bei verschiedenen gesundheitlichen Beschwerden (Frauen)

Diskussion

In der Gesamtbetrachtung der Ergebnisse zeigt sich bei allen berücksichtigten Beschwerdearten, dass das Erleben von Informationsüberflutung Konsequenzen für die Gesundheit hat. Das drückt sich in einem generell signifikant höheren Niveau der Beschwerdehäufigkeit bei häufiger Informationsüberflutung im Vergleich zu einem geringeren Erleben von Informationsüberflutung in 2015 aus und einem Anstieg der Beschwerdehäufigkeit mit zunehmend erlebter Informationsüberflutung bzw. ein Absinken mit abnehmend erlebter Informationsüberflutung über den Längsschnitt.

Neben diesen allgemeinen Effekten gibt es zwischen den Geschlechtern sowohl unterschiedliche als auch übereinstimmende Effekte, jeweils bei zunehmender als auch bei abnehmender Häufigkeit der Informationsüberflutung. Mit dem Ziel der Abnahme einer potenziellen Gefährdung im Sinne der Forderungen des Arbeitsschutzes, interessieren wir uns hier eher für die abnehmende Häufigkeit von Informationsüberflutung und deren Einfluss auf die Beschwerden: Bei der Abnahme ergaben sich bei den Frauen signifikant abgesenkte Odds-Ratios bei den Schmerzen im Nacken-Schulter-Bereich, bei der allgemeinen Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung, bei Hörverschlechterung und Ohrgeräuschen und bei der körperlichen und emotionalen Erschöpfung. Abweichend davon finden sich signifikante Effekte bei den Männern bei den Kopfschmerzen, den nächtlichen Schlafstörungen, der allgemeinen Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung, der Nervosität oder Reizbarkeit, der Niedergeschlagenheit und der emotionalen Erschöpfung. Dieses unterschiedliche Hervortreten von Gesundheitsbeschwerden kann neben einer zufälligen Vulnerabilität für diese Beschwerdearten auch in den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und Tätigkeitsmerkmalen der Geschlechter mitbegründet sein, so dass es diese zukünftig genauer zu untersuchen gilt, um Aufschluss über die Ursachen erlangen zu können.

Der Zeitraum für die Ermittlung von gesundheitlichen Beschwerden war in der Frage der BAuA-Arbeitszeitbefragung auf 12 Monate im Voraus festgelegt, bei der Erfragung der Informationsüberflutung wurde kein Zeitraum festgelegt, und es unterlag dem persönlichen Ermessen des Befragten, welchen Zeitraum derjenige dafür annahm. Hieraus sind Verzerrungen zu erwarten, was die Dosis-Häufigkeits-Beziehung von Informationsüberflutung und Beschwerden anbelangt.

Das Erleben von Informationsüberflutung kann wahrscheinlich nicht als alleinige Ursache der Beschwerden benannt werden, wenngleich die Dosis-Häufigkeits-Beziehung von Informationsflut und Beschwerden von der Häufigkeit des Erlebens von Informationsüberflutung gemäß Odds-Ratios recht konsistent ist. Neben Alter, beruflicher Stellung und Geschlecht wurden keine weiteren potenziellen Confounder im Datenmaterial identifiziert. Als weiteren Confounder könnte man bspw. die Art der Tätigkeit mit digitalen Medien vermuten, war aber hier nicht Gegenstand der Untersuchung.

Ob bereits bestehende Beschwerden auf eine Grunderkrankung zurückzuführen sind, konnte ebenfalls nicht ermittelt werden. Die Stärke der festgestellten Assoziationen kann auf Grund dieser Einschränkungen leicht verzerrt sein.

Die in den früher durchgeführten Querschnittanalysen [19, 20] ermittelten Ergebnisse einer konsistenten Dosis-Häufigkeits-Beziehung von Informationsüberflutung und Beschwerden konnten in der Längsschnittbetrachtung bestätigt werden. Arbeitsfaktoren, die das Erleben von Informationsüberflutung begünstigen, erweisen sich somit als ernst zu nehmende Gefährdungsfaktoren im Arbeitsleben und sollten bei der Ermittlung von Gefährdungen im Rahmen des Arbeitsschutzes berücksichtigt werden. Unter Gefährdung wird dabei die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung verstanden, ohne bestimmte Anforderungen an ihr Ausmaß oder ihre Eintrittswahrscheinlichkeit [23].

Gefährdungsbeurteilung

Ein Prüfinstrument, um Gefährdungen bei der Arbeit zu ermitteln, ist die sog. Gefährdungsbeurteilung, die darauf abzielt, sowohl Gefährdungen bei der Arbeit frühzeitig zu erkennen als auch diesen möglichst präventiv entgegenzuwirken, das heißt, bevor gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Unfälle auftreten. Leider werden Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastung offenbar zunehmend weniger in den Betrieben durchgeführt: Im Auftrag der Dekra hat das Markt- und Meinungsforschungsunternehmen forsa eine repräsentative Befragung zur Sicherheit am Arbeitsplatz und zum Arbeitsschutz durchgeführt. Befragt wurden rund 1500 Beschäftigte aller Branchen in Deutschland. Im Hinblick auf die gesetzlich vorgeschriebene Beurteilung psychischer Gefährdungen am Arbeitsplatz gibt es offenbar Nachholbedarf. Lediglich 26 % der Befragten sagen, dass es im Betrieb eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung gegeben habe. Bei einer Mehrheit von 59 % ist dies nicht der Fall. Gegenüber 2017 bedeutet dies eine leichte Verschlechterung um 7 %. Das erstaunt, angesichts der in § 5 des Arbeitsschutzgesetzes ausdrücklich vorgeschriebenen Verpflichtung [7].

Die Gefährdungsbeurteilung sollte nicht nur die Beurteilung der Arbeitsbedingungen im engeren Sinne umfassen, sondern auch die Entwicklung, Umsetzung und Wirksamkeitskontrolle der daraufhin ggf. als erforderlich erachteten Maßnahmen des Arbeitsschutzes [6, 23]. Das Erleben einer hohen Informationsüberflutung ist somit auch ein Anzeiger für die Notwendigkeit von Arbeitsgestaltungsmaßnahmen. Dessen Absinken kann, wie in den Ergebnissen beschrieben, zu einer Verringerung verschiedener Beschwerdearten beitragen. Offenbar gibt es bestimmte Beschwerdearten, die sich in engem Zusammenhang mit dem Erleben einer schwer zu bewältigenden Informationsmenge ausprägen. Das betrifft insbesondere psychosomatische Beschwerden, wie Müdigkeit, Mattigkeit und emotionale Erschöpfung.

Wie bereits in [19] beschrieben, sind es in der Mehrheit Beschwerdearten, die man der Kerndimension der Burnout-Symptomatik zuordnen kann. Gemäß DIN EN ISO 10075 Teil 1 [8] ist Burnout gekennzeichnet durch einen „Zustand wahrgenommener psychischer, emotionaler und/oder physischer Erschöpfung, distanzierter Einstellung gegenüber der eigenen Tätigkeit und wahrgenommener verminderter Leistungsfähigkeit als Ergebnis einer anhaltenden Exposition gegenüber bestimmten Formen psychischer Belastung“. Insbesondere die wahrgenommene psychische, emotionale und/oder physische Erschöpfung (Kerndimension von Burnout) soll sich gemäß dieser Norm in einem andauernden Gefühl der Überlastung, Reizbarkeit, Anspannung und Antriebsarmut zeigen. Würde man also mit einer Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz einer Informationsüberflutung begegnen können, wäre auch ein Schritt in Richtung der Prävention von Burnout getan [21].

Gestaltungsansätze

Um nun das Niveau der Belastung durch hohe Informationsmengen generell zu verringern bzw. um Arbeit gesundheitsgerecht zu gestalten, sind Maßnahmen erforderlich, die an den Ursachen der Informationsüberflutung und deren Bedingungen am Arbeitsplatz ansetzen. In der neueren Forschung wurden vier Hauptursachen für Informationsüberflutung ermittelt [26]:

  • eine zu hohe relevante Informationsmenge, deren Bearbeitung die verfügbare Arbeitszeit überschreitet,

  • eine zu hohe daraus resultierende Auftragsmenge,

  • eine geringe Informationsqualität bzw. Gebrauchstauglichkeit von Informationen und

  • häufige Unterbrechungen durch digitale Medien bei der Arbeit.

Ersteres betrifft eine zu hohe Menge an Informationen, die für die Erledigung der Arbeitsaufgaben tatsächlich notwendig ist, die dann zur Informationsüberflutung beiträgt. Das können z. B. arbeitsbezogenes Hintergrundwissen oder Wissen über Verfahrensabläufe sein. Für eine angemessene Beschäftigung mit diesen Informationen reicht die verfügbare Arbeitszeit nicht aus.

Treffen mehr Aufträge bzw. Anfragen über digitale Medien ein, als in der zur Verfügung gestellten Zeit erledigt werden können, kann das ebenfalls Informationsüberflutung auslösen, wie der zweite Punkt andeutet. Informationsüberflutung tritt dann primär beim unmittelbaren Erhalt dieser Arbeitsaufträge auf, da zu diesem Zeitpunkt die Bearbeitung bzw. deren Aufwand geplant wird.

Eine weitere wichtige Ursache des Erlebens von Informationsüberflutung geht von Informationen geringer Qualität aus. Sie ziehen einen erhöhten Informationsverarbeitungsaufwand nach sich und belasten damit die Informationsverarbeitungskapazität. Zudem können sie selbst neue Informationsmengen hervorrufen, z. B. bei der Notwendigkeit von Nachfragen. Die Qualität der Informationen bestimmt ihre Gebrauchstauglichkeit in der Aufgabenerledigung, d. h. sie beeinflusst, inwieweit die Informationen im Arbeitsprozess unmittelbar verarbeitet werden können. Die Qualitätsmerkmale sind vielfältig und betreffen beispielsweise die Relevanz und Struktur von Informationen oder auch ihre Verständlichkeit und Vollständigkeit [27].

Über digitale Medien eingehende Informationen gehen häufig mit Unterbrechungen oder Ablenkungen einher. Besonderes Potenzial zur Unterbrechung haben E‑Mails, Chatnachrichten, Benachrichtigungsfenster und Signaltöne. Unterbrechungen erfordern zusätzliche Anstrengungen bei der Ausführung der Arbeitsaufgaben [3, 12]. So können Unterbrechungen die Informationsverarbeitungskapazität beanspruchen, indem sie zur Aufmerksamkeitsablenkung von der aktuellen Arbeitsaufgabe führen und dadurch eine Zeitspanne notwendig wird, um die für die unterbrochene Aufgabe erforderlichen Informationen wiederherzustellen [13]. Im einfachsten Fall kommen durch die Unterbrechung keine relevanten Informationen hinzu, sondern die bisherigen Informationen müssen weiterbearbeitet werden. Im anderen Fall können Arbeitsunterbrechungen auch die zu bearbeitenden Informationsmengen erhöhen. Die Unterbrechung kann Tätigkeiten hervorrufen (wie das Lesen der Information, das spontane Ablegen oder Bearbeiten von Dokumenten, das Erstellen kurzer Rückantworten), die die Verarbeitung neuer Informationen bedingen [18, 26]. Das Organisieren störungsfreier Arbeitszeiten und die Nutzung von Pausen zur Regeneration sind von hoher Bedeutung, um einem hohen Informationsaufkommen zu begegnen bzw. Arbeitsanforderungen gut bewältigen zu können.

Psychosoziale Arbeitsbedingungen

Verschiedene Arbeitsbedingungen können eine Informationsüberflutung über die benannten Ursachen hinaus befördern. Analysen aus einer Querschnittuntersuchung der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2015 zum Einfluss von Arbeitsanforderungen und Ressourcen auf die Informationsüberflutung am Arbeitsplatz [18] bestätigen die Bedeutung verschiedener Arbeitsbedingungen für das Erleben von Informationsüberflutung. Das sind starker Termin- oder Leistungsdruck, die Kenntnis über Erwartungen bei der Arbeit und den eigenen Verantwortungsbereich oder auch wechselnde unterschiedliche Arbeitsaufgaben und Multitasking im Sinne von „verschiedene Vorgänge gleichzeitig im Auge behalten zu müssen“.

Insbesondere häufig erlebter starker Termin- oder Leistungsdruck geht mit einem hohen Informationsüberflutungserleben einher. Bestehender Termin- oder Leistungsdruck kann zu einem verstärkten Informationsüberflutungserleben beitragen, wenn z. B. eine Priorisierung von Informationen durch den Zeitdruck nicht mehr möglich ist, was wiederum auf ein auf die Arbeitszeit bezogenes Kapazitätsproblem hinweist. Informationsflut kann aber auch umgekehrt den Zeit- und Leistungsdruck auslösen: Speziell für die E‑Mail-Kommunikation am Arbeitsplatz beschreiben zahlreiche Autoren [24, 34], dass sich die Beschäftigten von einer großen Menge eintreffender Nachrichten überfordert fühlen. Diese Situation wird auch speziell als „E-Mail-Stress“ oder „E-Mail-Overload“ [31] beschrieben. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es nicht nur die Menge an Nachrichten ist, die Informationsüberflutung auslösen kann, wie oben beschrieben.

Fehlende Kenntnisse über von außen gestellte Erwartungen an die eigene Arbeit und die ungenügende Kenntnis, welche Aufgaben eigentlich in den eigenen Verantwortungsbereich fallen, können Unsicherheit bei der Priorisierung von Informationen befördern und damit die Fokussierung der Arbeit auf die wichtigen Aspekte behindern. Gerade bei ungenügender Rollenklarheit der Arbeitskraft und damit auch unklaren Zielen in der Arbeit, als wesentlichste Regulationsinstanz von Tätigkeiten [15], ist vermutlich die Relevanz von Informationen für aktuelle als auch zukünftige Arbeitsaufgaben und deren Bewältigung schwer einschätzbar. Möglicherweise trägt umgekehrt das Vorhandensein beider Aspekte dazu bei, dass die Arbeitsaufgaben besser definiert und eingegrenzt sind, so dass Informationen dann besser strukturiert und organisiert werden können. Ist nach Moser et al. [24] Informationsflut als ein Missverhältnis von Informationsangebot, -nachfrage und -bedarf zu definieren, so ist hier zu vermuten, dass durch klarer definierten Bedarf infolge der Kenntnis von außen gestellter Erwartungen an die eigene Arbeit und klare Kenntnisse zum Verantwortungsbereich, die Flut an Informationen eingegrenzt werden könnte.

Ein weiteres Arbeitsmerkmal, das mit Informationsflut einhergehen kann, ist die Notwendigkeit oder Anforderung, verschiedenartige Arbeiten und Vorgänge gleichzeitig im Auge behalten zu müssen. Die Anforderung, mehr oder weniger gleichzeitig verschiedene Aufgaben ausführen zu müssen [12], kann mit unterschiedlichen zeitintensiven Aufmerksamkeitswechseln einhergehen [4] und die Schwierigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, mit sich bringen [25] und somit einer Informationsüberflutung Vorschub leisten.

Ein weiteres Arbeitsmerkmal, das Einfluss auf das Informationsüberflutungserleben nimmt, ist die Ausführung von ständig wechselnden unterschiedlichen Arbeitsaufgaben. Dies deutet auf einen hohen Aufwand bei der Informationsverarbeitung hin, bedingt durch den Wechsel zwischen unterschiedlichen Aufgaben, wobei sich die Nähe zum Konzept der Unterbrechungen zeigt [3]. Durch die häufig wechselnden Arbeitsaufgaben entstehen Zeitverluste bedingt durch das immer wieder notwendig werdende Eindenken in die jeweilige Aufgabe. Die sog. Kosten einer Unterbrechung sind umso höher, je höher die kognitiven Anforderungen der unterbrochenen Arbeitsaufgaben sind [32]. Wechselnde Arbeitsaufgaben können der Informationsüberflutung außerdem Vorschub leisten, da sie dazu führen, dass ein erhöhter Einordnungsaufwand bei eintreffenden Informationen wichtig wird, was wiederum zu einem „Zuviel“ an Informationen führen kann.

Wichtige Faktoren, die das Informationsüberflutungserleben vermindern können bzw. unterstützend sind für die Bewältigung eines hohen Informationsaufkommens, sind Hilfe und Unterstützung von den Kollegen, wenn diese gebraucht wird (z. B. durch die Abgabe von Aufgaben), und Unterstützung vom direkten Vorgesetzten (z. B. durch klare Aufgabenzuweisungen). Dass jedoch Zusammenarbeit mit Kollegen z. B. in Teams wegen der erhöhten Kommunikationsnotwendigkeit sogar zur Informationsüberflutung beitragen kann, wird in der Literatur ebenfalls vielfach diskutiert [1, 5]. Oftmals müssen beispielsweise bei der Kommunikation von Personen mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen mehr Informationen ausgetauscht werden, um Unterschiede im Wissensstand auszugleichen, so dass einer Informationsüberflutung Vorschub geleistet wird.

Weitere Tätigkeitsmerkmale, die mit Informationsüberflutung im Zusammenhang stehen sind nach [10, 26] hohe Kommunikationserfordernisse bei der Arbeit (z. B. durch die Arbeit in mehreren Teams und Projekten), eine unangemessene Arbeitsteilung, unzureichende Vertretungsregelungen sowie ungenügende Regelungen zum Informationsfluss in Unternehmen [14] und zum Umgang mit digitalen Medien.

Schließlich ist von individuellen Merkmalen auszugehen, die das Erleben von Informationsüberflutung beeinflussen können. Neben Berufserfahrungen, persönlichen Nutzungsgewohnheiten digitaler Medien und personellen Organisationsstrategien, kann die individuelle digitale Medienkompetenz im Umgang und Erleben von Informationsüberflutung eine Rolle spielen.

Die Analyse und Gestaltung der Arbeit sollte somit neben der Anforderung, die sich aus der Informationsmenge ergibt, auch die Qualifikation und die allgemeinen (Gedächtnis‑, Verarbeitungskapazität) und aktuellen Leistungsvoraussetzungen der arbeitenden Menschen berücksichtigen (z. B. Ermüdung aufgrund überlanger Arbeitszeiten). Ziel einer Arbeitsgestaltung sollte deshalb ein auftragsbezogener Informationsfluss sein, der sich daran orientiert, wer welche Informationen zu welchem Zeitpunkt benötigt, was vom jeweiligen Arbeitsauftrag abhängig ist [28].

Um Effektivitätseinbußen bei der Einführung digitaler Medien als Arbeits- und Kommunikationsmittel zu vermeiden, ist stets ein begleitendes Informationsmanagementkonzept erforderlich, das eine Informationsbedarfsanalyse, die Festlegung notwendiger Informationsflüsse, eine informationsökonomische Arbeitsorganisation und die Wahl zielgerichteter digitaler Arbeits- und Kommunikationsmittel beinhaltet [27].

Resümee

Informationsüberflutung ist als Erleben von Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Menge an Informationen ein intermediater Faktor [18, 19] und somit nicht einer unmittelbaren Intervention zugänglich. Folglich sind Arbeitsfaktoren zu sondieren, die mit einer Informationsüberflutung assoziiert sind und diese möglichst positiv im Sinne einer gesundheitsgerechten Gestaltung der Arbeit verändern können. Ansatzpunkte dafür liegen zumeist auf mehreren Ebenen: in der Arbeitsaufgabe, der Arbeitsorganisation, der Informationsgestaltung, den Medien oder dem Umgang der Beschäftigten mit den Informationen selbst.

Ansatzpunkte bzw. Handlungsfelder lassen sich gemäß den oben diskutierten Ursachen derzeitig grob benennen: eine adäquate Zeitbemessung für die geistige Arbeit mit digitalen Medien auch unter Berücksichtigung eigener Entscheidungsspielräume, eine Verringerung hoher Auftragsparallelität und -vielfalt, die Festlegung klarer Verantwortlichkeiten für Aufgaben und Prozesse, klare transparente Regelungen organisationsinterner Abläufe und Prozesse und damit auch Informationsflüsse, eine anforderungsgerechte Gestaltung der unternehmensinternen digitalen Medienlandschaft sowie Mitarbeiter- und Führungskräfteentwicklung, z. B. im Rahmen von Schulungen zu Informations‑, Zeit- und Aufgabenmanagement.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Erleben von Informationsüberflutung ein sehr multifaktorielles Geschehen widerspiegelt und damit auch die Möglichkeiten der Maßnahmenableitung vielfältig sein können. Wesentliche Lösungsansätze für die Vermeidung von Informationsüberflutung am Arbeitsplatz betreffen die verhältnispräventive Gestaltung und ihre enge Verbindung zu verhaltenspräventiven Ansätzen. Jede Tätigkeit stellt spezifische Anforderungen an Beschäftigte, so dass Empfehlungen für einen adäquaten Umgang mit hohem digital vermitteltem Informationsaufkommen stets an die Tätigkeit und dessen Bedingungen angepasst werden müssen. Dabei ist eine Analyse zu Feststellung wesentlicher Problembereiche unerlässlich.

Fazit für die Praxis

  • Informationsüberflutung hat Konsequenzen für die Gesundheit und ist deshalb ein arbeitsmedizinisch relevanter Risikofaktor.

  • Gerade psychosomatische Beschwerden können ein Anzeiger für das zunehmende Erleben von Informationsüberflutung sein.

  • Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastung werden zunehmend weniger in den Betrieben durchgeführt, eine Steigerung bei Berufen mit hohem Informationsaufkommen ist erforderlich.

  • Eine Absenkung der Beschwerdehäufigkeit ist möglich, wenn durch geeignete Maßnahmen der Arbeitsplatzgestaltung, die an den Ursachen und Bedingungen von Informationsüberflutung in der konkreten Tätigkeit ansetzen, die Häufigkeit von Informationsüberflutung verringert wird.

  • Unterschiede im Zusammenhang von Informationsüberflutung und gesundheitlichen Beschwerden zwischen Männern und Frauen erfordern eine genauere Untersuchung der entsprechenden Arbeitsbedingungen und Tätigkeitsmerkmale, um weiter Aufschluss geben zu können.