1 Einleitung

Natur-basierte Systeme (NBS) sind äußerst wichtige Technologien in der Siedlungswasserwirtschaft, sowohl für den urbanen als auch den ländlichen Raum. Die wichtigsten Prozesse sind dabei Rückhalt, Speicherung, Ableitung und Versickerung von Wasser sowie Entfernung oder Rückhalt von Schadstoffen zum Schutz von Oberflächengewässern (QZV Chemie OG, BGBl. II Nr. 96/2006) und Grundwasser (QZV Chemie GW, BGBl. II 98/2010).

Die Entwicklung von NBS in der Siedlungswasserwirtschaft begann mit der Arbeit von Käthe Seidel (Seidel 1967) im Bereich der bepflanzten Bodenfilter für die Reinigung von Schmutzwasser (Langergraber et al. 2019). Hier kommen heutzutage z. B. auch Grüne Dächer und vertikale Begrünungssysteme zum Einsatz (Cross et al. 2021). Ein wichtiger Zweig ist dabei auch die Behandlung von industriellem Abwasser (Stefanakis 2018). Neben dem Einsatz für die Abwasserbehandlung ist der Einsatz von NBS vor allem für das urbane Regenwassermanagement wichtig (Oral et al. 2020). Dafür wird oft auf das das in China entwickelte Konzept der Schwammstadt verwiesen (Chan et al. 2018; Yin et al. 2020). Dabei werden durch den Einsatz einer Vielzahl verschiedener NBS deren Prozesse verknüpft, um einerseits pluviale Überflutungen zu vermeiden, die bestehende graue Infrastruktur zu schützen und Wasser für die Kühlung der Stadt zur Verfügung zu stellen. Es bildet somit eine Kombination von NBS-Konzepten, Wasserwiedernutzung und Klimawandelanpassung. Ähnliche Konzepte sind je nach Region unter den Begriffen SUDS, LIDs oder WSUD bekannt (Fletcher et al. 2015).

Im Vergleich zur sogenannten grauen Infrastruktur in der Abwasserreinigung und Regenwassermanagement gehen mit der Implementierung von NBS auch weitere nötige Funktionen einher wie z. B. Flächenentsiegelung, Erhöhung der adiabatischen Kühlung durch die Bepflanzung, Steigerung der Biodiversität bei entsprechender Bepflanzung, CO2-Speicherung, Verbesserung der Lebensqualität, positive Auswirkung auf die Gesundheit sowie die Nachhaltigkeit in der Umsetzung und Wirtschaftlichkeit. Diese Funktionen erfüllen dabei auch die Definition von NBS der IUCN (Cohen-Shacham et al. 2016) sowie der Europäischen Kommission (2015). Wichtig ist hier jedoch, dass jede Maßnahme auch auf die Erbringung dieser Leistungen (Ökosystemdienstleistung) überprüft werden muss.

Bei der Implementierung von NBS in Siedlungsräumen ist die Multifunktionalität der Maßnahmen ein wichtiger Aspekt. Diese stößt auch verstärkt zu einer Veränderung der bisherigen Planungsprozesse an, denn nur so kann die Implementierung von NBS ihre volle Funktionsfähigkeit entfalten. Auf Gebäudeebene werden Gründächer und vertikale Begrünungssystem aus architektonischer und gebäudeenergetischer Sicht geplant, während diese auch mehr oder weniger Funktionen des Regenwassermanagements sowie der Wasserwiedernutzung aber auch Wasserverschmutzung einnehmen (Hachoumi et al. 2021).

2 Natur-basierte Systeme in der Abwasserreinigung

In der Abwasserreinigung sind bepflanzte Bodenfilter (auch Pflanzenkläranlagen genannt) eine der wichtigsten NBS (Abb. 1). Die Entwicklung startete mit dem System von Käthe Seidel und wird bis heute intensiv beforscht sowie implementiert. In Österreich wurden mehr als 5500 Anlagen in der Größe von bis zu 500 Einwohnerwerten (EW) implementiert (Langergraber and Weissenbacher 2017). Aufgrund der geforderten Nitrifikation kommen in Österreich ausschließlich vertikal durchströmte Bodenfilter mit intermittierender Beschickung zum Einsatz. Weltweit wurden Anlagen bis zu 20.000 EW für häusliches Abwasser (Masi et al. 2017) als auch Anlagen mit bis zu 300 ha für industrielles Abwasser errichtet (Langergraber et al. 2020).

Abb. 1
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Vertikal durchströmte Bodenfilter mit intermittierender Beschickung für 9 EW (Fläche: 45 m2). (Foto: Günter Langergraber)

Ein Vorteil von bepflanzten Bodenfiltern ist, dass sie sehr robust gegenüber Schwankungen der hydraulischen und stofflichen Beladung sind. Dies ergibt sich aus den Wechselwirkungen der im Substrat natürlich vorhandenen Bodenlebewesen, dem Biofilm (Kommunen an Bakterien für den Abbau spezifischer Schadstoffe) und dem Wurzelraum der Pflanzen. Aufgrund der daraus resultierenden passiven Funktion können bepflanzte Bodenfilter, im Vergleich zu technisch-intensivierten Lösungen, ohne bzw. mit nur wenig externer Energie betrieben werden und stellen somit eine nachhaltige Technologie dar (Dotro et al. 2017).

3 Dezentrales Regenwassermanagement

Die Entwässerung von Siedlungen erfolgt seit mehr als 150 Jahren generell über Kanalsysteme, welche das abfließende Niederschlagswasser sammeln und aus der Stadt transportieren. Wurden zu Beginn Mischwasserkanäle eingesetzt, wird seit einigen Jahrzehnten auf Trennsysteme (d. h. getrennte Ableitung von Schmutz- und Regenwasser) gesetzt. Die Klimakrise zeigt nun seit etlichen Jahren, dass diese Praxis bei den vermehrt auftretenden Starkniederschlägen an ihre Grenze stößt. Durch den gezielten Einsatz von NBS kann das Auftreten pluvialer Überflutungen verhindert werden (Simperler 2021).

Grundsätzlich steht in der konventionellen Planung und Umsetzung die Entwässerung des Siedlungsraums im Vordergrund (ÖWAV-Regelblatt 45, ÖWAV 2015) ebenso wie der Schutz von Oberflächengewässern (QZV Chemie OG, BGBl. II Nr. 96/2006; ÖWAV-Regelblatt 35, ÖWAV 2019) und Grundwasser vor Kontamination (QZV Chemie GW, BGBl. II 98/2010). Heutzutage ist es wichtig, Wasser in der Stadt zu halten und damit die Bepflanzung mit ausreichend Wasser zu versorgen (Abb. 2). Untersuchungen dazu zeigen, dass dies trotz der auftretenden Verunreinigung des Oberflächenabflusses möglich ist (Pucher et al. 2018).

Abb. 2
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Anlage zur Regenwasserversickerung sowie Wasserversorgung von Bäumen. (Foto: Alexander Pressl)

Eine weitere Maßnahme ist die Vernetzung und Reaktivierung urbaner Fließgewässer, vor allem jener, die in der Vergangenheit kanalisiert worden sind. Durch eine Neugewinnung offener Wasserwege wird einerseits die Frischluftzirkulation erhöht, Retentionsraum geschaffen sowie eine zusätzliche Wasserressource für urbanes Grün gefördert (Prenner et al. 2022).

4 Gründächer und vertikale Begrünungen

Im dicht verbauten urbanen Raum sind vor allem Gründächer und vertikale Begrünungen (Abb. 3) gängige NBS. Da sich dabei auch um bepflanzte Filter handelt, werden diese NBS aus siedlungswasserwirtschaftlicher Sicht auch zur Reinigung von Abwasser bzw. Abwasserteilströmen und als Baustein im dezentralen Regenwassermanagement eingesetzt (Boano et al. 2020; Oral et al. 2020). Während der primäre Fokus für Grüne Dächer und vertikale Begrünung mehr in den Bereichen Architektur, Gebäudeenergie und Außenklima liegt, liefert der Einsatz von Abwasser(teilströmen) und Regenwasser die wichtigste Ressource für deren Betrieb. Vor allem für die Kühlleistung ist eine ausreichende Wasserversorgung notwendig, die generell mit Trinkwasser geplant wird. Im Sinne der Nachhaltigkeit in der Definition von NBS sowie dem Einfluss des Klimawandels auf die Trinkwasserversorgung ist der Einsatz von anderen Wässern für die Bewässerung sinnvoll. Da Regenwasser für eine ausreichende Bewässerung oft nicht ausreicht (Prenner et al. 2021), ist die Verwendung von Grauwasser zur Bewässerung von Gebäudebegrünungen eine sinnvolle Alternative (Zraunig et al. 2019; Pucher et al. 2022).

Abb. 3
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Vertikales Begrünungssystem zur Reinigung und Wiedernutzung von Grauwasser (Versuchsanlage mit 6 m x 4 m, Universität für Bodenkultur Wien). (Foto: Bernhard Pucher)

5 Natur-basierte Systeme in der Kreislaufwirtschaft mit Fokus auf Wasser und Nährstoffe

Der Einsatz von einzelnen NBS führt meist dazu, dass Ressourcen für deren Herstellung und Betrieb der linearen Ökonomie folgen und somit die Definition der Nachhaltigkeit infrage stellen. In der COST Action CA17133 Circular City (https://circular-city.eu) wird dafür die Nutzung von NBS für die Schaffung von Kreisläufen in der Stadt untersucht. Dabei wird in diesen Kreislaufsystemen das Zusammenwirken der Ressourcen Wasser, Nährstoffe, Biomasse und Energie betrachtet (Langergraber et al. 2021a). Wasser hat sich dabei beim Einsatz von NBS im urbanen Raum als das zentrale Element gezeigt (Langergraber et al. 2021b). Durch die Anwendung von NBS können z. B. Brauchwasser für die Bewässerung generiert und Nährstoffe für die Landwirtschaft gewonnen werden (Wirth et al. 2021). Durch die in der COST Action gewonnen Erkenntnisse werden aus einzelnen NBS verbundene Systeme, die den wachsenden Ressourcenbedarf in Städten reduzieren und dabei durch ihre Multifunktionalität das Stadtleben signifikant verbessern können.

6 Schlussfolgerungen

Urbanes Wassermanagement geht Hand in Hand mit der Anwendung von NBS. In der Siedlungswasserwirtschaft wird dabei das Potenzial einer Vielzahl an NBS für die Behandlung von Abwasser bzw. Abwasserteilströmen, Regenwassermanagement, Wasserwiedernutzung sowie Gewässerschutz untersucht und angewendet. Dies stellt sicher, dass NBS ihre volle Funktionalität entfalten können und dabei auch nachhaltig sind.

Derzeit werden NBS meist nur für eine Funktion geplant (z. B. Verdunstungs-Kühlung oder Abwassereinigung). Das volle Potenzial von NBS kann aber nur erreicht werden, wenn bei der Planung deren Multifunktionalität schon mitberücksichtigt wird, was nur bei Anwendung interdisziplinärer und möglichst partizipativer Planungsprozesse gelingt.

Der höhere Platzbedarf von NBS gegenüber grauer Infrastruktur wird oft als Nachteil genannt. Aber nur durch Bereitstellung von Flächen kann die Multifunktionalität der NBS gewährleistet werden. Für das Regenwassermanagement in Kombination zur Verminderung des urbanen Hitzeinsel-Effekts werden diese Flächen aber gebraucht, gleichzeitig wird die Versiegelung gestoppt. Diese NBS Flächen erhöhen als Grüne Korridore zusätzlich die Biodiversität und Durchgängigkeit und schaffen ein ganzheitlich besseres Stadtklima.