Zur Bereitstellung ihrer Angebote benötigen Sportvereine vor allem Mitglieder, Geld, ehrenamtliches Engagement und Sportstätten (z. B. Doherty, Misener, & Cuskelly, 2014; Doherty & Cuskelly, 2020; Nagel, Schlesinger, & Klenk, 2017). Daher haben die Verantwortlichen in den Sportvereinen diese vier Größen ständig im Blick, wenn auch in unterschiedlicher Differenzierung. Verändert sich eine dieser Größen sehr stark, wie dies in der Corona-Pandemie z. B. hinsichtlich der Nutzbarkeit von Sportstätten der Fall ist, hat dies unmittelbare Wirkungen auf die anderen Größen. Allerdings ist das Ausmaß dieser Interdependenzen unklar.

Gemessen an anderen Branchen und am Profisport werden die zentralen Größen der Entwicklung von Sportvereinen bislang nur rudimentär verfolgt. Zudem erfolgen strategische Impulse für Sportvereine seitens der Sportverbände vor allem aus der retrospektiven Betrachtung der Entwicklung der absoluten Zahl von Mitgliedern, höchstens anlassbezogen und nur selten unter Beachtung von Bevölkerungsvorausberechnungen.

Ein solcher Anlass lag mit der Schließung von Sportstätten und der Einschränkung persönlicher Kontakte während der Corona-Pandemie vor. Um den besonderen Hilfebedarf der Vereine infolge der Corona-Pandemie gegenüber Entscheidungsträgern zu signalisieren, erfolgte schon recht früh die Nennung mutmaßlicher finanzieller Einbußen, zu erwartender Mitgliederrückgänge und des Anteils existenziell bedrohter Sportvereine (Reinsch, 2020). Die für die Prognosen zur Verfügung stehende Datenbasis war und ist bezüglich der finanziellen Situation, des ehrenamtlichen Engagements sowie der Sportstättenbasis defizitär. Dies gilt in Bezug auf die Mitgliederentwicklung nicht, obgleich die Datenerhebung auch hier mit gewissen Unsicherheiten behaftet ist (Thieme, 2010).

Weil der Entwicklung der Mitgliederzahlen auch in diesem und den Folgejahren hohe Aufmerksamkeit zu Teil werden wird, setzt sich der Kurzbeitrag daher zum Ziel, die Möglichkeiten der Analyse der Mitgliederdaten aufzuzeigen und auf unterkomplexe Interpretationen, beispielsweise zu pandemiebedingten Effekten, hinzuweisen. Dafür werden zunächst die bisher gebräuchlichen Instrumente zur Auswertung von Mitgliederdaten referiert und dann unter Rückgriff auf aktuelle Beispiele die bislang wenig oder gar nicht genutzten Möglichkeiten aufgefächert. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick.

Forschungsstand zur Mitgliederentwicklung

Die Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Mitgliederzahlen im Bereich des Deutschen Sportbundes und später des Deutschen Olympischen Sportbundes lässt sich mehr als 30 Jahre zurückverfolgen, wird jedoch nur unregelmäßig geführt und hat nur relativ wenige (sport)wissenschaftliche Beiträge hervorgebracht.

Zwar setzte sich Kreiß bereits 1988 (Kreiß, 1988) mit der Mitgliederentwicklung im Rudern auseinander und diagnostizierte eine stagnierende Mitgliederentwicklung mit abnehmendem Anteil weiblicher und jugendlicher Mitglieder. Allerdings erst im Zuge einer verstärkten gesellschaftspolitischen Aufmerksamkeit für die Folgen demografischen Wandels in den 2000er Jahren wurde dessen Wirkung auf die Mitgliederentwicklung im organisierten Sport in einigen Beiträgen thematisiert. Breuer und Haase (2006) setzten sich im Sportentwicklungsbericht 2005/2006 mit den Wirkungen des demografischen Wandels auf den Sport auseinander, ohne diese Betrachtungen in nachfolgenden Sportentwicklungsberichten fortzuführen. Eine sportartspezifische Analyse legt Flatau (2007) für die Leichtathletik vor. Auf die 10. koordinierte Bevölkerungsbefragung des Statistischen Bundesamtes stützen Steinbach und Hartmann (2007) ihre Prognosen für die Mitgliederentwicklung im DOSB bis 2030, verweisen jedoch dabei auf mögliche Kompensationseffekte beim Anhalten der insgesamt positiven Entwicklung des Organisationsgrades in den Jahren 1996 bis 2005 bei den 0‑ bis 14-Jährigen. Steinbach und Hartmann (2007) führen damit die aus Bevölkerungsprognosen bekannten Faktoren Fertilität, Migration und Lebenserwartung mit der Fähigkeit von Sportorganisationen zusammen, einen möglichst hohen Anteil aus der jeweiligen Altersgruppe zu gewinnen und zu binden. Auf die Bedeutung des Organisationsgrades sowie auf dessen regionale Unterschiede weisen Fehres, Blessing-Kapelke, Tzschoppe, und Hartmann (2011, S. 16 ff.) und Fehres, Tzschoppe, Stanco, Blessing-Kapelke, und Illmer (2017, S. 25 ff.) hin. So hat sich der Organisationsgrad von 2000 zu 2015 bei den 0‑ bis 6‑jährigen Jungen von 19,2 % auf 26,7 % und bei den Mädchen von 18,9 % auf 24,4 %, bei den 7‑ bis 14-Jährigen von 67,7 % auf 82,4 % (Jungen) und von 50,5 % auf 61,8 % (Mädchen) erhöht. Zugewinne im Organisationsgrad sind zudem in der Altersgruppe der über 60-Jährigen zu verzeichnen. Infolge der Größe der Bevölkerungsgruppen mit stagnierendem bzw. rückläufigem Organisationsgrad ergeben sich für die Gesamtbevölkerung stagnierende Werte von 35,6 % auf 35,7 % bei den Männern und von 21,6 % auf 22,9 % bei den Frauen. Hierbei schwankt der Organisationsgrad 2015 in den einzelnen Landessportbünden bei den Männern zwischen 16,9 % in Brandenburg und 46,5 % im Saarland und bei den Frauen zwischen 9,9 % und 29,4 %, ebenfalls in Brandenburg und im Saarland. Beide vom DOSB verantworteten Publikationen verzichten auf Prognosen zur weiteren Mitgliederentwicklung. Dagegen zielen Emrich, Pitsch, und Rullang (2012) für den Fußball und Rullang, Pitsch, und Emrich (2014) für den Handball auf eine Prognose der Mitgliederentwicklung und verwenden dafür die 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Im Gegensatz zu Steinbach und Hartmann (2007) wird in beiden Beiträgen der Unsicherheit der Bevölkerungsvorausberechnung mit der Berücksichtigung einer mittleren Untergrenze und einer mittleren Obergrenze Rechnung getragen. Zudem werden altersspezifische Prävalenzen, letztlich also sportartspezifische Organisationsgrade, in die Prognose integriert. Die zur Prognose verwendeten Prävalenzen werden zudem zum einen aus dem arithmetischen Mittel der Prävalenzwerte der Jahre 1991 bis 2011 gewonnen (konstante Prävalenz), zum anderen mittels linearer Regression bis zum Jahr 2025 (lineare Prävalenz) fortgeschrieben (Emrich et al., 2012, S. 54 f.; Rullang et al., 2014, S. 50 f.). Damit wird der Vergleich von Bestandsgrößen (z. B. die absolute Zahl der 10-Jährigen handballspielenden Mädchen 2010 und 2020) und von Stromgrößen (z. B. die Veränderung der Beteiligung von Mädchen des Jahrgangs 2000 am Handball) möglich. Diese Differenzierung hat sich bislang jedoch nicht durchsetzen können und wird auch in den neueren Beiträgen von Fehres et al. (2017) und Kruthaup, Kaphengst, Dahms, und Büsch (2020), die die Mitgliederentwicklung im Handball mit anderen Spielsportverbänden vergleichen, nicht aufgegriffen. Aufgrund des diskontinuierlichen Monitorings, der rudimentären wissenschaftlichen Quellenlage, fehlender Prognosen, der Überlagerung von allgemeinen Entwicklungen und pandemiebedingten Effekten sowie der Vermischung von Bestands- und Stromgrößen fällt es den Akteuren des organisierten Sports schwer, die Mitgliederentwicklung des Jahres 2020 einzuordnen und zutreffend zu interpretieren (z. B. Häfner, 2021; LSB Rheinland-Pfalz, 2021).

Zentrale Interpretationsansätze der Mitgliederentwicklung

Altersspezifische Salden und Organisationsgrad als erste Orientierung

Aktuell dominieren in der Kommunikation der Sportverbände die absoluten Zahlen der gemeldeten Vereinsmitglieder (z. B. LSB Nordrhein-Westfalen, 2021) sowie der Verweis auf Einbußen bei Kindern und Jugendlichen (z. B. Müller, 2021). Mitgliedergewinne oder -verluste ergeben sich aus der Anzahl der Mitglieder des Vorjahres (Bestandsgröße zum Zeitpunkt t0) zuzüglich der im aktuellen Jahr vollzogenen Eintritte, vermindert um die Austritte im gleichen Zeitraum (Stromgröße). Das Ergebnis ist die neue Bestandsgröße zum Zeitpunkt t1. Liegen Ergebnisse für t0 und t1 in verschiedenen Altersbereichen (z. B. in den im Sport üblichen Altersbereichen 0–6 Jahre, 7–14 Jahre, 15–18 Jahre, 19–26 Jahre, 27–40 Jahre, 41–60 Jahre und über 60 Jahre) oder sogar für jeden Geburtsjahrgang – ggf. differenziert nach männlich und weiblich – vor, dann kann zum Zeitpunkt t1 der Bestand in den Altersbereichen sowie in Bezug auf ein kalendarisches Alter (z. B. für die 10 Jährigen) zu t0 bestimmt werden. Zudem kann die Entwicklung in einer Alterskohorte im Zeitverlauf von t0 zu t1 beobachtet werden. Zur Beobachtung der Alterskohorten bedarf es allerdings einer Datenerhebung nach Altersjahrgängen, die noch nicht überall praktiziert wird. Daten aus einem regionalen Sportbund in Rheinland-Pfalz (RLP) deuten zudem darauf hin, dass bei der Einführung der Datenerhebung nach Altersjahrgängen die jahrgangsspezifische Datenqualität nicht sofort ausreichend gewesen zu sein scheint.

In Abb. 1 sind die altersspezifischen Salden von Eintritten und Austritten in einem regionalen Sportbund in RLP im arithmetischen Mittel der Jahre 2018 und 2019 denen von 2020 gegenübergestellt. Erkennbar sind die im Vergleich zu den Vorjahren deutlich geringeren Gewinne bei den Kindern bis 9 Jahre. Während vor der Pandemie die Verluste ab einem Alter von 10 Jahren eintraten, traten 2020 bereits bei den 9‑Jährigen mehr aus als ein. Die leicht positiven Salden bei den 30- bis 40-Jährigen, die auch mit der Gewinnung von Kindern im Zusammenhang stehen könnten (Familienmitgliedschaften), werden 2020 nicht mehr erreicht. Im Vergleich zu den klar verringerten Salden im Kinderbereich sind die Abweichungen in der Mitgliederentwicklung bei den Erwachsenen jedoch deutlich geringer.

Abb. 1
figure 1

Altersspezifische pandemiebedingte Sondereffekte bei der Mitgliederentwicklung in einem regionalen Sportbund in RLP. Die rote Fläche verdeutlicht die Mitgliederverluste des Jahres 2020 im Vergleich zu den Vorjahren

Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei der Mitgliederentwicklung in anderen Sportbünden. So wird z. B. in einem Stadtsportbund in Nordrhein-Westfalen (NRW) im Vergleich zu den Vorjahren deutlich, dass es einen etwas größeren Effekt bei den Älteren gibt, was auf einen Wegfall von Gesundheits- und Präventionsangeboten hindeutet. Ein bedeutsamer Vorteil für Managemententscheidungen von Vereinen ergibt sich, wenn die Mitgliedszahlen einzelner Vereine miteinander verglichen oder auch auf beliebigen sportartübergreifenden oder sportartspezifischen Aggregationsstufen analysiert werden, was mit den Bestandsdaten mit wenig Aufwand möglich ist, aber aktuell kaum geschieht. So könnten beispielsweise die Mitgliederdaten und deren Entwicklung zwischen zwei oder mehr Sportkreisen als aggregierte jahrgangsspezifische Mitgliederdaten der Sportvereine dieser Sportkreise Auskunft über Differenzen in den Organisationsgraden der jeweiligen Altersbereiche geben. Zudem ließen sich interessierende Jahrgänge bzw. Jahrgangsintervalle im Zeitverlauf beobachten, um Interventionsstrategien bei besonders geringen oder zurückgehenden Organisationsgraden zu entwickeln. Vergleichbares gilt für sportartspezifische Betrachtungen, bei denen auch die Entwicklung der Altersverteilung im Zeitverlauf im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung sowie die Entwicklung der Wettkampfpassinhaber*innen von besonderem Interesse sein müssten, um Alterungsprozesse in der Gruppe der Aktiven und/oder Inaktiven einer Sportart erfassen zu können.

Die skizzierten Aggregationsmöglichkeiten geben die Folgen individueller Handlungen – konkret von Entscheidungen zum Eintritt, zum Verbleib oder zum Austritt aus Sportvereinen – oder die Verlängerung bzw. Nichtverlängerung von Wettkampflizenzen wieder. Allerdings ist der Rückschluss von einer aggregierten Meso- oder Makroebene auf die ursächlichen individuellen Entscheidungsprozesse (Disaggregation) zur Mitgliedschaft oder Wettkampfteilnahme mit hoher Unsicherheit behaftet, da die Gefahr eines ökologischen Fehlschlusses besteht, wenn aufgrund von Ergebnissen, die anhand von Aggregateinheiten gewonnen wurden, auf Eigenschaften der Individuen in diesen Aggregateinheiten geschlossen wird. Darüber hinaus haben individuelle Entscheidungen u. a. Rückwirkungen auf andere individuelle Entscheidungen, so dass komplexe Rückkopplungsprozesse individuelle Entscheidungen beeinflussen. Interventionsstrategien von Vereinen zur Mitgliedergewinnung und -bindung lassen sich daher nicht deduktiv aus Mitgliederentwicklungen ableiten.

Die reinen Mitgliedersalden berücksichtigen allerdings nicht die Größe der Gruppen, aus denen die Mitglieder gewonnen werden. Diese Größe schwankt entsprechend der örtlichen Geburtenraten sowie der Zu- und Abwanderungen. Daher gibt der Organisationsgrad den Erfolg der Mitgliedergewinnung und -bindung in den einzelnen Altersgruppen wieder. Als Bezugsgröße kann dabei die Wohnbevölkerung im zu betrachtenden Gebiet angesehen werden, auch wenn dabei die Aus- und Einpendlerströme in Sportvereine im Betrachtungsgebiet bzw. zu Sportvereinen außerhalb des Betrachtungsgebietes vernachlässigt werden. Abb. 2 zeigt den alters- und geschlechtsspezifischen Organisationsgrad in einem Stadtsportbund in NRW im Jahr 2021. Dieser steigt bis zu einem Alter von 13 Jahren (Jungen) bzw. 12 Jahren (Mädchen) auf einen Anteil von 88 % bzw. 70 % Vereinsmitgliedschaften im Verhältnis zur jeweiligen Jahrgangsgröße, um sich danach innerhalb von zehn Jahrgängen auf gut 15 % bzw. 20 % zu reduzieren. Der danach leichte Anstieg auf rund 20 % bzw. 25 % zeigt sich stabil ab einem Alter von ca. 40 Jahren. Diese Analysen lassen sich auch im Zeitverlauf für einen Jahrgang über verschiedene Lebensalter hinweg oder sportartenspezifisch durchführen und zeigen je Sportart charakteristische Verläufe. So ist beispielsweise in einem Fußball-Landesverband der Zuwachs an Mannschaften mit der D‑Jugend bei den Jungen und je nach Saison bei den Mädchen mit der C‑ oder B‑Jugend abgeschlossen, danach sinkt deren Zahl kontinuierlich.

Abb. 2
figure 2

Altersspezifischer Organisationsgrad in einem Stadtsportbund in NRW

Während Abb. 2 den Organisationsgrad für jedes Lebensjahr darstellt, finden sich auch Angaben zu Mitgliederzahlen bzw. zum Organisationsgrad in bestimmten Altersbereichen (z. B. 0‑ bis 6‑Jährige; 7‑ bis 14-Jährige). In derartigen Fällen bedarf es insbesondere bei unterschiedlichen Klassenbreiten sowie im Kinder- und Jugendbereich besonderer Aufmerksamkeit bei der Interpretation von Veränderungen, da sich Stromgrößen und Bestandsgrößen mischen. Wenn beispielsweise beim oben dargestellten Stadtsportbund beim Vergleich der Mitgliederdaten von 2019 zu 2020 im Altersbereich von 0 bis 6 Jahren ein Rückgang von 4,1 %, bei den 7‑ bis 14-Jährigen von 4,6 % und bei den 15- bis 18-Jährigen von 0,8 % zu verzeichnen ist (Tab. 1), dann betrug 2019 der Anteil der 6‑Jährigen in der Gruppe der 0‑ bis 6‑Jährigen 26,6 %, die der 14-Jährigen in der Gruppe der 7‑ bis 14-Jährigen 12,5 % und in der Gruppe der 15- bis 18-Jährigen die der 18-Jährigen 19,5 %. Ohne Ein- und Austritte von 2019 zu 2020, also ohne Stromgrößen, würden die Bestandsgrößen des Altersbereichs 0 bis 6 Jahre um 26,6 %, bei den 7‑ bis 14-Jährigen um 3,6 % sinken und die der 15- bis 18-Jährigen um 11,4 % steigen. Nun beträgt der Verlust bei den 0‑ bis 6‑Jährigen nicht 26,6 %, sondern lediglich 4,1 % und bei den 7‑ bis 14-Jährigen statt 3,6 % nun 4,6 %. Der erwarteten Steigerung bei den 15- bis 18-Jährigen von 11,4 % steht ein tatsächlicher Verlust von 0,8 % gegenüber. Die Interpretation, dass die pandemiebedingten Probleme vor allem den Altersbereich bis einschließlich 14 Jahre betreffen, ist vor diesem Hintergrund nicht zu halten. Eine solche stromgrößenbasierte Analyse ist nach unserer Kenntnis in keinem Reporting zur Entwicklung von Mitgliederzahlen enthalten.

Tab. 1 Altersspezifischer Organisationsgrad in einem Stadtsportbund in NRW

Geburten- und Prävalenzrate als Prädikator für Mitgliederentwicklungen

Die Geburtenrate ermöglicht ab einer genügend großen Aggregationsebene eine gute Prognose über die Mitgliederentwicklung in einem Betrachtungsgebiet. Rein statistisch ergibt sich für einen regionalen Sportbund in RLP ein Zusammenhang von r = 0,97 zwischen der kumulierten Anzahl der Geburten und der zeitversetzen Zahl der Mitglieder bei den 0‑ bis 6‑Jährigen (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Zusammenhang zwischen Geburtenentwicklung und Mitgliedszahlen bei den 0‑ bis 6‑Jährigen in einem regionalen Sportbund in RLP

Ähnlich stark ist der zeitversetze Zusammenhang (r = 0,95) zwischen der Anzahl der Geburten und der Zahl der F‑Jugendmannschaften in einem Fußball-Landesverband.

Geburtenraten eignen sich für die Prognose von Mitglieder- und Mannschaftszahlen im Kinderbereich auf lokaler und regionaler Ebene zum Teil besser als Prognosedaten aus der Bevölkerungsstatistik bzw. die Fortschreibung der Entwicklung aus einer vorangegangenen Periode. Dagegen bieten dynamisierte sportart- und/oder altersspezifische Prävalenzraten zusammen mit der (aggregierten) Mitgliederentwicklung der Vorperioden die Grundlage für die Prognose von Mitglieder- und Mannschaftsentwicklungen im Jugend- und Erwachsenenbereich. Diese fangen zudem Zuwanderungs- und Urbanisierungsaspekte ein, da sich diese in der Regel nur selten in einem unvorhersehbaren Maße verändern und so bei externen Schocks auch eine solide Abschätzung von deren Wirkungen auf Mitglieder- und Mannschaftszahlen ermöglichen. Zur Abschätzung der pandemiebedingten Veränderungen in der Mitglieder- bzw. der Mannschaftsentwicklung bei Kindern und Jugendlichen können geburtenbasierte Prognosen für die Jahre 2020 und 2021 mit der tatsächlichen Mitgliederentwicklung abgeglichen werden. So sollte auch der Erfolg von aktuell in der Diskussion stehenden Kampagnen zur Gewinnung von Kindern und Jugendlichen für die Sportvereine zu evaluieren sein.

Übergangsraten als managementfähige Steuerungsgröße

Neben der Mitgliederentwicklung eignen sich insbesondere Mannschaftszahlen als Kenngrößen für die Entwicklung eines Sportverbandes. Während die Mannschaftszahlen in den ersten Jahren der Mannschaftsbildung sehr stark von den Geburtenraten determiniert werden, führen negative Mitgliedersalden nachfolgend zu Konzentrationsprozessen, in deren Folge die Anzahl der Mannschaften sinkt. Dieser Prozess beginnt auf Vereinsebene und führt aggregiert zur Gewinnung von Übergangsraten zwischen verschiedenen Jahrgängen sowie zur Sichtbarkeit unterschiedlicher Erfolge bei der Weiterführung von Mannschaften aus unteren in höhere Altersbereiche. So wird beim Vergleich von vier strukturell vergleichbaren Fußballkreisen in einem anderen Fußball-Landesverband entsprechend Tab. 2 deutlich, dass die Kreise in den verschiedenen Altersbereichen unterschiedlich große Schwierigkeiten haben, ihre Mannschaftszahlen zu halten. Im Fußballkreis C führt der Verlust von mehr als der Hälfte der Mannschaften beim Übergang von der D‑ zur C‑Jugend – bei dem auch noch der Übergang vom Klein- auf das Großfeld und damit eine gestiegene Spielerzahl pro Mannschaft zu berücksichtigen ist – dazu, dass von 100 Mannschaften der E‑Jugend nur noch 21 Mannschaften in der A‑Jugend übrigbleiben. Kombiniert mit Daten zur Mitgliederentwicklung und den Spielberechtigungen lassen sich sehr genaue Interventionen ableiten, die auf den Best Practices erfolgreicher Vereine, Kreise oder Landesverbänden basieren können.

Tab. 2 Übergangsraten von Mannschaften von der F‑ bis zur A‑Jugend in vier ausgewählten Fußballkreisen eines Landesverbandes

Vereinsspezifische Prognosen zur Angebotssteuerung

Letztlich entscheidet die Attraktivität jedes einzelnen Sportvereins über die auf aggregierten Ebenen beobachtbare Mitgliederentwicklung ebenso wie über die Mannschaftszahlen bzw. Wettkampflizenzen. Die vereinsindividuellen Herausforderungen können durch einen Vergleich des konkreten Vereins mit einer Gruppe strukturähnlicher Vereine sowie mit einer Prognose der Mitgliederentwicklung verdeutlicht werden.

Schreibt man die Mitgliederentwicklung unter den aktuellen Bedingungen in die Zukunft fort, werden die Veränderungen in der Mitgliederstruktur deutlich. In einem Großsportverein mit bereits vor der Pandemie rückläufiger Mitgliederentwicklung drohen deutlich weniger Mitglieder in nahezu allen Jahrgängen. Insbesondere machen sich die aktuell fehlenden Mitglieder im mittleren Altersbereich in zehn Jahren bemerkbar. Zudem kann der Verlust, der aktuell noch stark vertretenen Älteren durch die nachrückenden Jahrgänge nicht aufgefangen werden (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Zehnjahresprognose der Mitgliederentwicklung eines Großsportvereins ohne zusätzliche Steuerungsinterventionen mit Erläuterungen zu demographischen Besonderheiten

Fazit

Mitgliederentwicklungen und deren Interpretation wird pandemiebedingt wieder stärkere Aufmerksamkeit zuteil. Die bisherige Konzentration auf den Vergleich von Mitgliederzahlen der Jahre 2019 und 2020 schöpft den in Bestands- und Stromgrößen enthaltenen Informationsgehalt nicht aus, kann die pandemiebedingten Folgen nicht von langfristigen Entwicklungen differenzieren, liefert nur wenige Informationen für zielgenaue Interventionsansätze und führt unter Umständen zu Fehlinterpretationen. Auch die sportwissenschaftliche Auseinandersetzung zu den Determinanten der Mitgliederentwicklung im organisierten Sport ist aktuell noch ein Desiderat.

Im Kurzbeitrag wurden Ansätze für ein systematisches Monitoring der Mitgliederentwicklung vorgestellt. Ein solches Monitoring würde die Ableitung von Interventionen auf Ebene des einzelnen Vereins und die Aggregation von Daten der Vereine für Sportverbände und Sportbünden von der lokalen über die regionale bis hin zur Bundesebene ermöglichen. Auf allen diesen Ebenen könnten Steuerungsansätze gewonnen und deren Wirkung später evaluiert werden.

Neben der Betrachtung von Mitgliederzahlen schlagen wir den Einbezug von Mannschaftszahlen bzw. von Wettkampfpässen vor und plädieren für die Prognose von Mitgliederentwicklungen auf der Grundlage von Geburtenzahlen. Die vorgestellten Ansätze beinhalten ihrerseits Ungenauigkeiten, die sich beispielsweise aus der Betrachtung von Mitgliedschaften statt von Mitgliedern auf aggregierter Ebene, der Vernachlässigung bei Differenzen zwischen Wohnort und Vereinsmitgliedschaft sowie der verfahrensbedingten Prognoseunsicherheit ergeben.