1 Einleitung

Im Sommer 2002 präsentierte die Kommission Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, nach ihrem Vorsitzenden Peter Hartz auch oft als „Hartz-Kommission“ bezeichnet, eine Reihe von Vorschlägen zur Neugestaltung der Arbeitsmarktpolitik. Die Ich-AG (Existenzgründungszuschuss, § 421l SGB  III) war eines der zentralen Instrumente, das im Rahmen dieser „Hartz-Reformen“ in den arbeitsmarktpolitischen Kanon aufgenommen wurde. In dreieinhalb Jahren wurden damit fast 400.000 ehemals arbeitslose Personen bei ihrem Schritt in die Selbständigkeit unterstützt – obwohl zeitgleich auch das seit langem bekannte Überbrückungsgeld (vormals § 57 SGB  III) weiterhin angeboten wurde. Anstatt sich gegenseitig Konkurrenz um mögliche Teilnehmer zu machen, ergänzten sich die beiden Programme vielmehr, indem sie unterschiedliche Personengruppen zur Existenzgründung aktivierten. Die anfänglich erwarteten Substitutionseffekte zwischen beiden Programmen traten nicht ein, sodass in den Jahren 2003 bis 2006 insgesamt mehr als eine Million vormals Arbeitsloser mit den beiden Instrumenten gefördert wurden.

Die Erfolgserwartungen im Hinblick auf den Existenzgründungszuschuss waren eher pessimistisch: Er galt in der öffentlichen Meinung als ein überflüssiges Instrument; befürchtet wurden vor allem Mitnahmeeffekte und aufgrund ihrer inhaltlichen Ausgestaltung traute man der Ich-AG im Vergleich zum Überbrückungsgeld kaum einen nennenswerten Fördererfolg zu. Diese Erwartungen haben sich bislang nicht bestätigt. Die im Rahmen der „Hartz-Evaluationen“ durchgeführten Untersuchungen fielen sowohl für das Überbrückungsgeld als auch für die Ich-AG überaus positiv aus: So hatten z. B. Teilnehmer beider Programme im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von nicht geförderten Arbeitslosen ca.  28 Monate nach Beginn der Förderung eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu sein und verfügten über ein höheres Erwerbseinkommen.Footnote 1 Allerdings blieben einige Fragen offen, da es bisher nur möglich war, Ich-AG-Gründer im dritten und damit letzten Jahr ihrer Förderphase zu interviewen. Anders als beim ÜberbrückungsgeldFootnote 2 liegen für dieses Instrument bislang also noch keine längerfristigen Einschätzungen zur Effektivität vor. Von besonderer politischer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob Frauen und geringer Qualifizierte, die sich weitaus häufiger für den Existenzgründungszuschuss entschieden, noch immer selbständig tätig sind und of sie mit ihren Unternehmungen existenzsichernde Einkommen erzielen können.

Das vorliegende Papier schließt diese Forschungslücke und gibt Aufschluss über den langfristigen Erfolg von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der beiden Förderprogramme knapp fünf Jahre nach der Gründung. Die Datengrundlage der Analysen bildet die im Sommer 2008 erhobene dritte Welle des mit der „Hartz-Evaluation“ begonnenen Längsschnitts von geförderten Gründer/innen aus dem dritten Quartal 2003. Ein Fokus der Untersuchung war der Verbleib der Individuen in Selbständigkeit (bzw. die Gründe für das Scheitern oder das Wechseln in abhängige Beschäftigung) und die daraus resultierenden Einkommen. Da frühere Untersuchungen aber auch deutlich gemacht haben, dass sich die Gründungen in beiden Programmen strukturell unterscheiden (vgl. Caliendo u. Kritikos 2009) – insbesondere auch im Hinblick auf die zusätzlichen Beschäftigungseffekte – wird auch dieser Aspekt beleuchtet.

Das Papier ist folgendermaßen gegliedert: In Abschn.  2 geben wir einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Existenzgründungsförderung für Arbeitslose in den vergangenen Jahren. Da die von uns untersuchten Programme zum 1.  August 2006 durch den neuen Gründungszuschuss ersetzt wurden, gehen wir auch kurz auf diese neue Form der Förderung ein. Daran anschließend beschreiben wir in Abschn.  3 das Erhebungsdesign des verwendeten Datensatzes und gehen dabei insbesondere auch auf die Methode zur Korrektur der Panelsterblichkeit ein. Abschnitt  4 untersucht die Nachhaltigkeit der geförderten Unternehmungen, bevor in Abschn.  5 die Effekte der Programme geschätzt werden. In Abschn.  6 fassen wir die Ergebnisse zusammen und geben einen Ausblick auf mögliche Handlungsoptionen im Hinblick auf die Gestaltung zukünftiger Förderung.

2 Existenzgründungsförderung für Arbeitslose – ein kurzer Rückblick

Mit Einführung der Ich-AG zum 1.  Januar 2003 standen gründungswilligen Arbeitslosen in Deutschland für einen Zeitraum von etwa dreieinhalb Jahren zwei Förderinstrumente zur Verfügung: das Überbrückungsgeld (ÜG) und der Existenzgründungszuschuss (ExGZ). Beim ÜG erhielten anspruchsberechtigte Personen (Bezieher von Lohnersatzleistungen sowie Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen) über eine Regelförderdauer von sechs Monaten einen Förderbetrag in Höhe der zuvor bezogenen Arbeitslosenunterstützung zuzüglich eines pauschalierten Sozialversicherungsbeitrages. Für ihre soziale Absicherung waren die neuen Selbständigen selbst verantwortlich. Der ExGZ, auf den der gleiche Personenkreis Anspruch hatte, wurde in abnehmender Höhe für maximal drei Jahre gewährt, solange das zu erwartende Jahreseinkommen EUR 25.000 nicht überschritt. Er war steuerfrei und betrug im ersten/zweiten/dritten Jahr monatlich EUR 600/360/240. Beim ExGZ stand die soziale Absicherung im Vordergrund. Neben der langen Förderdauer war während der Förderung die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtend vorgeschrieben. Darüber hinaus standen günstige Konditionen für die Kranken- und Pflegeversicherung zur Verfügung. Ob der ExGZ oder das ÜG für den Arbeitslosen günstiger war, hing von der Höhe der Arbeitslosenunterstützung, der steuerlichen Belastung des Haushalts und der erwarteten Arbeitslosigkeitsdauer ab.

Zum 1.  August 2006 wurden beide Programme durch den Gründungszuschuss (GZ) ersetzt, der in zwei Phasen geleistet wird: zunächst für neun Monate mit einem monatlichen Zuschuss in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes  I (ALG-I) zuzüglich EUR 300 zur sozialen Absicherung; anschließend können für weitere sechs Monate EUR 300 pro Monat zur sozialen Absicherung geleistet werden, wenn eine intensive Geschäftstätigkeit und hauptberufliche unternehmerische Aktivität nachgewiesen werden. Fördervoraussetzung sind eine Arbeitslosigkeitsmeldung, ein Restanspruch auf ALG-I von mindestens  90 Tagen, die Vorlage einer Tragfähigkeitsbescheinigung sowie „Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit“. Gefördert werden darüber hinaus nur Gründungen, die im Haupterwerb erfolgen. Bezüglich der sozialen Absicherung besteht keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, die weitere freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ist möglich (siehe Tabelle  9 im Anhang für eine synoptische Zusammenfassung der Förderkonditionen der drei Programme).

Die kurz- bis mittelfristigen Wirkungen von ÜG und ExGZ wurden im Rahmen der „Hartz-Evaluationen“ ausführlich untersucht. Caliendo et  al. (2007) fassen die wichtigsten Ergebnisse folgendermaßen zusammen:

  1. 1.

    Mit Einführung der Ich-AG im Jahr 2003 stieg die Zahl der geförderten Gründungen aus Arbeitslosigkeit auf ein nie gekanntes Niveau. Bis Mitte 2006 wurde insgesamt rund eine Million Gründungen gefördert, davon knapp 400.000 Ich-AGs.

  2. 2.

    Zugleich wurden Existenzgründer nach wie vor mit ÜG gefördert. Sie haben ein höheres Qualifikationsniveau als ExGZ-Geförderte und entsprechen viel eher den nichtgeförderten Gründern.

  3. 3.

    Mit dem ExGZ wurden Zielgruppen erreicht, die im Gründungsgeschehen zuvor unterrepräsentiert waren, wobei vor allem der hohe Frauenanteil auffällt.

  4. 4.

    Ein Großteil der Geförderten ist 28 Monate nach Gründung noch selbständig. Sowohl ÜG- als auch ExGZ-Geförderte sind deutlich seltener arbeitslos gemeldet als vergleichbare Nichtteilnehmer und erzielen ein deutlich höheres Erwerbseinkommen.

  5. 5.

    Das ÜG weist überdies eine positive monetäre Effizienz auf, d. h. die BA spart damit Kosten ein. Die monetäre Effizienz des ExGZ ist leicht negativ. Die Ich-AG zählt aber immer noch zu den vergleichsweise kostengünstigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen.

Des weiteren ist noch erwähnenswert, dass sich – je nach Förderprogramm – die Art der gegründeten Unternehmen stark unterscheidet und insbesondere auch die induzierten Beschäftigungseffekte (Caliendo u. Kritikos 2009). In ersten Überschlagsrechnungen zeigt Buscher (2006) jedoch, dass die Fördersumme pro Kopf tendenziell eher ansteigen dürfte. Eine Reduzierung der Gesamtkosten der Gründungsförderung, wie sie mit der Reform angestrebt wurde, käme damit allenfalls durch rückläufige Teilnehmerzahlen zustande. Der haushaltspolitische Erfolg würde mithin lediglich auf einer restriktiveren Förderpraxis anstatt auf einer Effizienzsteigerung beruhen. Zu einer ähnlich skeptischen Einschätzung führen auch die Plausibilitätsüberlegungen von Caliendo u. Kritikos (2009). Insbesondere von der degressiv ausgestalteten Transferentzugsrate werden negative Auswirkungen auf die Programmeffizienz erwartet. Das suboptimale Design des neuen Gründungszuschusses motiviere nicht zu einer frühzeitigen Gründung, sodass das Einsparpotenzial an Arbeitslosengeld  I verringert wird. Auch werden bei den Teilnehmern Selbstselektionseffekte erwartet: Wer früher mit dem Überbrückungsgeld gründete, der dürfte heute eher noch komfortablere Bedingungen vorfinden. Wer allerdings damals aufgrund der kurzen Förderdauer keine nachhaltige Gründung schaffte, dem kann auch eine um drei Monate längere Förderdauer kaum zu einem besseren Start verhelfen. Dagegen werden Gründerinnen und Gründer, die sich in der Vergangenheit für den Existenzgründungszuschuss zur Gründung einer Ich-AG entschieden, von den neuen Förderkonditionen deutlich weniger angesprochen.

Ein deutlicher Effekt lässt sich allerdings bereits in Abb.  1 ablesen: Die Zahl der geförderten Gründungen aus Arbeitslosigkeit ist mit Einführung des Gründungszuschusses stark zurückgegangen. Während in den den Jahren 2003 und 2005 knapp 250.000 Personen den Weg in die Selbständigkeit mithilfe der beiden Programme wagten – im „Ausnahmejahr“ 2004 gar 350.000 – gingen die Eintritte bereits im Jahr 2006 auf unter 200.000 zurück. Mit Einführung der neuen Grundsicherung für Arbeitslose (SGB  II) ab dem Jahr 2005 war es Langzeitarbeitslosen oder ehemaligen Empfängern von Arbeitslosenhilfe nicht mehr möglich, eines der beiden SGB-III-Instrumente in Anspruch zu nehmen. Stattdessen stand dieser Gruppe der Gründungsinteressierten ab sofort das Einstiegsgeld (§ 16b, SGB  II) als eine Ermessensleistung zur Verfügung. Im Jahr 2007 schließlich, also im ersten Jahr, in dem nur noch der Gründungszuschuss zur Verfügung stand, lag die Zahl der Eintritte mit fast 126.000 in etwa auf dem Niveau von 2002 (also vor Einführung der Ich-AG); hinzu kamen rund 31.000 Förderungen selbständiger Tätigkeit mit dem Einstiegsgeld. Im Jahr 2008 schließlich setzte sich der rückläufige Trend mit nur noch gut 119.000 Zugängen in den Gründungszuschuss weiter fort; zur gleichen Zeit wurdem im Rechtskreis SGB  II mit dem Einstiegsgeld noch knapp 23.000 Gründungen unterstützt.

Abb.  1
figure 1

Eintritte in Maßnahmen der Existenzgründungsförderung, 1994–2007 (in Tsd.)

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Werte für 2007 vorläufig. GZ beinhaltet auch Eintritte in das Einstiegsgeld, Variante Selbständigkeit

3 Datengrundlagen und Korrektur der Panelsterblichkeit

Die nachfolgenden Analysen basieren auf Interviews die als Fortsetzung des mit der „Hartz-Evaluation“ begonnenen Längsschnitts im Mai/JuniFootnote 3 2008 durchgeführt wurden. Als Grundlage für die „Hartz-Evaluation“ wurden administrative Daten der Bundesagentur für Arbeit zu Eintritten in ÜG und Ich-AG aus dem dritten Quartal 2003 verwendet. Insgesamt standen in diesem Quartal ca.  68.000 Eintritte in beide Programme zur Verfügung. Um eine zeitnahe und valide Verbleibsinformation und vertiefende Informationen in Bezug auf die Selbständigkeit zu erhalten, wurde aus diesen Gesamteintritten eine Zufallsstichprobe von Teilnehmern ausgewählt, die zunächst im ersten Quartal 2005 in einem telefonischen Kurzinterview befragt wurde. Die repräsentative Stichprobe umfasste etwa 3.000 Teilnehmer je Maßnahme und deren Erwerbsverlauf konnte für einen Zeitraum von mindestens 16 Monaten nach Beginn der Förderung erfasst werden (siehe auch Abb.  4 im Anhang).

Um die mittelfristige Nachhaltigkeit der Programme zu untersuchen, wurde ein Teil dieser Personen (etwa 73%) im ersten Quartal 2006 – also mindestens 28 Monate nach Beginn der Förderung – nochmals befragt. Während zu diesem Zeitpunkt die Förderung für die Überbrückungsgeldempfänger schon lange ausgelaufen war (mindestens 22 Monate), dauerte sie für die Empfänger des Existenzgründungszuschusses noch an. Um dieses Manko zu beheben und die langfristigen Effekte der Gründungsförderung untersuchen zu können, erfolgte im Mai/Juni 2008 eine dritte Erhebungswelle, die es uns nun erlaubt, den Erwerbsstatus der geförderten Personen und die Unternehmensentwicklung für einen Zeitraum von mindestens 56 Monaten zu verfolgen.

Tabelle  1 verdeutlicht, dass zum dritten Befragungszeitpunkt 2.817 Interviews mit ehemaligen Teilnehmer/innen realisiert werden konnten; darunter 1.351 ehemalige Ich-AG-Teilnehmer/innen und 1.466 ehemalige ÜG-Teilnehmer/innen. Dies entspricht etwa 46% der ursprünglich befragten Teilnehmer. Von den Nichtteilnehmer/innen – die im dritten Quartal 2003 in keines der Programme eingetreten waren und als Kontrollgruppe in den Kausalanalysen verwendet werden – konnten noch knapp 40% zu ihrem Erwerbsstatus in der dritten Welle befragt werden.

Tabelle 1 Realisierte Interviews

Die Ausfälle bei den realisierten Interviews basieren hauptsächlich auf durch einen Umzug bedingte falsche Telefonnummern/Kontaktadressen oder Verweigerung bzw. anderweitiger Nichterreichung der Adressaten. Mittels einer Selektivitätsanalyse wird daher untersucht, ob die Panelsterblichkeit einen Einfluss auf die beobachteten Ergebnisvariablen hat. Ausgangspunkt ist dabei der erste Befragungszeitpunkt (t  \( = \)  1), zu dem alle Personen \( (i=1,\ldots,N) \) beobachtet werden und Informationen für die gesamte Stichprobe vorliegen; die Ergebnisse \( (y_{it}) \) sind dann repräsentativ für \( t=1 \). Zum zweiten Befragungszeitpunkt (t  \( = \)  2) wird \( y_{it} \) nur noch für eine Teilstichprobe s i2  \( = \)  1 beobachtet. Falls nun \( y_{i2} \) unabhängig von \( s_{i2} \) ist, liegen keine Selektionseffekte aufgrund von Panelsterblichkeit vor. Dies kann nicht direkt getestet werden, da \( y_{i2} \) nicht für s i2  \( = \)  0 beobachtbar ist. Deshalb wird untersucht, ob bereits signifikante Unterschiede in den Ergebnisvariablen in t  \( = \)  1 für beide Teilstichproben vorliegen, d. h. ob \( (y_{i1} \vert s_{i2}=1) \neq (y_{i1} \vert s_{i2}=0) \).SolltediesderFall sein, sind allgemein gültige Aussagen für die repräsentative Stichprobe in \( t=1 \) aufgrund der beobachtbaren Werte der Teilstichprobe s i2  \( = \)  1 nicht ohne Weiteres möglich. Ein einfacher Test sei anhand der Erfolgsvariable „Nichtarbeitslosigkeit“ für ExGZ-Gründer in Westdeutschland erläutert (siehe Abb.  2): Von den ursprünglich 1116 männlichen ExGZ-Gründern nehmen 486 Männer durchgehend bis zur dritten Befragung teil, während 305 nach der ersten Befragung und 325 nach der zweiten Befragung ausgeschieden sind. Vergleicht man nun die „Nichtarbeitslosigkeitsquote“ der 486 Männer (gestrichelte Linie in der Abbildung) mit den restlichen Beobachtungen (graue Linie in der Abbildung), zeigt sich, dass die Anteile für „überlebende“ bzw. „austretende“ Männer zum zweiten Interviewzeitpunkt (nach 28 Monaten) signifikant voneinander abweichen.Footnote 4

Abb.  2
figure 2

Korrektur für Panelmortalität am Beispiel der Erfolgsvariable „Nichtarbeitslosigkeit“

Anmerkung: „Nichtarbeitslosigkeit“ schließt ebenfalls eine Teilnahme an Programmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik aus.

Um dies zu korrigieren, wird nachfolgend ein auf der inversen sequenziellen Teilnahmewahrscheinlichkeit basierendes Gewichtungsverfahren verwendet. Unter der Annahme, dass der Selektionsprozess aufgrund von beobachtbaren Charakteristika \( (x_{it} \) für t  \( = \)  0, 1, 2) erfolgt, ist dieses Verfahren \( \sqrt{N} \)-konsistent (Wooldridge 2002). Sequenziell bedeutet hier, dass eine Person nur an der dritten Befragung teilnehmen kann, wenn sie bereits an der zweiten teilgenommen hat. Um dies zu berücksichtigen, wird in einem ersten Schritt die Wahrscheinlichkeit geschätzt, an dem zweiten Interview teilzunehmen \( (\hat{p}_{i2} = P (s_{i2} = 1 \vert x_{i0}, x_{i1})); \) anschließend wird die Wahrscheinlichkeit geschätzt, am dritten Interview teilzunehmen \( (\hat{p}_{i3} = P (s_{i3} = 1 \vert x_{i0}, x_{i2}, s_{i2} = 1)) \) und das Produkt beider Wahrscheinlichkeiten ergibt die sequenzielle Wahrscheinlichkeit \( \hat{p}_{i} \), durchgehend bis zur dritten Befragung teilzunehmen:

$$ \hat{p}_{i} = \prod_{t=2}^{3} \hat{p}_{it} \,.{} $$
(1)

Anschließend wird der beobachtete Wert \( y_{i3} \) zum dritten Interview mit der inversen Teilnahmewahrscheinlichkeit \( \hat{p}_i \) gewichtet:

$$ \hat{y}_i = \frac{N \hat{w}_i}{\sum_{i=1}^{N}\hat{w}_i} (y_{i3} \vert s_{i2} = 1,s_{i3} = 1)\,, \quad {\text{mit}} \quad \hat{w}_i = \frac{s_{i3}}{\hat{p}_i} \,.{} $$
(2)

Die korrigierte „Nichtarbeitslosigkeitsquote“ (durchgezogene Linie) ist ebenfalls in Abb.  2 eingezeichnet. Es zeigt sich, dass die durchgehende Teilnahme an allen drei Befragungen im Hinblick auf den Anteil der „Nichtarbeitslosen“ positiv selektiv ist, d. h. die „Nichtarbeitslosigkeitsquote“ für diese Personen ist durchgängig höher (gestrichelte Linie). Für diese positive Selektion der „überlebenden“ Personen korrigieren wir durch die Gewichtung mit der inversen Teilnahmewahrscheinlichkeit. Der korrigierte Wert liegt in unserem Beispiel unterhalb des beobachteten Werts in der dritten und teilweise auch der zweiten Welle, da wir mit der sequenziellen Teilnahmewahrscheinlichkeit gewichten und somit auch potenzielle Selektionen von der ersten zur zweiten Welle berücksichtigen. Die nachfolgenden Tabellen im Abschn.  4 enthalten mitsamt die um die Panelmortalität korrigierten Werte.

4 Nachhaltigkeit der Existenzgründung

4.1 Verbleib in Selbständigkeit

Das einfachste Kriterium für den Erfolg einer geförderten Gründung ist zunächst ihr Fortbestehen am Markt. Dabei ist der Zeitraum, nach dem die Förderung ausgelaufen ist, von besonderem Interesse. Während dies für die untersuchten Gründer mit dem Überbrückungsgeld schon nach maximal sechs Monaten der Fall war, bezogen die meisten ExGZ-Gründer zum letzten Interviewzeitpunkt noch Zuschüsse. Auch wenn diese Zuschüsse (EUR 240 pro Monat im dritten Jahr der Förderung) relativ gering und zudem partiell zweckgebunden waren (gesetzliche Rentenversicherung), kann hier mit einem weiteren Rückgang der Selbständigenquote gerechnet werden. Für die ÜG-Gründer/innen erwarten wir hingegen keine größeren Rückgänge mehr.

Tabelle  2 zeigt den Erwerbsstatus zum zweiten und dritten Interviewzeitpunkt.Footnote 5 Schaut man zunächst auf die ÜG-Gründer/innen in Westdeutschland, wird deutlich, dass der Rückgang in den knapp zweieinhalb Jahren seit dem letzten Interview in der Tat recht gering war. Insgesamt liegt die Selbständigenquote immer noch bei 67% für Frauen und bei 68% für Männer; ostdeutsche Männer weisen gar eine Quote von 70% auf. Der Rückgang betrug somit maximal 3,6%-Punkte und für Männer in Ostdeutschland und Frauen in Westdeutschland kann sogar eine leichte Steigerung der Selbständigenquote – die auf sogenannte Wiedergründer zurückgeführt werden kann – konstatiert werden. Einen starken Rückgang weisen allerdings Frauen in Ostdeutschland auf, deren Selbständigenquote von 67,9 auf 56,4% absinkt. Dieser Rückgang ist unerwartet hochFootnote 6 und durchaus mit dem bei den ExGZ-Gründer/innen zu vergleichen. Hier fallen die Quoten in Westdeutschland auf rund 60% (−8% für Männer und −13% für Frauen) und in Ostdeutschland gibt es einen Rückgang von ca. 15%-Punkten für Männer (auf 62,9%) und 17%-Punkten für Frauen (auf 57,1%). Offenbar war also doch ein Teil der Gründer/innen vom Zuschuss abhängig und hat nach dessen Auslaufen die Selbständigkeit beendet. Ruft man sich aber das übergeordnete Ziel arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen in Erinnerung – die Integration Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt – ist nicht jede Beendigung der Selbständigkeit als Misserfolg zu werten. Der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Gruppe der ehemaligen ExGZ-Geförderten steigt um gut 10%-Punkte (teilweise 15%-Punkte) an, sodass sich insgesamt eine Erwerbsquote von 76–83% ergibt, die Arbeitslosenquote beträgt zwischen 8–12%.Footnote 7 Bei den ehemaligen ÜG-Empfängern liegt die Quote der inzwischen abhängig Beschäftigten konstant über 20%, die Arbeitslosenquote ist entsprechend niedriger.

Tabelle 2 Erwerbsstatus zum jeweiligen Interviewzeitpunkt

Um die Überlebensraten der geförderten Gründungen knapp fünf Jahre nach dem Start besser einordnen zu können, wollen wir an dieser Stelle kurz auf die Ergebnisse einiger anderer Verbleibsuntersuchungen eingehen. Vorab sei allerdings darauf hingewiesen, dass ein Vergleich der Studien aufgrund der unterschiedlichen Personen/gegründeten Unternehmen/Zeiträume etc. schwierig ist und keine kausalen Differenzen interpretiert werden können. Frühe Evidenz langfristiger Verbleibsuntersuchungen findet sich in Brüderl et  al. (1996), die aufbauend auf der im Jahre 1990 durchgeführten „Münchner Gründerstudie“ berichten, dass fünf Jahre nach der Gründung noch 66% der untersuchten Betriebe (Gewerbeanmeldungen der Jahre 1985/86 im Kammerbezirk der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern) aktiv waren. Fertala (2008) verwendet ebenfalls Registerdaten der Industrie- und Handelskammer München (An- und Abmeldungen bei der IHK zwischen 1997 und 2004). Der Median der Lebensdauer der insgesamt 117.423 in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen lag bei ca. vier Jahren und fünf Monaten; nach diesem Zeitraum war also die Hälfte der Registereinträge wieder abgemeldet worden. Zum Ende des Untersuchungszeitraumes war noch ein gutes Drittel der Unternehmen am Markt aktiv. Einen Beobachtungszeitraum von ebenfalls rund fünf Jahren konnte Wießner (2003) bei einer telefonischen Wiederholungsbefragung von Überbrückungsgeldempfängern realisieren; er berichtet von Überlebensraten der geförderten Gründungen in einem Korridor zwischen 53 und 69%. Fritsch u. Weyh (2006) nutzen die Betriebsdatei der Beschäftigtenstatistik der Bundesanstalt für Arbeit und können so Startkohorten von Betrieben von 1984–2000 identifzieren, die mindestens einen Beschäftigen haben. Die Überlebensrate liegt hier nach zwei Jahren bei gut 63% und nach fünf Jahren bei knapp 48%. Mit Daten des verarbeitenden Sektors im Land Baden-Württemberg untersucht Strotmann (2007) Neugründungen aus den Jahren 1981 bis 1984 mit jährlichen Abgleichen bis zum Jahr 1994. Somit sind Verweildaueranalysen mit einem Beobachtungszeitraum von teilweise zwölf Jahren möglich. Dabei zeigt sich, dass etwa ein Fünftel der Unternehmen bereits innerhalb der ersten zwei Jahre wieder ausschied. Nach fünf Jahren hatte sich dieser Anteil verdoppelt und nach zehn Jahren war nur noch weniger als die Hälfte der Unternehmen am Markt aktiv. Ähnlich wie Knaup u. Paizza (2007) für die USA findet auch Strotmann (2007) im Zeitverlauf abnehmende Hazardraten; Marktaustritte verlangsamen sich im Laufe der Zeit, und wer das vierte Jahr überstanden hatte, hatte zugleich gute Chancen, auch weiterhin am Markt bestehen zu können. Ein ähnliches Muster können wir auch für die hier untersuchten ÜG-Empfänger/innen nachweisen, allerdings scheint der kritische Zeitpunkt hier schon früher zu liegen. Bereits knapp eineinhalb Jahre nach Gründung sind 30% der ursprünglich gestarteten Unternehmen nicht mehr am Markt vertreten; dafür sinkt die Quote in den folgenden drei Jahren nur noch geringfügig. Bei den mit ExGZ geförderten Gründungen kommt es hingegen zu einem stetigeren Rückgang; die Verbleibsquote von rund 60% nach knapp fünf Jahren ist aber immer noch vergleichsweise hoch.

4.2 Umfang der Selbständigkeit und Einkommensentwicklung

Im vorangegangen Abschnitt haben wir uns auf die Verbleibsquote in Selbständigkeit konzentriert. Dabei blieb zunächst unberücksichtigt, ob die Selbständigkeit in Voll- oder Teilzeit oder „nur“ als Zuverdienst ausgeübt wird. Bevor wir daher auf die aus der Selbständigkeit resultierenden Einkommen eingehen, widmen wir uns zunächst dieser Frage. Basierend auf den Angaben zur wöchentlichen Arbeitszeit, haben wir die Selbständigen in drei Gruppen eingeteilt: 1)  Vollzeitselbständige mit 35 oder mehr Stunden pro Woche, 2)  Teilzeitselbständige die zwischen 15 und 34 Stunden pro Woche arbeiten und schließlich 3)  Zuverdienstselbständige die weniger als 15 Stunden pro Woche mit ihrer Selbständigkeit beschäftigt sind. Bei dieser Einteilung gehen wir davon aus, dass die tatsächliche Arbeitszeit der gewünschten entspricht und keine nachfrageseitigen Restriktionen bestehen. Abbildung  5 (im Anhang) zeigt die Verteilung der Selbständigen auf die drei verschiedenen Gruppen (und zum Vergleich auch die Verteilung bei den Nichtteilnehmer/innen).

Zunächst wird deutlich, dass knapp 90% aller Männer ihre Selbständigkeit in Vollzeit ausüben und nur zwischen  4 und  7% einer Teilzeitselbständigkeit nachgehen. Dies entspricht in etwa der Relation bei den Nichtteilnehmern. Eine Ausnahme bilden mit dem ExGZ geförderte Männer in Westdeutschland, von denen 76% Voll- und 17% Teilzeit arbeiten. Dies könnte auf ungenügende Einkommen in dieser Gruppe hindeuten. Bei Frauen ist die Teilzeitquote in der Gruppe der Selbständigen (aber auch in der Kontrollgruppe) deutlich höher. Während aber in Ostdeutschland trotzdem knapp 90% der mit ExGZ oder ÜG geförderten Frauen in Voll- oder Teilzeit arbeiten, ist diese Quote für Frauen in Westdeutschland deutlich niedriger. Hier geben zwischen  15 und  20% der Frauen an, ihre Selbständigkeit mit einem Zeitaufwand von weniger als  15 Stunden pro Woche zu betreiben; in der Kontrollgruppe geben jeweils ca.  5% diesen Stundenumfang an.

Tabelle  3 gibt die Selbständigenquote (vgl. Tabelle  2) nochmal aufgeschlüsselt nach Vollzeit-, Teilzeit- und Zuverdienstselbständigkeit an; darüber hinaus weisen wir eine „korrigierte Selbständigenquote“ aus, bei der selbständige Personen im Zuverdienst nicht berücksichtigt werden.

Tabelle 3 Korrigierte Selbständigenquote (ohne Zuverdienstselbständigkeit)

Während diese Korrektur für Männer durchweg kaum Auswirkungen hat, ergeben sich für Frauen teilweise deutlich niedrigere Quoten. Ehemals mit ExGZ geförderte Frauen weisen dann noch eine Selbständigenquote von 47% (West) und 50% (Ost) auf, beim ÜG liegt die Quote zwischen 57% (West) und 53% (Ost). Nichtsdestotrotz sind diese Quoten noch relativ hoch; Vergleiche mit den im vorigen Abschnitt genannten Studien sind unseres Wissens nach nicht möglich, da dieser Aspekt dort nicht thematisiert wird. Insgesamt kann also konstatiert werden, dass der überwiegende Teil der ehemaligen Teilnehmer/innen auch knapp fünf Jahre nach Start der Unternehmung in Selbständigkeit verbleibt.

Tabelle  4 enthält das erzielte Nettoeinkommen in allen Gruppen; insgesamt und aufgeschlüsselt nach Arbeitszeitgruppen. Dabei ergeben sich einige Gruppen mit sehr geringen Fallzahlen, die mit gebotener Vorsicht interpretiert werden müssen (Gruppen mit weniger als 15 Beobachtungen werden nicht ausgewiesen). Es wird deutlich, dass Frauen in Westdeutschland, die ihre Selbständigkeit als Zuverdienst betreiben, ein Nettoeinkommen zwischen EUR 400 und EUR 500 pro Monat erzielen. Dies liegt in etwa auf dem Niveau von Minijobs und ähnlich wie dort sind die langfristigen Effekte dieser Entscheidung auf die Arbeitsmarktkarriere noch weitgehend ungeklärt. Es gibt eine Reihe von Studien, die untersuchen, ob geringfügige Beschäftigung Arbeitslosen den Übergang in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erleichtert („Stepping Stone“) oder sie durch reduziertes Suchverhalten vom regulären Arbeitsmarkt fernhält („Dead End“).Footnote 8 Überträgt man diese Gedanken bzw. Bedenken auf eine als Zuverdienst ausgeübte Selbständigkeit, könnten ähnliche Überlegungen angestellt werden; hierzu fehlen bislang allerdings empirische Untersuchungen.

Tabelle 4 Monatliches Nettoeinkommen aus Selbständigkeit

Tabelle  4 macht auch deutlich, dass Männer in Westdeutschland, die Vollzeit arbeiten, mit EUR 2.040 (ExGZ) bzw. EUR 2.680 (ÜG) die höchsten Einkommen erzielen, wobei der Median bei EUR 1.620 bzw. EUR 2.120 liegt. Darauf folgen Männer in Ostdeutschland und Frauen, die mit dem ÜG gefördert wurden. Natürlich können die Unterschiede zwischen den Gruppen hier nicht kausal interpretiert werden, da sie z. T. schlicht die unterschiedlichen Charakteristika der Teilnehmer/innen widerspiegeln. Im Vergleich zu den durchschnittlichen Nettoeinkommen in der gesamten ErwerbsbevölkerungFootnote 9 ergeben sich für ehemalige ÜG'ler höhere und ehemalige ExGZ'ler eher niedrigere Einkommen.

Um die Frage zu beantworten, inwieweit die generierten Einkommen auch tatsächlich zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausreichen, muss der gesamte Haushaltskontext in die Betrachtung einbezogen werden. Neben der Haushaltsgröße ist hier natürlich auch von Bedeutung, inwieweit weitere Haushaltsmitglieder zum verfügbaren Gesamteinkommen des Haushaltes beitragen. Um eine Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Haushaltstypen zu gewährleisten, verwenden wir das Konzept des „Äquivalenzeinkommens“. Dabei handelt es sich um ein bedarfgewichtetes Pro-Kopf-Haushaltseinkommen, das in Tabelle  5 neben dem Haushaltseinkommen und der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen dargestellt ist.

Tabelle 5 Haushaltseinkommen und Äquivalenzeinkommen für Vollzeitselbständige

Zur Beurteilung, ob die erzielten Äquivalenzeinkommen der Selbständigen existenzsichernd sind, vergleichen wir diese mit dem allgemeinen „Armutsgrenzwert“, d. h. 60% des nationalen medianen Äquivalenzeinkommen (siehe Dennis u. Guio 2003). Dementsprechend ergibt sich ein Armutsgrenzwert von EUR 895 für Westdeutschland und EUR 731 in Ostdeutschland.Footnote 10 Die Äquivalenzeinkommen (Mittelwert sowie Median) der Selbständigen liegen deutlich über den Armutsgrenzwerten. Für ehemalige Existenzgründungszuschuss-Bezieher/innen liegt das monatliche Äquivalenzeinkommen bei etwa EUR 2.000 (EUR 1.500 für Frauen in Ostdeutschland), während die ehemaligen ÜG-Empfänger/innen zwischen EUR 2.200–2.300 in Westdeutschland und ca. EUR 1.900 in Ostdeutschland zur Verfügung haben.Footnote 11 Insgesamt sind diese Einkommen also deutlich über dem Armutsgrenzwert und sind als existenzsichernd anzusehen; etwaige Erwartungen bzw. Befürchtungen, gerade in Bezug auf die geringen Einkommen die mit einer Ich-AG erzielt werden können, haben sich also nicht bestätigt.

Interessant ist auch ein Blick auf die relative Veränderung der Nettoeinkommen im Zeitverlauf. Tabelle  10 (im Anhang) zeigt die Entwicklung von 2004 bis 2005 bzw. 2005 bis 2007. So beobachten wir z. B. für 27,7% der mit ÜG geförderten Männer in Westdeutschland einen doppelten Anstieg, d. h. das Nettoeinkommen ist zu beiden Beobachtungszeitpunkten gestiegen. Insgesamt stieg das Einkommen für rund 40% der beobachteten Personen an, während es für 10% etwa gleich blieb und für rund 30% fiel.Footnote 12

4.3 Mitarbeiterentwicklung

Als ein weiterer Indikator für die Nachhaltigkeit der Existenzgründung kann die Anzahl der Mitarbeiter angesehen werden, die von den Gründer/-innen beschäftigt werden. Hier gab es bisher erhebliche Unterschiede zwischen beiden Programmen. Ich-AG-Gründer waren insgesamt viel zurückhaltender, was die Einstellung von Mitarbeitern betraf; der Anteil von Gründern mit Mitarbeitern war im Vergleich zum ÜG niedriger und dies traf ebenfalls auf die Anzahl der Mitarbeiter insgesamt zu.

Tabelle  6 macht deutlich, dass hier nach wie vor große Unterschiede bestehen. Der Anteil von ExGZ-Gründern mit Mitarbeitern ist von rund  10 auf rund  20% angestiegen. Dabei werden durchschnittlich zwischen 1,7–2,6 Mitarbeiter beschäftigt. Von den ÜG-Gründerinnen haben hingegen schon knapp 30% mindestens einen Mitarbeiter und im Durchschnitt werden 5,1 Mitarbeiter in Westdeutschland und 2,6 Mitarbeiter in Ostdeutschland beschäftigt. Den höchsten Mitarbeiteranteil haben mit ÜG geförderte Männer in Westdeutschland (mit 42% und durchschnittlich 4,7 Beschäftigten), gefolgt von Männern in Ostdeutschland (35% und 3,6 Beschäftigte im Durchschnitt). Vergleiche mit anderen Studien sind an dieser Stelle schwierig. Fritsch u. Weyh (2006) weisen für das Jahr 2002 (der unserer Studie am nächsten liegende Messpunkt) und dem ihrer Studie zugrundeliegendem Sample von Betrieben mit mindestens einem Mitarbeiter ca. 2,6 Beschäftigte pro Betrieb nach 1,5 Jahren aus. Dies entspricht in etwa den Beschäftigtenzahlen der ExGZ-Gründer.

Tabelle 6 Entwicklung der Mitarbeiterzahl

Tabelle  7 schlüsselt die Mitarbeiterstruktur detailliert auf. Es wird deutlich, dass bei ÜG-Gründer/innen in beiden Landesteilen und ExGZ-Gründer/innen im Osten fast durchgängig über 60% der Mitarbeiter/innen in einem sozialversicherungspflichtigen Voll- bzw. Teilzeitarbeitsverhältnis stehen. Bei ExGZ-Gründer/innen im Westen liegt dieser Anteil unter 50%, hier werden vorrangig freie Mitarbeiter und geringfügig Beschäftigte eingestellt. Um die gesamten Beschäftigungseffekte besser abschätzen zu können, werden in Tabelle  7 auch die Vollzeitäquivalente (VZÄ) ausgewiesen. Teilzeitarbeitsverhältnisse gehen dabei mit einem Gewicht von 0,5 in die Berechnung ein, „Minijobs“ und „Freie Mitarbeiter, Aushilfen“ mit jeweils 0,25. Die Unterschiede zwischen beiden Programmen werden hier noch deutlicher: Bei den mit ÜG erfolgten Gründungen werden 2,7–3,4 VZÄ beschäftigt; eine Ausnahme bilden Frauen in Ostdeutschland, die sich mit 1,5 VZÄ im Rahmen der ExGZ-Gründungen (1,1–1,8 VZÄ) bewegen.

Tabelle 7 Mitarbeiterstruktur und Zukunftsaussichten

Basierend auf diesen Werten kann ebenfalls hochgerechnet werden, wie viele zusätzliche VZÄ pro geförderte Gründung entstanden sind. Hierzu werden die VZÄ mit der Verbleibsquote in Selbständigkeit und dem Anteil der Gründungen mit mindestens einem Mitarbeiter multipliziert und auf die ursprüngliche Population der Gründer/innen aus dem dritten Quartal 2003 hochgerechnet. Den höchsten Wert erzielen mit ÜG geförderte Gründungen von Männern in Westdeutschland mit 0,95 VZÄ. Jede Gründung im dritten Quartal 2003 in dieser Gruppe hat also einen zusätzlichen Beschäftigungseffekt von 0,95 VZÄ am Ende unseres Beobachtungszeitraums generiert. Im Durchschnitt über alle Gruppen kommen auf 100.000 ÜG-Förderungen ca. 80.000 zusätzliche VZÄ; bei den ExGZ-Gründungen sind es knapp 16.000. Dies sind beachtliche gesamtwirtschaftliche Effekte, die bei etwaigen Effizienzbewertungen der Programme berücksichtigt werden müssen. Einschränkend sei darauf hingewiesen, dass denkbare negative Subsitituionseffekte (Verdrängung von nichtgeförderten Unternehmen) bei unseren Überschlagsrechnungen nicht berücksichtigt werden;Footnote 13 ebenso wenig wie mögliche positive Spill-over-Effekte.

Abschließend werfen wir noch einen Blick auf die Zukunftspläne der befragten Unternehmer. Dabei wird deutlich, dass von denjenigen Gründern, die bis dato noch keine Mitarbeiter beschäftigten, der überwiegende Anteil (72–89%) auch in Zukunft „eher keine“ bzw. „auf keinen Fall“ Mitarbeiter beschäftigen möchte. Nennenswerte zusätzliche Beschäftigungseffekte können daher in Zukunft wohl nur noch aus dem Mitarbeiterwachstum derjenigen Unternehmen resultieren, die auch schon in der Vergangenheit zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen haben. Die anderen werden wohl auch künftig „Solopreneure“ bleiben, also Ich-AGs im wörtlichen Sinne.

5 Maßnahmeneffekte auf Erwerbsquote und Einkommen

Zur Berechnung der Maßnahmeneffekte greifen wir auf den in Abschn.  3 beschriebenen Datensatz von Teilnehmern und Nichtteilnehmern zurück. Um für die Unterschiede zwischen den Gruppen zu kontrollieren, wurde im Rahmen der „Hartz-Evaluation“ ein statischer Nearest-Neighbour-Matching Ansatz verwendet:Footnote 14

$$ \tau_{\text{ATT}} = E(Y^1|W,D=1) - E_W [E(Y^0 \vert W,D = 0) \vert D = 1] \,.{} $$
(3)

Dabei wurde jedem Teilnehmer (D  \( = \)  1) ein Nichtteilnehmer (D  \( = \)  0) zugeordnet, der diesem in allen beobachtbaren Merkmalen \( (W) \) – die potenziell sowohl die individuelle Teilnahme an dem Programm als auch den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt beeinflussen – statistisch möglichst ähnlich ist. Diese „statistischen Pärchen“ wurden interviewt und die Maßnahmeneffekte \( \tau_{\text{ATT}} \) als deren Differenz in den Ergebnisvariablen \( (Y^1{\!}-Y^0) \) berechnet (siehe Caliendo et  al. 2005 für weitere Details). Die Definition von Teilnehmer- und Kontrollgruppe erfolgte dabei ausschließlich auf der Betrachtung des dritten Quartals 2003; Personen, die in diesem Quartal in eines der beiden Programme eingetreten waren, wurden der Teilnehmergruppe zugeordnet. Personen, die in diesem Quartal nicht in eines der beiden Programme eintraten, bildeten die Kontrollgruppe und konnten natürlich im weiteren Verlauf ihres Arbeitslosigkeitsspells in diese oder andere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen eintreten. Im Gegensatz zu dynamischen Matching-Verfahren (siehe u. a. Sianesi 2004; Fredriksson u. Johansson 2008, für eine Diskussion) wird dies bei dem von uns gewählten Verfahren nicht modelliert. Dadurch besteht die Gefahr, dass spätere Programmteilnahmen der Kontrollgruppe die Ergebnisse verzerren. Abbildung  6 im Anhang zeigt allerdings, dass dies über den gesamten Zeitverlauf nur für einen relativ geringen Teil der Kontrollgruppe zutrifft. In Westdeutschland nahmen im Zeitverlauf rund 15% der Männer und 14% der Frauen in der Kontrollgruppe an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme teil, in Ostdeutschland ist die Quote mit rund 25% etwas höher. Insgesamt ist dadurch aber mit keinen größeren Verzerrungen zu rechnen.

Durch die im Zuge der Untersuchung eingetretene Panelsterblichkeit ist ein Rückgriff auf die vormals eindeutigen Pärchen nicht mehr möglich (46% der Teilnehmer und 40% der Nichtteilnehmer wurden noch erreicht). Daher schätzen wir die ursprüngliche Teilnahmewahrscheinlichkeit nochmals und verwenden zur Effizienzsteigerung ein Kernel-Matching Verfahren.Footnote 15 Als Indikatoren zur Messung des Maßnahmeerfolgs verwenden wir drei Indikatoren: Neben der „Vermeidung von Arbeitslosigkeit“ und der „Integration in den ersten Arbeitsmarkt“ – sei es durch Selbständigkeit oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigung – untersuchen wir auch die Einkommenseffekte der Maßnahmen.

Abbildung  3 zeigt die Entwicklung der Effekte für das Kriterium „Selbständigkeit oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigung“ über den gesamten Beobachtungszeitraum. Dargestellt ist die Differenz zwischen Teilnehmer- und jeweiliger Kontrollgruppe. Während die extrem hohen Effekte zu Beginn des Beobachtungszeitraums auf die gerade begonnene Förderung zurückzuführen sind und im Zeitverlauf rasch abnahmen, haben sich die Effekte seit dem letzten Interview weitgehend stabilisiert. So ergab sich z. B. für durch ÜG geförderte Männer in Westdeutschland ein Maßnahmeneffekt von 24,3%-Punkten nach 28 Monaten (siehe auch Tabelle  8), d. h., dass die Beschäftigungsquote in der Teilnehmergruppe in diesem Monat um 24%-Punkte höher als in der Kontrollgruppe war. Im weiteren Verlauf ist dieser Effekt zwar nochmals zurückgegangen, beträgt aber am Ende der Beobachtungsperiode – also 56 Monate nach Beginn der Förderung – noch immer knapp 17%-Punkte. Noch stärkere ÜG-Effekte finden wir für Männer im Osten (22%-Punkte) und Frauen (27%-Punkte im Westen und 29%-Punkte im Osten). Beim ExGZ lagen die Programmeffekte in vorherigen Untersuchungen immer über den ÜG-Effekten. Dies war u. a. auf die beim zweiten Interviewzeitpunkt noch andauernde Förderung zurückzuführen. Zu diesem Zeitpunkt wurden Effekte von rund 40%-Punkten gemessen, die jetzt nochmals um knapp 15%-Punkte gesunken sind. Aber auch hier finden wir 56 Monate nach Beginn (und mindestens 20 Monate nach Auslaufen der Förderung) deutlich positive Effekte von über 20%-Punkten (für Frauen in Ostdeutschland gar 35%-Punkte). Als Sensitivitätsanalyse weisen wir in Tabelle  8 auch den Maßnahmeneffekt nach 56 Monaten aus, bei dem nur Voll- und Teilzeiterwerbstätigkeit als Erfolg herangezogen wird. Eine Zuverdiensterwerbstätigkeit mit einem Aufwand von weniger als 15 Stunden wird dabei als Misserfolg gewertet. Wie erwartet ergeben sich nur bei Frauen in Westdeutschland leichte Veränderungen, die Effekte sind aber mit 13,8%-Punkten (ExGZ) bzw. 19,9%-Punkten nach wie vor deutlich positiv und statistisch signifikant.

Abb.  3
figure 3

Effekte von Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss im Zeitverlauf

Anmerkung: Dargestellt sind die jeweiligen Maßnahmeneffekte, d. h. die Differenz der Selbständigkeits- bzw. Beschäftigungsquote zwischen den geförderten Teilnehmern und der entsprechenden Kontrollgruppe. Alle Effekte sind statistisch signifikant.

Tabelle 8 Effekte von Überbrückungsgeld und Existenzgründungszuschuss

Insgesamt kann also festgehalten werden, dass die Programme in der intendierten Richtung gewirkt und zur Integration der Teilnehmer in den ersten Arbeitsmarkt entscheidend beigetragen haben. Dies wird auch durch einen Blick auf die kumulierten Maßnahmeneffekte über den gesamten Beobachtungszeitraum deutlich (siehe auch Tabelle  8). Durchschnittlich haben die Teilnehmer/innen an ExGZ in den 56 untersuchten Monaten 23–30 Monate mehr in „Selbständigkeit oder sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung“ verbracht als die Kontrollgruppe. Auch in Bezug auf das zweite Erfolgskriterium „Nichtarbeitslosigkeit“ ergeben sich hier kumulierte Effekte zwischen 14 und 22 Monaten (siehe auch Abb.  7 im Anhang für den Verlauf über die Zeit). Beim Überbrückungsgeld liegen die kumulierten Effekte zwischen 13 und 17 Monaten in Bezug auf die „Nichtarbeitslosigkeit“ und zwischen 16 und 24 Monaten in Bezug auf das zweite Erfolgskriterium. Es zeigt sich also, dass die kumulierten Maßnahmeneffekte für die Ich-AG durchgehend über denen für das Überbrückungsgeld liegen. Dies ist u. a. auf die heterogenen Charakteristika der Teilnehmer/innen in beiden Programmen zurückzuführen: ÜG-Teilnehmer/innen haben im Durchschnitt bessere für den Arbeitsmarkt relevante Charakteristika (z. B. in Bezug auf das Bildungsniveau und die Arbeitsmarkthistorie, siehe auch die Diskussion in Caliendo u. Kritikos 2009). Gleiches gilt dann auch für die jeweils erstellten Kontrollgruppen, sodass diese – relativ zu den ExGZ-Kontrollgruppen – eine höhere Beschäftigungswahrscheinlichkeit aufweisen.

Zu guter Letzt enthält der untere Teil von Tabelle  8 die Maßnahmeneffekte auf das Einkommen (in EUR /Monat). Das wesentliche Kriterium ist hier natürlich das Arbeitseinkommen; als Benchmark werden aber auch das GesamteinkommenFootnote 16 und das Äquivalenzeinkommen ausgewiesen. Die Effekte für Männer sind deutlich positiv und signifikant. Der höchste Effekt ergibt sich für mit ÜG geförderte Männer mit einem Nettoeinkommensvorteil gegenüber der Kontrollgruppe in Höhe von EUR 780/Monat (West) bzw. EUR 670/Monat (Ost). Auch ehemalige ExGZ-Empfänger erzielen deutlich höhere Arbeitseinkommen als die Nichtteilnehmer, wobei die Differenz hier EUR 440 (West) bzw. EUR 490 (Ost) beträgt. Für Frauen sind die Effekte deutlich niedriger (EUR 300–350 im Osten); im Westen auch teilweise nicht mehr signifikant unterschiedlich von der Kontrollgruppe. Dies wird noch deutlicher bei einem Blick auf die Differenz im Gesamteinkommen, bei dem mögliche Sozialtransfers berücksichtigt werden. Insgesamt kann also festgehalten werden, dass die Effekte auf das Arbeitseinkommen durchweg positiv und in einigen Fällen auch in der Höhe beträchtlich sind; eine Ausnahme bilden Frauen in Westdeutschland aus den bereits im vorherigen Abschnitt diskutierten Gründen.

6 Bilanz und Ausblick

Die Ich-AG war eines der zentralen im Rahmen der „Hartz-Reformen“ in den arbeitsmarktpolitischen Kanon aufgenommenen Instrumente. Analog zu dem bereits seit langem bestehenden Überbrückungsgeld war es ihr Ziel, arbeitslosen Individuen eine Rückkehr in das Erwerbsleben in Form von Selbständigkeit zu erleichtern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen. Die unterschiedliche Gestaltung beider Programme aktivierte unterschiedliche Personengruppen zur Gründung, wobei mit dem Existenzgründungszuschuss Zielgruppen erreicht wurden, die im Gründungsgeschehen zuvor unterrepräsentiert waren. Während die kurz- bis mittelfristigen Effekte beider Instrumente im Rahmen der Hartz-Evaluationen bereits untersucht wurden, stand eine Bewertung der langfristigen Effekte noch aus und steht im Mittelpunkt dieses Papiers. Die Untersuchung der langfristigen Effekte war insbesondere für die Ich-AG wichtig, da vorherige Evaluationsstudien nur auf einen Zeitraum zurückgreifen konnten, der noch innerhalb der Förderzeit lag. Unserer Untersuchung liegt dagegen ein Beobachtungszeitraum von knapp fünf Jahren seit Gründung zugrunde, sodass die Förderung mit der Ich-AG schon mindestens zwei Jahre ausgelaufen war (und die Förderung mit dem ÜG knapp viereinhalb Jahre).

Nach diesem hinreichend langen Zeitraum ist es nun also an der Zeit, eine Bilanz bezüglich der inzwischen abgeschafften Instrumente zu ziehen. Die Verbleibsquoten in Selbständigkeit sind quer durch alle beobachteten Gruppen beachtlich und liegen etwa zwischen  60 und 70%. Die ÜG-Gründungen sind dabei etwas beständiger und im dritten bis fünften Jahr scheiden hier nur noch wenige Gründer aus der Selbständigkeit aus. Bei der Ich-AG sind die Rückgänge zwischen dem dritten und fünften Jahr deutlicher, die Selbständigenquote geht um 8–15%-Punkte zurück. Offenbar war also doch ein Teil der Gründer/innen vom Zuschuss abhängig und hat nach dessen Auslaufen die Selbständigkeit beendet. Interessant ist auch, dass ein Teil der Gründer/innen die Selbständigkeit offenbar nur im Zuverdienst betreibt; dies trifft vor allem auf Frauen in Westdeutschland zu. Berücksichtigt man für die Selbständigenquote nur Gründer/innen in Voll- oder Teilzeit, weisen ehemals mit ExGZ geförderte Frauen dann noch eine Selbständigenquote von 47% (West) und 50% (Ost) auf, beim ÜG liegt die Quote zwischen 57% (West) und 53% (Ost); für Männer hat die Korrektur kaum Auswirkungen. Insgesamt sind die Quoten aber relativ hoch und die bei der Einführung der Ich-AG von vielen Experten befürchtete zeitverzögerte Pleitewelle infolge der mangelnden Eignung der Gründer/innen konnte für die von uns untersuchte Eintrittskohorte nicht bestätigt werden.

Zur Bewertung des Erfolgs der beiden Programme ziehen wir drei Zielgrößen heran: Neben der Integration in den ersten Arbeitsmarkt und dem daraus resultierenden Einkommen schauen wir auch auf indirekte zusätzliche Beschäftigungseffekte. Teilnehmer weisen dabei knapp fünf Jahre nach Beginn der Förderung deutlich höhere Beschäftigungsquoten als eine Kontrollgruppe von nichtgeförderten Arbeitslosen auf. Über den gesamten Beobachtungszeitraum von 56 Monaten verbringen ExGZ-Teilnehmer/innen etwa 23–30 Monate mehr in Erwerbstätigkeit als die Kontrollgruppe, beim Überbrückungsgeld liegen die Effekte zwischen 16 und 24 Monaten. In Bezug auf das Arbeitseinkommen stellen sich die Teilnehmer/innen auch teilweise deutlich besser als die Kontrollgruppe, wobei bei Frauen die Effekte teilweise nicht statistisch signifikant sind. Das in den Haushalten der Selbständigen erzielte Äquivalenzeinkommen liegt dabei sehr deutlich über den Armutsgrenzwerten und kann als existenzsichernd angesehen werden. Die induzierten Beschäftigungseffekte sind für das Überbrückungsgeld relativ hoch; auf 100.000 Förderungen entfallen hier im Durchschnitt knapp 80.000 zusätzliche Vollzeitäquivalente am Ende unseres Beobachtungszeitraums; bei der Ich-AG sind dies immerhin noch 16.000 Vollzeitäquivalente. Unberücksichtigt bleiben dabei natürlich gesamtwirtschaftliche Substitutions- oder Multiplikatoreffekte. Trotz der insgesamt positiven Bilanz für beide Programme über alle betrachteten Subgruppen hinweg zeigen sich aber auch teils erhebliche Unterschiede. Während die mit dem Überbrückungsgeld geförderten Gründungen sich weitestgehend auf „klassischen“ Wachstums- und Entwicklungspfaden bewegen, ist für viele Ich-AGs der Name offenbar zugleich Programm: Sie starten klein und bleiben auch klein. Dies kann auf einen Paradigmenwechsel im Gründungsgeschehen hindeuten, der sich in den vergangenen Jahren auch schon durch einen verstärkten Trend hin zu Ein-Personen-Unternehmen (vgl. Piorkowsky u. Fleißig 2005) abzeichnete.

Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse ist die Motivation für die Zusammenlegung von ÜG und ExGZ zum neuen Gründungszuschuss kritisch zu hinterfragen. Im Vergleich zu anderen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind die hier berichteten Effekte beider Programme sehr gut; ähnlich hohe Effekte werden mit anderen Maßnahmen kaum erreicht. Einschränkend muss an dieser Stelle noch darauf hingewiesen werden, dass es gerade im Hinblick auf den „Ich-AG-Boom“ Ende des Jahres 2004 zu unerwünschten Verzerrungen in der Teilnehmerstruktur gekommen sein könnte, die wir in unserer Untersuchung (Eintrittskohorte drittes Quartal 2003) nicht berücksichtigen konnten.

Zukünftige Forschungen zum Thema sollten insbesondere untersuchen, inwieweit sich die Ausgestaltung des Gründungszuschusses auf die Struktur der Teilnehmer/innen, insbesondere aber auch auf die daraus resultierende Effektivität und Effizienz, auswirkt. Eine entscheidende Frage wird auch sein, ob mit dem neuen Instrument die gesamte Bandbreite der gründungswilligen und -fähigen Arbeitslosen erreicht wird. Gerade auch vor dem Hintergrund der teilweise sehr erfolgreichen ÜG-Gründungen (z. B. im Hinblick auf die induzierten Beschäftigungseffekte) sollten die Gründungen aus Arbeitslosigkeit nach Möglichkeit mit nicht-geförderten Gründungen (z. B. aus abhängiger Beschäftigung) untersucht werden.

Kurzfassung

Die Ich-AG (Existenzgründungszuschuss, § 421 l SGB  III) war eines der zentralen Instrumente, das im Rahmen der „Hartz-Reformen“ in den arbeitsmarktpolitischen Kanon aufgenommen wurde. Zusammen mit dem bereits seit Mitte der 1980er-Jahre bekannten Überbrückungsgeld wurden damit zwischen 2003 und 2006 mehr als eine Million vormals Arbeitsloser bei der Gründung eines Unternehmens gefördert. Entgegen anfänglicher Befürchtungen traten zwischen den beiden Programmen so gut wie keine Substitutionseffekte auf. Vielmehr zeigten empirische Studien schon bald, dass sich beide Programme ergänzten, indem sie unterschiedliche Personengruppen zur Existenzgründung aktivierten. Im Rahmen der „Hartz-Evaluationen“ wurden beide Programme bereits aus der kurz- bis mittelfristigen Perspektive positiv bewertet; langfristige Wirkungen blieben jedoch aufgrund des kurzen Beobachtungszeitraums unerforscht. Diese Forschungslücke wird nun mit der vorliegenden Analyse geschlossen.

Die Analyse basiert auf administrativen Daten der Bundesagentur für Arbeit zu Fördereintritten in Überbrückungsgeld (ÜG) oder Existenzgründungzuschuss (ExGZ) im dritten Quartal 2003. Die repräsentative Stichprobe umfasste etwa 3.000 Teilnehmer je Maßnahme und ebenso viele Nichtteilnehmer. Beide Gruppen wurden im Rahmen der „Hartz-Evaluation“ bereits im Januar/Februar 2005 und 2006 befragt. Um langfristige Effekte beurteilen zu können, wurde Anfang 2008 eine dritte Befragung durchgeführt, sodass der aktuelle Beobachtungszeitraum nun annähernd fünf Jahre beträgt.

Deskriptive Auswertungen zeigen, dass 57 bis 63% der ehemaligen Ich-AG-Gründer/innen und zwischen 56 und 70% der mit Überbrückungsgeld Geförderten fünf Jahre nach Gründung selbständig tätig sind (Bruttoeffekt der Förderung). Eine Beendigung der Selbständigkeit ist jedoch nicht zwingend mit einem Scheitern der Gründung gleichzusetzen, sondern kann beispielsweise auch zurück in abhängige Beschäftigung führen. Betrachtet man die Integration Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt als übergeordnetes Ziel arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, und bezieht den Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in die Betrachtungen mit ein, so ergibt sich für die ehemaligen ExGZ-Geförderten eine Erwerbsquote von 76 bis 83%. Bei den ehemaligen ÜG-Empfänger/innen sind die Integrationsquoten mit 79 bis 90% sogar noch etwas höher. Hinsichtlich der Integration in den ersten Arbeitsmarkt können somit beide Programme als effektiv angesehen werden. Deskriptiv kann ebenfalls festgestellt werden, dass ehemalige ExGZ-Geförderte durchschnittlich weniger verdienen als ÜG-Geförderte. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nicht alle ehemals Geförderten Ihre Selbständigkeit in Vollzeit ausüben. So gehen beispielsweise zwischen  4 und 7% der Männer einer Teilzeitselbständigkeit nach. Bei Frauen liegt die Teilzeitquote zwischen  8 und 20%. Auch geben viele Frauen an, ihre Selbständigkeit nur zum Zwecke eines Zuverdienstes auszuüben. Inwieweit die generierten Einkommen auch tatsächlich zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausreichen, kann mithin nur unter Berücksichtigung des gesamten Haushaltskontexts diskutiert werden. Mit dem Konzept des Äquivalenzeinkommens, einem bedarfsgewichtetem Pro-Kopf-Haushaltseinkommen, werden verschiedene Haushaltstypen vergleichbar. Wie sich zeigt, liegen die Äquivalenzeinkommen der Selbständigen deutlich über den allgemeinen Armutsgrenzwerten, d. h. 60% des nationalen medianen Äquivalenzeinkommens, und sind deshalb als existenzsichernd anzusehen.

Zur Schätzung der kausalen Effekte von Existenzgründungszuschuss und Überbrückungsgeld wurden ökonometrische Matching-Verfahren verwendet. Hierzu wurde der Arbeitsmarkterfolg der Teilnehmer mit dem einer ähnlichen Kontrollgruppe verglichen. Es kann festgestellt werden, dass männliche (weibliche) Teilnehmer in ExGZ im Vergleich zu Nichtteilnehmern innerhalb unseres Beobachtungszeitraums von 56 Monaten durchschnittlich 24 (28) Monate mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder selbständig waren. Für ÜG-Geförderte belaufen sich diese kumulierten Beschäftigungseffekte auf durchschnittlich 19 Monate für Männer und 23 Monate für Frauen. Es können ebenfalls durchweg positive Einkommenseffekte für Teilnehmer im Vergleich zu Nichtteilnehmern nach knapp fünf Jahren seit Gründung konstatiert werden.

Eine weitere wichtige Erfolgsgröße, sowohl im Hinblick auf die Nachhaltigkeit als auch hinsichtlich der Entlastung auf dem Arbeitsmarkt, ist die Anzahl weiterer Mitarbeiter, die von den ehemals Geförderten beschäftigt werden. Hier zeigen sich klare Unterschiede zwischen den beiden Programmen. Bei den Ich-AGs ist der Name offenbar Programm: Sofern sie über weitere Mitarbeiter verfügen, sind die Belegschaften deutlich kleiner als bei den ehemaligen ÜG-Geförderten. Im Durchschnitt kommen nach fünf Jahren auf 100.000 Überbrückungsgeld-Gründungen ca. 80.000 zusätzliche Vollzeitäquivalente, beim ExGZ sind dies knapp 16.000. Gleichwohl sind dies beachtliche gesamtwirtschaftliche Effekte, die bei Effizienzbewertungen der Programme berücksichtigt werden müssen.

Insgesamt zeigt sich, dass beide Programme in der intendierten Richtung gewirkt und zur Integration der Teilnehmer in den ersten Arbeitsmarkt entscheidend beigetragen haben. Im Beobachtungszeitraum haben die Teilnehmer deutlich mehr Zeit in Selbständigkeit oder sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung verbracht als die Kontrollgruppe. Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse ist die Motivation für die Zusammenlegung von ÜG und ExGZ zum neuen Gründungszuschuss kritisch zu hinterfragen. Im Vergleich zu anderen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind die hier berichteten Effekte beider Programme sehr gut; ähnlich hohe Effekte werden mit anderen Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik kaum erreicht.

Executive summary

One of the main instruments within the framework of the “Hartz-Reforms” was a start-up scheme referred to as Me Inc. (“Ich-AG”) which was introduced in addition to the Bridging Allowance (“Überbrückungsgeld”) which had already been implemented in the 1980s. Between 2003 and 2006 more than one million formerly unemployed were supported to set up their own business with these two schemes. In contrast to initial concerns, substitution effects were limited only since they rather complemented each other by attracting different target groups to start up their own business. Short- and medium-term prospects of both programmes were already evaluated positively within the “Hartz-Evaluation”; whereas long-term could not be drawn due to the limited observation window. This research gap will be closed by this study.

The analysis is based on administrative data from the Federal Employment Agency which contain entries into both programmes from the third quarter of 2003. The representative sample includes approximately 3,000 participants in each scheme and a similar sized sample of non-participants. Both groups were interviewed in 2005 and 2006 within the “Hartz-Evaluation”. In order to evaluate long-term effects, a third wave of interviews was conducted at the beginning of 2008. In total, the observation period captures nearly five years since start-up.

Descriptive analyses show that 57 to 63% of former Me Inc. founders and 56 to 70% of Bridging Allowance participants are still self-employed five years after start-up (gross effect of the programmes). However, quitting self-employment does not necessarily mean a failure of such programmes since former participants might also become regular employed. Hence, considering the main goal of active labour market policy, that is the integration of unemployed individuals into the regular labour market, we find 76 to 83% of Me Inc. founders being either in self-employment or regular employment which is subject to social security contributions. For former Bridging Allowance recipients the degree of labour market integration is even slightly higher with 79 to 90%. Accordingly, in terms of labour market integration both programmes can be seen as effective. Furthermore, it can be observed that recipients of the Me Inc. earn on average less than recipients of the Bridging Allowance. Though, it should be noted that not all subsidised persons practice their self-employment as full-time, e.g.,  4 to  7% of all men are part-time self-employed and part-time rates for women range between  8 and 20%. Moreover, many women also declare that income from self-employment is primarily additional income. To what extent the generated income secures the living standard can only be discussed sensibly within a household context. Therefore, the concept of equivalent income is applied, i.e., a needy-adjusted income which allows to compare incomes across different household types. We find equivalent incomes of formerly subsidised self-employed individuals clearly above the general poverty line which is defined by 60% of the national median equivalent income. Consequently, income situations of participants after nearly five years can be considered as secure.

Econometric matching methods are used to estimate causal effects of Me Inc. and Bridging Allowance, i.e., labour market outcomes of participants and similar non-participants are compared. We find that within our observation window of 56 months male (female) participants of the Me Inc. were on average 24 (28) months longer in regular employment or self-employment than non-participants. For the Bridging Allowance the cumulated employment effects amount on average to 19 months for men and 23 months for women. Finally, we also find throughout positive income effects for participants in both programmes compared to non-participants after five years since start-up.

Another important key figure with respect to the sustainability and the ease on labour market strains is the number of individuals employed by formerly subsidised start-ups. Here distinctive differences between the two programmes are displayed. First of all, the Me Inc. is obviously what its name suggests, i.e., if they employ any individuals at all, the number of employees is considerably smaller compared to former Bridging Allowance recipients. After five years 100,000 start-ups supported by the Bridging Allowance provided on average 80,000 additional full-time equivalents, while Me Inc. participants created scarcely 16,000. Nonetheless, these are considerable macro-economic impacts which have to be taken into account when evaluating the efficiency of such programmes.

Overall we provide evidence that both programmes show the intended effects and contributed crucially to the integration of the participants into the regular labour market. During the observation period of 56 months, participants spent on average significantly more time in self-employment or regular employment compared to the non-participants. Keeping these results in mind, the motivation to replace the Bridging Allowance and Me Inc. by the new Start-up Subsidy (“Gründungszuschuss”) should be critically questioned. In comparison to other programmes of active labour market policy, the effects reported here are much more positive and, in fact, similar effects have not been achieved so far by other active labour market schemes.