Zusammenfassung
Energie- und Stromsteuern stellen neben dem EU-Emissionshandelssystem ein wichtiges Instrument zur Einpreisung externer Umwelteffekte der Energieerzeugung dar, spielen in der Debatte um die instrumentelle Umsetzung der Energiewende aber eher ein Schatten-Dasein. 2011 legte die EU-Kommission zwar einen umfassenden Reformvorschlag zur europäischen Energiesteuerrichtlinie vor, eine Umsetzung ist derzeit aufgrund politischen Widerstands in den Mitgliedsstaaten aber nicht in Sicht. Vor dem Hintergrund der Energiewende ist es jedoch notwendig zu diskutieren, inwieweit die Steuerwirkungen der gegenwärtigen Energie- und Stromsteuern mit Zielen wie Klimaschutz, Energieeffizienz und dem Ausbau Erneuerbarer Energien konsistent sind, und welche Rolle sie künftig im energie- und klimapolitischen Instrumentenmix spielen könnten. Zur Klärung dieser Fragen nimmt dieser Beitrag eine ökonomische Analyse der Förderwirkungen des bestehenden Energie- und Stromsteuerregimes auf die genannten Energiewendeziele vor, und diskutiert Weiterentwicklungsperspektiven. In ihrer aktuellen Ausgestaltung erzielen Energie- und Stromsteuern lediglich eine indirekte Lenkungswirkung auf das Klimaschutzziel, indem Anreize für Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien gesetzt werden. Diese bleiben hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Effektivität jedoch begrenzt; zudem ergeben sich Effizienzprobleme. Die Bestandsaufnahme der Förderwirkungen zeigt demnach erheblichen Weiterentwicklungsbedarf auf, wenn die Energiebesteuerung eine signifikante und konsistente Rolle bei der Realisierung der Energiewendeziele einnehmen soll. Vor dem Hintergrund konfligierender Politikziele, multipler Marktversagenstatbestände und Wechselwirkungen mit außersteuerlichen Instrumenten scheint eine umfassende Reform hin zu einer verzerrungsfreien, verwendungs- und energieerzeugnisübergreifend einheitlich gestalteten Besteuerung gegenwärtig weder politisch durchsetzbar noch ökonomisch sinnvoll. Eine praktikablere Weiterentwicklungsperspektive bestünde darin, eine schrittweise Reduktion von Verzerrungswirkungen zunächst innerhalb einzelner Verwendungsbereiche (Strom, Wärme, Verkehr) anzustreben. Empfehlungen hinsichtlich der konzeptionellen Ausrichtung der Energie- und Stromsteuern lassen sich dabei unter Beachtung des jeweils vorhandenen, sektoralen Instrumentenverbunds ableiten.
Abstract
Energy and electricity taxes represent an important instrument for putting a price on the external environmental effects of energy production. However, in the debate about the implementation of the German energy transition, they do not play a prominent role. The European Commission published a proposal for a comprehensive reform of the Energy Tax Directive in 2011, but due to member states’ opposition it is unlikely to be implemented any time soon. In the energy transition context, it is nonetheless necessary to discuss whether the incentives set by current energy taxation are consistent with the aims of climate change mitigation, energy efficiency and renewable energy expansion, and what future role energy and electricity taxes could play in the energy and climate policy mix. This article addresses these questions by undertaking an economic analysis of the incentive effects of current German energy taxation on the mentioned energy transition aims and by discussing future development perspectives. In their present design, energy and electricity taxes only have an indirect effect on climate change mitigation, by setting incentives for energy efficiency and renewable energy use; these incentives, however, are of limited scope and (cost-) effectiveness. Consequently, substantial reforms are needed if energy taxation is to play a significant and consistent role in the realization of the energy transition’s aims. Reforms which aim at creating a distortion-free energy taxation based on a homogenous tax base seem neither politically feasible nor economically reasonable, because of the existence of conflicting policy aims, multiple market failures and interactions with other non-tax instruments. A more practical development perspective would be a gradual reduction of allocative distortions within individual energy utilization sectors (electricity, heating, transport). Recommendations regarding the conceptual role for energy taxes in these sectors can be derived under consideration of the existing sectoral policy mixes.
Notes
Darüber hinaus befreit § 9 I Nr. 3 StromStG den Selbstverbrauch von Strom in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt von der Stromsteuer, unabhängig von den eingesetzten Energieerzeugnissen.
Nach § 28 i. V. m. § 2 III Satz 1 EnergieStG ist auch der Einsatz von unvermischtem Biogas als Heizstoff steuerbefreit.
Für eine Definition „besonders förderungswürdiger“ Biokraftstoffe siehe § 50 IV EnergieStG.
2012 betrug das Steueraufkommen aus Biokraftstoffen 2,3 Mrd. €, was 5,9 % des gesamten Energiesteueraufkommens entsprach; Begünstigungen durch Ausnahmen reduzierten sich zwischen 2008 und 2012 von 580 Mio. € auf 20 Mio. € (Diekmann et al. 2013).
Nicht dargestellt werden vollständige Befreiungen für die Verwendungsbereiche Luftfahrt/Schifffahrt, Stromerzeugung, KWK (vollständige Entlastung), Selbstverbrauch/Herstellerprivileg, und energieintensive Prozesse und Verfahren, für die ein effektiver Steuersatz von Null gilt. Bei der Verwendung von Erdgas und unvermischten Flüssiggasen als Kraftstoff gelten reduzierte Gastarife als Abweichung vom Regelsteuersatz nur bis zum 31. Dezember 2018 (§ 2 I EnergieStG).
Das EEWärmeG beinhaltet EE-Nutzungspflichten für Neubauten und öffentliche Gebäude bei grundlegenden Renovierungen (§ 3 EEWärmeG); alternativ sind auch Energieeffizienzmaßnahmen oder die KWK-Nutzung zur Erfüllung der Auflagen zulässig (sogenannte Ersatzmaßnahmen nach§ 7 EEWärmeG). Für den privaten Bestand können Bundesländer nach § 3 III Nr. 2 EEWärmeG Nutzungspflichten erlassen, von dieser Möglichkeit wird jedoch bislang nur in Baden-Württemberg Gebrauch gemacht.
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Die Autoren danken einem anonymen Gutachter für hilfreiche Anmerkungen.
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Dieser Beitrag befasst sich mit der gegenwärtigen Ausgestaltung des deutschen Energie- und Stromsteuerrechts und analysiert Optionen für eine künftige Weiterentwicklung zur konsistenten Adressierung der Ziele der Energiewende, insbesondere des Klimaschutzes sowie der Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien.
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Gawel, E., Purkus, A. Die Rolle von Energie- und Strombesteuerung im Kontext der Energiewende. Z Energiewirtsch 39, 77–103 (2015). https://doi.org/10.1007/s12398-015-0150-7
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