1 Einleitung

Die Parteiendifferenztheorie wurde in den 1970er-Jahren für spezifische Fragestellungen in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik entwickelt und seither – in Wellenbewegungen – umfangreich konzeptionell weiterentwickelt und inzwischen wohl in allen Politikfeldern empirisch überprüft, wie etwa die Bestandsaufnahme von Potrafke eindrucksvoll zeigt (2017, S. 714–728 sowie auch Wenzelburger 2015, S. 98 ff.; Wenzelburger und Zohlnhöfer 2020). Sie ist ohne Zweifel eine der wichtigsten Theorien der Policyforschung und der vergleichenden Staatstätigkeitsforschung (Schmidt 1996; Wenzelburger 2015). Der Grund für die Relevanz dieser Theorie liegt allerdings weniger darin, dass sie in besonders vielen Fällen tatsächlich zutrifft (so schon Schmidt 1982b). Das uneingeschränkte Zutreffen der Annahmen der Parteiendifferenztheorie ist sogar eher selten und hat im Zeitverlauf abgenommen (siehe u. a. Potrafke 2017, S. 714–728 sowie Abschn. 4). Tatsächlich erfüllt die Parteiendifferenztheorie jedoch drei wichtige Funktionen. Die Parteiendifferenztheorie erzeugt erstens klare Erwartungen, die empirisch gut zu untersuchen sind, wobei sowohl Untersuchungen mit großer Fallzahl und quantitativen Analyseverfahren als auch Studien mit kleiner Fallzahl und qualitativen Analyseverfahren in Frage kommen. Zweitens, selbst wenn sie nicht oder nur bedingt zutrifft, dient die Parteiendifferenztheorie der Orientierung der Forschenden. Auch das systematische Nichtzutreffen der Annahmen der Parteiendifferenztheorie – z. B. in einem Politikfeld, in dem sie bislang meist zutraf, wie der Schulpolitik (Wolf und Heinz 2016, S. 24) – ist ein relevanter Befund. Die dritte Funktion ist demokratietheoretischer (und damit normativer) Natur: Demokratietheoretisch gesehen machen die Möglichkeit, zu wählen, und der Umstand, dass aus Wahlen entsprechend unterschiedliche Regierungen hervorgehen können, nur dann Sinn, wenn derartige Wahlentscheidungen auch für die Inhalte der Politik einen erkennbaren Unterschied machen (z. B. Tufte 1978, S. ix; Castles 1982b, S. 1; Falkenbach und Greer 2018, S. 15): „The ‚parties-do-matter‘ hypothesis praises parties for offering real choices and voters for choosing people who successfully implement what they desire“ (Schmidt 1996, S. 162).

Mit diesen hypothesengenerierenden, orientierungsleitenden und normativen Funktionen ist die Parteiendifferenztheorie für eine policyanalytisch geprägte Umweltpolitikforschung von zentraler Bedeutung. Ihre Anwendung auf die Umweltpolitik führt aber auch zu Schwierigkeiten. Diese resultieren zum Teil daraus, dass die Parteiendifferenztheorie für die Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik und ihre typischen Konfliktlinien entwickelte wurde und daher nicht ohne Weiteres für die Umweltpolitik passend ist, zum Teil aber auch aus allgemeinen Problemen der Parteiendifferenztheorie, wie sie auch bei der Anwendung auf andere Politikfelder entstehen (können).

Der vorliegende Beitrag hat das Ziel, eine konzeptionelle Einführung in diese Thematik für das vorliegende Themenheft, aber auch darüber hinaus, anzubieten. Er soll zu diesem Zwecke einerseits diese Problemfelder einer Anwendung der Parteiendifferenztheorie auf die Umweltpolitik identifizieren und andererseits Lösungsansätze in der (vor allem aktuellen) Forschung aufzeigen. Dazu geht der Beitrag folgendermaßen vor: In einem ersten Schritt (Abschn. 2) werden Wurzeln und Grundannahmen der Parteiendifferenztheorie vorgestellt. Es folgt eine Identifikation und Diskussion verschiedener Problembereiche: Das Kernproblemen einer Anwendung der Parteiendifferenztheorie auf die Umweltpolitik besteht im „Cleavage“-Problem, also der Frage, ob in der Umweltpolitik überhaupt mit systematischen Unterschieden in der Parteiprogrammatik (und in der Folge in den beschlossenen Policies) zu rechnen ist (Abschn. 3). Im Anschluss an diese zentrale Frage (Abschn. 4) wird das empirische Problem diskutiert, das darin besteht, dass die empirischen Befunde, ob umweltpolitische Entscheidungen tatsächlich von der parteipolitischen Zusammensetzung politischer Mehrheiten abhängen, uneinheitlich sind (Abschn. 4). Das „Dependent Variable“-Problem stellt sich nicht nur, aber auch bei bestimmten Anwendungen der Parteiendifferenztheorie auf umweltpolitische Fragestellungen (Abschn. 5), ebenso wie das Problem der singulären Kausalität, das in der (meist irrigen) Annahme besteht, dass Parteipolitik alleine Resultate erklären könne (Abschn. 6). Im Anschluss stelle ich Ansätze (insbesondere) in der neueren Forschung vor, die geeignet erscheinen, diese Probleme weitgehend zu lösen (Abschn. 7). Der Beitrag endet mit einem Resümee (Abschn. 8).

2 Wurzeln und Grundaussagen der Parteiendifferenztheorie

Douglas Hibbs, der in den 1970er-Jahren am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge MA forschte, gilt als der Begründer der Parteiendifferenztheorie. Hibbs interessierte sich für den Zusammenhang zwischen Wirtschaftspolitik und der parteipolitischen Farbe der Regierung. Deshalb untersuchte er für 12 westeuropäische und nordamerikanische Staaten – darunter auch Deutschland – für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1972 den Zusammenhang zwischen den makroökonomischen Parametern Arbeitslosigkeit und Inflation und der parteipolitischen Färbung der Regierung (Hibbs 1977, S. 1467). In seinem im American Political Science Review publizierten Aufsatz ging er zunächst von der in der Literatur der 1960er-Jahre vertretenen Annahme aus, dass linke Parteien eine Präferenz für Vollbeschäftigung hätten, während für sie Preisstabilität nachrangig sei. Hingegen wiesen konservative Parteien eine Präferenz für Preisstabilität auf, räumten der Vollbeschäftigung aber eine deutlich geringere Relevanz ein (ebd., S. 1471). Dies könne man auf die Interessen der spezifischen Wählerschaften der Parteien zurückführen (ebd., S. 1470). Hibbs konnte zeigen, dass Länder, die häufig von linken Parteien regiert wurden, eine niedrige Arbeitslosigkeit und hohe Inflation aufwiesen, während Länder, die überwiegend von Zentrums- und rechten Parteien regiert wurden, umgekehrt eine hohe Arbeitslosigkeit und eine niedrige Inflation zu verzeichnen hatten (ebd., S. 1473 ff.). In Zeitreihenanalysen für die USA und Großbritannien fand Hibbs diesen Effekt für die Arbeitslosezahlen bestätigt: Arbeitslosigkeit wurde durch demokratische und Labour-Regierungen gesenkt und stieg unter republikanischen bzw. konservativen Regierungen an (ebd., S. 1475 ff.). Diesen Befund plausibilisierte Hibbs damit, „that governments pursue macroeconomic policies broadly in accordance with the objective economic interests and subjective preferences of their class-defined core political constituencies“ (ebd., S. 1467). Hibbs interessierte sich also eigentlich für Policies (auch der Titel seiner Publikation ist „Political Parties and Macroeconomic Policies“), aber die zu erklärenden Phänomene seiner Studie sind makroökonomische Parameter. Gewissermaßen „zwischen“ den Regierungen und den Outcome-ParameternFootnote 1 unterstellt Hibbs die Existenz von Policies (die dazu führen, dass entweder die Arbeitslosigkeit oder die Inflation sinkt), er untersuchte sie aber nicht.

Es mag heute verwundern, dass die Parteiendifferenztheorie Ende der 1970er‑/Anfang der 1980er-Jahre ein so großes Thema war. Aber zu dieser Zeit argumentierten „konservative […] Ökonomen“ ebenso wie „neomarxistische […] Systemkritiker“ ganz ähnlich, dass Parteien keine Rolle spielten (von Beyme, 1981, S. 357), zumal sich deren Programmatik immer weniger unterscheideFootnote 2 und zudem die ökonomischen Rahmenbedingungen nur noch wenig Raum für die Gestaltung unterschiedlicher Policies ließen (Schmidt 1996, S. 163, 166). Daher wurde Hibbs’ Studie von 1977 als eine Ermutigung für diejenigen wahrgenommen, die annahmen, dass auch politische Kräfte am Werk waren („that politics in general […] matters a great deal“; Schmidt, 1996, S. 163). Gleichwohl wurde Hibbs später dafür kritisiert, dass seine Hypothesen überzogen seien (von Beyme, 1982, S. 205), und sein Forschungsdesign wurde als „schlampig“ bezeichnet (Schmidt, 1982b, S. 200).

Tufte leistete bereits 1978 eine wichtige Weiterentwicklung der Theorie. Er wollte eine allgemeine Theorie der Wirtschaftspolitik entwickeln, die vor allem „the role of elections and political parties in deciding who gets what, when and how in the economic area“ näher bestimmen sollte (Tufte 1978, S. ix). Er sah politischen Wettbewerb, also Wettbewerb der Parteien um Wählerstimmen, als Kernmechanismus (ebd., S. 138), weil – so die Annahme – Wähler:innen Amtsinhaber:innen für ökonomische Prosperität belohnen und für eine Rezession bestrafen. So wirkten sich kurzzeitige ökonomische Wachstumsschübe vor Wahlen zugunsten von Amtsinhaber:innen aus. Tufte überprüfte diese Annahme anhand der Entwicklungen in 27 demokratischen Staaten (ebd., S. 9) und fand in der Tat, dass es z. B. bei der Arbeitslosenrate, dem real verfügbaren Einkommen, dem Management von Arbeitslosigkeit und Inflation sowie staatlichen Transferleistungen zu erheblichen Veränderungen im Laufe von Wahlperioden kam (ebd., S. 40 ff., 137). Tufte kombinierte diese Beobachtungen mit den Grundannahmen der Parteiendifferenztheorie, denn „just as the political calendar helps set the timing of policy, so the ideology of political leaders shaped the substance of economic policy“ (ebd., S. 71). Tufte konnte für die USA zeigen, wie sich im Laufe von Wahlperioden das Interesse der Parteien („concern“) für bestimmte Themen zwar im Laufe des Electoral Cycles veränderte, jedoch mit erheblichen Unterschieden zwischen demokratischen und republikanischen Politiker:innen (ebd., S 5 ff.). Soweit also die wirtschaftliche Entwicklung überhaupt durch Politik beeinflussbar sei (ebd., S. 138  ff.), sei es 1. die Parteizugehörigkeit der Regierung und 2. der Zeitpunkt im Electoral Cycle, welche die Policies – und darüber makroökonomische Parameter wie Arbeitslosigkeit, Inflation u.a. m. – beeinflussten – und zwar in der Wirtschaftspolitik mehr als in allen anderen Politikfeldern (Tufte 1978, S. 140).

In der Folgezeit wurde die Parteiendifferenztheorie international auf verschiedene Politikfelder angewendet (Castles 12,13,a, b; Schmidt 1982a). Für Deutschland war die Untersuchung von Manfred G. Schmidt zur Parteiendifferenz auf Ebene der deutschen Bundesländer grundlegend (Schmidt 1980). In einer legendären Kontroverse in der Politischen Vierteljahresschrift setzten sich 1981/1982 Klaus von Beyme und Manfred G. Schmidt über die Sinnhaftigkeit der Parteiendifferenztheorie auseinander (von Beyme 1981, 1982; Schmidt 1982b).

Eine wichtige Weiterentwicklung gelang Hicks und Swank zu Beginn der 1990er-Jahre, indem sie insbesondere die Rolle der Opposition für die Parteiendifferenz thematisierten. Sie untersuchten in einer quantitativen Längs- und Querschnittsuntersuchung die Wohlfahrtsausgaben von 18 Industriestaaten zwischen 1960 und 1982 (Hicks und Swank 1992). Während die Parteiendifferenztheorie zunächst nur nach der Rolle von Regierungen (und ihrer parteipolitischen Zusammensetzung) fragt, interessierten sich die beiden Autoren auch für die Rolle der Opposition bei der Gestaltung der Wohlfahrtspolitik. Angesichts der verstärkten Diskussion über institutionelle Faktoren seit Mitte der 1980er-Jahre überprüften die Autoren überdies auch das Zusammenwirken von Parteipolitik mit institutionellen sowie anderen Faktoren, z. B. der Ausprägung des Korporatismus, der Wahlbeteiligung, der Größe des öffentlichen Sektors, dem politisch-institutionellen Erbe früherer Regierungen sowie sozioökonomischen Faktoren (Hicks und Swank 1992, S. 667 ff.). Ein wichtiges Ergebnis der Studie war, dass nicht nur die Stärke der Regierungsparteien, sondern auch die der Oppositionsparteien einen Effekt auf Wohlfahrtsausgaben haben (ebd., S. 668). So fanden Hicks und Swank inhaltliche „Ansteckungseffekte“ sowohl von oppositionellen linken Parteien auf regierende rechte oder Zentrumsparteien im Sinne einer stärkeren Umverteilung („contagion from the left“; Hicks und Swank 1992, S. 667 f.) als auch von oppositionellen rechten oder Zentrumsparteien auf regierende linke Parteien im Sinne der Drosselung von Wohlfahrtsausgaben („embourgeoisement“; ebd., S. 668).

Die Parteiendifferenztheorie baut auf einer Reihe zentraler Grundannahmen auf, mit denen wir heute noch arbeiten: Die erste Grundannahme ist, dass sich Parteien in ihren Policypositionen systematisch unterscheiden. Dies ist der Fall, weil sie unterschiedliche weltanschauliche Wurzeln haben und auch, weil sie sich um spezifische Wählerklientele bemühen. Die zweite Grundannahme ist, dass sich diese Unterschiede, wenn die Parteien an der Regierung sind, auch in den beschlossenen materiellen Policies niederschlagen. Die dritte Grundannahme ist, dass ein Wechsel der Regierungspartei(en) auch mit einem Policywechsel einhergehen sollte (Schmidt 1996, S. 156). Hinter diesen Zusammenhängen werden folgende Mechanismen, die an die oben geäußerten Annahmen anknüpfen, vermutet: Beim Vote-Seeking wird angenommen, dass sich Parteien an der Regierung so an den Präferenzen ihrer Wähler:innen orientieren, dass sie wiedergewählt werden und dann auch wieder politische Ämter besetzen können (Office-Seeking) (Strøm 1990, S. 566; Strøm und Müller 1999, S. 8  f.; Wenzelburger 2015, S. 82 ff.). Beim Policy-Seeking wird hingegen unterstellt, dass parteipolitische Akteure nicht primär an der Wiederwahl interessiert seien, sondern dass sie bestimmte Policies durchzusetzen versuchten, weil sie ihr Handeln in komplexen Situationen an Ideologien ausrichteten (Strøm 1990, S. 567 f.; Strøm und Müller 1999, S. 7 f.; Wenzelburger 2015, S. 87). Alternativ wird argumentiert, dass sich Politiker:innen an die in den Partei- und Wahlprogrammen niedergelegten Programmatiken halten, weil sie diese als Mandat der Wähler:innen verstehen (Wenzelburger, 2015, S. 87). In der Realität dürften in der Regel beide Mechanismen in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen vorkommen. Etwa vor Wahlen sollte das Vote-Seeking, nach Wahlen das Policy-Seeking ausgeprägter sein (ebd.).

3 Das Cleavage-Problem

Die Parteiendifferenztheorie beruht auf der Annahme, dass in den Parteiensystemen grundlegende gesellschaftliche Konfliktlinien (sogenannte Cleavages) zum Ausdruck kommen (Lipset und Rokkan 1967). Von den ursprünglichen Cleavages (Zentrum vs. Peripherie, Stadt vs. Land, Arbeit vs. Kapital, religiös vs. sekulär) sind für die Parteiensysteme westlicher Industrienationen nach dem zweiten Weltkrieg nur noch im ökonomischen Bereich der Konflikt zwischen Markt und Staat und im kulturellen Bereich der Konflikt zwischen libertären und autoritären Wertesystemen übriggeblieben (Kitschelt 1994). In vielen Politikfeldern, etwa in der Sozial- und Wirtschaftspolitik, fanden Wählerpräferenzen, die sich auf den zentralen sozialen Cleavages abbilden lassen, einen eindeutigen Niederschlag im Parteiensystem (ja, die Parteien waren im Wesentlichen aus diesen Konfliktlinien entstanden), auch wenn sich länderspezifische Unterschiede ergaben (z. B. Kitschelt 2002, S. 132). Diese Sicherheit kalkulierbarer Präferenzen von „Kernklientelen“ hat sich zwar etwa in den Feldern der sozialen Sicherung oder der Wirtschaftspolitik deutlich abgeschwächt (z. B. Gingrich und Häusermann 2015). Aber für andere Politikfelder, insbesondere für die UmweltpolitikFootnote 3, hat es eine solche eindeutige Abbildung im Parteiensystem niemals gegeben (Carter 2013, S. 74).

Um vor diesem Hintergrund zu verstehen, ob die Anwendung der Parteiendifferenztheorie auf die Umweltpolitik überhaupt sinnvoll ist, ist eine Befassung mit den recht heterogenen theoretisch-konzeptionellen Grundlagen der Parteiendifferenztheorie nowendig. Es stellen sich hier zwei zentrale Fragen.

  1. 1.

    Gibt es überhaupt eine umweltpolitische Konfliktlinie?

  2. 2.

    Wie muss man sich die Abbildung dieser umweltpolitische(n) Konfliktlinie(n) in den Parteiensystemen vorstellen und welche Implikationen hat dies für das Bestehen von Parteiendifferenzen in der Umweltpolitik?

Die erste Frage nach der umweltpolitischen Konfliktlinie (und welche Ansatzpunkte für parteipolitische Ideologien diese bietet) ist in der Literatur bislang eher kursorisch adressiert worden. Umweltpolitik deckt eine große Bandbereite von konkreten Regelungsfragen, vom Schutz der Natur über den „klassischen“ Schutz von Luft, Wasser, Boden und menschlicher Gesundheit, den alle Lebensbereiche betreffenden Klimaschutz bis hin zu Fragen der nachhaltigen und zukunftsfähigen Lebensweise ab (z. B. SRU 2019, 2020). Die zugrundeliegenden Konflikte können nicht nur objektiv unterschiedlich angelegt sein, sie können auch von politischen Akteuren ganz unterschiedlich wahrgenommen und absichtsvoll „geframt“ werden (Töller 2017). In umweltpolitischen Randbereichen wie der Gentechnikregulierung können Umweltkonflikte als Konflikt zwischen der Bewahrung der Schöpfung (und damit als ein christliches Motiv) und der modernen Technik wahrgenommen werden und somit neben grünen auch christlichen Parteien Ansatzpunkte für eine restriktive Regulierung bieten (Knill et al. 2010a, S. 304; Bäck et al. 2015, S. 570; Jahn 2016a, S. 178). Jedoch liegt der Kern der meisten umweltpolitischen Konflikte in einem Konflikt zwischen einer uneingeschränkten kapitalistischen Wirtschaftslogik („Ökonomie“) einerseits und einer Vermeidung oder Begrenzung der daraus entstehenden ökologischen Externalitäten, die u. a. Gesundheit, Luft und Klima schädigen und Beseitigungskosten auf die Allgemeinheit abwälzen („Ökologie“), andererseits.Footnote 4 Der Schutz der Natur hat in erster Linie mit den Externalitäten der Landwirtschaft zu tun, der Schutz der Luft zielt vor allem auf die Reduzierung vor Emissionen aus industriellen Quellen und Fahrzeugen ab, usw. Solche Konflikte bieten vor allem einer traditionellen grünen Ideologie, die ökonomischen Profit auf Kosten der Umwelt von je her kritisiert, ideale Ansatzpunkte für strenge umweltpolitische Maßnahmen. In Abgrenzung dazu bietet dieser Konflikt Ansatzpunkte für wirtschaftsfreundliche konservative und regulierungskritische liberale Parteien gegen umweltpolitische Maßnahmen (z. B. Garmann 2014). Ambivalenter sind die Ansatzpunkte für linke Parteien. Zieht man aus den gerade getroffenen Aussagen zu rechten Parteien den Umkehrschluss, dann sollten linke Parteien eine strengere Umweltregulierung favorisieren als rechte Parteien (z. B. Scruggs 1999, S. 10; Potrafke 2017, S. 743–744). Das ist vor allem dann schlüssig, wenn man Umweltpolitik vorrangig als Interventionsthema konzipiert (Garmann 2014, S. 2), bei dem „der Kapitalismus“ als politischer Gegner angegriffen wird, oder alternativ als Gerechtigkeitsthema, weil ökologische Externalitäten häufig die Gesundheit, den Arbeitsplatz oder die Lebensqualität von Armen stärker trifft als die von Reichen (Neumayer 2003, S. 204; Jahn 2016a, S. 178; Töller 2017, S. 136). Ein entgegengesetzter Ansatzpunkt für linke Parteien entsteht dann, wenn im Vordergrund steht, dass die regulierten Wirtschaftsbereiche auch Garanten für Arbeitsplätze sind und so ggf. Umweltschutz im Konflikt zu traditionellen linken Zielen wie der Vollbeschäftigung (bzw. dem Erhalt von Arbeitsplätzen in der Industrie etc.) und ökonomischem Wachstum zur Wohlstandssicherung der Arbeiterschaft steht (Neumayer 2003, S. 204; Knill et al. 2010a, S. 304; Töller 2017, S. 135 f.).

Auch wenn hier eingehendere konzeptionell-empirische Analysen erforderlich erscheinen, kann man vorläufig festhalten, dass der Kern umweltpolitischer Konflikte in der Mehrzahl der Themen und Fälle durch den Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie geprägt ist und bleibt, wenngleich es auch anders gelagerte Konflikte geben kann. Dies entspricht in der Tendenz der Dimension Materialismus vs. Postmaterialismus (Inglehart 2008) und ist nicht identisch mit dem Konflikt zwischen libertären vs. autoritären Werten. Wie gezeigt wurde, sind die ideologischen Ansatzpunkte für die verschiedenen Parteien unterschiedlich, und vor allem auch unterschiedlich eindeutig.

Auf die zweite Frage nach der Abbildung der nun genauer definierten umweltpolitischen Konfliktlinie in den Parteiprogrammen (und -politiken) geben drei verschiedene theoretische Perspektiven tendenziell unterschiedliche Antworten, auch wenn sie sich nicht alle konkret mit der Frage der Umweltpolitik befasst haben (siehe aber Carter 2013, S. 74).Footnote 5 Entscheidend ist, wie diese Theorien sich die programmatische Reaktion der Parteien auf einen gesellschaftlichen Wertewandel vorstellen.

Die beiden ersten Argumentationslinien basieren auf der Abbildung von gesellschaftlichen Konfliktlinien, den sogenannten Cleavages in Parteiprogrammatiken. Dabei wird zwischen einer traditionellen, „old partisan theory“ und einer „new partisan theory“ unterschieden (Wenzelburger und Zohlnhöfer 2020). Während die „alte“ Parteiendifferenztheorie, wie etwa von Hibbs vertreten, traditionell davon ausging, dass bestimmte Wählerinteressen stabil von bestimmten Parteien abgebildet werden, haben sich die Voraussetzungen für diesen eindeutigen Zusammenhang durch verschiedene Entwicklungen wie wirtschaftliche und gesellschaftliche Modernisierung und damit einhergehenden Wertewandel verändert. Kitschelt fängt diesen Wandel letztlich mit den bestehenden Konzepten der Cleavages auf und argumentiert, dieser Wandel habe zu einer Verschiebung der Hauptachse der Wählerverteilung und der Parteienkonkurrenz von einer einfachen Rechts-links- (oder kapitalistisch vs. sozialistisch) Konfliktlinie zu einer neuen, komplexeren, „quer“ liegenden Konfliktlinie geführt. Deren Enden seien durch links-libertäre und rechts-autoritäre Positionen gekennzeichnet, wobei sich diese Achse insgesamt zugunsten von kapitalistischen und libertären Positionen verschiebe (Kitschelt 1994, S. 31 ff.). Damit wären ökologischen Positionen (und Policies) bei Parteien eher auf der links-libertären Seite des Kontinuums (also von Grünen und auch von linken Parteien) zu erwarten (Kitschelt 1988). U. a., weil linke Parteien eher mit den Grünen um Wählerstimmen konkurrieren, kann die Vereinnahmung grüner Positionen durch linke Parteien eine Strategie im politischen Wettbewerb darstellen (Neumayer 2003, S. 204; Spoon et al. 2013). In eine ähnliche Richtung führt auch die Argumentation von Hooghe und Marks in Auseinandersetzung mit Lipset und Rokkan (Hooghe und Marks 2017): die Autor:innen argumentieren, dass es den Parteien heute nicht gelinge, neue Konfliktlinien zu absorbieren, weshalb es zur Entstehung neuer Parteien komme, zugleich aber die bestehenden Parteien durch den politischen Wettbewerb mit diesen Parteien unter stärkeren Druck gerieten, diese neuen Cleavages zu adressieren (Hooghe und Marks 2017). Auch wenn es den Autor:innen um den aktuellen Fall des „transnational cleavage“ geht, ist damit auch die Entstehung der Grünen und eine Absorption ökologischer Themen vor allem durch linke Parteien gut erfasst. Beide Argumentationsstränge laufen darauf hinaus, dass in der Umweltpolitik Parteiendifferenzen entlang der (ggf. verschobenen) rechts-links-Achse zu erwarten sei.

In Abgrenzung hierzu argumentieren Vertreter:innen der „neuen Parteientheorie“, dass das gesamte Verständnis des Zusammenhangs zwischen Wählerpräferenzen und Parteipositionen neu konzipiert werden müsse. Um ihre Erfolge bei Wahlen zu sichern, reagierten Parteien auf die Veränderung von bestehenden Konfliktlinien und das Hinzukommen neuer Konfliktlinien in der Wählerschaft, indem sie maßgeschneiderte Angebote für bestimmte Wählergruppen machten (z. B. Gingrich und Häusermann 2015). Nur solange sich die Präferenzen dieser Wählerschaften (weiterhin) systematisch nach Parteien unterschieden, sei auch zu erwarten, dass sich Policypositionen und folglich die beschlossenen Policies nach Parteien unterschieden (Wenzelburger 2015, S. 84; Wenzelburger und Zohlnhöfer 2020). Demnach verfolgten Parteien in einem Bereich so lange unterschiedliche Policies, wie es unterschiedliche Präferenzen bei den Wähler:innen gebe und unterschiedliche Policies eine Wiederwahl wahrscheinlicher machten. Eine solche, letztlich auf der rational-choice-Annahmen basierende Überlegung zur Absorption von neuen Konfliktlinien in Parteiideologien würde implizieren, dass Parteien ökologische Interessen dann aufgreifen, wenn sie von ihrer Wählerschaft nachgefragt würde. Solange also Wähler:innen mit ökologischen Interessen vorrangig linke Parteien wählen, würde dies zu einem ökologischen Profil in Programmatik und Politik von linken Parteien führen. In Analogie zu den Überlegungen von Häusermann und Gingrich zur Sozialpolitik (wonach Arbeiter:innen zunehmend nicht-linke Parteien wählten und damit auch in rechten Parteien eine Unterstützung für den Wohlfahrtsstaat hervorriefen, Gingrich und Häusermann 2015) könnte dies letzten Endes aber auch zu einer Verbreitung von ökologischen Positionen über das gesamte (oder beinahe das gesamte) Parteienspektrum („greening the mainstream“, Carter 2013) führen. Damit wären zwischen den Parteipositionen sowie den tatsächlich verfolgten ökologischen Policies allenfalls noch graduelle Unterschiede zu erwarten.Footnote 6

Die Theorie der Parteienfamilien gibt eine andere Antwort auf die uns hier interessierende Frage, ob und wie neue Themen und Konfliktlinien im Parteiensystem abgebildet werden und ob und in welcher Hinsicht für die Umweltpolitik systematische Unterschiede in den Programmatiken erwartbar sind oder nicht. Gemäß dem Konzept der Parteienfamilien bestehen diese „Familien“ jeweils aus ähnlich benannten Parteien in verschiedenen Ländern, für die bestimmte gesellschaftliche Konfliktlinien in der Vergangenheit identitätsstiftend waren, welche auch heute noch ihr politisches Ziel und ihre Identität bestimmen (von Beyme 2000, S. 70 f.; Mair und Mudde 1998).Footnote 7 Damit basiert diese Theorie auf einem historisch-institutionalistischen Grundverständnis. Für die Frage, wie neue Konfliktlinien in den Parteien verarbeitet werden, lässt sich ableiten, dass nicht die elektorale Nutzenerwartung der Parteien entscheidend ist, sondern ihre historisch geprägte Identität (siehe von Beyme 2000, S. 95), die sich in ihren Ideologien niedergeschlagen hat und auch die weitere programmatische Entwicklung prägen sollte (Zohlnhöfer 2020, S. 11). Das passt auch zu der Annahme, dass politische Akteure durch ihre (partei-)politische Sozialisation relativ stabile Einstellungen entwickelten, die ihr Handeln strukturierten (siehe Wenzelburger 2015, S. 86 ff.). Demnach wäre auch auf Dauer in erster Linie von grünen Parteien, für deren Entstehungsgeschichte die ökologische Konfliktlinie identitätsstiftend war, zu erwarten, dass sie ökologische Fragen in ihren Programmen prioritär adressieren und an der Regierung auch tatsächlich restriktive Umweltpolitiken verfolgen würden (Carter 2013, S. 75). Hingegen stehen für linke Parteien Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Umverteilung im Mittelpunkt der Identität. Daher würde bei ihnen eine Absorption ökologischer Positionen eher an der Oberfläche stattfinden, weshalb linken Parteien nicht immer, aber doch regelmäßig ihre Orientierung am wirtschaftlichen Wohlergehen der Benachteiligten im Wege stehen würde, wenn es um eine Lösung des Konflikts Ökonomie vs. Ökologie im Sinne der Ökologie geht (Tab. 1).

Tab. 1 Hypothesen zur Parteiendifferenz in der Umweltpolitik. (Quelle: Eigene Darstellung)

4 Das Empirie-Problem

Wie sieht nun vor dem Hintergrund der dargelegten grundlegenden Problematik die bisherige empirische Bilanz der Anwendung der Parteiendifferenz auf die Umweltpolitik aus? Empirische Untersuchungen zum Effekt der Parteipolitik auf die Umweltpolitik (bzw. Umweltqualität oder -performanz) sind insgesamt seltener als Studien zu anderen Politikfeldern (so auch Knill et al. 2010a, S. 302, siehe aber die Übersicht bei Potrafke 2017, S. 743–744). Es zeigt sich in den vorliegenden Studien zudem eine große Bandbreite bei der Operationalisierung der Parteiendifferenz. Betrachtet man die international vergleichenden Studien, so findet Neumayer, dass die Stärke grüner bzw. links-libertärer Parteien in Parlamenten mit geringerer Luftverschmutzung einhergehe (Neumayer 2003, S. 218), ein Befund, der auch in der Studie von Bernauer und Koubi bestätigt wird (2009, S. 1362). Neumayer erklärt diesen Befund so, dass grüne Parteien im Parlament andere Parteien und die Regierung unter Druck setzten, Umweltprobleme ernster zu nehmen (2003, S. 218). Hingegen korrelieren in Neumayers Untersuchung linke Parteien an der Regierung allenfalls mit höherer Luftverschmutzung. Garmann untersucht den Parteieneffekt auf die CO2-Emissionen von 19 OECD-Ländern zwischen 1992 und 2008. Demnach komme es unter Regierungen der Mitte zu größeren Emissionsreduktionen als unter linken Regierungen und unter linken Regierungen zu größeren Emissionsreduktionen als unter rechten Regierungen (Garmann 2014, S. 9). Wen et al., die die Umweltleistung über verschiedene Indizes erfassen, stellen fest, dass die Performanz von Linken und christdemokratischen Regierungen besser sei als die von anderen Regierungen (2016). Arklin und Urpelainen fanden heraus, dass der Anteil erneuerbarer Energien mit einem Wechsel von konservativen zu linken Regierungen zunahm, während er mit einem Wechsel von linken zu konservativen Regierungen (wenn auch schwächer) abnahm (2013, S. 656). Knill et al. kamen in einer OECD-Länder vergleichenden Studie zu dem Ergebnis, dass Parteien, die sich in ihren Programmen für strenge Umweltpolitik stark machten, tatsächlich auch mehr Umweltpolitik beschlössen. Dies sei bei linken Parteien häufiger der Fall als bei rechten Parteien, jedoch erlaube alleine die Rechts-links-Unterscheidung keine zuverlässigen Aussagen über die umweltpolitische Performanz von Regierungen (Knill et al. 2010a, S. 327). Diesen Befund bestätigt Schulze auch für die Ratifikation internationaler Umweltabkommen (2014, S. 130).

Jahn fand heraus, dass nur grüne Parteien wirklich grüne (und zudem linke) Positionen verträten, dass diese jedoch deutlich weniger grün und links seien, wenn die Parteien der Regierung angehören (Jahn 2016a, S. 209). Bei sozialdemokratischen Parteien ließen sich Ansteckungseffekte durch grüne Ideen zeigen, die jedoch zeitlichem Wandel unterlägen: Demnach waren Sozialdemokraten in den 1980er-Jahren eher auf Wachstum ausgerichtet, vor allem, wenn sie an der Regierung beteiligt waren, sie wurden aber zwischen 1991 und 2007 insgesamt grüner, und zwar ausgeprägter, wenn sie an der Regierung beteiligt waren, als in der Opposition (Jahn 2016a, S. 209 ff.). Im Laufe der Finanz- und Wirtschaftskrise jedoch hätten sich die Sozialdemokraten wieder mehr auf das linke „Brot-und -Butter-Geschäft“ konzentriert und ökologische Positionen abgeschwächt (ebd., S. 211). Hingegen seien konservative Parteien, gefolgt von liberalen Parteien, klare Gegnerinnen grüner Positionen, wobei sich innerhalb des konservativen Spektrums Christdemokraten noch am ehesten für grüne Positionen erwärmen könnten (ebd., S. 211). Jahn stellt insgesamt fest, dass, sofern sich linke Parteien für Umweltfragen stark machten, sich dies auch positiv auf die Umweltqualität auswirkt (ebd., S. 214). Hingegen gelte für konservative Parteien das Gegenteil: auch wenn sie grüne Positionen verträten, führe dies nicht zu einer Verbesserung der Umweltqualität (ebd., S. 214; 320). Für den spezifischen Fall des Verbots gentechnisch veränderten Saatgutes fand die Studie von Bäck et al. dort, wo Christdemokraten im Kabinett vertreten waren und auch das Umweltministerium besetzten, einen positiven Effekt auf solche Verbote, während sich kein positiver Effekt einer grünen Regierungsbeteiligung zeigen ließ (2015, S. 570).

Zusammenfassend kann man festhalten, dass die empirischen Ergebnisse zum parteipolitischen Einfluss auf Umweltpolitik und Umweltqualität (bzw. -performanz) in der Umweltpolitik uneinheitlich, manchmal auch widersprüchlich erscheinen, was zum Teil an unterschiedlichen Sachverhalten, jedoch häufig auch an uneinheitlichen Forschungsdesigns liegt. Relativ gesichert ist nur das Regierungshandeln von grünen Parteien, wobei sich auch hier Ausnahmen ergeben. Es gibt Hinweise für eine bessere Performanz (in Umweltpolitik oder Umweltqualität) linker Regierungen sowie zum Teil auch von christdemokratischen Regierungen und Regierungen in der Mitte. Damit bleibt insbesondere das umweltpolitische Handeln von „Mainstream“-Parteien (v. a. von sozialdemokratischen und christdemokratischen Parteien) unsicher. Es deutet sich zumindest an, dass der Parteienfamilienansatz die ökologische Programmatik treffender zu bestimmen vermag als die Einordnung von Parteien auf der Rechts-Links-Achse.

5 Das „Dependent Variable“-Problem

Das als nächstes behandelte „Dependent Variable“-Problem hängt nicht mit den Kernannahmen der Parteiendifferenztheorie zusammen, sondern mit typischen mit ihr auftretenden Forschungsdesigns – insbesondere auch in der makrokomparativen Umweltpolitikforschung. Als zu erklärende Phänomene („dependent variables“) werden in der Policyforschung neben Policies, also politischen Maßnahmen, auch deren Effekte auf Adressaten sowie deren Auswirkungen auf die reale Welt unterschieden. Allerdings ist die Begrifflichkeit zwischen der Politikfeldanalyse und der StaatstätigkeitsforschungFootnote 8 unterschiedlich. Während beide Policies als Output (im Sinne des Ergebnisses des politischen Entscheidungsprozesses) bezeichnen, beschreibt für die Politikfeldanalyse das Outcome den Effekt der Policy auf ihre Adressaten (z. B. Verwaltungen oder Bürger:innen), während die Wirkung auf Parameter in der realen Welt (übergewichtige Kinder, Luftqualität) als Impact verstanden werden (Rieder et al. 2014). Die Staatstätigkeitsforschung interessiert sich nicht so sehr dafür, was zwischen der Policy und den Parametern in der realen Welt passiert, und bezeichnet diese Parameter als Outcome-Variablen (z. B. Jahn und Wälti 2007, S. 267). Insbesondere durch die unterschiedliche Verwendung des Begriffs Outcome kann es zu Verwirrungen kommen, die noch gesteigert werden kann, wenn die Methode der QCA angewendet wird, denn hier wird das zu erklärende Phänomen grundsätzlich als „Outcome“ bezeichnet, auch wenn es sich dabei um einen Policy-Output handelt (z. B. Günther et al. 2021) (Tab. 2).

Tab. 2 Uneinheitliche Terminologie zur „dependent Variable“ in der Policyforschunga

Die Abgrenzung zwischen Output und Outcome aus der politikfeldanalytischen Perspektive kann zudem im Einzelfall (wie im oben genannten Beispiel der Luftreinhaltepolitik) schwierig sein, wenn die Adressaten einer Policy selber staatliche Akteure sind und ihre Reaktion auf die Policy (hier: Luftreinhaltepläne) auch als eigene Policy verstanden werden kann.

Bereits Douglas Hibbs gab an, Aussagen über Policies machen zu wollen, die er als das Ergebnis bestimmter parteipolitsicher Konstellationen nachzuweisen behauptete. Tatsächlich bestand seine abhängige Variable jedoch aus Parametern in der „realen“ Welt: Arbeitslosenquoten und Inflationsraten, die er als gewissermaßen zwangsläufige Resultate spezifischer Policies, die eben entweder auf Vollbeschäftigung oder auf Geldstabilität abzielten, interpretierte, ein Vorgehen, das in der quantitativ vergleichenden Staatstätigkeitsforschung auch heute üblich ist. Warum man – forschungspraktisch gesehen – solche Parameter in der realen Welt als Proxies, als „Stellvertreter“ für Policies verwendet, liegt auf der Hand: Während für Arbeitslosquoten, Inflationsraten, Staatsausgaben, Emissionsniveaus, Wasserqualität etc. Daten im Großen und Ganzen recht gut verfügbar sind, ist dies für politische Maßnahmen und die Frage, ob diese in überwiegend distributiven Politikfeldern vergleichsweise großzügig angelegt sind oder nicht, oder ob sie in vorrangig regulativen Politikfeldern eher permissiver oder restriktiver Natur sind, weitaus schwieriger. Denn sowohl die Konzepte als auch die Daten sind im Wesentlichen nicht verfügbar bzw. müssen erst generiert werden.

In der Sozialpolitikforschung wird über diese Vorgehensweise diskutiert und dabei kritisiert, dass die Verwendung von Outcome-Parametern zur Operationalisierung von Policies, also politischen Maßnahmen, problematisch erscheint (siehe Wenzelburger et al. 2018, S. 682 mit weiteren Referenzen). Denn zum einen kommen Studien, je nachdem, mithilfe welcher Parameter sie beispielsweise die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates abbilden, zu unterschiedlichen und teilweise widersprüchlichen deskriptiven Resultaten, insbesondere was die Diagnose eines Wohlfahrtsstaats-Rückbaus betrifft (ebd., S. 683). Zum anderen hängen auch die Kausalerklärungen für die Sozialstaatsentwicklung davon ab, wie die abhängige Variable konstruiert wird (ebd., S. 684). Aufgrund der Problematik der indirekten Abbildung von Policies über solche ParameterFootnote 9 entscheiden sich beispielsweise Wenzelburger et al., die Entwicklung der deutschen Sozialpolitik anhand des legislativen Outputs mit Hilfe eines neuen Datensatzes zu analysieren (S. 690 ff.).

Während dieses „Dependent Variable“-Problem in der Sozialpolitikforschung als Problem anerkannt ist, ist ein vergleichbares Problembewusstsein in der Umweltpolitikforschung wenig ausgeprägt. Vielmehr werden häufig – implizit oder explizit – Umweltpolitik und Umweltqualität bzw. Umweltperformanz gleichgesetzt.

Die Erhebung der Umweltqualität als solche ist ein wichtiges und gleichzeitig schwieriges Unterfangen. Bereits Ende der 1980er-Jahre untersuchte Martin Jänicke die Erfolgsbedingungen von Umweltpolitik im internationalen Vergleich (1990) und setzte dabei zunächst bei der Umweltqualität an. Er untersuchte, wie sich in 32 Ländern zwischen 1970 und 1985 die Umweltqualität entwickelt hatte. Weiter wurde untersucht, wie diese Resultate mit anderen ökonomischen Bedingungen (z. B. der Erwerbsquote) im Zeitverlauf korrelieren (Jänicke, 1990, S. 218 ff.). In weiteren Studien wurden entweder Einzelindikatoren von Luftqualitätswerten (Neumayer 2003) bzw. CO2-Emissionswerte und ihre Veränderung (Garmann 2014) oder aggregierte Werte mehrerer Bereiche (Roller 2005, S. 170–179) zur Ermittlung der Umweltqualität und ihrer Veränderung herangezogen. In der Folge wurden die Umweltperformanz von der Umweltqualität unterschieden (dazu Jahn und Wälti 2007, S. 265 ff.). Umweltperformanz definiert Jahn in Abgrenzung zur Umweltqualität als „Leistungsfähigkeit eines Landes die Umweltbelastung zu reduzieren“ (Jahn 2016b, S. 680; Jahn 1998, ebenso Wurster 2010, S. 277 f.). Entscheidend für die Ermittlung der Performanz ist, dass die Umweltbelastung politischen Akteuren bekannt sei und vom diesen als politisch beeinflussbar eingeschätzt werde. Nur dann können sie für eine politische Leistungsbilanz herangezogen werden (Jahn und Wälti 2007, S. 265 f.). Der von Jahn in seiner Studie von 2016 entscheidend weiterentwickelte Performanz-Index enthält verschiedene Zeitreihen-Daten für die Bereiche der Klimagasemissionen, der Wasserqualität, des Anfalls von Abfällen, der Bodenverschmutzung sowie einige (sehr ausgewählte) maßnahmenbezogene Indikatoren (wie Recyclingraten) (Jahn 2016a, S. 98).

Nur in wenigen Studien wird die Umweltqualität oder Umweltperformanz allerdings explizit als Stellvertreter (Proxy) für umweltpolitische Maßnahmen herangezogen, so in der Untersuchung von Bernhagen zum Einfluss von Wirtschaftsinteressen, in der er die Luftverschmutzung als Proxy für Umweltpolitik verwendet (2012). Die meisten Studien nehmen diesen Schritt gerade nicht explizit vor, sondern untersuchen die Determinanten von Umweltqualität, der Verbesserung der Umweltqualität oder der Umweltperformanz, ohne diese explizit als Proxy für Umweltpolitik zu bezeichnen (siehe den Überblick bei Potrafke 2017, S. 743–744); so etwa Scruggs im Hinblick auf den Effekt korporatistischer Strukturen der Interessenvertretung auf die Umweltqualität (1999), Bernauer und Koubi vor allem im Hinblick auf institutionelle Faktoren (2009), Jahn im Hinblick auf verschiedene Kausalfaktoren, darunter auch die Parteipolitik (2016a, S. 28) sowie Neumayer im Hinblick auf die Rolle von Parteipolitik (2003), ebenso wie Garmann (2014).

Beispielhaft für solche Studien ist die Untersuchung Neumayers, der einen robusten Zusammenhang zwischen der Stärke grüner bzw. linker Parteien („green/libertarian left wing parties“) in Parlamenten und niedrigen Niveaus der Luftverschmutzung findet (Neumayer 2003, S. 204). Dabei bietet der Autor jedoch auch in seinen theoretischen Ausführungen keinerlei Vermutung an, über welchen kausalen Mechanismus seine „definite expectations about the direction of an impact of green/left-libertarian party strength on pollution levels“ (ebd., S. 205) sich materialisieren sollen. Dass Policies eine Rolle spielen, kann man allenfalls aus einem Nebensatz schließen, wo es (im Zusammenhang mit Korporatismus und mit Verweis auf Scruggs) heißt, dass „corporatism provided the ideal institutional bodies to insititute efficient pollution abatement policies“ (ebd., S. 205). Ähnlich interpretiert Scruggs in seiner Studie eine Verbesserung der Umweltqualität als „national performance“ (1999, S. 2), ohne zu erläutern, wie die untersuchten Faktoren (v. a. Korporatismus) wirken, um diese Leistung (und die Umweltqualität) zu beeinflussen.

Detlef Jahn geht davon aus, „that politics is able to influence environmental performance …“ (2016a, S. 316) und legt ein differenziertes Modell politischer Prozesse vor, das auf dem Vetospieleransatz sowie Elementen der Ressourcen-Mobilisierungstheorien basiert und für makrokomparative Studien in allen Politikfeldern anwendbar sein soll (ebd., S. 29–38, 319, 326 ff.). Politische Prozesse sind demnach durch ein grundsätzliches Spannungsverhältnis zwischen Wandel befürwortenden Agendasetzern und ihn ablehnenden Vetospielern gekennzeichnet, wobei Macht und der institutionalisierte Kampf von Akteuren um Macht den Kern politischer Prozesse definiert. In der Umweltpolitik jedoch herrsche häufig ein eher konsensueller Stil vor, in dem Vetospieler die Initiativen von Agendasetzern unterstützten. Da sich dieser Ansatz auf die Vetospielertheorie bezieht, hat er zunächst (Umwelt‑)Policies im Visier. Wenn die Annahmen des Vetospieleransatzes nun für die Anwendung in makrokomparativen Studien angepasst werden (u. a., indem nun Präferenzen nicht mehr als statisch angesehen werden und indem die abhängige Variable das Outcome und nicht der Policy-Output ist), wird durchaus thematisiert, dass es eine Reihe von Faktoren außer politischen Maßnahmen gibt, welche die Outcomes (also hier z. B. Umweltqualität) beeinflussen können (Jahn 2016a, S. 31). Dies wird aber nur als Problem der Bestimmung des Status Quo adressiert (der eben bei Studien zum Outcome schwieriger zu bestimmen ist als wenn es um Policies geht, Jahn 2016a, S. 32). Welcher kausale Zusammenhang jedoch dann von den Faktoren und Annahmen des Modells zur Umweltqualität führt, bleibt auch in diesem differenzierten Modell unerwähnt. Angenommen wird, dass Akteure Präferenzen für bestimmte, vom Status Quo abweichende Outcomes (i.e. für Umweltverbesserungen) haben und Policies so zu bestimmen versuchen, dass diese Outcomes erreicht werden (Jahn 2016a, S. 32 f.). Dabei erscheint zum einen fraglich, ob, wie hier unterstellt, Parteien (oder Politiker:innen) grundsätzlich Präferenzen haben, die auf eine präzise Veränderung des Status Quo einer Umweltsituation abzielen, oder ob sie nicht in vielen Fällen viel eher für eine bestimmte Maßnahme (Policy) sind, die auf einen Umweltzustand grob in eine bestimmte Richtung wirken soll, ohne dabei aber einschätzen zu wollen, ob beispielweise die Begrenzung der NO2-Immissionen in Ballungsgebieten auf 40, 30 oder 20 µg/m3 im Jahresmittel sinken sollen. Fraglich ist zudem, ob politische Akteure in der Lage sind, Maßnahmen so präzise zu kalibrieren, dass das auch gelingen könnte. Zum anderen werden „policy reforms and environmental performance“ (ebd., S. 37) als natürlich zusammenhängende Sachzusammenhänge dargestellt, während der zuvor durchaus angesprochene Umstand ausgeblendet wird, dass der Zusammenhang zwischen einer Maßnahme und der Umweltqualität komplex und unsicher ist, wie im Folgenden noch weiter ausgeführt wird.

An dieser Stelle lässt sich festhalten, dass Studien, die die Umweltqualität oder -performanz mit den üblichen Theorien und Faktoren der Staatstätigkeitsforschung (oder auch mit Hilfe der Einbettung dieser Faktoren in weitaus elaboriertere Modelle) erklären wollen, letztlich noch keine oder keine überzeugenden Annahmen darüber getroffen haben, über welche kausalen Mechanismen sich etwa Parteipolitik (oder Korporatismus etc.) auf die Umweltqualität auswirkt und welche Rolle dabei insbesondere Policies (politische Maßnahmen) und der kontingente Zusammenhang zwischen Policies und Outcomes (bzw. Impacts) spielen.

Genau der letztlich unterstellte (lineare) Zusammenhang zwischen Policies und Umweltqualität wird in einer ganzen Reihe von Studien empirisch untersucht und zumindest teilweise als nicht bestehend eingeschätzt: eine restriktive Umweltpolitik bringt keinesfalls zwingend eine höhere Umweltqualität hervor. Dies liegt u. a. daran, dass Politiken nicht immer umgesetzt werden (dazu die hinlänglich bekannte Diskussion zur Implementationsproblematik in der Umweltpolitik, Pressman und Wildavsky 1973; Mayntz et al. 1978; Sabatier und Mazmanian 1979; Tosun 2012; Limberg et al. 2020) und zudem andere Faktoren wie die wirtschaftliche und technologische Entwicklung etc. ebenfalls kausal wirken. In manchen Studien lässt sich zeigen, dass politische Regulierung tatsächlich zu erwünschten Verbesserungen der Umweltqualität führt (z. B. Steinebach 2019a; Le Quéré et al. 2019). In anderen Analysen kommt es trotz Regulierung nicht zu einer Verbesserung der Umweltqualität, oder der kausale Zusammenhang zwischen einer politischen Maßnahme und einer Verbesserung der Umweltqualität ist fraglich (grundlegend dazu Coglianese 2012). Greenstone zeigt z. B. für die USA, dass der Clean Air Act von 1970 für den bemerkenswerten Rückgang der Schwefeldioxidbelastung ab 1975 bestenfalls am Rande verantwortlich war (2004). Ähnlich fanden Knill et al. für die Luftreinhaltepolitik von 24 OECD-Ländern zwischen 1976 und 2003, dass zumindest für die Schadstoffe CO2, SO2 und NOx kein Zusammenhang zwischen der Regelungsdichte und -intensität der Umweltpolitik und den Luftqualitätsparametern bestand (2012, S. 436). Eine strengere Regulierung führte also in diesem Fall nicht kausal zu einer Verbesserung der Luftqualität. Basierend auf dem gleichen Ansatz kommt eine aktuelle Studie zu dem Ergebnis, dass in 14 OECD-Ländern zwischen 1990 und 2014 Command-and-Control-Regulierung zu einer signifikanten Reduktion der Luftschadstoffemissionen führte – aber nur dann, wenn sie angemessen durchgeführt und durchgesetzt wurde (Steinebach 2019b, S. 2). Dasselbe gilt für die Anzahl der Umweltgesetze, die sich ebenfalls nur dann positiv auf die Umweltqualität auswirkt, wenn auch entsprechende Verwaltungskapazitäten für eine effektive Umsetzung zur Verfügung stehen (Limberg et al. 2020).

Dies sind vor dem Hintergrund dessen, was wir seit den 1970er-Jahren über die Problematik der Implementation von Umweltpolitik wissen, keinesfalls überraschende Resultate. Aber sie machen deutlich, dass Umweltregulierung und Umweltqualität (und auch -performanz) unterschiedliche Dinge sind. Daher sind „environmental impacts […] not unconditionally a reliable proxy for environmental policy change“ (Knill et al. 2012, S. 441).

6 Das Problem der singulären Kausalität

Es entspricht zwar der Logik der vergleichenden Staatstätigkeitsforschung, dass sie Erklärungsfaktoren (wie Parteiendifferenz, Machtressourcen oder institutionelle Faktoren) in erster Linie als konkurrierende Optionen und nicht wie die prozessorientierte Policyforschung als miteinander interagierende Faktoren untersucht (Wenzelburger und Wolf 2015). Gleichwohl haben verschiedene Autor:innen im Hinblick auf die Parteiendifferenztheorie den Umstand kritisiert, dass diese weitere relevante Faktoren, u. a. institutioneller Natur, ausblendet bzw. dass institutionelle Kontextfaktoren berücksichtigt werden müssen (Wenzelburger 2015, S. 91 ff.). Die Parteiendifferenztheorie in ihrer ursprünglichen Version war auffällig blind für die institutionellen Besonderheiten der politischen Systeme (von Beyme 1981). Sie nahm das Wirken der von ihr postulierten Kausalannahmen gleichermaßen in präsidentiellen wie auch in parlamentarischen (Mehrheits‑)Systemen an (siehe die Längsschnittanalayse von Hibbs 1977 als Paradebeispiel). Dabei spielen Parteien etwa im US-amerikanischen präsidentiellen System eine geringere Rolle als in den parlamentarischen Systemen. Und in den parlamentarischen Systemen wird die Wirkung von Parteiendifferenz dann gedämpft, wenn Wahl- und Parteiensysteme statt zu Einparteienregierungen systematisch zu Koalitionsregierungen führen. Denn in Koalitionsregierungen müssen inhaltliche Kompromisse zwischen den Programmen der beteiligten Parteien gefunden werden. Hingegen führt etwa in Großbritannien das Mehrheitswahlrecht in aller Regel zu Einparteienregierungen, die Wahlprogramme sehr viel kompromissloser umsetzen, als dies in Koalitionsregierungen möglich ist.Footnote 10 Grundsätzlich haben Vetopunkte, etwa zweite Kammern oder Verfassungsgerichte, das Potenzial, die Policy-Effekte von parteipolitischen Unterschieden zu mindern (Wenzelburger 2015, S. 91). Auch weitere institutionelle Rahmenbedingungen, z. B. konsensdemokratische Muster, können den Spielraum von Regierungsmehrheiten und damit auch die Wirkung von Parteiendifferenz einschränken (z. B. Schmidt 1996; Kittel und Obinger 2003; Wenzelburger 2015). In konkreten Kontexten kann beispielsweise die institutionelle Logik des Direktmandats zu einer deutlichen Relativierung parteipolitisch determinierten Verhaltens von Abgeordneten (im Sinne der Fraktionsdisziplin) und damit zur punktuellen Erosion von Regierungsmehrheiten, die eine notwendige Bedingung für Parteiendifferenz darstellen, führen (Töller 2017). In Deutschland hat zudem die Veränderung des Parteiensystems (im Zusammenwirken mit dem Wahlsystem) in den letzten Jahren dazu geführt, dass – lange Zeit nur auf Ebene der Länder, jüngst auch im Bund – zunehmend Koalitionen entstanden sind, die hinsichtlich ihrer erwartbaren Policypositionen weitaus schwieriger einzuschätzen sind, als „konventionelle“, etwa rot-grüne oder schwarz-gelbe Koalitionen (z. B. Sack und Töller 2018). Insbesondere jüngere Arbeiten zeigen, „dass der Einfluss von Parteien selten direkt aufritt, sondern vielmehr stellenweise und indirekt bzw. nur unter bestimmten Bedingungen nachzuweisen ist“ (Wenzelburger 2015, S. 103). Daher ist die systematische Berücksichtigung der genannten Faktoren bei der Untersuchung von Parteieneffekten unbedingt erforderlich.

7 Lösungsansätze

Im Folgenden werde ich Lösungsansätze für die zuvor aufgezeigten Probleme der Anwendung der Parteiendifferenztheorie in der Umweltpolitikforschung (mit Ausnahme des „Empirie-Problems“, für das es keine Lösung im eigentlichen Sinne gibt, vorstellen).

7.1 … für das Problem singulärer Kausalität

Ich beginne mit dem zuletzt in Abschn. 6 aufgeworfenen Problem, das in den letzten Jahren bereits weitgehend gelöst wurde. Es geht darum, dass die Parteiendifferenz das Wirken nur eines Kausalfaktors (Parteipolitik) unterstellt, dieser jedoch in der Realität meist von weiteren, häufig institutionellen Faktoren abhängig ist. Hier sind vor allem in den letzten Jahren sowohl theoretische als auch methodische Lösungsansätze entwickelt worden (aber siehe auch schon Hicks und Swank 1992).

Auf der Theorieebene ist es ohne Weiteres möglich, institutionelle Faktoren in die Parteiendifferenztheorie einzubauen. Ein gutes Beispiel hierfür findet sich in der Forschung zur Bildungspolitik. In seiner Studie zu den Hochschulpolitiken von 33 OECD-Staaten von 1945 bis 2015 ging Julian Garritzmann der Frage nach, was die im Ländervergleich und im Zeitverlauf identifizierbaren Unterschiede bei den Studiengebühren einerseits und Unterstützungssysteme für Studierende andererseits erklärt (Garritzmann 2016). Er teilte die Länder in vier (erwartbare) Cluster ein und wollte nun erklären, warum systematische Unterschiede zwischen den Ländern bestehen und warum diese auf Dauer bestehen bleiben. Der Autor identifizierte Parteipolitik, also die parteipolitische Zusammensetzung der Regierungen, als wesentlichen Faktor, leistete aber einen interessanten Beitrag zur Ergänzung der Parteiendifferenztheorie, indem er diese mit dem Pfadabhängigkeitsargument kombinierte. Das Ergebnis war die „Time-Sensitive Partisan Theory“, deren zentrales Argument ist, dass die Dauer einer Regierung eine wichtige Rolle spiele, weil eine Partei umso besser ihre Präferenzen in Policies umsetzen könne, je länger sie im Amt sei. Diese Policies entwickelten wiederum positive Rückwirkungen, was Systemwechsel kostspielig und damit unwahrscheinlich mache und zudem Oppositionsparteien zwinge, ihre „Second-order“-Präferenzen zu ändern (Garritzmann 2016, S. 303).

Methodisch gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Kausalitätsproblem zu lösen. Auch verschiedene Studien, die die Parteieneffekte mit Hilfe von Regressionsanalysen untersuchen, können die Interaktion von Parteipolitik mit institutionellen Faktoren analysieren (z. B. Hicks und Swank 1992, S. 667 ff.; Obinger et al. 2014). Hier möchte ich insbesondere auf die Methode der QCA (Qualitative Comparative Analysis, Ragin 1987) eingehen. Sie wird zu den qualitativen Methoden gezählt, ist aber von der möglichen Fallzahl und der Logik des Erklärens her „in der Mitte“ zwischen qualitativ und quantitativ angesiedelt. Sie hat sich insbesondere in der vergleichenden Bundesländerforschung etabliert (z. B. Bandau und Bothner 2020; Günther et al. 2021). Charakteristisch für die Methode ist, dass sie Annahmen der Mengenlehre mit der Logik der booleschen Algebra kombiniert (Ragin 1987; Schneider und Wagemann 2006, S. 752). Die QCA erlaubt die Identifikation von notwendigen und hinreichenden Bedingungen und von Kombinationen von Bedingungen, die das Eintreten bzw. Nicht-Eintreten des Outcomes für möglichst alle Fälle erklären. Grundlage hierfür ist das Denken in Mengen (Sets), welche ein soziales Phänomen abbilden und in denen die untersuchten Fälle einen bestimmten Grad an Mitgliedschaft aufweisen. Diese Methode ist sehr gut geeignet, um das mögliche Zusammenspiel von Parteiendifferenz mit anderen Faktoren herauszuarbeiten. Im Bereich der bundesländervergleichenden Migrationspolitikforschung beispielsweise gelang es Günther et al., eine linke Regierung als notwendige Bedingung für eine Innovation in der Gesundheitsversorgung von Asylsuchenden zu identifizieren, die jedoch nur dann zu dieser Innovation führte, wenn es zugleich bestimmte institutionelle Konstellationen die Kostenübernahme betreffend gab (Günther et al. 2021).

In der Umweltpolitikforschung, und speziell im Hinblick auf die Parteiendifferenztheorie, wurde die QCA bislang nur wenig, und dann vor allem auf die Policies der deutschen Bundesländer angewendet. Wurster und Hagemann untersuchten die Einflussfaktoren für die Ausweitung erneuerbarer Energien als Beitrag zur Energiewende in den Bundesländern und fragten dabei insbesondere nach der Bedeutung von Parteipolitik (Wurster und Hagemann 2018, S. 610). Mithilfe einer fsQCA identifizierten sie zwei verschiedene „Pfade“, die zu einer solchen Ausweitung erneuerbarer Energien geführt haben: Der erste Pfad kombiniert gute Voraussetzungen für einen Ausbau mit einer Beteiligung der Grünen an der Regierung (Wurster und Hagemann 2018, S. 616). Der zweite Pfad ist durch Strukturschwäche (niedriger Industrieanteil) charakterisiert, wobei keine parteipolitischen Effekte auftreten (ebd.). Hartung und Hörisch untersuchen mit einer fuzzy set QCA die Bedingungen, unter denen Bundesländer Gentechnik regulieren (2018). Jenseits einer Neigung grüner Minister:innen zu symbolischen GMO-Politiken finden sie keine klaren parteipolitischen Muster (ebd., 2018). Kemmerzell und Hofmeister (2019) wenden eine crisp set QCA an, um den Umfang lokaler Klimaschutzmaßnahmen in deutschen Großstädten zu erklären. Sie identifizieren ebenfalls verschiedene Pfade, von denen einer durch die elektorale Stärke grüner Parteien gekennzeichnet ist (ebd., S. 122).

7.2 … für das „Dependent Variable“-Problem

Für das in Abschn. 5 diskutierte Dependent Variable-Problem sehe ich zwei Ansatzpunkte. Zum einen wäre es hilfreich, wenn sich Autor:innen, in deren Untersuchungen die Umweltqualität, ihre Veränderung oder die Umweltperformanz die abhängige Variable darstellt, explizit damit auseinandersetzten, wie, d. h. über welche kausalen Mechanismen, die untersuchten Faktoren, darunter die Parteipolitik, sich auf die Umweltqualität auswirken sollen, welche Rolle dabei politische Maßnahmen (Policies) spielen und wie sie sich das Wirken von Policies auf die Umweltqualität vorstellen. Zum anderen wäre es überaus wünschenswert, analytische Werkzeuge weiterzuentwickeln, um umweltpolitische Maßnahmen mit wenig Aufwand und erforderlicher Intersubjektivität ländervergleichend zu erfassen und zu kategorisieren. Tatsächlich gibt es durchaus Studien mit großer Fallzahl und quantitativen Methoden, die Policies (und nicht Umweltqualität) als abhängige Variable betrachten. Beispielsweise in der Studie von Liefferink et al. werden 24 Staaten hinsichtlich der Stärke ihrer Umweltpolitiken untersucht (2009, S. 681 ff.). Liefferink et al. maßen für jeden Staat die Regulierung von 40 Umweltproblemen (environmental policy issues; ebd., S. 677) zu vier Zeitpunkten. Dabei wurden die Länder über ihren Abstand zu dem Land mit der besten umweltpolitischen Leistungsbilanz eingestuft (ebd., S. 681 ff.). Einen anderen Ansatz zur deskriptiven Analyse von Policies bzw. Policywandel unternahmen Knill et al. (2010b). Sie unterschieden – unter Bezugnahme auf die Typologie von Policywandel bei Hall (1993) – zunächst drei verschiedene Aspekte: 1. ob für einen bestimmten Regulierungsgegenstand überhaupt eine Regulierung besteht bzw. ob eine solche eingeführt oder auch abgeschafft wird (Knill et al. 2010b, S. 417); 2. mit welchen Instrumenten die Regulierung realisiert wird, und 3. wie die verwendeten Instrumente kalibriert werden (also auf welcher Höhe z. B. Emissionsgrenzwerte festgelegt werden). Auf allen drei Dimensionen ist es möglich, Entwicklungen im Sinne von Politikausbau oder Politikabbau zu identifizieren (ebd.). Eine andere Operationalisierung der Umweltpolitik setzt an der kumulierten Anzahl der beschlossenen Umweltgesetze an und nutzt das ENVIPOLCON-DatensetFootnote 11 (Knill et al. 2010a). Diese Daten wurden jüngst in „rule portfolios“ erfasst (Limberg et al. 2020, S. 6). Dabei wird argumentiert, dass es nur das Ansetzen an der Menge der Umweltpolitik insgesamt erlaubt, auch (Ressourcen‑) Verschiebungen und (positive und negative) Interaktionen zwischen einzelnen Regelungsbereichen zu erfassen (ebd., S. 3).

Mit solchen Ansätzen zur deskriptiven Analyse von Policies bzw. Policywandel (siehe auch Wenzelburger et al. 2018 für die Sozialpolitik) würde es besser möglich, Umweltpolitik deskriptiv zu erfassen, ihr Zustandekommen kausal zu erklären und dann – mit Hilfe geeigneter Theorien und Methoden – den Zusammenhang von politischen Maßnahmen (sowie anderen Faktoren) und Umweltqualität bzw. deren Veränderung zu analysieren (z. B. Greenstone 2004; Knill et al. 2012).

7.3 … für das Cleavage-Problem

Für die in Abschn. 3 ausgebreitete Kernproblematik der Anwendung der Parteiendifferenztheorie auf die Umweltpolitik gibt es meines Erachtens eine Lösung, die vielleicht auch für Politikfelder, in denen sich zuvor bestehende Cleavages tendenziell auflösen, ihren Charme hätte. In einem noch nicht veröffentlichten Beitrag befasst sich Reimut Zohlnhöfer mit einer Thematik, die er das „independent variable problem“ nennt (2020). Es geht zunächst um die Frage, wie Parteiendifferenz in empirischen Studien operationalisiert wird. Die traditionelle Art, Parteiendifferenz zu operationalisieren, bestand in einem ersten Schritt darin, auf der Basis der Annahmen über Parteienfamilien oder auf der Basis von Annahmen über Rechts-Links-Achsen (z. B. Hibbs 1977) Annahmen über inhaltliche Positionen der Parteien zu treffen und dann in einem zweiten Schritt die Repräsentation dieser Parteien in der Regierung zu bestimmen und daraus Hypothesen hinsichtlich der erwartbaren Policies (oder Outcomes) zu entwickeln (Schmidt 1996, S. 157–162). Neben dem Anteil der Kabinettsitzen einer Regierung wurde auch das Ministerial Discretion Modell verwendet, welches annimmt, dass die Parteiposition des/der zuständigen Minister:in für Entscheidungen den Ausschlag geben sollte (Laver und Shepsle 1998, S. 8 ff.). Schließlich gibt es auch Ansätze, die Parteiendifferenz über die Parlamentssitze operationalisieren. Beispielsweise Neumeyer betrachtet die Parteien im Parlament (z. B. Neumayer 2003), ein Vorgehen, das mir zumindest für parlamentarische Regierungssysteme, wo sich die Fähigkeit, Policyergebnisse zu beeinflussen, klar zwischen Regierungsmehrheit und Opposition unterscheidet, wenig überzeugend erscheint, es sei denn, man thematisiert diesen Unterschied ausdrücklich, wie dies Hicks und Swank taten (s. oben).

Weil nun aber die apriori-Annahmen über Parteipositionen in manchen Politikfeldern zunehmend mit Unsicherheiten behaftet sind – und zwar unabhängig davon, ob sie auf der Basis von Parteienfamilien- oder Rechts-Links-Annahmen getroffen werden – und in anderen, wie der Umweltpolitik, immer schon problematisch waren, aber vielleicht auch, weil die Erhebung großer Datensätzen, etwa im Rahmen des Chapel Hill Expert Survey oder des Manifesto-Projektes, und ihre textanalytische Durchdringung in den letzten vielleicht 20 Jahren durch methodische Innovationen möglich wurde und zugenommen hat (so auch Zohlnhöfer 2020, S. 2), verwendeten Studien zur Parteiendifferenztheorie zunehmend eine andere Art der Operationalisierung: Anstatt die Policyposition der Parteien (auf der Basis von Annahmen über Parteienfamilien oder Rechts-Links-Achsen) gewissermaßen vorauszusetzen und die Operationalisierung dann über die Repräsentation der Parteien (in Kabinetten, an der Spitze von Ministerien oder auch in Parlamenten) zu regeln, überprüfen viele Autor:innen, welche Positionen in den Parteiprogrammen („Manifestos“) tatsächlich zu finden sind (siehe auch Töller 2019; für die deutschen Parteien auf Landesebene: Bräuninger et al. 2020).

Dieses Vorgehen thematisiert Reimut Zohlnhöfer in seinem erwähnten Papier und kritisiert, dass es die Forschungsfrage verschiebe „from asking whether parties make a difference in public policy to the question whether parties in government do what they promise in their manifestos“ (Zohlnhöfer 2020, S. 3), was erhebliche analytische Kosten mit sich bringe. Insbesondere die ursprüngliche Frage der Parteiendifferenzforschung, ob es einen systematischen Unterschied macht, welche Partei an der Regierung ist, könne so nicht beantwortet werden (ebd., S. 4–6).

Der Bewertung stimme ich zu, aber die Gegenüberstellung von Parteienfamilienansatz und Policy-Positionen-Ansatz erscheint mir nicht schlüssig. Bei genauem Hinsehen enthalten die bisher gewählten und u. a. bei Schmidt und Zohlnhöfer diskutierten Arten der Operationalisierung zwei Elemente: Erstens Aussagen darüber, welche Policypositionen von bestimmten Parteien zu erwarten sind, die entweder auf der Basis von Annahmen des Parteienfamilienansatzes oder aber anhand der Einordnung von Parteien auf Rechts-Links- oder anderen Achsen getroffen werden. Und zweitens Aussagen darüber, wie wahrscheinlich die Durchsetzung dieser Policypositionen wohl ist, die anhand irgendeiner Messung der aktuellen Repräsentation der Parteien (meist in der Regierung) getroffen werden. Das textanalytische Vorgehen kann daher m. E. kein Ersatz für die Operationalisierung über Kabinettssitze o. ä. sein, sondern lediglich für die (auf Parteienfamilien oder Rechts-Links-Achsen basierenden) a‑priori-Annahmen über Parteipositionen. Um Annahmen über die Realisierungschancen dieser Positionen zu treffen, muss man dennoch auf verschiedenen Operationalisierungen der Repräsentationsstärke der Parteien zurückgreifen. Insofern sollten m. E. die textanalytischen Vorgehensweisen gerade nicht als Alternativen zu a‑priori-Annahmen über wahrscheinliche Parteipositionen verstanden werden, sondern mit diesen in Relation gesetzt werden.

Auch für die Umweltpolitik sind solche Verfahren in den letzten etwa 10 Jahren zunehmend angewendet worden, wobei diese sich (wie in vielen anderen Bereichen) überwiegend damit zufriedengeben, die Programmatik deskriptiv zu erfassen und ggf. mit bestimmten Annahmen aus der Parteiendifferenztheorie zu kontextualisieren, jedoch nicht die Realisierung analysieren. Carter untersuchte auf der Basis von Datensätzen des Chapel Hill Expert Survey sowie des Manifesto Projects die Abbildung umweltpolitischer Positionen in Parteiprogrammen (2013). Er kam zu dem Ergebnis, dass grüne Parteien in der Tat eine Parteifamilie bilden, die sich durch starke ökologische, libertäre und linke Positionen charakterisieren. Sogenannte „Mainstream“ Parteien hätten ökologische Positionen in gewissem Maße aufgenommen. Während die Expert Survey Daten ergeben, dass sich linke Parteien stärker für Umweltfragen aussprechen als rechte Parteien, sehen die Daten des Manifesto-Projekts hier größere Heterogenität zwischen Ländern und im Zeitverlauf (Carter 2013, S. 86 ff.). Jahn fand heraus, dass sich linke Parteien im Zeitverlauf zunehmend auch über ökologische Positionen definierten, eine Entwicklung, die jedoch infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise rückläufig gewesen sei (Jahn 2016a, S. 319). Farstad (2018) findet, basierend auf den Daten des Manifesto-Projektes, ähnliche Ergebnisse für die Salienz der Klimapolitik. Während Klimapolitik in grünen Parteiprogrammen eine hohe Salienz aufweise, liege diese bei allen anderen Parteien deutlich niedriger, wobei sich aber kein klarer Unterschied zwischen sozialdemokratischen und konservativen oder christdemokratischen Parteien zeigt (ebd., S. 703).Footnote 12 Für Deutschland untersucht eine Studie von Schaub die Positionen deutscher Parteien zu Umweltschadstoffen, die aus der Landwirtschaft stammen. Der Autor stellt fest, dass die Parteipositionen hier klar entlang der Rechts-links-Achse verlaufen: Während CDU/CSU und FDP vor allem technische Lösungen favorisieren, sind Grüne, Linke und die SPD für einen Paradigmenwandel in der Landwirtschaftspolitik (Schaub 2019, S. 2278).

Die referierten Ansätze zeigen für die Umweltpolitik genau die Problematik, die Zohlnhöfer kritisiert: Die Analysen der Programme werden in unterschiedlichem Maße, insgesamt aber wenig kontextualisiert und bleiben daher in ihrer Aussagekraft beschränkt. Das spricht jedoch meines Erachtens nicht gegen dieses Vorgehen, zu untersuchen, welche Policy-Positionen die Parteien tatsächlich vertreten, sondern dafür, es gewissermaßen in beide Richtungen mit den traditionellen Forschungsansätzen zu verbinden: Erstens sollten sie stärker theoretisch kontextualisiert werden (dies passiert in den meisten Studien mit Ausnahme von Carter 2013 eher „ad-hoc“), so dass aus Theorien Hypothesen über erwartbare Programmatiken abgeleitet würden, die dann systematisch überprüft würden. Zweitens müssen dann gleichermaßen Annahmen dazu getroffen werden, wie wahrscheinlich es – angesichts etwa von Anteilen bestimmter Parteien am Kabinett oder der Zuordnung bestimmter Ministerien – ist, dass diese Programmatiken auch umgesetzt werden. Und schließlich muss auch der letzte Schritt ergriffen werden, der darin besteht, diese Hypothesen zu überprüfen und zu schauen, in welchem Ausmaß die Programmatik mit den tatsächlich beschlossenen Politiken (Policies) übereinstimmen. Hierin bestünde m. E. gerade für die Umweltpolitik eine Lösung für das oben aufgeworfene „Cleavage-Problem“.

Greift man beispielsweise die oben in Abschn. 3 unterschiedenen theoretischen Annahmen dazu auf, wie sich die Parteien zu ökologischen Fragen positionieren sollten, dann lassen sich aus der „alten Parteientheorie“, aus der „neuen“ Parteientheorie und aus dem Parteienfamilienansatz drei unterschiedliche Hypothesen formulieren und diese anhand von Programmen überprüfen. Eine Analyse der Wahlprogramme aller dem neuen Bundestag angehörender Parteien beispielsweise würde ergebenFootnote 13, dass sich im Hinblick auf die Klimapolitik deutliche Unterschiede ergeben, die in erster Linie die „Markenkern“-Hypothese des Parteienfamilienansatzes bestätigt: Nur das Programm der Grünen weist umfangreiche und in vielen Bereichen differenzierte und weitreichende Maßnahmen auf. Die Salienz des Themas ist für die Grünen sehr groß, was sich alleine am Umfang, in dem auf Umweltfragen eingegangen wird, zeigt. An manchen Stellen sind die Positionen der Linken zu Klimafragen kategorischer als die der Grünen, oft mit einer Prise Systemwechsel versetzt. Jedoch ist die Salienz ökologischer Fragen – insbesondere gegenüber sozialen Fragen – geringer. Das Wahlprogramm der SPD enthält viele Vorschläge zu Umweltfragen, aber diese sind oft eher moderat und abwägend, Umweltfragen haben keine große Salienz. Die CDU/CSU ist in vielen Punkten engagierter als die FDP, aber beide suggerieren ihren Wähler:innen, dass man das Klimaproblem im Wesentlichen mit dem Markt (FDP) und technischen Innovationen, die dieser hervorbringt, lösen könne, während die AfD den menschgemachten Klimawandel leugnet. Insgesamt zeigen sich hier zwar auch Unterschiede auf der Rechts-Links-Achse, aber der „Markenkern“ der Grünen überwiegt. Während es sich hier nur eine Ad-Hoc-Skizze handelt, um eine m. E. sinnvolle Vorgehensweise zu demonstrieren, müsste man sich, um das Gesagte wissenschaftlich belastbar zu behaupten, weitere Gedanken über die Kriterien und Messung machen. Dies wäre schließlich eine gute Grundlage, um die in einem nächsten Schritt Umsetzung der Parteiprogramme in einen Koalitionsvertrag zu erfassen und zudem angesichts der Konstellationen im erwartbaren Ampel-Kabinett (wer erhält wie viele Ministerien und welche?) Hypothesen hinsichtlich der Realisierungschancen einzelner Projekte aus den Parteiprogrammen zu formulieren und 2025 schließlich zu schauen, was tatsächlich beschlossen wurde und wieviel Übereinstimmung dies a) mit dem Koalitionsvertrag, b) mit den Parteiprogrammen und c) mit Annahmen des Parteienfamilienansatzes oder der Parteientheorie (alt vs. neu) aufweist.

Ein solches Vorgehen würde es schließlich auch erlauben, konkurrierende Hypothesen über die weitere Abbildung von Policyproblemen in einem sich ändernden Parteiensystem zu entwickeln und zu überprüfen, etwa im Hinblick auf die Effekte neuer, etwa populistischer Parteien (für die Klimapolitik: Jahn 2021).

8 Zusammenfassung & Resümee

Der vorliegende Beitrag verfolgte das Ziel, eine Einführung in die Anwendung der Parteiendifferenztheorie in der Umweltpolitikforschung zu geben. Dazu wurden nach einer Vorstellung der Wurzeln und Grundannahmen der Theorie die verschiedenen Problembereiche identifiziert: Das „Cleavage“-Problem stellt das Kernproblem einer Anwendung der Parteiendifferenztheorie auf umweltpolitische Fragestellungen dar, weil der Kernkonflikt der Umweltpolitik, der Konflikt zwischen Ökonomie und Ökologie, nicht klar auf der Rechts-Links-Achse abgebildet werden kann und sich daher im Parteiensystem nicht eindeutig niederschlägt. Damit verbunden ist eine eher uneindeutige Lage der empirischen Studien im Hinblick auf Parteiendifferenz in der Umweltpolitik (das Empirie-Problem). Thematisiert wurde zudem das „Dependent Variable“-Problem, das sich bei solchen Anwendungen der Parteiendifferenztheorie nicht nur, aber auch auf umweltpolitische Fragestellungen stellt, bei denen nicht die (Umwelt‑)Politik, sondern Outcome-Parameter wie die Umweltqualität oder -performanz das zu erklärende Phänomen sind. Schließlich wird das Problem der singulären Kausalität thematisiert, das in der Annahme besteht, dass Parteipolitik alleine Resultate erklären könne. Der Beitrag stellte im Anschluss eine Reihe von Lösungsansätzen vor, die für eine Anwendung der Parteiendifferenztheorie in der Umweltpolitikforschung zentral sind, aber auch für ihre Anwendung auf andere Politikfelder von Interesse sein könnten. Diese Ansätze sind konzeptioneller, theoretischer und methodischer Natur. Sie sehen insbesondere vor, als zu erklärendes Phänomen lieber die Umweltpolitik als die Umweltqualität (oder -performanz) heranzuziehen, jedenfalls solange die kausalen Mechanismen, auf denen ein Ansetzen an Qualität oder Performanz beruht, ungeklärt sind. Des Weiteren erscheint es sinnvoll, Faktoren, die mit der Parteipolitik regelhaft zusammenwirken, ja ihr Wirken zum Teil bedingen, systematisch zu berücksichtigen; dies kann geschehen, indem solche (z. B. institutionelle) Faktoren in die Theorie eingebaut werden, oder, indem Analyseverfahren wie die QCA verwendet werden, die es erlauben, das Zusammenspiel von Kausalfaktoren (bzw. Bedingungen) differenziert zu ergründen. Schließlich wurde im Hinblick auf das Kernproblem argumentiert, dass die neueren Anwendungsansätze der Parteiendifferenztheorie, die darin bestehen, die Policypositionen von Parteien nicht anhand von Annahmen des Parteienfamilienansatzes oder der Rechts-Links-Cleavages a priori anzunehmen, sondern sie – insbesondere mit textanalytischen Verfahren – empirisch zu bestimmen, eine Problemlösung darstellen können – insbesondere für die Anwendung auf die Umweltpolitik, aber auch darüber hinaus. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn sie sich nicht darauf beschränken, zu untersuchen (und das ist allerdings die Tendenz der letzten Jahre), was in den Programmen steht, und ob Parteien dies auch umsetzen. Ein solch begrenzter Fokus neigt in der Tat dazu, triviale Ergebnisse zu produzieren. Vielmehr müssen solche Analysen in den Kontext der Annahmen von Parteienfamilienansatz und „alter“ sowie „neuer“ Parteientheorie gestellt werden.

Unter den formulierten Bedingungen kann die Parteiendifferenztheorie einen wichtigen Beitrag leisten, zu erklären, warum es unter welchen Bedingungen zu welchen Umweltpolitiken (Policies) kommt.

Ich danke Detlef Jahn und Lisa Klagges, den Teilnehmer:innen unserer Tagung in Göttingen sowie den drei anonymen Gutachter:innen für äußerst hilfreiche Hinweise zu einer früheren Fassung dieses Beitrags und Reimut Zohlnhöfer für die erhellende Diskussion über das „independent variable-Problem“. Für verbleibende Irrtümer oder Unvollständigkeiten in der Darstellung bin ich alleine verantwortlich.