Zusammenfassung
Ausgangspunkt sind Konstruktionen von Abhängigkeit und Unabhängigkeit und deren Einschreibungen in das Geschlechterverhältnis. Abhängigkeit betrifft Fürsorge und Pflege Bedürftige ebenso wie Sorgetätigkeiten Ausübende. Selbst nach langjährigen Bildungsprozessen wird diesen Tätigkeiten nur zögerlich Professionalität zugesprochen aufgrund ihrer Verankerung in christlicher Barmherzigkeit und familialen Aufgaben von Frauen. Im Vordergrund stehen die Kosten des Sorgens, nicht die erbrachten Leistungen. Die Kritik am Wohlfahrtsstaat führt zum Leistungsabbau und zur Privatisierung von Diensten. Gleichzeitig wird Sorgearbeit zum öffentlichen Thema. Fragen der Gerechtigkeit lassen sich nicht länger auf die öffentliche Sphäre begrenzen, sondern die private Sphäre, in der ein erheblicher Teil der Sorgetätigkeiten stattfindet, muss ebenso einbezogen werden wie der Diskurs zum Begriff der Arbeit und die Internationalität personenbezogener Dienstleistungen im Bereich der Schattenwirtschaft.
Abstract
Gender relationships are based on social constructions of dependence and independence. Dependence is a status concerning care receivers as well as care givers. Even after years of formal education care work is not yet seen as a profession because of its traditional background in Christian charity and unpaid tasks of women in the family. In the centre of public attention so far are the costs of caring, not the achievements. The critique of the welfare state leads to reductions of benefits and services and to privatisation. Thereby care work becomes a public issue. Considerations of justice can no longer be restricted to the public sphere. Instead, it becomes evident that the private sphere, where a significant part of care takes place, needs to be included in a democratic discourse on justice. There must also be included the discourse on the concept of work, so far often restricted to paid employment as well as the growing internationality of personal services in the sphere of shadow work.
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Margrit Brückner Prof. Dr. habil., geb. 1946, Soziologin und Gruppenanalytikerin/Supervisorin (DGSv), tätig an der Fachhochschule Frankfurt, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit. Veröffentlichungen zu Gewalt gegen Frauen, Geschlechterverhältnissen, Sozialmanagement, Frauen-und Mädchenprojekten, Care.
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Brückner, M. Der gesellschaftliche Umgang mit menschlicher Hilfsbedürftigkeit. ÖZS 29, 7–23 (2004). https://doi.org/10.1007/s11614-004-0011-9
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