1 Einleitung

Teamarbeit wird zunehmend auf allen Organisationsebenen als effektivste Arbeitsform betrachtet, um den komplexer gewordenen Anforderungen der Arbeitswelt gerecht werden zu können. Besonders deutlich wird dies durch die Prominenz der neueren Konzepte, die sich unter dem Stichwort „New Work“ versammeln. Dabei verbindet sich eine Enthierarchisierung mit einer verstärkten Einführung von selbstorganisierter Teamarbeit. Auch in diesen Teams muss die Arbeit an gemeinsamen Zielen ausgerichtet und koordiniert werden, d. h. auch sie benötigen Führung. Führung wird aber nicht mehr vorwiegend in hierarchischen Kategorien aufgefasst; die Teams organisieren sich selbst.

Es ist deshalb interessant, das Verhältnis von Führung und Team bzw. Gruppe grundsätzlich in den Blick zu nehmen. Dazu sind schon sehr früh viele Ideen und Ergebnisse in der Forschung entstanden, konnten sich aber nicht durchsetzen, weil das Pochen auf hierarchische Macht solche Ansätze immer wieder beendet hat. Dabei lohnt es sich, zuerst diese alten Forschungsergebnisse und Ideen in Erinnerung zu rufen, damit die heutige Diskussion von der ganzen verfügbaren Wissensbasis profitieren kann. Anschließend wird auf neuere Führungskonzepte eingegangen, die für die Praxis selbstorganisierter Teams wichtig sind.Footnote 1 Zunächst soll jedoch die Ausgangslage schärfer in den Blick genommen werden.

1.1 Was treibt New Team-Work an?

Viele Autoren haben darauf hingewiesen, dass sich in den letzten Jahrzehnten die Welt immer schneller verändert, die Komplexität steigt und damit die Zukunft unsicherer wird. Eine zentrale Quelle dieser Entwicklung ist die zunehmende Fülle an Wissen, Werkzeugen und Produkten mit der Folge einer Verbesserung der Überlebensbedingungen, dem Anwachsen der Bevölkerung, der Verwissenschaftlichung der Wissensgewinnung, der Globalisierung und der Digitalisierung, die zusammen einen noch schnelleren Anstieg des weltweiten Wissens mit immer neuen Anwendungen und eine immer stärkere Änderung der Lebensbedingungen mit sich bringen.

Das daraus resultierende Problem der Entscheidungsfindung in Hierarchien hat Offe (1970) mit dem Begriff der „diskontinuierlichen Aufgabenstruktur“ veranschaulicht: Während im vorindustriellen Handwerksbetrieb der Meister dem Gesellen und erst recht dem Lehrling alles selbst vormachen und daher auch anweisen konnte, führt die Wissensexplosion zu einer auseinanderlaufenden Spezialisierung nicht nur zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und technischen Anwendungsgebieten, sondern auch zwischen den Vorgesetzten und den einzelnen Mitarbeiter*innen, weil sie jeweils in ihrer speziellen Arbeit Unterschiedliches dazu lernen (müssen). Peter Drucker prägte bereits 1959 für diesen Trend den Begriff „Knowledge worker“, das sind Personen, die in der Arbeit ständig dazulernen und so mehr über ihre Arbeit wissen als jeder andere. Zu der wachsenden Gruppe der Wissensarbeiter*innen gehören diejenigen, die überwiegend Informationen verarbeiten und die Ergebnisse weitergeben und oft über irgendeine Art von Hochschulabschluss verfügen. Eine zweite Gruppe von „Teilzeit“-Wissensarbeiter*innen, die Drucker (1959) „Technologists“ nennt, ist zwar vorwiegend mit standardisierten Arbeiten beschäftigt, aber auch sie stoßen immer wieder auf neue Probleme, die sie mit ihrem Fachwissen und ihrer Erfahrung selbstständig lösen können.

Wissensarbeiter*innen sind – anders als Arbeiter*innen im Taylorismus – die Besitzer ihrer Produktionsmittel: Es ist das Wissen in ihren Köpfen und sie können es überall hin mitnehmen; daher spricht man auch von „Humankapital“. Wissensarbeiter*innen müssen ihre Beiträge selbst verantworten, sie benötigen Autonomie für ihr Handeln und die Erarbeitung und Anwendung ihres Wissens lässt sich von außen kaum dirigieren. Für komplexere Aufgaben ist das benötigte Wissen kaum bei einer Person allein zu finden, sondern verschiedene Personen mit ihren unterschiedlichen Kenntnissen und Erfahrungen müssen zusammenarbeiten und das Wissen so weit integrieren, dass daraus klare und sinnvolle Entscheidungen und Handlungen hervorgehen. Das erfordert nicht nur große Autonomie für den einzelnen Wissensarbeiter, sondern auch weitgehend autonome Teamarbeit, also New Team-Work. Dabei ist eine Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen auf höheren Ebenen oder anderen Bereichen notwendig, die ebenso Wissensarbeiter in ihrem Arbeitsbereich sind.

1.2 Definitionen

Vor den weiteren Ausführungen sollen die unterschiedlich verwendeten Begriffe von Gruppe, Team und Führung kurz definiert werden. Eine Gruppe besteht aus zwei oder mehr Mitgliedern, die sich an einer gemeinsamen Thematik orientieren und dazu innerhalb einer bestimmten Zeitspanne häufiger miteinander interagieren (Hertel und Scholl 2006). Diese Definition schließt Gruppen aller Art ein, auch solche, die sich nur zu einem Freizeitvergnügen treffen. Bei einem Team handelt es sich um eine spezielle Art von Gruppen, die an einer gemeinsamen Aufgabe arbeiten. Durch Führung versucht man, das zentrale Problem der Zusammenarbeit anzugehen, das in der Gewinnung und Abstimmung der verschiedenen Einzelbeiträge auf ein gemeinsames Ziel hin besteht. Führung als Rollenverhalten beinhaltet also, sich um die Zielbestimmung und die Aktivierung und Abstimmung des gemeinsamen Tuns zu kümmern: Führung ist persönliche Koordination von Menschen und Teilaufgaben. Da Koordination auch durch Pläne, Programme oder ein akzeptiertes Leitbild geschehen kann, wird Führung als persönliches Koordinationsmittel von diesen anderen Formen unterschieden. Koordination ist dabei nicht eng zu verstehen als reine Abstimmung bereits feststehender Tätigkeiten, sondern kann alle notwendigen Maßnahmen umfassen, die zur Gewinnung, Zielbestimmung und Sicherung der notwendigen Teiltätigkeiten gehören, wie z. B. die Motivierung der Mitarbeitenden, die Entwicklung neuer Ideen in schwierigen Situationen oder die Moderation von Konflikten. Kurz gesagt: Zur Koordination gehört alles, was die Gemeinsamkeit der Aufgabenbearbeitung voranbringt, während ein erheblicher Teil der Teamarbeit dann jeweils wieder in Einzelarbeit von den Mitgliedern erbracht wird. Die Definition von Führung als persönliche Koordination ist nicht schon implizit auf eine Vorgesetztenrolle ausgerichtet, sondern ist offen für Ansätze zu verteilter, lateraler oder postheroischer Führung (Grote 2012) und ist sowohl auf autonome, selbstorganisierte Teamarbeit als auch auf die klassischen Aufgaben von Vorgesetzten anwendbar.

2 Frühe Erkenntnisse der Gruppen- und Führungsforschung

In der Wissenschaft besagt eine wichtige Norm, dass jeweils die neuesten Erkenntnisse zu berücksichtigen sind. Leider führt das zum Teil dazu, dass ältere, ebenso wichtige Erkenntnisse nicht mehr zitiert und allmählich vergessen werden. Deshalb sollen hier bewusst einige Forschungen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts in Erinnerung gerufen werden.

2.1 „Responsible autonomy“ oder teilautonome Arbeitsgruppen

Bei dem Versuch, im englischen Kohlebergbau mit der Mechanisierung auch das Konzept der wissenschaftlichen Betriebsführung (Taylorismus) einzuführen, kam es zu vielen Problemen. Berater vom Londoner Tavistock-Institut wurden geholt und versuchten, die frühere Form selbstständiger Gruppenarbeit mit der neuen Technik der Mechanisierung zu verbinden (Trist und Bamforth 1951; Emery und Trist 1960). Das neue, partizipativ mit den Betroffenen entwickelte Konzept war sehr erfolgreich und wurde zunächst „Responsible autonomy“ genannt. Ältere Arbeiter waren mit selbstständiger Arbeit vertraut, jüngere wurden dazu breiter qualifiziert als bei der wissenschaftlichen Betriebsführung und alle konnten selbstständiger und flexibler agieren. Die Produktivität stieg um 22 %, es waren weniger zusätzliche Hilfsdienste und Arbeitskräfte nötig und es gab kaum noch Schichten mit Arbeitsrückstand. Die Abwesenheit ging um mehr als die Hälfte zurück, weil es weniger Unfälle, weniger Krankheiten und auch weniger grundloses Fehlen gab. Trotz der offensichtlichen Überlegenheit des neuen Systems wurde es nicht von der Bergbau-Gesellschaft auf andere Kohlegruben übertragen; es passte offensichtlich nicht in die Blütezeit der „wissenschaftlichen“ Betriebsführung und ihre hierarchische Orientierung.

Dieses erste erfolgreiche Beispiel einer „teilautonomen Gruppe“, wie sie später genannt wurden, regte Initiativen auch in anderen Ländern und anderen Wirtschaftsbereichen zur Nachahmung an. In einer Metaanalyse von 15 Arbeitsgruppen mit voller, teilweiser und ohne Autonomie kam Beekun (1989) zu dem Ergebnis, dass autonome Gruppen um 38 % produktiver waren als tayloristische Gruppen; gleichzeitig gingen die Fehlzeiten und Kündigungen beim Wechsel zu höherer Autonomie zurück. Neueste europäische Analysen zu (teil)autonomer Gruppenarbeit zeigen nun eine gestiegene Verbreitung. In vollkommen eigenverantwortlichen Teams arbeiten z. B. in Schweden 27 %, in Norwegen 25 % und in Finnland 23 %, in Großbritannien 20 %, in Deutschland dagegen nur 8 %. Bei qualifizierten Arbeitnehmer*innen ist der Anteil meist etwas höher, ebenso in den Bereichen öffentliche Verwaltung, Gesundheit und Bildung (Eurofound 2015). Daher kann man das Stichwort New Team-Work so interpretieren, dass neu nicht die Arbeitsform ist, sondern die Wiederentdeckung der Vorteile relativ autonomer Teamarbeit. Allerdings wächst die Einsicht nur sehr langsam, anscheinend besonders in Deutschland.

2.2 Führungsemergenz und Führungslegitimation

In (teil)autonomen Gruppen wird in der Regel eine Führungsperson bzw. ein*e Sprecher*in von den Mitgliedern gewählt, meistens auf Zeit; Führungsaufgaben werden bei Bedarf auch kurzfristig von anderen eingenommen. Auch bei New Team-Work geht es um flexibel verteilte Führung, und das setzt voraus, dass Teammitglieder situationsabhängig von sich aus eine Führungsaufgabe übernehmen. Warum versuchen Gruppenmitglieder zu führen? Hemphill (1961) hat dazu bereits 1961 eine Serie von vier Experimenten durchgeführt. Als Versuch zu führen wird von ihm jede Handlung bezeichnet, durch die ein Individuum die Gruppeninteraktion strukturieren will, um ein gemeinsames Problem zu lösen. In den vier Experimenten ergaben sich folgende Gründe für Führungsversuche:

  • Die Ermunterung und Billigung der Führungsversuche durch die anderen Gruppenmitglieder; dies war der stärkste Effekt in den Experimenten.

  • Der Besitz besonderen Wissens oder besonderer Kompetenz für die Bewältigung der Aufgabe; hier scheint der betreffenden Person ein wichtiger Beitrag zur Zielerreichung möglich.

  • Das ist verbunden mit der Erwartung, dass durch den eigenen Einsatz die Aufgabe zu bewältigen ist, was die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht.

  • Die Größe der Belohnung, die bei Erfüllung der Aufgabe gewährt wird, ist eine Verstärkung dieser Motivation.

  • Die Menge der erforderlichen Gruppenentscheidungen; da geht es um den Bedarf an Koordination, um die Aufgabe gut zu bewältigen.

  • Früher erworbener Status zur Führung der Gruppe; damit wird eine Billigung eines Führungsversuchs durch die anderen Gruppenmitglieder wahrscheinlicher, was weiter ermutigt.

Hollander und Julian (1970) haben im Anschluss daran die Legitimierung von ernannten oder gewählten Führungspersonen durch die Geführten untersucht. Ist ein Führungsversuch zunächst einmal akzeptiert, dann ist die Kompetenz die wichtigste Determinante der Legitimität und verschafft mehr Einfluss, sofern die Führungsperson sich konform gegenüber gemeinsam etablierten Normen verhält. Hat eine Person durch Kompetenz und Konformität eine sichere Führungslegitimation erreicht, dann kann sie später von den Gruppennormen abweichen oder sie infrage stellen, ohne ihren Einfluss einzubüßen; sie erwirbt einen Vertrauenskredit und kann innovativ werden. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Abweichung den Belohnungserwartungen der Gruppe entspricht. Des Weiteren ist das Interesse wichtig, das eine Führungsperson für die Gruppe zeigt. Das gilt vor allem für weniger kompetente Führungspersonen, die durch ein deutlich sichtbares Interesse an den Gruppenaktivitäten ihren Status wenigstens teilweise bewahren, während sie ohne dieses besondere Interesse einen starken Legitimitätsverlust erleiden. Bei sehr kompetenten Führungspersonen spielen diese Unterschiede im gezeigten Interesse keine große Rolle.

Betrachtet man anhand der Ergebnisse dieser früheren Untersuchungen die Forschungen zur Persönlichkeit von Führungspersonen, dann sind die Ergebnisse theoretisch ableitbar: Nach Metaanalysen (Judge et al. 2002, 2004) beträgt die durchschnittliche Korrelation von Führungsemergenz mit Offenheit für neue Erfahrungen +0,24, womit eine neue Idee und ein neuer Ansatz bei einem auftauchenden Problem wahrscheinlicher werden. Mit Intelligenz beträgt die durchschnittliche Korrelation +0,25 und mit Gewissenhaftigkeit +0,33; beide versprechen Kompetenz. Mit Extraversion beträgt sie +0,33 und mit emotionaler Stabilität +0,24; beide erleichtern die Akzeptanz und damit den Entschluss zu Führungsversuchen. Bei dem mit objektiven Indikatoren gemessenen Erfolg der geführten Einheit spielen diese Persönlichkeitsvariablen ebenfalls eine wichtige Rolle, aber nicht nur die der Führenden (Judge et al. 2002), sondern auch die aller Gruppenmitglieder (Tett et al. 1991): Die Gruppenleistung hängt positiv mit Offenheit für neue Erfahrungen (Führende 0,24/Folgende 0,27), mit Extraversion (0,24/0,16), mit emotionaler Stabilität (0,22/0,22) und mit Gewissenhaftigkeit (0,16/0,18) zusammen. Besonders interessant ist, dass nun auch Verträglichkeit wichtig wird (0,21/0,33). Diese Ergebnisse lenken den Blick weg von der Konzentration auf eine Führungsperson, was besonders für die Beförderung in einer Hierarchie wichtig ist, auf die Eigenschaften und potenziellen Beiträge aller Gruppenmitglieder.

2.3 Führung als Austauschprozess mit den anderen Gruppenmitgliedern

Die beiden Versuchsreihen von Hemphill und von Hollander und Julian sowie die Ergebnisse zu den Persönlichkeitsvariablen legen Führung als Austauschprozess zwischen Führenden und Folgenden nahe: Eine Gruppe ist auf die Ressourcen ihrer einzelnen Mitglieder angewiesen, um die mit der Aufgabenerfüllung verbundene Belohnung zu erhalten. Jedes Mitglied steht in einem Spannungsfeld wechselseitiger Einschätzungen, ob es relevante Ressourcen zur Verfügung hat. Nimmt ein Mitglied bei sich besondere Ressourcen wahr, dann wird es dazu tendieren, Führungsaktivitäten zu ergreifen, und wenn die anderen Mitglieder dies ebenso sehen, dann bestärken sie dieses Mitglied dabei. Situativ Führende und situativ Folgende profitieren von einem solchen Austausch: Führende, die die Erwartungen erfüllen und die Gruppenziele zu erreichen helfen, stellen eine belohnende Ressource für die anderen dar, die gegen Status, Wertschätzung und legitime Macht getauscht wird. Diese Legitimität kann dann als Machtgrundlage verwendet werden, zusätzlich zu Vorbildwirkung, Expertise und der Belohnungsaussicht.

Die Bedeutung eines Austauschs zwischen Führenden und Folgenden wird durch eine soziometrische Analyse von Hollander und Webb (1955) unterstrichen, in der sie zeigten, dass dieselben Personen als Führende und als Gefolgsleute bevorzugt werden. Kadetten eines Trainingskurses sollten drei andere nennen, die sie für die Führung einer Spezialeinheit am besten geeignet hielten, sowie drei, die sie für am wenigsten geeignet hielten. Anschließend sollten sie als potenzielle Führungspersonen drei Kadetten benennen, die sie als Gefolgsleute in ihrer Einheit haben wollten, und drei, die sie nicht dabeihaben wollten. Diese beiden Nominierungen korrelierten fast vollständig (r = +0,92) miteinander. Freundschaftswahlen korrelierten dagegen wesentlich geringer mit der Wahl potenzieller Führer (r = +0,47) oder Gefolgsleute (r = +0,55). Das Ergebnis dieser Nominierungen kann also nicht durch Sympathie erklärt werden, da nur einige der Gewählten auch als Freunde bevorzugt wurden. Offensichtlich werden bei Führenden und Geführten die gleichen Qualitäten für die Bewältigung der anstehenden Aufgaben und für die Zusammenarbeit gewünscht.

Die beiden Betrachtungen zur Führung als Austauschprozess zeigen, dass Führung bzw. die Koordination der Teamarbeiten auf ein gemeinsames Ziel hin keineswegs auf eine Person beschränkt sein muss. In einem guten Team wird es je nach Aufgabenmerkmal und Situation verschiedene Personen geben, die einen besonderen Beitrag leisten können.

2.4 Führungsstil, Führungsverhalten, Mitgliederverhalten

In der Führungsforschung hat man lange versucht, Führungsstile bzw. Verhaltensbündel zu ermitteln, die sich im Erfolg unterscheiden. Von den verschiedenen Konzeptionen haben vor allem die Ohio Leadership Studies mit den beiden Dimensionen Mitarbeiterorientierung (Consideration) und Aufgabenstrukturierung (Initiating structure) die folgende Diskussion bestimmt. Sowohl in den frühen Untersuchungen (Fleishman 1973) als auch in einer neuen Metaanalyse (Judge, Piccolo und Ilies 2004) hat sich der Ansatz bewährt. Das derzeit beliebteste Führungsstilkonzept der Transformationalen Führung (Bass 1999; Felfe 2006) hat nach einer Metaanalyse von Judge und Piccolo (2004) etwas höhere Korrelationen mit Arbeitszufriedenheit (+0,58 versus +0,46) und Mitarbeitermotivation (+0,58 versus +0,50). Demgegenüber korreliert transformationale Führung mit der Leistung der Gruppe bzw. Organisation mit +0,26 sogar etwas niedriger als die Aufgabenstrukturierung mit +0,30. Die beiden Stilkonzepte korrelieren hoch untereinander (Diederich 2015). Insofern ist mit der transformationalen Führung nicht viel Neues dazugekommen, wenn man von der ansprechenderen Betonung von Charisma und Inspiration absieht.

Zur bis heute andauernden Führungsstilforschung sind drei zentrale Kritikpunkte zu nennen. Die erste Kritik bezieht sich darauf, dass Führungsstile eine zu große Verallgemeinerung über verschiedene Situationen und Bedingungen implizieren; Menschen verhalten sich je nach Situation oft verschieden (Neuberger 1995). Dieser Kritik kann man begegnen, wenn mit den Skalen direkt konkretes Führungsverhalten gemessen wird. Die zweite Kritik bezieht sich auf die implizite Annahme, dass die Führungsperson den zentralen Einfluss auf das Ergebnis einer Gruppe hat, als ob die Korrelationen einseitig als Kausaleffekt der Führungsperson auf die Mitarbeiter*innen interpretiert werden könnten. Dies ist explizit in einem Experiment von Lowin und Craig (1968) widerlegt worden, die den Spieß umgedreht haben. Wie von den Autoren vorhergesagt, reagierten die Versuchspersonen in der Führungsrolle bei geringerer Arbeitsqualität ihrer Mitarbeiter*innen (Eingeweihte der Versuchsleitung) mit mehr Arbeitsstrukturierung und weniger Mitarbeiterorientierung als bei höherer Arbeitsqualität. Die Autoren zitieren außerdem eine Dissertation von Farris (1966), in der die beiden Einflussrichtungen getrennt geschätzt wurden. Im Ergebnis war der Einfluss der Mitarbeiterproduktivität auf den Führungsstil größer als umgekehrt. Die dritte Kritik bezieht sich auf die Tatsache, dass in einer Hierarchie die Vorgesetzten auf einer Ebene gleichzeitig die Untergebenen der nächsthöheren Ebene sind. Wenn also eine besondere Führungsfähigkeit auf unterer Ebene erwartet wird, dann müsste sie sich mit jeder höheren Ebene noch weiter steigern lassen. Das ist nicht zu erwarten und ist m.W. auch noch nie systematisch untersucht worden; womöglich käme dabei sogar das Gegenteil heraus, denn auf höheren Positionen findet man eher Machiavellisten (Spurk et al. 2016).

Aus all diesen Ergebnissen folgt: Für eine wirkliche Aufklärung der Koordinations- bzw. Führungserfordernisse in einem Team muss nicht nur der Stil oder das Verhalten von Führungspersonen untersucht werden, sondern das Verhalten aller Gruppenmitglieder, die sich wechselseitig beeinflussen; es kommt auf alle an! Ein großer Teil der Führungsforschung könnte daher auch so interpretiert werden, dass sie vor allem die Folgeprobleme hierarchischer Abstufung und Beförderung in den Griff bekommen will. Das wird auch deutlich an den neu aufkommenden Konzepten von ethischer, authentischer, dienender oder respektvoller Führung durch Vorgesetzte, die u. a. inspiriert sind von verschiedenen Skandalen, d. h. vom Machtmissbrauch im obersten Management (vgl. die Beitäge in Felfe 2015). Die Führungsforschung ist an Grenzen gestoßen, die eine ganz andere Perspektive erfordern, die von den Fähigkeiten, Motivationen und Beiträgen aller Teammitglieder ausgeht.

3 Neuere Forschungsansätze als Grundlage von New Team-Work

Nimmt man die Ergebnisse der Punkte 2.1 bis 2.4 zusammen, dann zeigt sich, dass die Forschung bereits seit 50 Jahren alle Voraussetzungen für eine detaillierte Betrachtung von New Team-Work geschaffen hat. Prinzipiell können alle Mitglieder eines Teams wertvolle Beiträge leisten, und dazu gehören auch Beiträge zur Koordination bzw. Führung; es kommt also darauf an, die bestmöglichen Bedingungen für diese Beiträge zu schaffen und das erfordert ein hohes Maß an Autonomie der Gruppe und ihrer einzelnen Mitglieder. Allerdings blieb der Hauptstrom der Führungsforschung immer wieder – meist implizit – der Gleichsetzung von Führungsrolle und Vorgesetztenrolle in einer Hierarchie verhaftet. Dies hat sich erst in den letzten 20 Jahren teilweise geändert mit dem Konzept von geteilter Führung (shared leadership). Das zuvor aufkommende Konzept von Empowerment (schlecht übersetzbar: Kompetenzübertragung, Bevollmächtigung?) liefert dazu wichtige Vorarbeiten und auch praktische Übergänge. Diese beiden Konzepte sollen im Folgenden behandelt und anschließend vertieft werden.

3.1 Empowerment

Empowerment, in Deutschland meist direkt aus dem Englischen übernommen, ist eine erweiterte Form von partizipativer und delegierender Führung, um die Wirkungsmöglichkeiten und die Wirksamkeit der Mitarbeiter*innen zu erhöhen. Es gibt eine strukturbetonte Fassung von Empowerment, nach der die Kompetenzen (Rechte und Pflichten) eines Vorgesetzten zu einem erheblichen Teil an die Mitarbeiter*innen übertragen werden und diese dazu in ihrer Kompetenz (Fähigkeit) geschult werden, damit sie selbstständiger agieren und ihre Fähigkeiten besser einsetzen können (Conger und Kanungo 1988). In der psychologischen Fassung von Empowerment wird gefragt, was von der Kompetenzübertragung bei den Mitarbeitern ankommt; es werden vier Aspekte herausgehoben (Thomas und Velthouse 1990):

  • Selbstwirksamkeit (self-efficacy) ist der Glaube der Mitarbeiter*innen, ausreichende Fähigkeiten für die eigene Arbeit zu haben und Schwierigkeiten selber bewältigen zu können.

  • Sinn (meaning) sehen die Mitarbeiter*innen in ihrer Arbeit, wenn die Arbeit und die Zielsetzung zu ihren Werten passen.

  • Selbstbestimmung (self-determination) beschreibt die Autonomie der Mitarbeiter*innen in den Entscheidungen über die Arbeitsweise.

  • Wirksamkeit (impact) beschreibt das Ausmaß, in dem Mitarbeiter*innen die Bedingungen ihrer Arbeit beeinflussen können.

Spreitzer (1995) hat für diese vier Dimensionen Skalen entwickelt, um die mit einer Kompetenzübertragung verbundenen theoretischen Vorhersagen zu testen. Dabei konnte sie zeigen, dass Empowerment als übergeordnetes Konstrukt (Faktor 2. Ordnung) die gemeinsame Ausrichtung dieser vier Dimensionen zusammenfasst, wobei Selbstbestimmung und Wirksamkeit den Inhalt von Empowerment etwas besser repräsentieren als Selbstwirksamkeit und der Sinn der Arbeit. In einer Metaanalyse verschiedener Feldstudien ermittelten Burke et al. (2006) einen Zusammenhang von Empowerment und Team-Erfolg von r = +0,47. Das ist mit 22 % erklärter Varianz (r2) deutlich höher als die 9 % bei Aufgabenstrukturierung und die 7 % bei transformationaler Führung! In einer neueren Metaanalyse (Seibert et al. 2011) wurden die positiven Befunde bestätigt und erweitert. Neben positiven Ergebnissen für die Teamleistung (r = +0,51) war Empowerment auch individuell mit Innovationsverhalten (r = +0,33) und spontaner Unterstützung für andere (OCB: r = +0,38) verbunden. Mit individuellem Empowerment erhöhten sich die Zufriedenheit (r = +0,64) und die Bindung an die Organisation (r = +0,63), während Belastung (r = −0,37) und Kündigungsabsichten (r = −0,36) zurückgingen.

Kirkman und Rosen (1997) entwickelten parallel dazu eine Team-Empowerment-Skala und führten eine Mehr-Ebenen-Analyse durch. Hier ergab sich, dass Team-Empowerment sehr eng (r = +0,61) mit Teamleistung zusammenhängt. Individuelles Empowerment hing auch positiv mit individueller Leistung zusammen, aber deutlich schwächer (r = +0,21). Dieser individuelle Zusammenhang verschwindet, wenn Team-Empowerment hoch ist, also eine ausgleichende Funktion hat, wenn einzelne Teammitglieder sich weniger ermächtigt fühlen. Eine Längsschnittstudie (Maynard et al. 2014) ergab, dass Empowerment und Leistung in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen: Kompetenzübertragung führt zu positiven Leistungsergebnissen, die wiederum Selbstbestimmung und Wirksamkeit verstärken und zu weiteren Leistungsverbesserungen führen.

3.2 Geteilte Führung (Shared and distributed leadership)

Geteilte Führung bzw. „shared leadership“ geht noch einen Schritt weiter als Empowerment, weil hier die Führung explizit bei allen Mitgliedern eines Teams oder einer Abteilung liegt. „The concept of shared leadership might be thought of as ‚serial emergence‘ of multiple leaders over the life of a team“ (Pearce und Sims 2002, p. 176). Geteilte Führung kann mit einer ernannten oder gewählten Gruppenführung verbunden werden, wobei dann der Übergang zu Empowerment fließend wird. Bei der Übersetzung von „shared leadership“ mit „geteilter Führung“ klingt an, dass Mitarbeiter*innen sich die Führung mit einer ernannten oder gewählten Führungsperson teilen, während „verteilte Führung“ (distributed leadership) nahelegt, dass viele oder gar alle Mitglieder einer Gruppe Führungsaktivitäten zeigen (Wang et al. 2014). „Shared leadership“ kann auch zu „collective leadership“ werden, wobei Führungsentscheidungen im Wesentlichen gemeinsam getroffen werden (vgl. Wang et al. 2014). Im Folgenden sind alle diese Varianten gemeint mit „geteilter Führung“ denn ein zentrales Merkmal ist jeweils die große Flexibilität bei der Frage, wer führt. Die Grundidee ist entscheidend: „Dasjenige Gruppenmitglied, welches für die Lösung einer Aufgabe das beste Wissen und die größte Erfahrung besitzt, übernimmt die Führungsverantwortung und gibt diese wieder ab, wenn ein anderer sich als geeigneter für die jeweiligen Anforderungen erweist“ (Piecha et al. 2012, S. 561). Das knüpft direkt an die frühen Studien zur Führungsemergenz an.

Pearce und Sims (2002) haben eine vergleichende Studie von vertikaler und geteilter Führung als Prädiktoren der Teameffektivität an 71 Organisationsentwicklungsteams in den USA durchgeführt. Während über die verschiedenen Maße hinweg die Führungsaktivitäten der Teamleiter etwa 25 % der Varianz der Effektivität erklärten, konnte geteilte Führung durch die Teammitglieder etwa 32 % der Varianz erklären, sie hatte also einen stärkeren Effekt. Interessant war, dass nicht nur von den Teamleitern sowohl positive als auch negative Verhaltensweisen registriert wurden, sondern auch von den Teammitgliedern. Geteilte Führung löst auch nicht alle Führungsprobleme in positiver Weise.

Die neueste Metaanalyse zur geteilten Führung (Wu et al. 2020) untersuchte zunächst Bedingungsfaktoren für das Ausmaß geteilter Führung. Förderlich erwiesen sich eine geteilte Zielsetzung (+0,50), wechselseitige soziale Unterstützung (+0,51) sowie Partizipation an Entscheidungen und Involvierung in zentralen Prozessen (+0,49). Aus theoretischer Sicht ist es allerdings sehr zweifelhaft, inwieweit es hier wirklich um Bedingungsfaktoren oder doch eher um Prozesse geht, die mit geteilter Führung einhergehen; es sind ja auch nur Korrelationen. Das Ausmaß geteilter Führung hing deutlich mit positiven Ergebnissen zusammen: +0,32 mit objektiven Leistungsmaßen und +0,38 mit subjektiv eingeschätzten Leistungsmaßen (nicht signifikant verschieden). Das Ausmaß geteilter Führung korrelierte auch mit weiteren Ergebnisvariablen: +0,28 mit Kommunikations- und Problemlöseverhalten, +0,25 mit Einstellungsmaßen wie Zufriedenheit, soziale Integration und Teamvertrauen sowie +0,44 mit kognitiven Einschätzungen wie Selbstwirksamkeit und Kreativität des Teams. Fasst man alle diese Ergebnisvariablen zu einem Gesamtergebnis zusammen, dann ergibt sich eine Korrelation von +0,39 mit geteilter Führung. Bei dem besten Maß für geteilte Führung, bei der Netzwerkdichte von Führungsaktivitäten, d. h. wie sehr sich die einzelnen Mitglieder von jedem einzelnen anderen Mitglied geführt sehen, steigt dieser Zusammenhang auf +0,47 an. Das entspricht in etwa den bei Empowerment gefundenen Werten, was zum einen der Verschränkung dieser beiden Formen in der Praxis entspricht und zum anderen bei voller Autonomie besagt, dass es ohne kompetenzübertragende Teamleiter genauso gut geht.

Vertieft werden diese Ergebnisse durch eine Längsschnittstudie (Small und Rentsch 2010). Vom ersten Messzeitpunkt nach 10 Wochen gemeinsamer Arbeit bis zum zweiten Messzeitpunkt nach 16 Wochen ergab sich eine signifikant breitere Verteilung der Führung, offensichtlich ein Lern- und Eingewöhnungsprozess. Eine wichtige Voraussetzung für diese Entwicklung war das Ausmaß an wechselseitigem Vertrauen, das sich bis zum ersten Messzeitpunkt entwickelt hatte.

3.3 Führen versus Vorgesetzt(er) sein

Um die unterschiedliche Wirkungsweise von klassischem Vorgesetztenverhalten gegenüber Empowerment und geteilter Führung noch besser zu verstehen, muss man auf die verfügbaren Machtgrundlagen schauen. Vorgesetzte können mit ihrer Weisungsbefugnis auf die legale Macht ihrer Position zurückgreifen, die als multifunktionelle Grundlage auch Situationskontrolle, materielle und immaterielle Bestrafungen und Belohnungen sowie ggf. legitime Macht mit einschließt. Dabei sind Situationskontrolle und Bestrafungsmacht relativ harte, restriktive Grundlagen, die in der Praxis überwiegend dazu verwendet werden, sich gegen die Interessen eines Anderen durchzusetzen und dabei dessen Autonomie zu verletzen (Scholl 2012). Bei geteilter Führung in selbstorganisierten Gruppen und bei durch Empowerment ermöglichter Führung durch Mitarbeiter*innen steht diese legale, in den Organisationsstatuten festgelegte Positionsmacht nicht zur Verfügung. Wer hier Führungsaktivitäten ergreifen will oder von anderen dazu ermuntert wird, kann in der Regel auf Experten- und Informationsmacht aufbauen und sich durch gute Vorschläge und dringend notwendige Handlungen legitime Macht, Belohnungsmacht und ggf. Vorbildmacht erwerben, so wie das in den frühen Experimenten gezeigt wurde (s. 2.2).

In einer Innovationsstudie (Scholl 2004) war gefragt worden, durch welche Machtgrundlagen eine Förderung oder Behinderung der Innovation stattfand. Die hierarchische Position und die organisatorische Zuständigkeit (beides legale Macht) sowie die Mobilisierung weiterer Personen (Situationskontrolle) und die Ablehnung und Gegnerschaft (Bestrafung) waren genauso hinderlich wie förderlich und die Werte waren gering, meist unter 1 auf einer Skala von 0–6. Signifikant unterschiedliche und höhere Werte bei der förderlichen gegenüber der hinderlichen Einwirkung gab es für Informationen von außerhalb (Information) und beeindruckende Persönlichkeit (Vorbild) mit je 1,6 und ganz besonders für Fachkompetenz und Fertigkeiten (Expertise) mit 2,8. Das zeigt die entscheidende Bedeutung dieser sanften Machtgrundlagen.

Bei Empowerment können Vorgesetzte ihre legale Macht zurückhaltend einsetzen und weitere Legitimität und Vorbildmacht gewinnen durch kluge Partizipation und Kompetenzübertragung bei der Bearbeitung gemeinsamer Aufgaben. Legitimität kann durch unbedachte oder eigennützige legale Machtausübung wieder verloren gehen nach dem Motto: „Wenn ihr meinen Argumenten nicht folgt, dann muss ich ja durchgreifen“, und dann auch Vorbild- und Expertenmacht einbüßen. Für Vorgesetzte gilt wie in den Experimenten von Kipnis (1976) und Nachfolgern, dass die Verfügung über harte, restriktive Machtgrundlagen dazu (ver)führt, sie ohne Not einzusetzen und die Autonomie der Mitarbeiter*innen zu verletzen. Um dies vor sich selbst zu rechtfertigen, werten sich die Vorgesetzten dann selbst auf und die Mitarbeiter*innen ab, die soziale Distanz wird vergrößert; so korrumpieren sich die Machtausübenden, während die Mitarbeiter*innen demotiviert werden. Eine Situation, in der sich diese Korrumpierung durch legale Macht besonders zeigen kann, ist die Mitarbeiterbeurteilung durch Vorgesetzte. In einer Metaanalyse zu vorhandenen Labor- und Feldstudien wurde bestätigt, dass Selbstbeurteilungen umso positiver (r = +0,37) und Mitarbeiterbeurteilungen umso negativer (r = −0,29) ausfallen, je größer der Machtunterschied zu den Beurteilten ist (Georgesen und Harris 1998).

Neben den typischerweise verfügbaren Machtgrundlagen gibt es weitere Unterschiede zwischen Führung und Vorgesetztsein. (a) Hierarchische Koordination ist für Vorgesetzte Pflicht, was dazu führt, dass sie es oft auch dann tun, wenn jemand aus dem Mitarbeiterkreis besser geeignet wäre. Führung ohne Vorgesetztenstatus ist demgegenüber eine Chance für alle. (b) Die Auswahl von Vorgesetzten ist ein formeller Akt durch übergeordnete Personen; sie gilt meistens unbefristet oder zumindest für mehrere Jahre und wird mit Blick auf einen erwarteten Beitrag für die Organisation getätigt; wieviel konkretes Wissen zu verschiedenen konkreten Problemen besteht, kann so nicht berücksichtigt werden. Spontane Führung wird dagegen stärker durch konkretes Wissen zur momentanen Aufgabe ausgelöst, informell ergriffen und legitimiert. (c) Vorgesetzte in einer Hierarchie sollen die Koordination sichern und in Einklang bringen mit der generellen Strategie und Politik der Organisation, was durch freiwillige Führung durch unterschiedliche Personen leichter aus dem Blick geraten kann und weniger sicher ist. Daher sind regelmäßige Berichte an die Zuständigen in der Organisation und Feedback von diesen unbedingt notwendig, um die Teamarbeit mit den anderen Beiträgen in der Organisation abzustimmen. Zuständig sein kann der nächsthöhere Vorgesetzte oder eine spezielle Fachabteilung oder der Führungskreis in einer kollegial geführten Organisation (Oesterreich und Schröder 2016).

3.4 Förderliche Kontextbedingungen für New Team-Work

Zu den Kontextbedingungen von Empowerment und geteilter Führung gibt es noch wenig substanzielle Forschung. Nach der Metaanalyse von Burke et al. (2006) wird Empowerment gefördert durch organisationale Maßnahmen wie offene Information, Dezentralisation, Partizipation, Training und leistungsbezogene Bezahlung (r = +0,52), durch Unterstützungsmaßnahmen der Organisation (r = +0,56) und der Vorgesetzten (r = +0,61) sowie durch eine bedeutungsvolle, den Fähigkeiten entsprechende Arbeit, verbunden mit der nötigen Autonomie (r = +0,49). Dieselben Bedingungen dürften auch für geteilte Führung vorteilhaft sein. Größere Heterogenität der Teammitglieder ist ebenfalls vorteilhaft, weil sie mehr originäres Wissen haben und sich dann vermutlich stärker zu Führungsaktivitäten veranlasst sehen, wenn ihr Spezialwissen besonders relevant wird.

Um New Team-Work dauerhaft zu etablieren ist auch eine passende Organisationsstruktur nötig. Hierzu fehlen Untersuchungen, aber die Überlegungen und Erfahrungen von Oesterreich und Schröder (2016) zur Strukturierung in eigenverantwortliche und miteinander vernetzte Kreise (Teams) sind hier sicherlich zielführend. Die verschiedenen Teams erarbeiten Teilergebnisse, die dann von einem übergeordneten Kreis integriert werden, in dem jedes Team mit einem Mitglied vertreten ist.

Bei der Diskussion um New Team-Work werden sogenannte „Agile Praktiken“ öfter erwähnt, die – angepasst an die spezielle Aufgabe – die Wirksamkeit von New Team-Work erhöhen können. Auch hier gibt es bisher nur wenige schlüssige Untersuchungen. So (2010) hat acht typische agile Praktiken auf ihren Beitrag zur Gruppenleistung untersucht. Die Teamleistung war in seinem Gesamtmodell direkt abhängig vom Wissenszuwachs und von der Koordinationsfähigkeit; letztere fasst als Gesamtindex die Koordinations- bzw. Führungsaktivitäten aller Teammitglieder zusammen. Der Wissenszuwachs wird dann gefördert durch Zugang zu den internen oder externen Kunden und durch Akzeptanztests, durch Retrospektives (Ergebnisevaluationen) sowie durch Iterative Entwicklung. Die Koordinationsfähigkeit wird gefördert durch Iterative Entwicklung, Stand-Up Meetings und iterative Planung.

Ein wichtiger Faktor für die Einführung von New Team-Work dürfte schließlich ein Moderationstraining für alle Teammitglieder sein (Schimansky 2006). In den Führungssequenzen wird man bei Diskussionen immer mal wieder zum Moderationsstil wechseln, um die Autonomie der anderen Teammitglieder zu respektieren.

4 Resümee: Führen und (sich) führen lassen

Führung im klassisch-hierarchischen Sinne von Vorgesetzten, die Anweisungen geben und ihre Mitarbeiter(innen) kontrollieren, ist nicht mehr zeitgemäß bei Wissensarbeitern und Teams mit komplexen Aufgaben, wenn diese mehr von ihren Aufgaben verstehen als die Vorgesetzten. Die Einführung von New Team-Work ist also umso dringlicher, je komplexer die Aufgaben sind und je mehr unterschiedliches Spezialwissen zu ihrer Bewältigung nötig ist und laufend bei der Arbeit erneuert und erweitert werden muss. Für die Einführung bietet sich eine Schulung in Empowerment an mit dem Übergang in geteiltes Führen. Die Schwierigkeiten bei der Einführung von Empowerment und geteiltem Führen liegen zum einen darin, dass es am Anfang keine Vorbilder in der Organisation gibt. Des Weiteren fürchten Führungskräfte einen Macht- und Kontrollverlust, während sie sich weiterhin verantwortlich sehen und von anderen gesehen werden. Besonders schwierig ist die Abkehr von traditionellen Auffassungen von Führung, die in der Sprache und im Denken der Menschen tief verwurzelt sind (Pfeffer et al. 1998). Daher fällt es Führungskräften im Umstellungsprozess besonders schwer, sich in die neue Rolle als Kollege, Unterstützer, Mentor, Coach oder Moderator hineinzudenken und hineinzuleben; bei auftretenden Schwierigkeiten fallen sie schnell in alte Rollenmuster zurück. Die Definition von Führung als persönliche Koordination von Menschen und Teilaufgaben kann hier eine distanzierende Hilfe sein.

Zusammenfassen lassen sich die dargestellten Erkenntnisse mit dem Motto: „Führen und (sich) führen lassen“. Koordination bzw. Führen erfordert, sein Aufgabenfeld zu erkunden, sich selbst mit den eigenen Mitarbeiter*innen, den Kolleg*innen, den Vorgesetzten und Externen zu vernetzen, Probleme zu entdecken und Chancen zu explorieren und dann je nach eigener Lageeinschätzung Wege aufzuzeigen, sich mit den anderen dazu zu beraten, ggf. voranzugehen und die benötigten anderen davon zu überzeugen mitzumachen. Dies ist unabhängig von der Position jedem möglich. Für diejenigen, die in einer Vorgesetztenposition sind, wird die Förderung der von ihnen Betreuten besonders wichtig. Für sie sind Empowerment und die Möglichkeit geteilter Führung ein gutes Orientierungsmuster. Sie lassen führen: Sie führen dort selbst, wo die von ihnen Betreuten noch nicht genügend Erfahrung und Selbstvertrauen haben, und übergeben schrittweise nicht nur schwierigere Aufgaben, sondern auch die Koordinationserfordernisse an diese Mitarbeiter*innen, sie lassen führen. Und dabei wird es immer häufiger vorkommen, dass die Anderen, seien es Mitarbeiter*innen, Kolleg*innen oder Externe, an bestimmten Punkten mehr wissen und können als sie selbst, und daraus folgt: Sich führen lassen. Dieser Punkt ist am schwersten zu erkennen, weil Menschen zwar in etwa wissen, was sie selbst wissen, aber weniger, was die anderen wissen. Hinzu kommt eine Neigung von Menschen, positiv von sich selbst zu denken und daher das eigene Wissen und Können zu überschätzen, je höher in der Hierarchie, umso mehr. Offenes wechselseitiges Feedback in der konkreten Situation ist hier (wie auch sonst) hilfreich.