Die Behandlung der distalen Radiusfraktur hat in den letzen Jahren einen Paradigmenwechsel erfahren. Wurden nach einer Umfrage von Schupp et al. [9] 2002 noch die Mehrheit der Radiusfrakturen konservativ oder mit Kirschner-Draht-Osteosynthese bzw. Fixateur externe behandelt [4, 9], wird heute die palmare winkelstabile Plattenosteosynthese zunehmend als Verfahren der Wahl propagiert [6, 7, 10]. In der Literatur gibt es bislang keine validen Daten, die die klinisch evidente Überlegenheit dieser Plattensysteme gegenüber herkömmlichen Versorgungsstrategien belegen könnten [8]. Angesichts der zahlreichen positiven Erfahrungsberichte scheint eine randomisierte Überprüfung der winkelstabilen Versorgung im Vergleich zur nichtwinkelstabilen Osteosynthese von palmar ebenfalls nicht mehr vertretbar. Für die Entscheidungsfindung in der täglichen Praxis bleibt somit nur der Erfahrungsaustausch auf der Basis einer sorgfältigen und kritischen Analyse der vorgelegten Einzelergebnisse. Im vorliegenden Beitrag sollen daher die Methoden und Ergebnisse der Klinik für Unfall- und Handchirurgie am Universitätsklinikum Düsseldorf dargestellt werden.

Eigenes Vorgehen

Am distalen Radius kann es je nach einwirkender Kraft und knöcherner Stabilität zu einer Vielzahl unterschiedlicher Frakturtypen kommen. Das Spektrum reicht von einfachen extraartikulären Brüchen bis hin zu komplexen intraartikulären Trümmerfrakturen und erfordert somit entsprechend differenzierte Therapiestrategien. In unserer Klinik hat sich ein abgestuftes Behandlungskonzept auf der Basis der AO-Klassifikation bewährt.

Stufenkonzept

A2-Frakturen werden ggf. nach Reposition konservativ im Unterarmgipsverband behandelt. Bei kindlichen Frakturen mit sekundärer Dislokationstendenz kann zur Stabilisierung zusätzlich eine Kirschner-Draht-Osteosynthese erforderlich werden. Erwachsenen Patienten bieten wir alternativ zur Gipsruhigstellung die Versorgung mit einer palmaren Platte mit dem Ziel einer schnellstmöglichen gipsfreien Nachbehandlung an, um beispielsweise eine frühere Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ermöglichen. B1-Frakturen werden nach anatomischer Reposition – ggf. unter arthroskopischer Kontrolle – mittels 3,5er Zugschrauben versorgt. Frakturen vom Typ A3, B2, B3, C1 und die meisten C2-Frakturen stabilisieren wir in der Regel mit einer winkelstabilen Plattenosteosynthese von palmar.

Abklärung komplizierter Verletzungen

Bei Frakturen mit intraartikulärer Trümmerzone, ulnaren Kantenfragmenten oder bei unklarem Frakturverlauf im konventionellen Röntgenbild führen wir präoperativ eine Computertomographie zur genauen Analyse der Verletzung durch. Dislozierte C3-Frakturen werden nach geschlossener Reposition unter Nutzung der Ligamentotaxis zunächst im gelenkübergreifenden Fixateur externe ruhig gestellt und in dieser Stellung einer CT-Diagnostik zugeführt. Eine CT im nicht reponierten Zustand halten wir nicht für aussagefähig.

Operation

Die definitive Versorgung erfolgt je nach Frakturmorphologie über einen palmaren und/oder einen dorsalen Zugang. Beim dorsalen Vorgehen stabilisieren wir den ulnaren und den radialen Pfeiler mit einer L-förmigen und einer geraden Platte. Ausgedehnte Defekte werden zuvor mit Spongiosa und/oder Knochenersatzmaterial aufgefüllt.

Der Zugang für die palmaren Osteosynthesen erfolgt standardisiert über einen radiopalmaren Zugang. Nach kurzer Längsinzision wird dabei streng radial des M. flexor carpi radialis auf den M. pronator quadratus präpariert und dieser längs inzidiert. Eine routinemäßige Darstellung und Spaltung des Lig. carpi transversum führen wir nicht durch. Nach Komplettierung der Osteosynthese wird bei allen Frakturen mit intraartikulärem Verlauf oder in der präoperativen Bildgebung weitem skapholunären Abstand routinemäßig die Stabilität des Carpus unter Durchleuchtung überprüft.

Postoperative Behandlung

Postoperativ erfolgt zunächst eine Ruhigstellung mittels dorsaler Unterarmgipsschiene, aus der je nach Frakturtyp und Compliance des Patienten frühzeitig physiotherapeutisch weiterbehandelt wird. Liegt eine karpale Begleitverletzung vor, erfolgt eine Ruhigstellung von bis zu 6 Wochen.

Patienten und Methode

In einem Zeitraum von 20 Monaten wurden an unserer Klinik 119 erwachsene Patienten [81 Frauen und 38 Männer, Durchschnittsalter 62 (18–94) Jahre] mit einer distalen Radiusfraktur behandelt.

Die Verteilung auf die AO-Klassifikation ist in Abb. 1 dargestellt. Mit 26 C1-, 50 C2- und 13 C3-Frakturen fanden sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle intraartikuläre Verletzungen. Lediglich 19 Patienten hatten sich eine extraartikuläre A3-Fraktur mit dorsaler Trümmerzone zugezogen. Die Verletzungen von 8 Patienten ließen sich als A2-Fraktur klassifizieren und wurden konservativ behandelt. 6 Patienten konnten sich bei höhergradiger Fraktur (2-mal A3- und 4-mal C1-Frakturen) nicht zu einer operativen Behandlung entschließen, sodass insgesamt 105 Patienten (88%) zur Operation kamen.

Abb. 1
figure 1

AO-Klassifikation der 119 Frakturen

Ein Patient hatte eine B1-Fraktur, die mittels Schraubenosteosynthese stabilisiert wurde. 5 Patienten wurden am Unfalltag geschlossen reponiert und im Fixateur externe ruhig gestellt. Bei 2 davon zeigte die anschließende Computertomographie ein ausreichendes Repositionsergebnis, sodass im Fixateur weiterbehandelt werden konnte. 3 Patienten wurden nach Frakturanalyse durch CT im 2. Schritt mittels Plattenosteosynthese über einen kombinierten dorsopalmaren Zugang stabilisiert. Die übrigen 99 Patienten wurden primär mit einer winkelstabilen Platte von palmar versorgt. Zum Einsatz kamen hierbei:

  • die distale LDR-Radiusplatte 2,4 von Synthes,

  • die Aptus-Radiusplatte 2,5 von Medartis und

  • die Matrix Smartlock 2,7 von Stryker.

Bei 2 Patienten wurde aufgrund eines begleitenden skapholunären Bandschadens eine zusätzliche interkarpale Kirschner-Draht-Arthrodese für 8 Wochen erforderlich. Anlässlich der routinemäßigen Abschlussuntersuchung nach 3 Monaten (10–15 Wochen) konnte bei 81 Patienten das radiologische und funktionelle Ergebnis im Martini-Score erhoben werden [5] (Tab. 1).

Tab. 1 Martini-Score [5]

Ergebnisse

Alle Frakturen zeigten bei der Abschlussuntersuchung einen knöchernen Durchbau.

Schmerz

46 Patienten klagten zum Zeitpunkt der Abschlussuntersuchung noch über Schmerzen bei starker Belastung und 12 über Schmerzen bei Alltagstätigkeiten. Demgegenüber waren 23 Patienten gänzlich schmerzfrei. Unter Ruheschmerzen litt kein Patient.

Kraft

Die grobe Kraft war bereits bei 23 Patienten wieder normal ausgeprägt. 36 Patienten zeigten eine leichte Minderung derselben um bis zu 20%, und 22 Patienten hatten noch eine deutliche Kraftreduktion von bis zu 50% im Vergleich zur gesunden Gegenseite.

Beweglichkeit

Die Handgelenkbeweglichkeit war für die Extension und Flexion erst bei lediglich der Hälfte der Patienten wieder nahezu frei. 23 Patienten zeigten eine mäßige und 19 Patienten eine deutliche Einschränkung bis zu 45°. Deutlich besser waren die Ergebnisse für die Unterarmdrehung. Hier wiesen nur 3 Patienten eine erhebliche Einschränkung auf, während 40 Patienten leicht eingeschränkt und 38 Patienten nahezu frei umwenden konnten.

Anatomie

Die Auswertung der Routineröntgenaufnahmen zum Behandlungsabschluss zeigte minimale Verkürzungen bzw. Restverkippungen der Gelenkfläche bei 67 bzw. 72 Patienten. Eine relevante Radiusverkürzung bestand bei 14 Patienten.

Gesamtscore

Insgesamt ergab der Martini-Score für 69% der Patienten ein gutes oder sehr gutes Ergebnis (Abb. 2), 29% der Patienten zeigten ein befriedigendes und 2% ein schlechtes Ergebnis. In der Einzelanalyse der subjektiven Patientenzufriedenheit zeigten sich 3 Patienten mit der Behandlung unzufrieden, während 19 Patienten das Ergebnis befriedigend fanden. 59 Patienten waren mit der Behandlung voll zufrieden.

Abb. 2
figure 2

Ergebnisse im Martini-Score

Abb. 3
figure 3

Sekundärer Korrekturverlust bei einer 81-jährigen Patientin nach palmarer winkelstabiler Plattenosteosynthese einer A3-Fraktur, a postoperatives Ergebnis, b Kontrolle nach 6 Wochen

Insgesamt hatten 9 Patienten einen komplizierten Verlauf:

  • 2 Patienten entwickelten postoperativ einen subkutanen Infekt, der allerdings in beiden Fällen konservativ beherrscht werden konnte und nicht zu einer Revision zwang.

  • 4 Patienten klagten postoperativ über Irritationen des N. medianus, 2 davon entwickelten ein manifestes CTS, sodass nachoperiert werden musste.

  • Bei 3 Patienten kam es im Verlauf zu einer Sinterung der Fragmente mit sekundärem Korrekturverlust (Abb. 3).

Eine weitere Patientin klagte über Schmerzen im Bereich der nicht gut anmodellierten Platte, was zu einer vorzeitigen Implantatentfernung nach 14 Wochen zwang. Nach diesem 2. Eingriff war die Patientin beschwerdefrei.

Diskussion

Die winkelstabile Plattenosteosynthese distaler Radiusfrakturen von palmar wird allgemein als einfach anwendbares und sicheres Therapieverfahren beschrieben [6, 7, 10]. Mit zunehmender Verbreitung der Methode mehren sich aber auch die Berichte über die möglichen Komplikationen. Verschiedene Autoren fanden eine Komplikationsrate von bis zu 34% [1, 2, 3]. Im Vordergrund stehen dabei v. a. Sehnenirritationen und -rupturen. Beugeseitig kann es durch mangelhaft anmodellierte oder zu weit distal platzierte Platten zur Verletzung der M. flexor-pollicis-longus-Sehne kommen [2, 3]. Auf der Streckseite sind es insbesondere zu lang gewählte distale Schrauben, die für Rupturen der durch die Fraktur bereits ohnehin gefährdeten M.-extensor-pollicis-longus-Sehne und anderer Strecksehnen verantwortlich gemacht werden [1, 2]. Überdies wurden postoperative Karpaltunnelsyndrome, Reflexdystrophien, Pseudarthrosen, Korrekturverluste und Implantatlockerungen beschrieben [2, 3, 6, 7, 10].

In Tab. 2 sind die in der jüngsten Literatur publizierten Komplikationsraten in einer Übersicht zusammengefasst. Da randomisierte klinische Studien nicht verfügbar sind, stellen diese Daten neben den berichteten Behandlungsergebnissen die wertvollsten Hinweise auf die Wertigkeit des Verfahrens dar. Ihre Analyse sollte sich auf die Frage nach der etwaigen Vermeidbarkeit der jeweiligen Komplikation konzentrieren. Hierdurch können technische Fehler limitiert und ungeeignete Indikationen identifiziert werden. In einigen Fallserien trat ein Implantatversagen mit bis zu 16% relativ häufig auf [7]. Unseres Erachtens ist dies ein Hinweis darauf, dass die Indikation zur winkelstabilen Versorgung von palmar zu weit gestellt wurde. So eignen sich beispielsweise Frakturen mit intraartikulärer Trümmerzone und intakter palmarer Kortikalis nicht zu einer Reposition von palmar. Ebenso sollten mühsam rekonstruierte Gelenkflächen bei osteoporotischem Knochen auch bei winkelstabiler Versorgung nicht zu früh funktionell weiterbehandelt werden.

Tab. 2 Komplikationen [%] der winkelstabilen Plattenosteosynthesen von palmar

Für die häufigsten Frakturtypen am distalen Radius unterstreichen die hier vorgelegten Daten aber eindrucksvoll, dass durch die winkelstabile Plattenosteosynthese von palmar gute bis sehr gute Ergebnisse erzielbar sind. Die in der Literatur beschriebene hohe Komplikationsrate lässt sich durch sorgfältige Analyse der berichteten Probleme und eine differenzierte Indikationsstellung deutlich senken. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass nicht alle Frakturtypen für eine palmare Versorgung geeignet sind. Insbesondere C3-Verletzungen erfordern häufig ein kombiniertes dorso-palmares Vorgehen und ggf. auch eine Defektauffüllung. Die palmare Versorgung ist nur für Frakturen mit ausreichend großen distalen Fragmenten geeignet.

Die klinische Wertigkeit des Verfahrens wird sich langfristig in weiteren klinischen Studien und durch eine offene und kritische Diskussion der Ergebnisse zeigen.

Fazit für die Praxis

Die palmare winkelstabile Plattenosteosynthese führt bei sachgerechter Indikationsstellung zu guten funktionellen und radiologischen Ergebnissen. Die Komplikationsrate kann durch eine sorgfältige Operationstechnik gesenkt werden. Verletzungen der Sehnen lassen sich durch eine korrekte Schraubenlänge und exakte Platzierung der Platte vermeiden. Frakturen mit intraartikulären Trümmerzonen oder sehr kleinen distalen Fragmenten sind für eine Versorgung von palmar nur sehr eingeschränkt geeignet.