Der Diabetes mellitus Typ 1 (T1D) ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter. Die Inzidenz in der Altersgruppe <15 Jahre ist in Österreich ansteigend, v. a. in der Gruppe der Kinder <5 Jahren, die Daten bis 2007 sind bereits publiziert [1], aber auch in den noch nicht publizierten Daten bis 2015 zeigt sich ein weiterer Anstieg; Österreich liegt damit im europäischen Mittelfeld. Auch die Prognosen der EURODIAB-Studiengruppe sagen bis 2020 eine weitere Zunahme voraus [2]. Etwa 40 % der neu erkrankten Kinder haben einen Migrationshintergrund. Derzeit sind in Österreich rund 1500 Kinder unter 15 Jahren an T1D erkrankt, wobei die jährliche Steigerungsrate zwischen 2,6 % und 6 % liegt.

Nach wie vor wird die Diagnose eines T1D häufig zu spät gestellt und die Patienten kommen bereits mit einer diabetischen Ketoazidose (DKA), die potenziell lebensbedrohlich ist, in das Krankenhaus. In Österreich betrifft das rund 37 % der Kinder- und Jugendlichen unter 15 Jahren, deutlich mehr als z. B. in Deutschland mit 21 % [3, 4]. Eine österreichweite DKA-Präventionskampagne 2009 hat leider zu keiner Abnahme geführt ([5]; Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Prävalenz des Onset von diabetischer Ketoazidose (DKA) bei Kindern unter 15 Jahren in Österreich (1989 und 2011)

Die Ursachen dafür liegen im mangelnden Wissen um die typischen Symptome sowie die Dringlichkeit der Zuweisung in ein Krankenhaus, sowohl bei den Hausärzten, als auch in der Allgemeinbevölkerung. Abhilfe könnte hier ein etwa 11-minütiger Film schaffen, der 2015 erschienen ist, sich direkt an Kinder und Jugendliche richtet und frei verfügbar ist [6].

Symptome bei Erstmanifestation eines Diabetes Typ 1

Milde Symptome: Harndrang, Durst, Müdigkeit, Leistungsabfall, Einnässen, Gewichtsverlust. Die Dauer der Symptome beträgt einige Tage bis mehrere Wochen.

Symptome bei DKA: Übelkeit/Erbrechen, Dehydratation, Geruch nach Azeton, Kussmaulsche Atmung, Bauchschmerzen (Fehldiagnosen beachten), Bewusstlosigkeit/Koma, Schock, Tod (häufigste Todesursache bei jungen T1D-Patienten).

Betreuung

Pädiatrische Diabetes-Patienten sollen laut Leitlinien der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes und der österreichischen Arbeitsgruppe für pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie in einem Zentrum mit einem multidisziplinären Team, bestehend aus einem Kinderdiabetologen, Diabetesberater, Diätologen, Psychologen und einem Sozialarbeiter betreut werden (Tab. 1).

Tab. 1 Die geforderten bzw. empfohlenen Teamkapazitäten pro 100 Patienten mit Diabetes

Die medizinische Versorgung in Österreich entspricht leider nicht dem internationalen Standard, v. a. fehlt es oft an Diabetesberatern und Psychologen. Keine Betreuungseinrichtung in Österreich, auch nicht die 3 Universitätskliniken (Wien, Graz und Innsbruck), verfügt im Jahr 2016 über die notwendigen personellen Ressourcen.

Therapie

Bei der Therapie des T1D hat sich in den letzten 20 Jahren viel verändert, insbesondere durch die Verwendung von Insulinanaloga, häufigerer Blutzuckermessungen, Insulinpumpentherapie (CSII), der kontinuierlichen Glukosemessung und der sensorunterstützten Pumpentherapie. In der Pädiatrie werden inzwischen fast nur flexible Therapieregime wie die funktionelle Insulintherapie oder die CSII verwendet (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Daten aus dem Register der Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV) zur Veränderung der Insulintherapie von 1995 bis 2012. Inj. Injektionen [7]

Probleme

Die Probleme der diabetischen Kinder sind altersspezifisch:

  • Im Kleinkindesalter haben die Kinder einen sehr geringen Insulinbedarf, aber auch unplanbare Aktivitäten, wie Essen/Schlafen/Bewegung; Kleinkinder können die Hyposymptome oft nicht ausdrücken, was eine ausführliche Schulung aller Betreuungspersonen unbedingt notwendig macht.

  • Probleme im Schulalter: Die Supervision bzw. Unterstützung durch Pädagogen fällt sehr unterschiedlich aus, die Kinder müssen beginnen, selbstständig zu werden (Handy und Apps können helfen). Eine Teilnahme an möglichst allen schulischen Aktivitäten (z. B. Ausflüge/Skikurs etc.) ist besonders wichtig.

  • Probleme in der Pubertät: Das Peer-group-Verhalten nimmt an Bedeutung zu und gleichzeitig findet die altersgemäße Loslösung von den Eltern statt. Im psychosozialen Bereich kann es vermehrt zu Problemen mit Alkohol oder Nikotin kommen, aber auch psychiatrische Störungsbilder, wie Essstörungen, Depressionen und Phobien werden bei diabetischen Jugendlichen häufiger diagnostiziert als bei gesunden. Auf der körperlichen Ebene kann auch eine Insulinresistenz Probleme verursachen.

All diese Bemühungen zeigen einen Erfolg in der Verbesserung des HbA1c-Werts sowie in der Reduktion der schweren Hypoglykämien bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland und Österreich (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Metabolische Verbesserung (a) sowie Reduktion der schweren Hypoglykämien (b) bei Kindern und Jugendlichen mit Diabetes Typ 1 in Deutschland und Österreich. CI Konfidenzintervall [8]

Es gibt trotzdem noch viel zu tun …

Viel zu häufig manifestiert sich ein kindlicher Diabetes mellitus erstmals in Form einer DKA; daher ist die „awareness“ für diese Erkrankung im Kindesalter bei der Bevölkerung, aber auch in der Ärzteschaft wesentlich zu verbessern.

Es fehlen Daten, wie viele Kinder insgesamt in Österreich in einer Spezialambulanz betreut werden.

Die Struktur der Betreuung in Österreich entspricht (noch nicht) den Leitlinien und muss verbessert werden.

Es gibt einen wesentlich größeren Bedarf an altersgerechter Schulung und der Refundierung, aber auch an Schulungen für Eltern, Pädagogen usw.