Zusammenfassung
Die Inzidenz des Diabetes mellitus Typ 1 (T1D) ist im Alter < 15 Jahre in Österreich weiterhin ansteigend. Die Frequenz der diabetischen Ketoazidose mit rund 37% ist im europäischen Vergleich zu hoch. Die letzten Jahrzehnte zeigten einen Wandel in der Insulintherapie hin zu flexiblen Schemata (Basis-Bolus-Therapie und Pumpentherapie). Die Betreuungsstruktur für die betroffenen Patienten und deren Familien ist noch nicht optimal
Abstract
The incidence of diabetes mellitus type 1 (T1D) in the age group < 15years is still increasing. The frequency of onset-diabetic ketoacidosis (around 37%) is still too high compared to other countries in Europe. During the last decades the insulin therapy changed to a more flexible regimen (multiple daily injections or pump therapy). The structure of medical care and support for the patients and their families is still not optimal.
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Der Diabetes mellitus Typ 1 (T1D) ist die häufigste Stoffwechselerkrankung im Kindes- und Jugendalter. Die Inzidenz in der Altersgruppe <15 Jahre ist in Österreich ansteigend, v. a. in der Gruppe der Kinder <5 Jahren, die Daten bis 2007 sind bereits publiziert [1], aber auch in den noch nicht publizierten Daten bis 2015 zeigt sich ein weiterer Anstieg; Österreich liegt damit im europäischen Mittelfeld. Auch die Prognosen der EURODIAB-Studiengruppe sagen bis 2020 eine weitere Zunahme voraus [2]. Etwa 40 % der neu erkrankten Kinder haben einen Migrationshintergrund. Derzeit sind in Österreich rund 1500 Kinder unter 15 Jahren an T1D erkrankt, wobei die jährliche Steigerungsrate zwischen 2,6 % und 6 % liegt.
Nach wie vor wird die Diagnose eines T1D häufig zu spät gestellt und die Patienten kommen bereits mit einer diabetischen Ketoazidose (DKA), die potenziell lebensbedrohlich ist, in das Krankenhaus. In Österreich betrifft das rund 37 % der Kinder- und Jugendlichen unter 15 Jahren, deutlich mehr als z. B. in Deutschland mit 21 % [3, 4]. Eine österreichweite DKA-Präventionskampagne 2009 hat leider zu keiner Abnahme geführt ([5]; Abb. 1).
Die Ursachen dafür liegen im mangelnden Wissen um die typischen Symptome sowie die Dringlichkeit der Zuweisung in ein Krankenhaus, sowohl bei den Hausärzten, als auch in der Allgemeinbevölkerung. Abhilfe könnte hier ein etwa 11-minütiger Film schaffen, der 2015 erschienen ist, sich direkt an Kinder und Jugendliche richtet und frei verfügbar ist [6].
Symptome bei Erstmanifestation eines Diabetes Typ 1
Milde Symptome: Harndrang, Durst, Müdigkeit, Leistungsabfall, Einnässen, Gewichtsverlust. Die Dauer der Symptome beträgt einige Tage bis mehrere Wochen.
Symptome bei DKA: Übelkeit/Erbrechen, Dehydratation, Geruch nach Azeton, Kussmaulsche Atmung, Bauchschmerzen (Fehldiagnosen beachten), Bewusstlosigkeit/Koma, Schock, Tod (häufigste Todesursache bei jungen T1D-Patienten).
Betreuung
Pädiatrische Diabetes-Patienten sollen laut Leitlinien der International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes und der österreichischen Arbeitsgruppe für pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie in einem Zentrum mit einem multidisziplinären Team, bestehend aus einem Kinderdiabetologen, Diabetesberater, Diätologen, Psychologen und einem Sozialarbeiter betreut werden (Tab. 1).
Die medizinische Versorgung in Österreich entspricht leider nicht dem internationalen Standard, v. a. fehlt es oft an Diabetesberatern und Psychologen. Keine Betreuungseinrichtung in Österreich, auch nicht die 3 Universitätskliniken (Wien, Graz und Innsbruck), verfügt im Jahr 2016 über die notwendigen personellen Ressourcen.
Therapie
Bei der Therapie des T1D hat sich in den letzten 20 Jahren viel verändert, insbesondere durch die Verwendung von Insulinanaloga, häufigerer Blutzuckermessungen, Insulinpumpentherapie (CSII), der kontinuierlichen Glukosemessung und der sensorunterstützten Pumpentherapie. In der Pädiatrie werden inzwischen fast nur flexible Therapieregime wie die funktionelle Insulintherapie oder die CSII verwendet (Abb. 2).
Probleme
Die Probleme der diabetischen Kinder sind altersspezifisch:
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Im Kleinkindesalter haben die Kinder einen sehr geringen Insulinbedarf, aber auch unplanbare Aktivitäten, wie Essen/Schlafen/Bewegung; Kleinkinder können die Hyposymptome oft nicht ausdrücken, was eine ausführliche Schulung aller Betreuungspersonen unbedingt notwendig macht.
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Probleme im Schulalter: Die Supervision bzw. Unterstützung durch Pädagogen fällt sehr unterschiedlich aus, die Kinder müssen beginnen, selbstständig zu werden (Handy und Apps können helfen). Eine Teilnahme an möglichst allen schulischen Aktivitäten (z. B. Ausflüge/Skikurs etc.) ist besonders wichtig.
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Probleme in der Pubertät: Das Peer-group-Verhalten nimmt an Bedeutung zu und gleichzeitig findet die altersgemäße Loslösung von den Eltern statt. Im psychosozialen Bereich kann es vermehrt zu Problemen mit Alkohol oder Nikotin kommen, aber auch psychiatrische Störungsbilder, wie Essstörungen, Depressionen und Phobien werden bei diabetischen Jugendlichen häufiger diagnostiziert als bei gesunden. Auf der körperlichen Ebene kann auch eine Insulinresistenz Probleme verursachen.
All diese Bemühungen zeigen einen Erfolg in der Verbesserung des HbA1c-Werts sowie in der Reduktion der schweren Hypoglykämien bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland und Österreich (Abb. 3).
Es gibt trotzdem noch viel zu tun …
Viel zu häufig manifestiert sich ein kindlicher Diabetes mellitus erstmals in Form einer DKA; daher ist die „awareness“ für diese Erkrankung im Kindesalter bei der Bevölkerung, aber auch in der Ärzteschaft wesentlich zu verbessern.
Es fehlen Daten, wie viele Kinder insgesamt in Österreich in einer Spezialambulanz betreut werden.
Die Struktur der Betreuung in Österreich entspricht (noch nicht) den Leitlinien und muss verbessert werden.
Es gibt einen wesentlich größeren Bedarf an altersgerechter Schulung und der Refundierung, aber auch an Schulungen für Eltern, Pädagogen usw.
Literatur
Schober E, Waldhoer T, Rami B, Hofer S (2009) Incidence and time trend of type 1 and type 2 diabetes in austrian children 1999–2007. J Pediatr 155(2):190–193.e1
Patterson C et al (2014) Diabetes in the young – a global view and worldwide estimates of numbers of children with type 1 diabetes. Diabetes Res Clin Pract 103:161–175
Schober E, Rami B, Waldhoer T (2010) Diabetic ketoacidosis at diagnosis in Austrian children in 1989–2008: A population-based analysis. Diabetologia 53:1057–1061
Neu A et al (2009) Ketoacidosis at diabetes onset is still frequent in children and adolescents: A multicenter analysis of 14,664 patients from 106 institutions. Diabetes Care 32:1647–1648
Fritsch M et al (2013) Diabetic ketoacidosis at diagnosis in Austrian children: A population-based analysis, 1989–2011. J Pediatr 163(5):1484–1488.e1
Beinah zu spät. http://www.typ1diabetes.at/. Zugegriffen: 7. Juni 2016
Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2014. www.diabetesde.org/fileadmin/.../Gesundheitsberich. Zugegriffen: 7. Juni 2016
Rosenbauer J et al (2012) Improved metabolic control in children and adolescents with type 1 diabetes: a trend analysis using prospective multicenter data from Germany and Austria. Diabetes Care 35:80–86
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Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.
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Rami-Merhar, B. Es gibt noch viel zu tun – Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus. Paediatr. Paedolog. Austria 51, 199–201 (2016). https://doi.org/10.1007/s00608-016-0410-8
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