1 Einleitung

Eingriffe in ein Flusssystem setzen ein gewisses Grundverständnis für die in ihm ablaufenden Prozesse und deren Interaktion voraus. Zu den klassischen flussbaulichen Herausforderungen zählen unter anderem Hochwasserschutz, Regulierungsmaßnahmen, Bau von Wasserkraftanlagen, Verbesserung der Schifffahrt, Rückbauprojekte bzw. Renaturierungen, Sedimentmanagement oder die Vorhersage morphologischer Entwicklungen. Obwohl der größte Masseanteil an Sediment auf Schwebstoffe entfällt, der unsere Landschaft verlässt (Milliman und Syvitski 1992), so ist es vor allem der Sedimenttransport gröberer Fraktionen, welcher die flussmorphologische Ausgestaltung in Kiesbettflüssen maßgeblich bestimmt. Im Gegensatz zu Reinwasserströmungen, welche durch die Kontinuums- und Navier-Stokes-Gleichungen hinreichend genau beschrieben werden können, entziehen sich Sedimenttransportprozesse aufgrund ihrer Komplexität einer universelleren Beschreibung (Ferreira et al. 2015). Die ablaufenden Prozesse erstrecken sich dabei über einen großen Skalenbereich. Einzugsgebietsbezogen ist vor allem von Interesse, wo und in welchem Ausmaß Sediment verfügbar ist, und ob bzw. wie ein Transfer stromab möglich ist. Im Flussbett selber gibt es eine Vielzahl an möglichen Quellen und Senken für das transportierte Sediment. Seien es Schotterbänke, Kolke, natürliche oder künstlich geschaffene Hindernisse, um nur einige zu nennen. Betrachtet man den Sedimenttransport am Einzelkorn, so wird er von einer komplexen Fluid-Partikel- und Partikel-Partikel- Interaktion bestimmt (Frey und Church 2011). Dieses Zusammenspiel zwischen turbulenter Strömung und kornbezogenen Prozessen wie hiding und exposure, mikrotopografischer Kornlagerung, Kornsortierung bzw. Einmischungsprozesse oder Sohlformen, führt zu einer räumlichen und zeitlichen Variabilität des Sedimenttransportes und erschwert dessen genaue Abschätzung. Daher besteht mehr denn je die Notwendigkeit, Sedimenttransportmessungen durchzuführen, einerseits zur Schaffung einer entsprechenden Datengrundlage, andererseits um bestehende empirische Formelansätze zu erweitern und zu verbessern. Diese Daten werden auch für Entwicklung, Aufbau und Kalibrierung von Sedimenttransportmodellen benötigt, welche im Gegenzug unverzichtbare Werkzeuge für die Analyse der Auswirkungen flussbaulicher Maßnahmen darstellen. Denn diese bieten die Möglichkeit einer räumlichen und zeitlichen Skalierung (Inter- und/oder Extrapolation) von meist Punkt- oder Profilweise erfassten Messdaten.

Dieser Beitrag gibt eine Übersicht über die an Gewässersohle auftretenden Strömungskräfte und deren Einfluss auf Sedimenttransport sowie die daraus resultierenden Ergebnisse in Bezug auf Geschiebetransport, den vertikalen Aufbau der Donausohle und die Bedeutung von Hochwasserereignissen für den Schwebstofftransport.

2 Innovationen und Erkenntnisse auf Prozessebene

2.1 Direkte Messung und Analyse der Sohlschubspannung als Grundlage für den Sedimenttransport

Die zeitliche und räumliche Verteilung der Sohlschubspannung stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen den turbulenten Strömungsverhältnissen und dem Sedimenttransport beziehungsweise dem Bewegungsbeginn des Geschiebes dar. Sie ist somit ein grundlegender Parameter für die Beschreibung und Vorhersage morphodynamischer Prozesse. Ausgehend von der Arbeit von Shields (1936) wird in der Regel ein zeitlich gemittelter Wert der Sohlschubspannung verwendet, um die an der Gerinneberandung auftretenden Kräfte zu beschreiben. Der deterministische Ansatz von Shields berücksichtigt jedoch nicht die zeitlichen und räumlichen Schwankungen der Sohlschubspannungen respektive der auftretenden Kräfte an der Gewässersohle, welche eng mit der Charakteristik turbulenter Strömungen verbunden sind. Probabilistische Modelle scheinen die zugrunde liegenden Prozesse wesentlich besser zu beschreiben (Einstein und El-Samni 1949; Grass 1970; McEwan und Heald 2001; Ancey und Heyman 2014). Diese statistischen Modelle beschreiben die Strömungskräfte sowie die kritische Schubspannung als Dichtefunktionen und nicht anhand von einzelnen Werten (McEwan und Heald 2001). Durch die Überlagerung der Dichtefunktionen von Sohlschubspannung und Kornwiderstand erhält man die Bewegungswahrscheinlichkeit eines Sedimentkornes (Abb. 1a).

Abb. 1
figure 1

a Dichtefunktion der Sohlschubspannung und des Kornwiderstandes. (Nach Grass 1970), b Messgerät zur direkten Erfassung der zeitlich schwankenden Sohlschubspannung

Es gibt zwar eine Vielzahl an indirekten Methoden zur Berechnung der Sohlschubspannung (über den Gleichgewichtsansatz, das logarithmische Geschwindigkeitsprofil, die Reynoldsspannungen oder die turbulente kinetische Energie), sie erlauben jedoch nur die Abschätzung einer zeitlich gemittelten Sohlschubspannung. Um die zeitliche Schwankung der Sohlschubspannung zu erfassen, wurde sie mit einem eigens im Christian-Doppler-Labor entwickelten Messgerät (Abb. 1b) erstmals in situ direkt erfasst (Gmeiner et al. 2012). Das angewendete Messprinzip beruht darauf, es einer mit Rauheitselementen belegten Scherplatte zu ermöglichen, sich frei in horizontaler Richtung unter den angreifenden Kräften zu bewegen, und die auftretenden Sohlschubspannungen zu messen. In Abb. 2a ist die fluktuierende Sohlschubspannung bei einem Donaudurchfluss von 1100 m3/s für die Strommitte, in Ufernähe und im Buhnenfeld dargestellt. Die Sohlschubspannung ist dabei in Strommitte wesentlich stärkeren Schwankungen unterworfen als im ufernahen Bereich und im Buhnenfeld. Dabei wird die kritische Sohlschubspannung (berechnet nach Zanke (1990) mit τcrit = 14,6 N/m2 und Qcrit = 1639 m3/s für den dm des Sohlmaterials) schon bei Niederwasser in 4 % der Fälle überschritten.

Abb. 2
figure 2

a Zeitliche Schwankung der direkt gemessenen Sohlschubspannung in der Donau, b Häufigkeitsverteilung der auftretenden Sohlschubspannungen Vergleich Labor und Natur

Dies wird auch von der Häufigkeitsverteilung in Abb. 2b unterstrichen, welche abhängig von der Turbulenzintensität (Verhältnis Standardabweichung zu arithmetischem Mittelwert) einer Log-Normal-Verteilung (Strommitte) folgt beziehungsweise sich in Ufernähe sowie im Buhnenfeld oder auch im Labor immer mehr einer Normalverteilung annähert. Dies bedeutet, dass in Bereichen mit einer Log-Normal-Verteilung größere Schubspannungswerte häufiger auftreten, als im Vergleich zu Bereichen, die einer Normalverteilung folgen. Laut Diplas et al. (2008) ist es jedoch nicht ausreichend, nur die Größe und Verteilung der Schwankung zu betrachten, sondern auch den Zeitraum über den die Kraft wirkt – Impulskonzept: Kombination von Kraft und Zeit. Daher wurde der Impuls (hier Kraft mal Zeit) von Ereignissen mit großer Stärke bzw. von langer Dauer berechnet (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Identifikation von Ereignissen mit maximaler Kraft bzw. mit langer Dauer in den direkt gemessenen Sohlschubspannungen (Bereich Strommitte)

Es zeigt sich dabei, dass durchaus Ereignisse auftreten, welche lange genug andauern, um den gleichen Impuls auf ein Sedimentkorn auszuüben wie Ereignisse bei maximaler Schubspannung. Dies verdeutlicht, dass es notwendig scheint, für die Beschreibung des Sedimenttransportes nicht nur die auftretenden Kräfte, sondern auch deren Dauer zu berücksichtigen.

2.2 Bewegungsbeginn, Geschiebetransport, -fracht

In der Projektstrecke (Donau Strom-km 1887,5 bis 1884,5) wurde erstmals an der österreichischen Donau eine längere Reihe von Geschiebemessungen durchgeführt, die nun Durchflüsse bis zu einem HQ200 abdecken. Durch die nun zur Verfügung stehende Messreihe konnten Erkenntnisse bezüglich des Geschiebetransportes an der Donau gewonnen werden. So konnte schon bei Messungen um Regulierungsniederwasser (980 m3/s – KWD2010) nennenswerter Transport beobachtet werden (z. B. waren Tracersteine der Korngröße 27,5 mm, 40 und 70 mm in Bewegung und bei Geschiebemessungen wurden Körner größer 40 mm erfasst, ebenso waren Steine der Größe 40 bis 70 mm auf Videoaufnahmen in Bewegung zu erkennen). Ein weiteres Charakteristikum konnte bei Durchflüssen ab dem bordvollen Durchfluss beobachtet werden: Hier steigt der Geschiebetransport bis zur völligen Flutung der Vorländer kaum weiter an (Gelber Bereich in Abb. 4). Erst bei Extremereignissen (Roter Bereich in Abb. 4) kann wieder ein deutlicher Anstieg verzeichnet werden.

Abb. 4
figure 4

Geschiebetransportcharakteristik im Bereich Bad Deutsch-Altenburg: Geschiebetransport im Querprofil in Abhängigkeit vom Donaudurchfluss

Die 52 bisherigen Geschiebemessungen im Querprofil wurden mit dem Donaudurchfluss in Beziehung gesetzt und eine mögliche Variante für eine Ausgleichsfunktion ermittelt (Abb. 4). Mithilfe der Beziehung zwischen Durchfluss und Geschiebetransport (2006–2015) und einer langen Reihe an Durchflussdaten (1977–2015) kann durch die Auftrittshäufigkeit ein effektiver Durchfluss bzw. ein Durchflussbereich bestimmt werden, bei dem insgesamt gesehen der größte Geschiebetransport auftritt. Wie in Abb. 5 zu sehen, liegt der effektive Durchfluss zwischen 2000 und 2200 m3/s (Mittelwasser 1930 m3/s bis sommerliches Mittelwasser 2230 m3/s).

Abb. 5
figure 5

Durchfluss-Geschiebetransportbeziehung, Auftrittshäufigkeit von Durchfluss und Geschiebetransport, sowie effektiver Durchfluss des Geschiebetransports der Donau im Bereich Bad Deutsch-Altenburg

Im Vergleich zu anderen Flüssen (z. B. die Drau bei Dellach mit einem effektiven Durchfluss knapp unter einem HQ1), liegt der Durchflussbereich, der am meisten zum Geschiebetransport beiträgt, an der Donau sehr tief. Dies äußert sich auch darin, dass im Durchflussbereich zwischen RNQ (980 m3/s) und MQ (1930 m3/s), bereits ~ 35 % des Geschiebetransportes stattfinden. 50 % des Geschiebes werden von Durchflüssen bis 2300 m3/s transportiert und 95 % der Jahresfracht entfallen auf Durchflüsse bis 5300 m3/s. Die jährliche Geschiebefracht in den Jahren 2006 bis 2014 bewegt sich dabei zwischen 306.000 und 594.000 t oder einem Volumen von 196.000 bis 381.000 m3.

2.3 Beobachtung des Transportverhaltens einzelner Steine

Neben der im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Messung des Geschiebedurchgangs an einem Punkt (Euler’sche Betrachtungsweise) ist die gezielte Beobachtung der Einzelbewegungen von Steinen (Lagrange’sche Betrachtungsweise) eine ergänzende Methode, um weitere Einblicke in den Prozess des Geschiebetransports zu erhalten. Zu nennen wären der Bewegungsbeginn bzw. die Bewegungswahrscheinlichkeit, korngrößenabhängige Unterschiede im Transportverhalten, den Transportwegen, -geschwindigkeiten und -distanzen, sowie die Dauer von Ruhephasen bzw. Bewegungsphasen. Tracerlangzeitstudien (über mehrere Niederwasser- und Hochwasserperioden hinweg) ermöglichen auch eine ganzheitliche Betrachtung des Geschiebetransportes, da zeitliche Schwankungen der Strömungsgrößen und räumliche Heterogenität an der Flusssohle Eingang in die gewonnenen Datensätze finden. Darüber hinaus erwiesen sich die Tracersteine auch als sehr wertvolles Werkzeug, um kurzfristig die Stabilität der GSV zu beurteilen (Liedermann et al. 2016, in dieser Ausgabe). Dazu wurde ein für einen Fluss von der Dimension der Donau einmaliges intensives Monitoring von 40 Radiotracern (3 Größen mit einer b-Achse von 27,5, 40 und 70 mm) vor den Umbaumaßnahmen durchgeführt. Über den Zeitraum von mehr als einem Jahr wurden die Tracersteine einmal wöchentlich gesucht und verortet. 74 % der Steine durchwanderten die 3 km lange Strecke innerhalb eines Jahres. Die zurückgelegten Pfade waren dabei mehrheitlich uferparallel (Abb. 6), der Anteil des Quertransportes am Geschiebetransport lag bei 4 % des longitudinalen Transportes und wird hauptsächlich von der Morphologie beeinflusst.

Abb. 6
figure 6

Modellierte Tracerpfade (farbige Pfadscharen) im Vergleich zu den beobachteten Tracerpositionen (farbige Kreise); die Startpositionen der Tracersteine sind mit einem Stern markiert. (Modifiziert aus Liedermann et al. 2013)

Die gemessene Transportwahrscheinlichkeit und -geschwindigkeit für die kleinen Steine (b-Achse 27,5 mm) lag bei 42 % und 10,6 m/d. Die mittleren und großen Steine (b-Achse 40 und 70 mm) hatten eine Transportwahrscheinlichkeit von 30,4 bzw. 26,1 % bei einer Geschwindigkeit von 7,7 bzw. 6,2 m/d. Die kleineren Steine bewegten sich somit häufiger und weiter als die mittleren und großen, welche ein ähnliches Transportverhalten aufwiesen. Bei den während des baubegleitenden Monitorings eingebrachten Tracersteinen reduziert sich die Geschwindigkeit der mittleren Steine (40 mm) um zirka die Hälfte auf 3,2 m/d und die der großen auf zirka ein Drittel (1,9 m/d), bei gleichzeitiger Reduktion der Transportereignisse. Ein Tracerstein gleicher Größe bewegt sich direkt nach den Baumaßnahmen daher etwas seltener und deutlich weniger weit als ein Stein während des Premonitorings. Die Daten der 40 Tracersteine aus dem Premonitoring wurden auch für die Kalibrierung eines numerischen Tracermodelles verwendet (Tritthart et al. 2012). Unter der Annahme einer konstanten Steinbewegung und eines Widerstandbeiwertes (Kalibrierparameter) sowie unter Einbeziehung des lokalen Sohlgradienten und einer variablen Schubspannungsgeschwindigkeit (generiert aus einer Gauß’schen Verteilung) wurden die Pfade und Geschwindigkeiten der Tracersteine für unterschiedliche Durchflüsse erfolgreich reproduziert. Dies schafft die Möglichkeit der räumlichen und zeitlichen Hochskalierung vorhandener Tracerbeobachtungen; somit ist es möglich, eine im Vergleich zu Naturmessungen große Anzahl an Steinbewegungen und deren Ausbreitungsverhalten für unterschiedliche Durchflussbereiche abzubilden.

2.4 Die vertikale Entwicklung der Donausohle

Eine wesentliche Grundlage zur Beurteilung des Einmischverhaltens bzw. der Stabilität und des Vorhandenseins der GSV ist eine detaillierte Kenntnis des Sohlaufbaus (Korngröße, Schichtungen, Reifegrad der Deckschicht etc.). Darüber hinaus dient der Sohlaufbau (unterteilt in 10-cm-Schichten) auch als Eingangsdatensatz für die Sedimenttransportmodellierung. Die Entnahme von Freeze Cores aus der Gewässersohle bietet dabei eine einzigartige Möglichkeit, eine ungestörte Probe der Donausohle bis in eine Tiefe von 1 bis 1,5 m zu ziehen. Dazu wird ein Stahlrohr in die Flusssohle geschlagen und anschließend mit Flüssigstickstoff heruntergekühlt, sodass das Sediment festfriert und ungestört entnommen werden kann (Abb. 7).

Abb. 7
figure 7

a Einbringen des Freeze-Core-Gestänges, b Gefrieren der Donausohle mit Flüssigstickstoff, c Freeze-Core-Probe mit GSV-Schicht

In Abb. 8 sind Freeze Cores mit unterschiedlichen GSV-Körnungen bei variablem Einmischungsgrad und einer klar erkennbaren Sohlschichtung dargestellt. Eine noch zur Gänze vorhandene GSV-Schicht der Körnung 40/70 ist in Abb. 8a zu sehen. Sie weist eine Schichtdicke von 30 cm (Einbaustärke) auf und ist rund 10 cm von Normalgeschiebe überlagert. Eine eingemischte und nur noch teilweise vorhandene GSV-Schicht der Körnung 32/132 ist in Abb. 8b zu sehen. Diese Probe wurde in einem Bereich mit höherer Strömungsbelastung bei Strom-km 1884,9 genommen.

Abb. 8
figure 8

Beispiele unterschiedlicher GSV-Schichten und Einmischungsgrade: a GSV-Schicht Körnung 40/70, Lage 10–40 cm unter Gewässersohle, b GSV-Körnung 32/120, eingemischt in die Donausohle, c Beispiel für das Auftreten von Schichten mit unterschiedlichem dm bei Strom-km 1886,62 – Schicht 70–100 cm Fremdgeschiebe (geologischer Tracer)

Die in Abb. 8c dargestellte Freeze-Core-Probe entstammt dem Furt-Bereich bei Strom-km 1886,62. An ihr zeigt sich ausgehend vom Fremdgeschiebe (geologischer Tracer Körnung 40/70) ein dreiteiliger Aufbau der Donausohle, mit einem dm der zwischen 18,03 und 34,83 mm schwankt. Über die Kombination von Siebanalysen und visueller Beurteilung war es möglich, den Anteil der GSV am jeweiligen Freeze Core über die Tiefe darzustellen (Abb. 9).

Abb. 9
figure 9

Überblick über den GSV-Anteil (berechnet und visuell beurteilt) der Freeze-Core-Proben am Probenahmeort

Die in Abb. 10 dargestellten Freeze Cores wurden 4 Wochen und 1 Jahr nach dem Einbau des Materials gezogen. Es handelt sich um GSV-Material, welches noch nicht überdeckt ist und somit direkt dem Strömungsangriff ausgesetzt ist.

Abb. 10
figure 10

a geologischer Tracer (Fremdgeschiebe) 4 Wochen nach Einbau, b GSV 32/120 rund 1 Jahr nach Einbau

Auffällig ist der offene Schotterlückenraum, welcher im Vergleich zu überdeckten Stellen nicht durch Perkolation oder kinetische Siebung mit Sand oder Feinkies verfüllt wurde.

Da sich das zugegebene GSV-Material innerhalb der Bandbreite des natürlich vorkommenden Sohlmaterials bewegt, ist die Identifikation des GSV-Materials nach erfolgter Durchmischung nur noch bedingt möglich. Die vorher aufgebrachte klar erkennbare Schicht von 30 cm verliert ihre Identität und die Vergröberung der Sohle kann sich immer noch innerhalb einer natürlich auftretenden Variabilität bewegen. Deshalb wurde für eine genauere Beobachtung des Einmischverhaltens bzw. der Einmischtiefe sowie von Translation und Diffusion der Steine ein Streifen von 120 auf 60 m mit petrografisch und vor allem visuell klar abgrenzbaren geologischen Tracersteinen (Abb. 10a) belegt.

2.5 Sohlformen und deren Einfluss auf den Geschiebetransport an der Donau

Ein weiteres bisher unerforschtes bzw. sogar unbekanntes Charakteristikum der Donau sind die Sohlformen. Diese wurden durch hochauflösende Sohlgrundaufnahmen mittels Multi Beam entdeckt und wurden wegen deren großer Auswirkung auf den Bauablauf genauer analysiert. Grundsätzlich sind Kiesdünen auch in der internationalen Literatur kaum beschrieben, weshalb deren Charakteristik an der Donau auch gänzliches Neuland darstellt. Zuerst wurden die Dünenformen mithilfe von mehreren Multi-Beam-Aufnahmen zu unterschiedlichen hydrologischen Bedingungen analysiert (Abb. 11). Die durchschnittlichen Dünenlängen schwanken zwischen 7,8 und 10,7 m, die Dünenhöhen schwanken zwischen 10 und 45 cm (Liedermann et al. 2014).

Abb. 11
figure 11

Ausbildung von Sohlformen in Abhängigkeit vom auftretenden Durchfluss: a Beziehung zwischen Sohlformenlänge und Durchfluss, b Zusammenhang zwischen Sohlformenhöhe und Durchfluss

Die auftretenden Längen der Dünen zeigen keine sichtbare Abhängigkeit vom Durchfluss (Abb. 11a), bei den Dünenhöhen hingegen ist eine Zunahme mit steigendem Durchfluss feststellbar (Abb. 11b).

Während der Bauarbeiten wurde offensichtlich, dass vorbereitete Einbaufelder für die granulometrische Sohlverbesserung (GSV) oft nach wenigen Stunden wieder zusedimentiert waren. Daher wurde ein zeitlich hochaufgelöstes Monitoringprogramm durchgeführt, um die Dünenbewegung zu analysieren. So wurden alle 10 Minuten über mehrere Stunden hinweg Sohlgrundaufnahmen eines Teilbereiches der Stromsohle gemacht. Durch Vergleich der gewonnenen Sohlmorphologien konnte eine Sohlformgeschwindigkeit bestimmt werden, die zwischen 2,5 m/h und 9 m/h liegt und einen Mittelwert bei 5,6 m/h besitzt (Bezug Messreihe Fa. Strabag, bei Einbeziehung der Messungen via donau: 5,26 m/h) (Abb. 12). Über die charakteristischen Formen der Dünen konnte ein Sedimentvolumen über eine längere Zeit ermittelt werden, um auf eine Geschiebetransportrate basierend auf dem Sohlformtransport schließen zu können. Für diesen spezifischen Geschiebetransport konnten Werte zwischen 0,20 kg/s m und 0,76 kg/s m bei einem Mittelwert von 0,43 kg/s m gefunden werden (Liedermann et al. 2014).

Abb. 12
figure 12

Analyse der Sohlformen: a Geschwindigkeit und Geschiebetransportrate der betrachteten Sohlformen, b zeitliche Schwankung der Geschiebetransportrate zwischen sukzessiven Aufnahmen, c Sohlformen in Draufsicht und Schnitt (Schnitt 20-fach überhöht)

Diese Ergebnisse passen gut zu den mittels Fangkorbmessungen gewonnenen Werten, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass bei Auftreten von Kiesdünen der Geschiebetransport an der Donau fast ausschließlich von diesen bestimmt wird.

2.6 Schwebstofftransportprozesse

Es hat sich gezeigt, dass die korrekte Berechnung von Schwebstofffrachten während Hochwasserereignissen entscheidend ist, um zuverlässige Ergebnisse für die Jahresfrachten zu erhalten. Wie die Messungen der letzten Jahre (v. a. auch bei Hochwässern) ergaben, kann man jedoch nicht davon ausgehen, dass selbst bei Hochwässern eine vollständige und gleichmäßige Durchmischung der Schwebstoffe im Profil auftritt (Haimann et al. 2014). Bei vollständiger Durchmischung müsste sich der Querprofilbeiwert kp (Verhältnis mittlerer zu sondennaher Konzentration) an der Strassenbrücke Hainburg vor allem bei höheren Durchflüssen gegen 1 bewegen.

Der Anstieg des Querprofilbeiwertes mit steigendem Durchfluss bedeutet jedoch, dass die Schwebstoffkonzentration in Ufernähe geringer ist als im Querprofil. Somit würde es in diesem Fall zu einer Überschätzung der Schwebstofffracht vor allem bei höheren Durchflüssen kommen. Davon ausgehend ist es unerlässlich, die räumliche Verteilung der Schwebstoffkonzentration über das Querprofil durch Messungen – vor allem bei höheren Durchflüssen – zu erfassen. Denn während dieser Hochwasserereignisse wird ein Großteil der Jahresfracht transportiert (Abb. 13a) (Haimann et al. 2014).

Abb. 13
figure 13

a Schwebstofftransport Vergleich Jahres- und Ereignisfracht, b Schwebstoffsonden- und Durchflussganglinie HW-Ereignis 2013 für Hainburg Straßenbrücke – Insert: Hysterese-Effekt während des HW 2013

Die 5 Tage eines 15-jährlichen Ereignisses (03.–08.06.2010) und ein 10-jährliches Ereignis (14.–19.01.2011) hatten einen Anteil von 38 bzw. 41 % an der gesamten Jahresfracht. Während des HQ200-Ereignisses vom 03.–08.06.2013) wurde annähernd gleich viel Schwebstoff transportiert wie im Jahr 2012 (4,9 Mio. t). Die Gegenüberstellung des Durchflusses und der mittleren Schwebstoffganglinie dieses Ereignisses bei der Hainburger Straßenbrücke (Abb. 13b) zeigen eine Hysterese, die Spitze der Trübung trat rund 2 Tage vor der eigentlichen Durchflussspitze auf, was Fragen hinsichtlich der Herkunft der Schwebstoffe aufwirft.

Betrachtet man die Anteile von Schwebstoff- und Geschiebejahresfracht an der Gesamtsedimentfracht, so entfallen 5 bis 12 % des transportierten Sediments auf das Geschiebe. Dabei traten die 5 % im Jahr 2013 auf, in dem infolge des 200-jährlichen Ereignisses überdurchschnittlich viel Schwebstoff transportiert wurde. Im Mittel betrug der Anteil des Geschiebetransportes 8,8 %, exkludiert man das Jahr 2013 steigt der Geschiebeanteil auf 9,5 %.

2.7 3D Hydrodynamik, Sedimenttransport und Habitatmodellierung

In der Pilotstrecke wurde eine Simulation der Hydrodynamik, des Sedimenttransportes und der Morphodynamik durchgeführt. Dabei gelang es, die in der Natur auftretenden Sohlformen auch numerisch zu modellieren (Tritthart et al. 2011). Voraussetzung für die erfolgreiche numerische Modellierung der räumlichen und zeitlichen Schwankungen der Sohlhöhe, des Geschiebetransportes bzw. der Korngrößen sind eine fraktionierte Berechnung inklusive Hiding/Exposure-Korrektur, die fortlaufende Neusortierung des Sediments in einer Austauschschicht (active layer) sowie eine über die Fläche und Tiefe inhomogene Sedimentbelegung. Darüber hinaus ist eine entsprechende Datengrundlage notwendig, um die empirischen Formeln im Modell kalibrieren zu können.

Die Habitatmodellierung ermöglicht eine Integration von abiotischen und biotischen Informationen, womit die Wirkung der Baumaßnahmen künftig im Postmonitoring beschrieben werden kann (vgl. Habersack et al. 2016, in dieser Ausgabe).

3 Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Für die erfolgreiche Umsetzung innovativer Maßnahmen ist es einerseits wichtig, Werkzeuge zur Verfügung zu haben, um Auswirkungen und Veränderungen objektiv feststellen zu können, andererseits ist es aber auch erheblich, die Prozesse an sich verstehen zu lernen. Nur dadurch können Gründe für eine nicht erwartete Veränderung gefunden und letztlich Maßnahmen erfolgreich optimiert werden. Der Geschiebetransport an der Donau konnte durch die erste lange Reihe von Messdaten charakterisiert werden. Transportbeginn konnte schon bei Niederwasser festgestellt werden, ab bordvollem Durchfluss stagniert der Geschiebetransportanstieg, bis er bei Extremereignissen wieder deutlich zunimmt. Der effektive Geschiebetransport (Durchfluss, der über die Zeit gesehen den größten Anteil am Geschiebetransport hat) konnte knapp über Mittelwasser gefunden werden. Die Tracersteine bewegten sich mehrheitlich uferparallel, bei einem Quertransport von 4 % im Vergleich zum longitudinalen Transport. Hinsichtlich Bewegungshäufigkeit und Transportgeschwindigkeit zeigte sich ein größenselektives Verhalten, kleinere Steine bewegten sich häufiger, weiter und schneller im Vergleich zu den mittleren und großen Steinen, welche eine ähnliche Transportcharakteristik aufwiesen. Der durchschnittliche Korndurchmesser bewegte sich vor Bau mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 3 km/Jahr. Direkt nach den Baumaßnahmen bewegten sich die Tracersteine etwas seltener und deutlich weniger weit als ein Stein während des Premonitorings. Eine weitere sehr wertvolle Methode zur Beurteilung von Stabilität und Einmischungsgrad der GSV war die Freeze-Core-Beprobung, die einen ungestörten Blick in die Donausohle ermöglicht. Kiesdünen bewegen sich an der Donausohle mit einer mittleren Geschwindigkeit von 5,6 m/h und bestimmen den Geschiebetransport maßgeblich. Ein Messgerät zur direkten Bestimmung der Sohlschubspannung an der Donausohle wurde entwickelt, um die zeitliche Fluktuation dieses Parameters aufzeichnen zu können, die letztlich der bestimmende Faktor für den Bewegungsbeginn des Sedimentes ist. Da selbst bei Hochwässern keine vollständige und gleichmäßige Durchmischung der Schwebstoffe im Profil auftritt, ist es unerlässlich, die Schwebstoffkonzentration auch über das Querprofil durch Messungen vor allem bei höheren Durchflüssen zu erfassen. Denn vor allem bei Hochwasserereignissen wird ein Großteil der Schwebstoffjahresfracht transportiert. Weiters trat während des HQ200 im Juni 2013 eine Hysterese bei der Schwebstoffsonde an der Hainburger Straßenbrücke auf. Denn die Spitze der Trübung trat rund 2 Tage vor der eigentlichen Durchflussspitze auf, was Fragen hinsichtlich der Herkunft der Schwebstoffe aufwirft. Eine 3D hydrodynamisch numerische Modellierung zeigt nun die Änderungen in der Sohlschubspannung auf und kann in Kombination mit einem Sedimenttransportmodell benutzt werden, um die Niederwasserregulierung zu optimieren, damit mit möglichst geringfügigen baulichen Anpassungen ein für alle Stakeholder positiver Zustand erreicht werden kann.