Zusammenfassung
Hintergrund
Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt sind in der Alterns- und Pflegeforschung bislang eher randständig behandelt worden. Nicht-heterosexuelle Senior*innen und Pflegebedürftige berichten hinsichtlich der Gesundheitsversorgung im Alter von der Angst vor Ablehnung und der Abhängigkeit von Dritten, die ihre Lebenslage nicht in adäquater Weise erkennen.
Fragestellung und Ziel
Dieser Beitrag geht den Fragen nach, wie geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in der Altenhilfe respektiert werden können, in welchen Kontexten sie relevant werden und wie sie in Wechselwirkung zu anderen Differenzierungsmerkmalen wirken.
Material und Methoden
Es werden qualitative Daten des Forschungsprojekts „Gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Pflege im Alter“ (GLEPA) mit lesbischen, schwulen, trans* und intergeschlechtlichen (LSBTI*) pflege- oder hilfebedürftigen Senior*innen genutzt. Für die Auswertung werden biografische Fallrekonstruktionen mit der intersektionalen Perspektive verknüpft.
Ergebnisse und Diskussion
Die Analyse der Daten zeigt, das sich sexuelle und geschlechtliche Identitätskonstruktionen bei LSBTI*-Senior*innen abhängig von Erfahrungen im Lebensverlauf unterschiedlich in verschiedenen Kontexten zeigen und darüber auch spezifische Strategien im Umgang mit diesen Identitätskategorien entwickelt bzw. erkennbar werden. Insbesondere im Feld des pflegerischen Handelns zeigt sich in der Wechselwirkung von Alter, Körper und geschlechtlicher Identität das Erleben normativer – z. T. gewaltvoller – Strukturen der Altenhilfe. Bei sexuellen Identitätskategorien wird die Relevanz von Lebensstilen bis ins hohe Alter deutlich, wodurch ebenso eine intersektionale Perspektive für eine bedarfsgerechte Versorgung im Alter Bedeutung erlangt.
Abstract
Background
There have been relatively few studies concerning gender and sexual identity in research on ageing and nursing or care. Non-heterosexual older people and those in need of care describe fears of rejection and the dependence on third parties in their use of health and social care services in old age.
Objective
This article examines the question of how gender and sexual diversity can be respected in older adult social services. It focuses on the question of how sexual and gender identity become relevant in particular contexts and how these categories interact with other categories of identity.
Material and methods
Qualitative data from the same sex and nursing in old age (GLEPA) research project with older lesbian, gay, bisexual, trans*and inter* (LGBTI*) people in need of care or help are used. For the analysis, biographical case reconstructions are combined with an intersectional perspective.
Results and conclusion
The analysis of the data shows how sexual and gender identities of older LGBTI* people are represented in differing contexts and depend on their experiences across the course of life. It also shows how specific strategies associated with these identity categories are developed and can be distinguished. Particularly in the act of personal care, the interplay between age, body and gender identity shows how the interviewees experience the normative and sometimes violent, structures of long-term care. Regarding sexual identity, the data show the continuing relevance of life situations and lifestyles for LGBTI* people into old age, demonstrating the importance of taking an intersectional perspective for person-centered care with older adults.
Notes
* Das Sternchen (*) soll auch weitere sexuelle und geschlechtliche Identitäten und Selbstbeschreibungen einbeziehen und auf diese hinweisen. Als Trans* bezeichnen sich Menschen, wenn deren Geschlechtsidentität von dem Geschlecht abweicht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Inter* steht für intergeschlechtliche Menschen, die mit Variationen der Geschlechtsmerkmale geboren werden.
Cis-weiblich bezieht sich auf das lateinische Wort „cis“ für „diesseits“ im Kontrast „trans“ (lat.), womit „jenseits“ gemeint ist. Cisgender bezeichnet Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei Geburt zugewiesen wurde.
Teilnehmende konnten über Zustimmung oder Ablehnung der Interviewanfrage selbstständig entscheiden und die Interviews jederzeit abbrechen. Einwilligungserklärungen aller Befragten wurden eingeholt.
Die Namen der Befragten werden aus Gründen der Anonymisierung geändert.
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R. Lottmann gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden vom Autor keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Lottmann, R. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Altenhilfe – Intersektionale Perspektiven und die Relevanz von Situationen und Kontexten. Z Gerontol Geriat 53, 216–221 (2020). https://doi.org/10.1007/s00391-020-01704-7
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