Zusammenfassung
Hintergrund
Eine fortschrittliche medizinische Versorgung verlangt auch eine Weiterentwicklung des Umgangs zwischen Arzt und Patient. Dies betrifft insbesondere den Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen. Aus dem Wunsch heraus, Einfluss auf medizinische Behandlungen auch in Grenzsituationen des Lebens zu nehmen, entstanden Patientenverfügungen. Trotz der politisch und gesellschaftlich geführten Diskussion spielen Patientenverfügungen im chirurgischen Alltag selten eine Rolle. Ziel dieser Untersuchung war es, anhand von Fragebögen herauszufinden, wie häufig Patientenverfügungen unter den Patienten einer chirurgischen Klinik vorkommen und von welchen Faktoren dies abhängig ist.
Methoden
Zwischen August 2007 und Januar 2008 wurden in unserer Klinik 450 Patienten vor einem geplanten operativen Eingriff anonym mittels Fragebogen zum Thema „Patientenverfügung“ befragt. Neben der Frage nach dem Vorhandensein bzw. der Absicht eine Patientenverfügung zu erstellen, lag das besondere Augenmerk der Untersuchung auf dem Verhältnis zwischen Patient und behandelndem Arzt. Zudem wurden patientenspezifische und soziodemographische Variablen erfragt.
Ergebnisse
Von den befragten Patienten gaben 16,7% an, eine Patientenverfügung verfasst zu haben, während 21,3% der befragten Patienten die Möglichkeit des Verfassens einer solchen Willenserklärung nicht kannten. Lediglich 9,7% der befragten Personen sahen keine Notwendigkeit eine Patientenverfügung zu erstellen, während der Großteil der Patienten (65,3%) sich vorstellen konnte, eine Patientenverfügung zu verfassen. Bei der Untersuchung der Einflussfaktoren für das Erstellen von Patientenverfügungen stellten sich das Alter sowie das vorausgegangene Erleben schwerer Erkrankungen als signifikante Faktoren dar. 64,8% der befragten Patienten wünschten sich mehr Informationen zum Thema Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Vor operativen Eingriffen wünschten sich 80,1% der Patienten, dass das Thema Patientenverfügung durch den behandelnden Chirurgen angesprochen wird.
Schlussfolgerung
Obwohl weiterhin weniger als ein Fünftel der Patienten eine Patientenverfügung verfasst hat, besteht diesbezüglich ein großer Informationsbedarf auf Seiten der chirurgischen Patienten. Dieser Aufgabe sollten sich auch die Mitarbeiter einer chirurgischen Klinik stellen.
Abstract
Background
Progressive health care implies progress also in physician/patient interaction, especially with regard to moribund patients and their relatives. Advance health care directives emerged from the desire to influence medical treatment even in borderline situations. In spite of the present political and public discussions in Germany, advance directives are rarely of much importance in everyday surgical practice. By means of questionnaires, this study aimed at the frequency of advance directives among the patients of a surgical hospital and at related influencing factors.
Methods
Between August 2007 and January 2008, 450 patients at our hospital were interviewed, prior to scheduled surgery, on the topic of advance health care directives by means of anonymous questionnaires. In addition to questions about the existence of or the intention to draw up advance directives, the study focussed particularly on the relationship between patient and attending physician. Patient-specific and sociodemographic data were collected as well.
Results
Of the patients interviewed, 16.7% stated they had drawn up advance directives, while 21.3% did not know about the possibility of drawing up such a document. A mere 9.7% of the patients interviewed saw no need for such directives, whereas the majority (65.3%) considered it an option. Among the factors influencing the drawing up of advance directives, age and prior experience with severe disease figured significantly. Of the patients interviewed, 64.8% wished for more information on the topic of advance health care directives and health care proxies. The wish was expressed by 80.1% of patients that the attending surgeon mention the topic prior to surgery.
Conclusions
Although the proportion of patients that draw up advance health care directives continues to be less than one fifth, surgical patients have a great need for information regarding the topic. Surgical hospital personnel should also set themselves to this task.
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Interessenkonflikt
Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Justinger, C., Richter, S., Moussavian, M. et al. Patientenverfügung aus der Sicht des chirurgischen Patienten. Chirurg 80, 455–461 (2009). https://doi.org/10.1007/s00104-008-1662-z
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