Zusammenfassung
Tödliche Vergiftungen mittels Invertseifen gehören zu den relativ selten beobachteten Intoxikationsarten. Die Elimination der Wirkstoffe aus dem Leichenmaterial und ihre Identifizierung bereiten — zum Nachteil eindeutiger Diagnosen der mittelbaren Todesursache — bisher erheb liche Schwierigkeiten.
Anhand einer Übersichtstabelle werden die wesentlichen Daten der bisher veröffentlichten acht und der zwei hier beschriebenen Todesfälle (davon eine Kombinationsvergiftung) nach Zuführung von Desinfektionsmitteln auf Grundlage höhermolekularer Alkyldimethylbenzylammoniumchloride (Zephirol, C 4) wiedergegeben und erläutert. Berücksichtigt sind hierbei vor allem Menge und Konzentration der Mittel, Anlaß und Art ihrer Zuführung, durchgeführte Therapien, Überlebenszeiten, angegebene mittelbare und unmittelbare Todesursachen sowie die chemischanalytischen Befunde am Leichenmaterial. Bei den eigenen Fällen werden nach kurzer Darstellung der Kasuistik eingehender pathomorphologische und chemisch-analytische Befunde abgehandelt und diese jeweils im Zusammenhang mit veröffentlichten Ergebnissen diskutiert.
Pathomorphologisch stehen, bedingt durch die perorale Aufnahme von unverdünntemC 4, ausgeprägte Verätzungen des oberen Verdauungstraktes im Vordergrund. Als unmittelbare Todesursache wird ein komplexes Geschehen angenommen, das aus den eiweißfällenden, hämolysierenden sowie möglicherweise curareähnlichen Eigenschaften und Ätzwirkungen resultiert.
Der analytische Nachweis derC 4-Wirkstoffe gelang jeweils am 1. Giftweg mittels der UV-Spektrophotometrie und der Dünnschichtchromatographie sowie nach modifizierten klassischen Verfahren auch am 2. Giftweg. Hinweise für die erfolgte Resorption bzw. Diffusion wurden ebenfalls durch Nachweis der Blutreaktionsprodukte erhalten.
Zur Materialaufbereitung eignet sich Formaldehyd in hervorragender Weise (Fällung der Eiweiße, Freisetzung derC 4-Wirkstoffe). Nachuntersuchungen an chemisch-unfixierten Organproben und an formaldehydfixierten Gewebestückchen ergaben, daß die Isolierung und Identifizierung der unveränderten Wirkstoffe und somit eine chemische Diagnose noch nach mehreren Jahren möglich ist.
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Tiess, D., Nagel, K.H. Beitrag zur Morphologie und Analytik der Invertseifenintoxikation. Arch. Toxikol. 22, 333–348 (1967). https://doi.org/10.1007/BF00577587
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