Das incretorische System im Lebenscyclus der Frösche (Rana temporaria L.)

Zusammenfassung

Überblicken wir noch einmal zusammenfassend das Ergebnis der vorliegenden Untersuchungen, so heben sich folgende Punkte als wesentlich heraus:

• 1. Den gesamten Lebenscyclus des Frosches gliedern wir heute in drei große Phasen: 1. die progressive Phase, 2. die jahrescyclische Reifephase, 3. die regressive Phase. Diese Phasen lassen sich ihrerseits in die folgenden Phasen aufteilen, die deutlich voneinander abzugrenzen sind:

  Progressive Phase: a) Befruchtetes Ei, b) Blastula, c) Gastrula, d) Neurula, e) I. Larve (urodeloide Larve), f) Prometamorphose, g) II. Larve (Kaulquappe), h) Metamorphose, i) neutraler Jungfrosch, k) bisexueller Jungfrosch.

  Jahrescyclische Reifephasen: 1) Beginnende Reife, m) Vollreife.Regressive Phase: n) Senium, o) physiologischer Tod.

• 2. Die incretorischen Organe haben in sämtlichen Phasen des Lebenscyclus der Frösche (ausgenommen die Zeit bis zur I. Larve und die unbekannte regressive Phase) einen typischen, kurvenmäßig festzulegenden Funktionsverlauf.

• 3. Die Schilddrüse funktioniert früher als bisher angenommen wurde. Sie ist bereits in der Prometamorphose in Tätigkeit und hier für den anatomischen Umbau des Larvenkörpers mit verantwortlich. Ein zweiter Anstieg ihrer Funktion ist in der Metamorphose festzustellen. Auch hier, wie schon in der Prometamorphose, bringt sie die in Innenweltfaktoren umgewandelten Umweltfaktoren zum Ausdruck, die den Aufenthaltswechsel der Tiere veranlaßten. In der progressiven Phase tritt in der Schilddrüse ein Pigment auf, das wahrscheinlich an der Bildung der Vorstufe des Secrets beteiligt ist. In den Ruhephasen der Drüse ist es reichlich vorhanden, nimmt mit zunehmender Secretion ab und verschwindet zur Zeit der höchsten Tätigkeit. In den Jahrescyclen steht die Schilddrüse in enger Beziehung zum Stoffwechsel. Im Winter, zur Zeit stark herabgesetzten Stoffwechsels, wird das Secret nicht in dei Blutbahn befördert, sondern in den Follikeln gestaut. Bei der Erhöhung des Stoffwechsels im Frühjahr wird das gestaute Kolloid ins Blut abgegeben und während des ganzen Sommers wird kein Kolloid in den Follikeln gestaut. Beim Eintritt der kalten Jahreszeit setzt dann wieder eine erneute Stauung in den Follikeln ein, die den ganzen Winter über anhält. Durch ihre Beziehung zum Stoffwechsel ist die Schilddrüse auch für das Zustandekommen des Winterschlafes von Bedeutung, da letzterer durch den im Winter stark herabgesetzten Stoffwechsel bedingt ist.

• 4. Die Hypophyse zeigt bis zur Metamorphose einen der Schilddrüse sehr ähnlichen Funktionswechsel. Sie kann sogar für die Schilddrüse vikariierend eintreten. In den Jahrescyclen der progressiven Phase nimmt ihre Funktion von Jahr zu Jahr zu, sie bildet sich immer deutlicher zum Brunstorgan heraus. In den jahrescyclischen Reifephasen hat sie einen der Keimdrüsentätigkeit gleichsinnigen Funktionsverlauf. Sie ist hier für die Genese der Keimprodukte und die Erscheinungen der Brunst neben den Keimdrüsen von Bedeutung.

• 5. Die Thymus hat bis zur Metamorphose ein der Schilddrüse und Hypophyse entgegengesetztes Verhalten und ist in dieser Zeit diesen Organen als Regulationsorgan übergeordnet; sie ist besonders in der Zeit stärkerer Größenzunahme tätig. Mit zunehmendem Alter unterliegt sie einer deutlichen Involution, zeigt jedoch in den Jahrescyclen noch Schwankungen, die mit dem Wachstum in Zusammenhang zu bringen sind. Auf den Gesamtorganismus wirkt sie nur indirekt ein, dadurch, daß sie die entwicklungsbeschleunigenden und wachstumshemmenden Faktoren von Schilddrüse und Hypophyse unterdrückt.

• 6. Die Keimdrüsen, die bis zu ihrer Differenzierung in Hoden und Ovar nicht nachweislich incretorisch tätig sind, erlangen ihre volle Bedeutung erst mit der Geschlechtsreife. Sie haben in den jahrescyclischen Reifephasen ein durch die Genese der Keimprodukte bedingtes, für die Fortpflanzung und die cyclische Ausprägung der sekundären Geschlechtsmerkmale wichtiges Schwanken in der Stärke der Funktion.