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Der Formensinn und die Sehschärfe der Bienen

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Zeitschrift für vergleichende Physiologie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

  1. 1.

    Die Bienen haben keinen echten Formensinn, der in seinen Leistungen mit dem menschlichen vergleichbar wäre. Man kann ihren Formensinn einen „lokalisierenden Farbensinn“ nennen, weil die Bienen zwei Formen dann unterscheiden können, wenn sie bei vertikaler Stellung der Form direkt unter dem Flugloch oder bei horizontaler Stellung in einem schmalen Streifen um das Flugloch herum Farbdifferenzen aufweisen. Bei Berücksichtigung dieses Verhaltens ist es nicht schwer, durch geeignete Wahl von Dressur- und Gegenform Versuchsergebnisse zu erhalten, die einen hochentwickelten Formensinn vortäuschen. Andererseits wird hieraus verständlich, warum es weder v. Frisch noch mir gelang, die Bienen auf „unnatürliche“, geometrische und stereometrische Formen zu dressieren, wenn diese keine Farbdifferenz unter dem Flugloch bei vertikaler Stellung der Schablonen hervorrufen.

  2. 2.

    Die Bienen „fixieren“ beim Anflug an eine vertikal gestellte Form den tiefsten Punkt des Flugloches, weil dieser ihr Landungsplatz ist; Quadrate von 5 mm Seitenlänge werden innerhalb eines Kreises von 15 mm Durchmesser um den tiefsten Punkt des Fluglochs wahrgenommen. Dadurch erklärt es sich auch, daß die über und unter dem Flugloch liegenden Teile der Schablonen verschieden stark beachtet werden, weil sie eben verschieden weit vom unteren Fluglochrand entfernt sind.

  3. 3.

    Die morphologische Untersuchung des Bienenauges gestattet zwar nicht, die Sehschärfe direkt zu bestimmen, aber man kann durch sie Aufschluß gewinnen über die Größe der Winkel, die die Achsen benachbarter Ommatidien miteinander bilden. Diese sind umgekehrt proportional der Sehschärfe, die der dioptrische Apparat des Auges allein vermitteln würde. Man findet nach dieser Methode, daß die Sehschärfe am größten ist in dem mittleren, vorderen Teil des Auges und daß sie von dort aus nach vorn und hinten ziemlich wenig, nach oben und unten aber stark abnimmt. Dazu kommt noch, daß in den Randbezirken die Achsen der Linsenzylinder nicht mehr — wie in der Mitte — auf den Cornealinsen senkrecht stehen, wodurch die Abnahme der Sehschärfe nach vorn, hinten und unten noch vergrößert wird.

  4. 4.

    Da die benachbarten Ommatidien in vertikaler Richtung Winkel einschließen, die nur den dritten Teil der Winkel in horizontaler Richtung betragen, folgt — isolierte Ableitung der Ommatidien oder homogene Koppelung vorausgesetzt -, daß die Sehschärfe in vertikaler Richtung dreimal so groß ist als in horizontaler, was in der Wirkung ungefähr dem Astigmatismus des Linsenauges gleichkommen muß.

  5. 5.

    Aus den Dressurversuchen folgte ein sehr eng begrenzter Bezirk schärfsten Sehens (siehe Abschnitt 2 der Zusammenfassung), dessen Lage mit der Abnahme der Sehschärfe nach den Rändern zu in Widerspruch steht. Die Erklärung ergibt sich aus folgender Überlegung: Das Bild, das das Facettenauge liefert, ist um so schärfer, je kleiner die Feldchen sind, die von den einzelnen Ommatidien gesehen werden. Diese aber sind um so größer, je schräger sie zur Blickrichtung der Ommatidien stehen. Daher wird das Facettenauge von einer Ebene, die in geringer Entfernung vor ihm liegt, nur einen verhältnismäßig kleinen, vor der Biene gelegenen Teil scharf sehen können, soweit nämlich die Feldchen noch annähernd senkrecht auf der Blickrichtung der dazugehörenden Ommatidien stehen.

  6. 6.

    Aus Versuchen ergab sich, daß die Bienen ein Quadrat von 5 mm Seitenlänge aus 2,5 cm Entfernung gerade noch erkennen, ebenso ein Quadrat von 10 mm Seitenlänge aus der Entfernung 10 cm und schließlich eines mit der Seitenlänge 20 mm aus 40 cm Entfernung, so daß sich also scheinbar eine Abhängigkeit der maximalen Erkennungsentfernung von dem Flächeninhalt der betrachteten Quadrate ergibt, die wohl aber in den vorliegenden Versuchen zufällig und durch die bei kleineren Merkmalen mehr ins Gewicht fallende Kontrastwirkung hervorgerufen ist.

  7. 7.

    Die aus den morphologischen Befunden (siehe Abschnitt 4 der Zusammenfassung) geforderte größere Sehschärfe in der Vertikalen gegenüber einer geringeren in der Horizontalen läßt sich im Versuch bestätigen; denn die Bienen erkennen ein stehendes Rechteck von 20 mm Höhe und 10 mm Breite noch aus 40 cm Entfernung, während ein liegendes gleichgroßes Rechteck schon aus einer über 11 cm hinausgehenden Entfernung nicht mehr beachtet wird.

  8. 8.

    Versuche mit sehr kleinen Merkmalen machen es wahrscheinlich; daß die Bienen imstande sind, fleckenförmige Saftmale, wie sie in vielen Blumen vorkommen, zu ihrer Orientierung zu verwerten.

  9. 9.

    Der Hintergrund, von dem sich eine Form abhebt, hat einen großen Einfluß darauf, ob die Form von den Bienen überhaupt gesehen wird oder nicht. Es liegen hierbei Verhältnisse vor, die noch einer Erklärung bedürfen, zumal sie insofern für die Frage des Formensinns nicht unwesentlich sind, als dieser doch als ein „lokalisierender Farbensinn“ nachgewiesen wurde.

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Nachtrag

  1. Götze, Gottfried: Untersuchungen an Hymenopteren über das Vorkommen und die Bedeutung der Stirnaugen. Zool. Jahrb.. Abt. f. Zool. u. Physiol. 44, 211–268. (Die Arbeit konnte im Text leider nicht mehr berücksichtigt werden, da sie erst nach vollendeter Korrektur erschienen ist.)

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Baumgärtner, H. Der Formensinn und die Sehschärfe der Bienen. Z. f. vergl. Physiologie 7, 56–143 (1928). https://doi.org/10.1007/BF00341153

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