Zusammenfassung
Synchelidium sp., ein an der Sandküste Südkaliforniens häufig vorkommender Flohkrebs, zeigt beim Schwimmen und Sich-Eingraben einen Aktivitätsrhythmus, der unter konstanten Laboratoriumsbedingungen über mehrere Tage mit abnehmender Präzision andauert. Der Rhythmus frisch am Strand gesammelter Tiere ist anfangs sowohl hinsichtlich zeitlicher Lage wie Größe der aufeinanderfolgenden Aktivitätsgipfel den vorhergehenden, abwechselnd hohen und niedrigen Fluten streng zugeordnet; es bestehen keine Anzeichen für eine überlagerte Tagesperiodik.
Die Lage der ersten im Laboratorium beobachtbaren Aktivitätsgipfel läßt vermuten, daß ihre Phase durch den (etwa 26 Std früher liegenden) Zeitpunkt der letzten, an der Küste erlebten Flut entsprechender Größe bestimmt und in geringem Ausmaß durch die Amplitude der dazwischenliegenden Flut sowie durch die Temperatur des Meereswassers modifiziert wird. Der mittlere Fehler bei der Voraussage des Zeitpunktes eines Aktivitätsgipfels beträgt unter diesen Voraussetzungen 21 min, nur wenig mehr als der mittlere Fehler zwischen Parallelbestimmungen (14,6 min).
Der Zeitabstand zwischen erstem und zweitem Aktivitätsgipfel im Laboratorium entspricht annähernd dem Abstand zwischen den entsprechenden, vorhergehenden Fluten. Die Abstände zwischen erstem und drittem Aktivitätsgipfel sind ebenso wie die zwischen zweitem und viertem, drittem und fünftem usw. stets länger (im Mittel um 11/2 Std) als die entsprechenden Flutabstände; sie können als freilaufende, vom Zeitgeber abgekoppelte Perioden betrachtet werden. Eine Reihe von Hinweisen spricht dafür, daß die dem Rhythmus zugrunde liegende Periode doppelten Flutabstand, d. h. rund 26 Std Dauer hat.
Ähnliche Verhältnisse bezüglich Phase, Amplitude und Periode gelten für Gezeiten-Rhythmen in der Aktivität dreier anderer Crustaceen-Arten derselben Küste: Excirolana chiltoni (Isopoda), Archaeomysis maculata (Mysidacea) und Emerita analoga (Decapoda, Anomura).
Weder die Belichtung noch der mit den Gezeiten wechselnde hydrostatische Druck stellen normale Zeitgeber für den Aktivitätsrhythmus bei Synchelidium sp. dar. Tiere mit einem durch Laboratoriums-Aufenthalt verschobenen Rhythmus, die 2 oder 3 Tage den natürlichen Gezeitenbedingungen ausgesetzt worden sind (unter Wasser getaucht an einem Landungsstegpfosten), werden nicht resynchronisiert. Die Experimente legen jedoch die Annahme nahe, daß mechanische Reize, bedingt durch die Turbulenz strömenden Wassers, die freilaufende Periode des Rhythmus verkürzen können.
Phasenverschiebungen im Sinne einer Verlängerung der Periode um 3/4–1 Std treten auf, wenn die Tiere 24 Std lang einer Temperatur von 10° ausgesetzt werden (relativ zu Kontrollen bei 20°), oder 2–4 Std lang (in der aktiven Phase des Rhythmus) einer Temperatur von 28° (relativ zu Kontrollen bei 15°). Aufenthalt in 28° während der inaktiven Phase des Rhythmus bewirkt keine Verschiebungen. Eine 24stündige Belichtung mit hellem Licht bewirkt im Vergleich zu einer im Dauerdunkel gehaltenen Gruppe eine Beschleunigung um rund 3/4 Std. Tiere, die für 11/2–2 Tage eine Lage Strandsand zur Verfügung gestellt bekommen, haben eine gegenüber sandfrei gehaltenen Tieren um 2–3 Std verzögerte Phase.
Die genannten Beobachtungen am Gezeitenrhythmus der Aktivität von Synchelidium sp. lassen sich mit der Hypothese deuten, daß solche Umweltfaktoren, die die Aktivität bzw. den Erregungszustand der Tiere steigern, gleichzeitig die Periode des Aktivitätsrhythmus verkürzen.
Die Art der Reize, die den endogenen Aktivitätsrhythmus von Synchelidium sp. ökologisch phasengerecht mit den Gezeiten synchronisieren, hat sich nicht eindeutig klären lassen. Einige Befunde und Schlußfolgerungen deuten darauf hin, daß mechanische Reize der Wasserturbulenz die primären Zeitgeber sind.
Der bei Synchelidium sp. beobachtbare endogene Aktivitätsrhythmus ist so gut wie sicher ein wesentliches Verhaltenselement, das dieser Art erlaubt, mit steigender Flut die Küste herauf und mit Beginn der Ebbe wieder herunter zu wandern, und somit das Stranden der Tiere am Ufer zwischen den Fluten verhindert.
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Dr. E. W. Fager, my scientific advisor, gave invaluable suggestions and assistance for both the research and the preparation of the manuscript. Mr. A. O. Flechsig gave important technical help. The manuscript has greatly benefited from my stimulating discussions with Dr. Jürgen Aschoff and Dr. Rütger Wever. The research was supported in part by Grant Number G-7141 of the National Science Foundation to Dr. E. W. Fager, and was conducted during the tenure of a National Science Foundation predoctoral fellowship.
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Enright, J.T. The tidal rhythm of activity of a sand-beach amphipod. Zeitschrift für vergleichende Physiologie 46, 276–313 (1963). https://doi.org/10.1007/BF00340402
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