Zusammenfassung
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1.
Rohe Bestimmungen der physiologischen Sehschärfe der Biene nach Baumgärtners Korridormethode fielen bei horizontaler und vertikaler Anordnung gleich aus. Die große Differenz zwischen physiologischer und morphologischer Sehschärfe, wie Baumgärtnbr sie angab, verringert sich in meinem Falle sehr erheblich (vgl. S. 250–252).
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2.
Das Formunterscheidungsvermögen der Biene erscheint bei vertikaler Anordnung mit Flugloch nicht geringer als bei horizontaler ohne Flugloch (Versuch 1–22).
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3.
Die Unterscheidbarkeit einfacher, radiärsymmetrischer Formen ist unabhängig von ihrer Lage zum Flugloch und unabhängig von ihrer Orientierung in der Vertikalebene, in der sie dargeboten werden. Das Flugloch spielt hier nicht die Rolle des „Fixpunktes“ (Versuch 1–11).
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4.
Die Rechts-Links-Beziehung ist für die Biene verifizierbar erstens durch Formpaare, die sich auch in der Vertikalanordnung als transponierbar erwiesen (Versuch 12–22). Vertikalverschiebungen in der Fluglochachse wurden ertragen, eine Horizontalverschiebung zur Seite vom Flugloch dagegen nicht. Schiefstellung der Achse der bilateralen Symmetrie des Formpaares in der Vertikalebene stört die Biene etwa in dem gleichen Grade wie den Menschen.
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5.
Die Realisierbarkeit der Rechts-Links-Beziehung durch Farbpaare wird bestätigt; auch hier störten Vertikalverschiebungen in der Fluglochachse die Wahl nicht, Horizontalverschiebungen dagegen ergaben eine, allerdings beschränkte Fluglochabhängigkeit. Dabei hat Gelb einen höheren Reizwert als Blau. Fluglochnähe des Gelb trägt den Sieg über Seitenrichtigkeit des Gelb davon. Ebenso wie bei den Formpaaren, kommt auch bei den Farbpaaren Teilbeachtung vor, jedoch nur im Sinne einer Bevorzugung des Teiles, die übrigen Teile des Ganzen bleiben keineswegs unbeachtet.
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6.
Drittens ist die Rechts-Links-Beziehung durch einen einfachen Farbfleck links bzw. rechts vom Flugloch realisierbar. Fluglochnähe und Seitenrichtigkeit können sich hier die Wage halten.
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7.
Die nachgewiesene beschränkte Bedeutung des Fluglochs als Fixationspunkt bei Dressur auf ein Rechts-Links-Verhältnis steht zu einer gestalttheoretischen Deutung auch dieser Befunde nicht im Widerspruch. Auch die nachweislich wirksamen „Lokalzeichen“ der Sehfläche scheinen relativen Charakter im Sinne von Richtungsbeziehungen zu tragen.
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Friedlaender, M. Zur Bedeutung des Fluglochs im optischen Feld der Biene bei senkrechter Dressuranordnung. Z. f. vergl. Physiologie 15, 193–260 (1931). https://doi.org/10.1007/BF00339109
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