Zusammenfassung
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a)
Die Kaulquappenschwärme der Erdkröte (Bufo bufo L.) zeigen bei Verletzung von Schwarmgenossen im freien Gewässer wie im Aquarium eine Fluchtreaktion.
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b)
Qualitative Untersuchungen mit verschiedenen Körperabschnitten ergaben, daß die Fluchtreaktion durch einen Stoff ausgelöst wird, der vorwiegend in der Haut der Rücken- und Schwanzregion enthalten ist. In der Bauchhaut ist dieser Stoff in geringerem Maße vorhanden.
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c)
Nach operativer Durchtrennung der Riechnerven zeigen die Tiere auf Rückenhautextrakte keine Fluchtreaktion mehr. Daß die allgemeine Reaktionsbereitschaft und die Geschmacksorgane durch die Operation nicht beeinträchtigt wurden, ist durch Kontrollversuche gesichert.
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d)
Im Gegensatz zu den Angaben von Hrbaček wird der Schreckstoff bei Beunruhigung der Tiere nicht aktiv sezerniert, jedoch schon durch geringste mechanische Beanspruchung der Haut in Freiheit gesetzt.
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e)
Sobald die jungen Kaulquappen frei herumschwimmen, läßt sich auch die Schreckreaktion auslösen. Die Intensität der Reaktion erreicht vor Beginn der Metamorphose ihren Höhepunkt. Mit der durch die Metamorphose bedingten Änderung der Nahrungsgewohnheiten löst sich der Schwärm auf. Aus den wenigen Beobachtungen, die noch möglich waren, ist zu entnehmen, daß der Schreckstoff auch dann noch wahrgenommen wird.
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f)
Rein pflanzliche Ernährung und die Gefangenhaltung der Tiere beeinträchtigen die Schreckreaktion nicht.
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g)
Für die Fluchtreaktion ist die Geruchswahrnehmung des Schreckstoffes ausschlaggebend. Die Reaktion wird nicht durch optische Wahrnehmungen beeinflußt.
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h)
Die Versuche ergaben, daß der natürliche Schreckstoff nicht mit dem Parotissekret und anderen Hautextrakten der erwachsenen Tiere identisch ist. Ein Vergleich mit chemisch isolierten Krötengiften, ihren Abbauprodukten, ähnlich wirkenden oder schmeckenden Substanzen ergab, daß das Bufotoxin und das Gama-Bufotoxin dem natürlichen Schreckstoff in der Wirkung am meisten ähnlich sind. Eine Schreckreaktion ließ sich auch mit der aus dem Bufotoxin isolierten Korksäure, nicht aber mit synthetischer Korksäure auslösen.
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i)
Ellritzenschreckstoff hat auf Kaulquappen keine Schreckwirkung, während umgekehrt Ellritzen auf Kaulquappenschreckstoff stark verschüchtert waren.
Literatur
Eibl-Eibesfeldt, I.: Über das Vorkommen von Schreckstoffen bei Erdkrötenquappen. Experientia (Basel) 5, 236 (1949).
— Die Bestimmungen von Kaulquappen nach ihrem Verhalten. Aquarien- u. Terrarien-Z. 6, 16 (1953).
Frisch, K. v.: Zur Psychologie des Fischschwarmes. Naturwissenschaften 26, 601 (1938).
— Über einen Schreckstoff der Fischhaut und seine biologische Bedeutung. Z. vergl. Physiol. 29, 47 (1941).
Hrbaček, J.: On the flightreaction of the tadpoles of the common toad caused by chemical substances. Experientia (Basel) 6, 100 (1950).
Kempendorff, W.: Über das Fluchtphänomen und die Chemorezeption von Helisoma (Taphius) nigricans Spix. Arch. Molluskenkde 74 (1942).
Wieland, H., G. Hesse u. R. Hüttel: Zur Kenntnis der Krötengiftstoffe. Liebigs Ann. 524, 203 (1936).
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Dissertation der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München. —Herrn Prof. Dr. K. v. Frisch danke ich herzlich für die Anregung der Arbeit und für alle mir zuteil gewordene Unterstützung.
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Kulzer, E. Untersuchungen über die Schreckreaktion der Erdkrötenkaulquappen (Bufo bufo L.). Zeitsehr. f. vergl. Physiol. 36, 443–463 (1954). https://doi.org/10.1007/BF00326954
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