Schlüsselwörter

1 Einleitung

Das vorliegende Kapitel basiert in weiten Teilen auf der unveröffentlichten Bachelorthesis der Erstautorin, die an der Technischen Universität Berlin als Leistung im Bachelorstudiengang Ökologie und Umweltplanung erstellt und von den Ko-Autoren betreut wurde.

Spätestens vor Gericht stellt sich häufig die Frage, ob auch die „besten wissenschaftlichen Erkenntnisse“ herangezogen wurdenFootnote 1. Dabei sollte auch im Handlungsfeld Windenergie und Artenschutz möglichst präzise angegeben werden, inwieweit im Einzelfall evidenzbasiert argumentiert werden konnte und an welchen Stellen ergänzend mit Experteneinschätzungen gearbeitet wurde (Murphy und Weiland 2016; Ryder et al. 2010). Diesen Umgang mit Informationen in Entscheidungsprozessen behandeln wir in der deutschen Planungs- und Genehmigungspraxis womöglich noch nicht transparent genug. Die Frage, wie unterschiedlich wissenschaftliche Informationen in der Planungspraxis wahrgenommen werden, zeigt sich etwa in geführten Diskursen um die Ergebnisse der PROGRESS-Studie (Grünkorn et al. 2016) für artenschutzrechtliche Fragen in Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen (WEA) (Weber et al. 2019).

Um die Qualität von komplexen Entscheidungen zu erhöhen, ist in den USA immer wieder gefordert worden, sogenannte Best Available Science (BAS) und Best Available Scientific Information (BASI), also die besten verfügbaren wissenschaftlichen Informationen und Methoden, bei Entscheidungsfindungen in der Umweltpolitik und im Naturschutz zu erörtern, anzuwenden und zu dokumentieren (Wolters et al. 2016). Es geht um das sogenannte Wissenschaftsmandat, das unter anderem über das U.S.-amerikanische Umweltrecht transportiert wird, z. B. im Artenschutz, in der Fischerei und der Waldwirtschaft. Meistens wird BAS/I von Bundesbehörden wahrgenommen und daher als Zielfestlegung der öffentlichen Verwaltung, d. h. der Exekutive, verstanden (Doremus 1997; Glicksman 2008; Green und Garmestani 2012; Corn et al. 2013; zit. nach Weber 2018). Mit diesen U.S.-amerikanischen Regelungen geht es letztlich um mehrere miteinander verbundene Grundsätze:

  • Orientierung am WissenschaftsprozessFootnote 2, auch im Verwaltungshandeln, zumindest im Zuständigkeitsbereich von Bundesbehörden (NOAA 2014; Sullivan et al. 2006a, b)

  • Kritischer Umgang mit und Dokumentation der verwendeten Informationen (Glicksman 2008; USFS 2013), aber auch verbleibender Unsicherheiten (Glicksman 2008, Ryder et al. 2010; USFS 2013) bis hin zu den jeweiligen Schlussfolgerungen (Glicksman 2008; USFS 2013)

  • Einsatz von Peer-Review-Verfahren, wann immer grundlegende Regelungen mit entsprechenden Implikationen erarbeitet werden (wie behördliche Handlungsanleitungen, aber auch Pläne) (Glicksman 2008, Ryder et al. 2010; Sullivan et al. 2006a, b; USFS 2013)

  • Öffentlichkeitsbeteiligung und das Recht, die Vollständigkeit und Richtigkeit von Bundesbehörden verwendeten Informationen überprüfen lassen zu können (USFWS 2012)

Bei der Umsetzung der BAS/I-Vorgaben können sich in unterschiedlichen Behörden spezifische Anwendungsmuster herausbilden (Lowell und Kelly 2016, zit. nach Weber 2018). Durch die iterative Entwicklung des BAS/I-Mandats durch verschiedene Bundesgesetze und Regelungen erfolgte jedoch eine Konkretisierung (Murphy und Weiland 2011), die im Folgenden exemplarisch aufgezeigt wird. Das Ziel ist es abzubilden, wie BAS/I in den Bereichen Artenschutz- und Forstrecht verstanden wird, als Good-Practice-Beispiel für die Schnittstelle zwischen möglichst evidenzbasierten Informationen, dem transparenten Umgang auch mit Unsicherheiten und der Planungs- und Genehmigungspraxis.

2 Methoden

In einem schlaglichtartigen Überblick haben wir basierend auf Weber (2018) untersucht, welchen Fokus das BAS/I-Mandat in den USA hat und wie es grundsätzlich ausgefüllt wird. Dazu erfolgte eine systematische Literaturanalyse gemäß einer Stichwortsuche in entsprechenden Literaturdatenbanken. Die identifizierten Dokumente, US-amerikanische Gesetze, Leitfäden von Umweltbehörden sowie wissenschaftliche Literatur wurden rein qualitativ analysiert.

Exemplarisch beziehen wir uns im Folgenden auf die Verankerung von BAS/I im Artenschutzrecht (Endangered Species Act, ESA) sowie bei der Erstellung von Managementplänen für die Bundesforste (U.S. National Forest Management Act, NFMA). Dabei nehmen wir Bezug auf die Rahmenvorgaben des Office of Management and Budget (OMB). Diese Bundesbehörde nimmt eine koordinierende Funktion für die Arbeit der Bundesbehörden ein und ist verantwortlich für die Implementierung des Information Quality ActFootnote 3 (2001), der u. a. als Treiber der Reformen für eine „gute Wissenschaft“ in den USA verstanden wird (Wagner 2003).

3 BAS/I im amerikanischen Artenschutz- und Forstrecht

3.1 Verankerung des BAS/I-Mandats beim Vollzug des Endangered Species Act

Der Endangered Species Act (ESA, 1973) gilt als eine der ersten Regelungen, welche mit einem Wissenschaftsmandat eine prominente Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis herstellte (Doremus 1997; Green und Garmestani 2012; Lowell und Kelly 2016, zit. Nach Weber 2018). Er legt unter anderem fest, dass Entscheidungen über die Einstufung von Arten als gefährdet bzw. Bedroht ausschließlich auf Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen (und kommerziellen) Daten zu tätigen sind (BAS) (Corn et al. 2013; Sullivan et al. 2006a, b, zit. Nach Weber 2018).

Das BAS-Mandat des ESA gilt weiterhin auch für die Ausweisung „kritischer Lebensräume“ für gelistete ArtenFootnote 4 sowie die Erstellung betreffender Managementpläne (recovery plans). Andere Bundesbehörden, die durch ihre Aktivitäten den Fortbestand der gelisteten Arten gefährden können, haben den U.S. Fish and Wildlife Service (USFWS) zu konsultieren. Die Konsultationsbestimmungen verlangen von allen Bundesbehörden, in Absprache mit dem USFWS sicherzustellen, dass jede von der Behörde genehmigte, finanzierte oder durchgeführte Maßnahme den Fortbestand einer gelisteten Art nicht gefährdet oder zur Zerstörung oder Beeinträchtigung ihres kritischen Lebensraums führt (USFWS, NOAA 1994). Zu diesem Konsultationsprozess gehören die Vorbereitung eines Artenschutzfachbeitrags (biological assessment), eine behördliche Artenschutzprüfung (biological opinion) über die Auswirkungen des Vorhabens sowie ggf. Eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung (incidental take permit). Die behördenübergreifenden Konsultationen verlangen, dass der USFWS dabei den besten verfügbaren wissenschaftlichen Standard anwendet.

Die das Wissenschaftsmandat betreffende Leitlinie – die U.S. Fish and Wildlife Service Information Quality Guidelines and Peer Review (revised June 2012) – benennt in Abschnitt IV-4 v. A. Folgendes Anforderungsprofil (USFWS 2016):

  • Auf welche Arten von Forschungsstudien stützt sich die Information/Beurteilung (z. B. Experimentelle Studien mit Kontrollen; statistisch gestaltete Beobachtungsstudien, die Hypothesen testen; Monitoringstudien; Informationssynthese; Experteneinschätzung)?

  • Wie aktuell ist die Studie?

  • Welche Quellen liegen den Daten zugrunde, die die betreffende Information/Beurteilung unterstützen (z. B. Peer-Review-Artikel mit Primärdaten oder Datensynthese, unveröffentlichte begutachtete Berichte, Lehrbuch, persönliche Kommunikation usw.)?

  • Welche der Quellen waren für die Schlussfolgerungen der Information/Beurteilung am wichtigsten?

  • Welche Art von Überprüfung haben die Quellen erhalten (anonymes, unabhängiges Peer-Review, externes Peer-Review, eigene Überprüfung, öffentliche Überprüfung und Kommentierung etc.)?

  • Waren die Gutachter unabhängig von der U.S.-Bundesnaturschutzbehörde (USFWS) sowie von Personen oder Gruppen, die eine bestimmte Vorgehensweise dieser befürworten?

  • Waren die Überprüfungen in Übereinstimmung mit der Richtlinie OMB M-05-03, Final Information Quality Bulletin for Peer Review (OMB 2004)?

Bei den Anforderungen an das Peer-Review werden Unterschiede zu akademischen Reviews etwa bei Fachzeitschriften deutlich. So ist einerseits die Identität der Reviewer im Peer-Review-Prozess offenzulegen. Andererseits ist eine öffentliche Kommentierungsphase mit Einsicht in den Peer-Review-Prozess durchzuführen. Weiterhin ist die Veröffentlichung von Metadaten über den Peer-Review-Prozess im Internet erforderlich, etwa über die Auswahl der Gutachter und den Stand des Prozesses. Ein Peer-Review ist dabei nicht auf abgeschlossene Dokumente begrenzt, sondern gilt insbesondere auch für Arbeitsentwürfe. Zur Erfüllung dieser Aufgaben können Ad-hoc-Gremien eingerichtet werden (panel evaluations) (USFWS 2012).

Ein Beispiel für die Umsetzung dieser Grundsätze von BAS im US-amerikanischen Artenschutz umfasst den Diskurs um ein Wassertransferprojekt von Nord- nach Südkalifornien, das quasi Jahrhundertprojekt „California Water Fix“. Dabei geht es u. A. Um die Auswirkungen der geplanten Tunnelbauten auf die Biodiversität des Deltas des Sacramento River. Projektgegner werfen der Artenschutzprüfung der zuständigen Bundesbehörde eine nicht hinreichende Beachtung des BAS-Mandats vor (Kovaleski 2017). Auch bei der Aufstellung des Fischereimanagementplans für die Beringsee und die Aleuten vor Alaska standen die besten fachwissenschaftlichen Erkenntnisse in der Diskussion. Dabei war die Frage, inwiefern durch mögliche Nahrungskonkurrenzen die bedeutenden Bestände der Stellerschen Seelöwen (Eumetopias jubatus) betroffen sind. Dabei wurde auch die Öffentlichkeit innerhalb des unabhängigen Peer-Review ausdrücklich berücksichtigt (NOAA 2012).

3.2 Verankerung des BASI-Mandats bei den US-Bundesforsten (National Forest Management Act)

Auch in anderen Politikfeldern und Regelungen des Natur- und Ressourcenschutzes in den USA findet sich das BAS/I-Mandat, wie es beim Artenschutz eingeführt und geprägt wurde (Murphy und Weiland 2011, 2019). Als Beispiel ist das BASI-Mandat des National Forest Management Act (NFMA) herauszuheben, das seit dem Jahr 2005 für die Aufstellung von Bewirtschaftungsplänen für Bundesforste (land and resource management plans) umgesetzt wird (Charnley et al. 2017, Glicksman 2008, zit. nach Weber 2018). Dieses Mandat sieht BASI als Standard an, der im jeweiligen Entscheidungsprozess iterativ, d. h. individuell, präzisiert werden soll (36 C.F.R. § 219.3 2006; vgl. Glicksman 2008, zit. nach Weber 2018).

Der NFMA führt zur Aufstellung von Managementplänen der Bundesforste in § 219.3 die Rolle der Wissenschaft bei der Planung ein: „The responsible official shall use the best available scientific information to inform the planning process […].“ Das Forest Service Handbook (USFS 2013) behandelt das BASI-Mandat konkret als ein Unterkapitel von Kap. 40. Abschn. 42 lautet: „Use of best available scientific information to inform the land management planning process.“ Zudem wird die Qualität von wissenschaftlichen Informationen anhand von Kriterien gefasst, wie die Genauigkeit („accuracy“), Verlässlichkeit („reliability“) und Relevanz („relevance“) von Informationen für den Planungsprozess. Weiterhin gibt es in Kap. 40 Hinweise zum „Adaptive Management Framework“ (Abschn. 41) sowie zur „Public participation and the role of collaboration“ (Abschn. 43).

Der Vollzug des NFMA und des BASI-Mandats unterliegt einer der wichtigsten US-amerikanischen Bundesbehörden, dem „U.S. Forest Service“ (USFS). Der USFS verwaltet die US-Bundesforste, die eine dreifach größere Fläche aufweisen als die Nationalparks in den USA. Die Aufgaben des USFS umfassen die Steuerung der Landnutzung (z. B. Vergabe von Weidelizenzen) und die Entwicklung der Schutzfunktionen des Waldes (USFS 2019). Ryan et al. (2018) haben die Verwendung des BASI-Mandats bei der Erstellung von drei Managementplänen untersucht. Ein wesentliches Augenmerk galt dabei der Frage, welche Informationsquellen genutzt wurden und wie sorgfältig dies dokumentiert wurde, zumal hinsichtlich der Evidenzbasierung der Quellen. Die meisten verwendeten Quellen waren begutachtete wissenschaftliche Studien, die aufgrund der thematischen Spezifität als hilfreich gelten. Die Zusammensetzung und Zugehörigkeit des Teams zur Beurteilung der Informationen erschienen ebenso wichtig wie eine verstärkte Transparenz im Prozess zur Bestimmung der wissenschaftlichen Relevanz (Ryan et al. 2018).

3.3 Vorgaben des Information Quality Act

Der Information Quality Act“ (IQA, 2001) kann als Umsetzungshilfe des BAS/I-Mandats in der Praxis verstanden werden und wird daher auch als Reform für eine „gute Wissenschaft“ bezeichnet (Murphy und Weiland 2011; Wagner 2003). Dieses Gesetz, das vom Office of Management and Budget (OMB) im Jahr 2011 in den USA erlassen wurde, hat das Ziel, die Qualität, Objektivität, Nutzbarkeit und Integrität von bundesbehördlichen Informationen für die Öffentlichkeit sicherzustellen (Murphy und Weiland 2011). Zur Umsetzung des IQA sollen entsprechende Qualitätsrichtlinien (quality guidelines) zur politischen und verfahrensrechtlichen Anwendung in Bundesbehörden erlassen werden (Section 515 of Public Law 106–554; zit. nach Weber 2018).

Die unmittelbar im Vollzug des IQA erstellte Qualitätsrichtlinie des OMB (2002) beschreibt dafür einen übergreifenden Handlungsrahmen (Guidelines for Ensuring and Maximizing the Quality, Objectivity, Utility, and Integrity of Information Disseminated by Federal Agencies) (OMB 2002):

  • Alle Bundesbehörden sollen einen grundlegenden Qualitätsstandard zur Objektivität, Nutzbarkeit und Integrität ihrer Informationen festschreiben und geeignete Maßnahmen ergreifen, um eine entsprechende Qualität bei der Verbreitung ihrer Informationen sicherzustellen (OMB 2002).

  • Im Hinblick auf ein gutes und effektives Informationsmanagement entwickeln die Bundesbehörden einen Prozess zur Überprüfung der Informationsqualität, bevor die Informationen verbreitet werden (OMB 2002).

  • Sie richten Verfahren ein, die es Betroffenen ermöglicht, Korrekturen von Informationen zu erlangen, die von der Behörde gepflegt und verbreitet werden und nicht den Richtlinien entsprechen (OMB 2002).

  • "Objektivität" bezieht sich dabei einerseits darauf, wie Informationen präsentiert werden, sowie andererseits auf die faktische Substanz von Informationen. Es kommt darauf an, dass verbreitete Informationen genau, klar, vollständig und unvoreingenommen präsentiert werden und dass sie eine vollständige und transparente Dokumentation haben. Fehlerquellen sollten offengelegt werden. Die Original- und Begleitdaten sind darzulegen und die Analyseergebnisse mit soliden Forschungs- und statistischen Methoden zu entwickeln (OMB 2002).

  • Wenn Daten und Analyseergebnisse einem unabhängigen, externen Peer-Review unterzogen werden, könne im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass die Informationen von akzeptabler Objektivität sind. Der Überprüfungsprozess muss die von OMB-OIRA (OIRA = Office of Information and Regulatory Affairs) empfohlenen Kriterien für ein kompetentes und glaubwürdiges Peer-Review erfüllen (Murphy und Weiland 2019; OMB 2002).

  • Sofern eine Bundesbehörde für die Verbreitung „einflussreicher“Footnote 5 wissenschaftlicher, finanzieller oder statistischer Informationen verantwortlich ist, müssen ihre Leitlinien ein beträchtliches Maß an Transparenz über Daten und Methoden zur Erleichterung der Reproduzierbarkeit beinhalten (OMB 2002).

Für den Artenschutz an Land hat der USFWS auf Bundesebene Standards für die Informations- und Datenverarbeitung in behördlichen Entscheidungsprozessen für die o.g. „einflussreichen“ Dokumente bereitgestellt (USFWS 2012). Für den marinen Artenschutz gelten die Leitlinien der zuständigen Bundesbehörden, der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und dem National Marine Fisheries Service (NMFS) (NOAA 2014; USDOC et al. 2016).

4 Diskussion und Schlussfolgerung

Mit BAS/I wird in den USA gerade beim Vollzug des Artenschutzes ein ausgeprägtes Bewusstsein für einen transparenten Umgang mit der Schnittstelle zwischen Informationen und Planungspraxis geschaffen. Das Ziel ist es, möglichst evidenzbasierte, Unsicherheiten anerkennende und nachvollziehbare Management- und Genehmigungsprozesse zu fördern (Francis et al. 2005; Glicksman 2008; Murphy und Weiland 2016; Ryder et al. 2010; Sullivan et al. 2006a, b; USFS 2013). Weiterhin trägt die in den USA traditionelle Peer-Review-Orientierung zur Qualitätssicherung bei, zumal bei wichtigen (Management-, Genehmigungs-)Entscheidungen und der Erstellung von Arbeitshilfen (Glicksman 2008, NOAA 2014; Sullivan et al. 2006b; USFWS 2012). Das BAS/I-Mandat des ESA (Endangered Species Act) und des NFMA (National Forest Management Act) zeigen auf, wie BAS/I in der Praxis durch Leitfäden untersetzt wird.

Gleichzeitig scheint die konkrete Operationalisierung des BAS/I-Mandats auch in den USA keineswegs leicht zu fallen (Corn et al. 2013; Doremus 1997; Glicksman 2008; Green und Garmestani 2012). BAS/I wird i. d. R. als individuelle Auslegung der Verwaltung verstanden. Es finden sich jedoch Übereinstimmungen im Verständnis von BAS/I in der Praxis, vor allem wie die Evidenz von Informationen nachgewiesen werden soll (z. B. transparent dargelegte Methoden, kritisch reflektierte Ergebnisinterpretationen; zit. nach Weber 2018). Es verbleibt zu untersuchen, wie Planer sicherer werden, was BASI ist und wie BASI identifiziert und genutzt werden kann (Ryan et al. 2018). Wir können uns zwar keine Beurteilung der gelebten BAS/I-Praxis erlauben, aber die schlaglichtartige Literaturanalyse verdeutlichte beispielsweise, dass das BAS/I-Mandat oft auch herangezogen wird, wenn auf eine begrenzte Datenlage hingewiesen wird (Cravens und Ardoin 2016). So werden resultierende Unsicherheiten aufgezeigt und kommuniziert (zit. nach Weber 2018).

Dies erlaubt auch eine gezielte Überprüfung der Schlussfolgerungen im Zuge vorgegebener Beteiligungsprozesse bzw. durch die Gerichte. Für Letzteres finden sich ebenfalls Beispiele, bei denen z. B. wie in Deutschland auf nicht berücksichtigte Daten oder Artvorkommen hingewiesen wird (Kovaleski 2017; Lowell und Kelly 2016). Allerdings finden sich auch Hinweise, die Umsetzungsschwierigkeiten beim BAS/I-Mandat thematisieren (Esch et al. 2018; Ryan et al. 2018), erwartungsgemäß allein schon personelle Kapazitätsfragen bei den Behörden (Murphy und Weiland 2016).

Auch außerhalb der USA wurden z. B. in den Niederlanden von der für die Umweltverträglichkeitsprüfung zuständigen Behörde Leitfäden herausgegeben, die einige Aspekte des BAS/I-Mandats wie in den USA aufnehmen, insbesondere zum Umgang mit Unsicherheiten und der betreffenden Kommunikation (Petersen et al. 2013; Wardekker et al. 2013). Dazu zählen

  • ohnehin kaum vorhersagbare Phänomene, („unpredictable system behaviour“),

  • unvollständiges Wissen („lack of information; unreliable information“),

  • abweichende Einordnungen von Erkenntnissen („knowledge frames“; „conflicting interpretations of human–environment relations“) (Ingold et al. 2018).

Gerade zum Umgang mit Unsicherheiten kann ein erheblicher Nachholbedarf in Deutschland nötig sein, weil diese – womöglich aufgrund des als überwältigend empfundenen Drucks der rechtlichen Überprüfung – selten hinreichend ausgeführt scheinen. Allerdings sorgen auch die Gerichte mit unbestimmten Rechtsbegriffen (z. B. „signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“Footnote 6) für entsprechende Herausforderungen im Sinne von BAS/I, ungeachtet des tatsächlichen Standes des Wissens. Dies könnte umgangssprachlich nahezu als wishful thinking bezeichnet werden.

Mit BAS/I wird zumindest ein kritischer Umgang mit Informationen gefördert, durch einen gut nachvollziehbaren Umgang mit zugrunde liegenden Informationen in Handlungsempfehlungen und Entscheidungsfindungen. Die Vorteile von BAS/I liegen in einem möglichst hohen Maß an Evidenzbasierung, der klaren Ansprache, wenn lediglich Einschätzungen getroffen werden, sowie einer Versachlichung von betreffenden Fragestellungen aufgrund des Wissenschaftsprinzips und sorgfältiger Review-Prozesse. Zwar ist mit dem Begriff „beste einschlägige wissenschaftliche Erkenntnisse“Footnote 7 ein ähnliches Konzept über die europäische Rechtsprechung auch in Deutschland etabliert (zit. nach Weber 2018). Allerdings haben die vorgestellten U.S.-amerikanischen Prozesse für BAS/I bislang keine entsprechende Ausgestaltung in Deutschland. BAS/I beginnt in den USA bereits mit bundesbehördlichen Prozessen; im Vergleich dazu werden in Deutschland z. B. keine externen Peer-Reviews (oder gar mit Öffentlichkeitsbeteiligung) durchgeführt, etwa wenn das Bundesamt für Naturschutz oder die (staatlichen) Vogelschutzwarten durchaus einflussreiche Leitfäden oder Hinweise herausgeben (z. B. Tierökologische Abstandskriterien, um das Flugverhalten von planungsrelevanten Arten mit Schutzzonen zu operationalisieren (LAG VSW 2014), oder z. B. Gefährdungs-/Mortalitätsindex des Bundesamtes für Naturschutz (Dierschke und Bernotat 2012).

Eine durchgängige BAS/I-Behandlung in Gutachten- und Genehmigungsprozessen sowie externe Peer-Review-Prozesse könnten auch in Deutschland Planungshilfen und -prozesse transparenter und evidenzbasierter gestalten (vgl. USFS 2013). Normsetzungen in Deutschland entstünden „[…] in der Regel durch Bewertung und Abwägung wissenschaftlicher Erkenntnisse bzw. Daten (so weit vorhanden) mit politischen Zielen“, so ein anonymer Gutachterhinweis zu unserem Manuskript. Einem inneren politischen Abwägungsprozess möchte das Wissenschaftsprinzip eine Stärkung der Sachbasis und Transparenz gegenüberstellen. Um die Kommunikation an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Planungs- und Naturschutzpraxis zu stärken, erscheint weiterer Forschungsbedarf gegeben (Weber 2018). Ein systematischer Vergleich von BAS/I mit der deutschen Genehmigungspraxis könnte dazu beitragen. Dies umfasst etwa auch die Leistungsfähigkeit der Evidenzkontrolle durch die allgemeine Öffentlichkeitsbeteiligung in Deutschland.

Wir meinen, eine deutlichere Evidenzbasierung könnte zur gesellschaftlichen Legitimation von Planungen beitragen, wenn die Art und Qualität der verfügbaren Informationen offengelegt und Wertvorstellungen als solche benannt werden. Umweltprobleme und -konflikte zeichnen sich stets durch unterschiedliche Werthaltungen, abweichende Wahrnehmungen von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen sowie verschiedene Einschätzungen zur Wirksamkeit von Abhilfemaßnahmen aus (Cravens und Ardoin 2016; Weber et al. 2019). Abgestimmte oder zumindest konstruktiv verhandelte BAS/I-Standards könnten eine höhere Prozessqualität in unsere Planungs- und Genehmigungsverfahren bringen – und im besten Fall auch die Gerichte entlasten.