Zusammenfassung
Der nordwestdeutsche Küstenraum zeichnet sich durch eine hohe Anzahl an Windenergieanlagen (WEA) aus; gleichzeitig liegt er in einem wichtigen Reproduktionsgebiet der Rauhautfledermaus, die als schlaggefährdete Art im Fokus dieser Untersuchungen steht. Zudem befindet sich das Gebiet im Zugweg dieser Art. Zwischen 2011 und 2016 wurde von uns in dieser Region ein Monitoring an WEA durchgeführt. Es wurden 90 WEA-Jahre (ein WEA-Jahr bedeutet die Beprobung einer WEA pro Saison; meist zwischen April und Oktober) erfasst, in denen WEA mit einem durchgängigen akustischen Aktivitätsmonitoring auf Gondelhöhe und einer begleitenden Schlagopfersuche (alle drei Tage) untersucht wurden. Alle untersuchten WEA wurden ohne vorsorglichen Abschaltalgorithmus betrieben. Die am häufigsten an WEA zu Tode gekommene Art war mit Abstand die Rauhautfledermaus (67 Tiere an allen Standorten). Im Gegensatz dazu war die akustische Aktivität verglichen mit derjenigen anderer Arten relativ niedrig (insgesamt 3811 Aktivitätsminuten der Rauhautfledermaus im Vergleich zu 14.355 Aktivitätsminuten aller Arten). Demzufolge entsprechen 57 akustische Aktivitätsminuten einem Totfund. Nach Berücksichtigung der Sucheffizienz und Abtragsrate ergab sich ein Schätzwert von 27 akustischen Aktivitäten für jeden erwarteten Totfund. Die meisten Tiere kamen im Zeitraum von Mitte August bis Anfang Oktober zu Tode, lediglich sieben Tiere wurden außerhalb dieser Zeit geschlagen. Die Diskrepanz zwischen relativ hoher Schlagopferzahl im Vergleich zur niedrigen Aktivität erschwert eine statistische Betrachtung. Ebenso sind die akustischen Nachweise und das Auftreten von Schlagopfern besonders im Sommer (Juli) nicht streng gekoppelt. Es lässt sich allerdings ein positiver Trend, aber keine signifikante Korrelation zwischen akustischer Aktivität und Schlagopferzahl feststellen. Um weitere Parameter zu identifizieren, welche die Zielvariablen erklären könnten, wurden generalisierte additive Modelle (GAM) für jeweils die akustische Aktivität und die Schlagopferzahl als Beobachtungsvariablen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen im Fall der der akustischen Aktivität einen Zusammenhang mit den technischen Parametern, der geografischen Lage der WEA sowie dem Beprobungsjahr. Diese Zusammenhänge sind jedoch nicht eindeutig, da hinter dem Faktor Beprobungsjahr weitere noch unbekannte Faktoren verborgen bleiben. Das GAM zu den Schlagopfern lässt ebenfalls erkennen, dass es noch weitere nicht identifizierte Parameter gibt, die den Erklärungswert des Modells steigern würden. Die Diskrepanz zwischen relativ geringer akustischer Aktivität und Schlagopfern lässt sich vermutlich durch die geringe Erfassungsreichweite für die im Untersuchungsgebiet am häufigsten geschlagene Art Rauhautfledermaus erklären. Basierend hierauf fordern die Behörden einiger Landkreise im Untersuchungsgebiet für das Monitoring an WEA ein zweites Mikrofon auf Höhe der unteren Rotorspitze. An küstennahen Standorten mit zu erwartender hoher Rauhautfledermausaktivität sollten zudem an einer Stichprobe von WEA eines Windparks zusätzlich Schlagopfer gesucht werden. Eine zusätzliche Absicherung durch eine weitere Methode würde die Aussagekraft des Gondelmonitorings erhöhen.
Summary
The coastal area of northwestern Germany is characterized by a high density of wind turbines, yet it is also a region in Germany where Nathusius’ pipistrelles reproduce and migrate. As a species with a high collision risk at wind turbines (WT), it is the focus of our investigation. We performed WT monitoring in this region between 2011 and 2016. In total, our study included 90 WT years (one wind turbine year equals one monitored WT per year; with monitoring conducted between April and October). Our study involved two approaches: a continuous acoustic monitoring at nacelle height and carcass searches (performed every three days). All monitored WT were operated without a precautionary cut-in algorithm. We observed that Nathusius’ pipistrelles (67 animals at all locations) were by far the most common species killed by WT. By contrast, the acoustic activity of Nathusius’ pipistrelles was relatively low compared to that of other species (a total of 3,811 Nathusius’ pipistrelles activity minutes in relation to 14,355 activity minutes of all species). As a result, 57 acoustic activity minutes corresponded to one detected carcass. After taking into account the search efficiency and the removal rate, we concluded that 27 acoustic activity minutes corresponded to one estimated bat fatality. Most of the animals died between mid-August and early October, with only seven animals being killed beyond this period. The discrepancy between relatively high fatality numbers and low acoustic activity complicates any further statistical analysis. Particularly in summer (July), we could not detect a strong correlation between acoustic activity and the presence of carcasses at WT. Overall we observed a positive trend, yet not significant correlation between acoustic activity and number of carcasses. To consider further variables in our statistical approach, we calculated generalized additive models (GAM) for the acoustic activity and number of carcasses as observational variables. The results indicate a correlation between acoustic activity at WT and technical parameters of the WT, site characteristics and season. These correlations are weak; most likely because unknown factors may have confounded our analysis. The results of our GAM for the number of carcasses suggested that inclusion of further, yet so far unidentified variables may have improved the predictive value of our model. The weak association between the number of carcasses and the acoustic activity of bats is best explained by the low detection range of Nathusius’ pipistrelles, which are most often killed at WT in our study region. As a result from our surveys, local authorities have started to request the installation of a second microphone at the tower close to the lower operation range of blades. The authors recommend performing fatality searches at coastal WT sites where a high activity of Nathusius’ pipistrelles is expected to verify the results of acoustic monitoring.
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1 Einleitung
Windenergie spielt in Deutschland im Rahmen der nationalen Strategien zur Förderung erneuerbarer Energieträger generell seit vielen Jahren eine große Rolle. Laut Bundesverband Windenergie (BWE 2018) existieren in Deutschland etwa 30.518 WEA, die 59.313 MW Energie produzieren. Infolge seiner Windhöffigkeit ist das Bundesland Niedersachsen mit 6305 WEA mit Abstand das Bundesland mit der höchsten Zahl an WEA (Stand 31.12.2018; BWE 2019; Deutsche WindGuard 2019). Infolge der zunehmenden Zahl an WEA treten vermehrt Konflikte mit dem Artenschutz, vor allem beim Schutz von größeren Vögeln sowie von Fledermäusen, auf (Bernadino et al. 2013; Voigt et al. 2015; Frick et al. 2017; Behr et al. 2018; Lindemann et al. 2018). Fledermäuse gehören laut Flora-Fauna-Habitatrichtlinie der EU und damit auch laut Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) zu den streng zu schützenden Arten. Für sie gilt damit das Tötungsverbot nach §44 (1) Satz 1 BNatSchG. Um kollisionsgefährdete Fledermäuse an WEA zu schützen, müssen im Rahmen von Windparkplanungen wirksame Vermeidungsmaßnahmen erarbeitet werden. Dabei gilt, neben der Standortwahl, die Abschaltung von WEA zu bestimmten, nach der Aktivität der Fledermäuse festzulegenden Nachtzeiten als wichtigste und effizienteste Vermeidungsmaßnahme (Voigt et al. 2015; Rodrigues et al. 2015; Arnett und May 2016).
Seit etwa 20 Jahren ist bekannt, dass Fledermäuse in Deutschland an WEA zu Tode kommen (Dürr 2002; Dürr und Bach 2004). Seit 2005 werden im Rahmen von WEA-Genehmigungen erste Monitorings nach Errichtung der WEA durchgeführt. Diese bestanden aus einem akustischen Monitoring mit Ultraschallmikrofonen in Gondelhöhe (nachfolgend Gondelmonitoring genannt) kombiniert mit einer Schlagopfersuche an der jeweiligen WEA (Behr und von Helversen 2005; Brinkmann et al. 2006). Bei der Auswertung der ermittelten Daten sollte aus dem Gondelmonitoring unter Berücksichtigung von Umweltvariablen wie der Windgeschwindigkeit und der Umgebungstemperatur (gemessen auf Gondelhöhe) ein Abschaltmodus abgeleitet werden, der das Tötungsrisiko unter eine kritische Grenze senken sollte. Dies war das Ziel der Projekte, deren Daten die Grundlage dieses Beitrags bilden. Vor dem Hintergrund, dass der Niedersächsische Winderlass (NMU 2016) seit 2016 ein reines Gondelmonitoring an vorsorglich abgeschalteten WEA und damit ohne Schlagopfersuche einfordert, sollen in diesem Beitrag die Ergebnisse unserer kombinierten Untersuchungen von Gondelmonitoring und Schlagopfersuche in NW-Deutschland aus den Jahren 2011 bis 2016 zusammengefasst und ausgewertet werden. Dabei stehen folgende Fragestellungen im Vordergrund:
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1.
Existiert für WEA-Standorte im nordwestdeutschen Küstenraum eine Korrelation zwischen der akustischen Aktivität der Rauhautfledermaus in Gondelhöhe und den gefundenen Schlagopfern dieser Art?
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2.
Lassen sich Parameter, insbesondere in Bezug auf die technischen Daten der WEA identifizieren, die einen Einfluss auf die Ergebnisse (akustische Aktivität in Gondelhöhe und Schlagopfer der Rauhautfledermaus an der jeweiligen Anlage) haben könnten?
2 Material und Methoden
2.1 Studiengebiet und Untersuchungsaufbau
Die von uns untersuchten WEA standen in den Landkreisen Aurich, Wittmund, Friesland, Wesermarsch und Cuxhaven (von West nach Ost) in einem Abstand von 800 m bis etwa 35 km von der nordwestdeutschen Nordseeküste entfernt. Von den untersuchten Anlagen befanden sich 70 % in einem Abstand von 3–8 km von der Küste.
Zwischen 2011 und 2016 wurden in den nordwestdeutschen küstennahen Bereichen insgesamt elf Windparks untersucht; dies entspricht einem Datensatz von 90 WEA-Jahre. Ein WEA-Jahr bedeutet die Beprobung einer WEA pro Saison (die in den meisten Fällen vom 1. April bis 30. Oktober dauerte; wurde eine WEA zwei Jahre untersucht, so entspricht dies zwei WEA-Jahren). Die untersuchten WEA standen in der Mehrzahl in flächigen Windparks (56 % aller WEA) oder in einer Linie (42 %). Lediglich 2 % der untersuchten WEA waren Einzel-WEA. Es wurde eine Vielzahl unterschiedlicher WEA-Typen untersucht (Tab. 4.1).
Der häufigste von uns untersuchte WEA-Typ war der Anlagentyp E82 von Enercon mit insgesamt 37 WEA-Jahren. Die Untersuchungen bestanden aus zwei Elementen:
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1.
Gondelmonitoring: Hierzu wurden über die Jahre zwei verschiedene Detektorsysteme benutzt: das Anabat-System (Fa. Titley Scientific) und das Avisoft-System (Gerätetypus, Fa. Avisoft Bioacoustics). Das Anabat-System wurde nur in drei Windparks benutzt (27 WEA-Jahre = 20 × Enercon E82, 8 × Senvion 3.4M, 2 × AN Bonus). Die restlichen acht Windparks mit 63 WEA-Jahren waren mit dem Avisoft-System bestückt. Die Detektorsysteme waren bezüglich ihrer Empfindlichkeit und Erfassungsreichweite technisch bedingt unterschiedlich (Adams et al. 2013). Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurde eine Normierung der Daten vorgenommen (siehe unten).
Als Anabat-System wurde ein Anabat SD1 im hinteren Teil der Gondel eingebaut. Das Mikrofon wurde mit einem kurzen Kabel geschützt in einer Plastikröhre außen senkrecht nach unten ausgerichtet. Dabei schloss das Mikrofon nahezu plan (ungefähr 1 cm Unterstand) mit der unteren Kante der Röhre ab. Der Detektor selbst befand sich im Inneren der Gondel. Die Stromversorgung erfolgte über einen 12V/7Ah-Akku. Der Akkuwechsel und das Auslesen der Daten wurden alle 14 Tage von einem Serviceteam durchgeführt.
Bei dem Avisoft-System wurde ein Knowles-FG-Electret-Ultrasound-Mikrofon ebenfalls in einer Plastikröhre im hinteren Teil der Gondel außen senkrecht nach unten angebracht. Im Gegensatz zum Anabat-System verband ein langes Mikrofonkabel, das durch den Turm nach unten geführt wurde, das Mikrofon mit einem Computer-Audio-Interface-System im Turmfuß, das von uns einfach gewartet wurde. Die Einstellungen des Avisoft-Systems entsprachen den von Behr et al. (2015) publizierten Einstellungen. Aber bereits in den Jahren zuvor wurden in Absprache die gleichen Einstellungen gewählt wie in der Erprobungsphase des RENEBAT-Forschungsvorhabens (Simon mündlich).
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2.
Schlagopfersuche: Während der Untersuchungsperiode wurde alle drei Tage eine Schlagopfersuche an den jeweiligen WEA durchgeführt. Hierzu wurde eine kreisförmige Fläche mit der Rotorlänge der WEA als Radius, i. d. R. nicht unter 50 m, bei längeren Rotoren bis 60 m (= 7 WEA-Jahre) abgesucht. Zusätzlich wurden sowohl eine Prüfung der Sucheffizienz der eingesetzten Sucher (mit braunen Kunstfellknäulen als Fledermausersatz) sowie eine Bestimmung der Abtragsrate vorgenommen. Zur Ermittlung der Abtragsrate wurden naturfarbene Labormäuse ausgelegt und ihr Verbleib oder Verschwinden über 14 Tage protokolliert. Zusätzlich wurde bei jedem Suchtermin die Absuchbarkeit der Flächen protokolliert. Diese drei Faktoren gingen in einen Erhöhungsfaktor (1,x; x = Prozentzahl der jeweiligen Wahrscheinlichkeit) ein, der die Wahrscheinlichkeit abschätzen sollte, ob Schlagopfer übersehen, unauffindbar waren oder vor dem Suchtermin abgetragen wurden (Brinkmann et al. 2006).
Wird in diesem Beitrag von Aktivitäten gesprochen, so ist immer die akustische Aktivität an den Mikrofonen gemeint. Um einen direkten Vergleich beider Detektorsysteme zu gewährleisten, in denen möglicherweise andere Systeme zur Anwendung kommen, wurde die akustische Aktivität von Fledermäusen in 1-min-Intervallen berechnet (im Folgenden Aktivitätsminuten genannt). Dies bedeutet, dass je 1-min-Intervall nur jeweils eine Rufsequenz/Art zugeordnet wurde, unabhängig von der Gesamtzahl der Rufsequenzen der jeweiligen Art in der entsprechenden Minute. War auf einer Rufdatei mehr als ein Tier einer Art zu erkennen, wurde dies als zwei besetzte 1-min-Intervalle bzw. 2 Aktivitäten gewertet. Zwei Tiere in einer Rufsequenz ließen sich durch unterschiedlichen Schalldruck und/oder Messung der Rufabstände meist gut erkennen.
2.2 Statistik
Um die Abhängigkeit zwischen Schlagopferzahl und Aktivität zu testen, wurde zunächst eine einfache Korrelation berechnet. Da die Daten nicht normalverteilt sind (nach Shapiro-Wilk-Test), muss der Spearman-Korrelationskoeffizient rho genommen werden. Dieser wurde mit dem Programm BiAS 11.10 (Ackermann 2019) berechnet.
Das Ziel eines Modells ist, die beste Kombination von erklärenden Variablen für eine Beobachtung oder Messung herauszufinden. Voraussetzung für die Modellwahl ist eine Datenexploration. Im vorliegenden Fall der aus Zählungen stammenden Fledermausaktivitäten und -totfunden ergaben sich überwiegend nichtlineare und nichthomogene Beziehungen zwischen der Aktivität bzw. Fatalität und den Standortparametern, sodass ein GAM (Generalized Additive Model) mit einer Poisson-Verteilung und Log-Link-Funktion zur Modellbildung gewählt wurde. Als erklärende Variablen wurden nur diejenigen Standortfaktoren herangezogen, die in der GAM-Rechnung signifikant (p < 0,05) waren und die in Pairplots keine Kollinearität zeigten. Von den drei korrelierten Rotorparametern wurde derjenige mit dem höchsten Beitrag zur erklärten Devianz berücksichtigt. Diejenigen Faktoren mit einer großen Streuung wurden als Glättungsfaktoren eingebunden. Als Glättungsmethode wurde eine cubic regression spline (bs = cr) gewählt. Es wurde am Ende jenes GAM ausgewählt, welches die beste Modellgüte (goodness of fit) besaß, ausgedrückt prioritär in der erklärten Devianz, die möglichst hoch sein sollte, und sekundär im AIC (Akaike-Informationskriterium), das möglichst klein sein sollte. Des Weiteren sollte keine Über- oder Unterverteilung (over-/underdispersion) der Daten vorliegen, d. h. keine zu großen Abweichungen des Modells von der angenommenen Poisson-Verteilung. Hierbei fand der Dispersionsfaktor (deviance/df.residuals) Berücksichtigung, der nicht zu sehr von 1 abweichen sollte. Als weiteres Kriterium wurde die möglichst musterfreie Reststreuung der Parameter berücksichtigt. Es blieben dann diejenigen Parameter und Faktoren übrig, wie sie im Ergebnis dargestellt werden. Bei den Faktoren Jahr, Detektor und WEA-Typ ist zu beachten, dass sie Nominalfaktoren sind, die für noch unbekannte Parameter stehen. Diese könnten z. B. beim Faktor „Untersuchungsjahr“ bestimmte Wetterparameter sein.
Die Modellrechnung wurde mit dem Programm BRODGAR 2.7.5 (2017) von Highland Statistics Ltd. (Newburgh UK) in Verknüpfung mit R3.2.2 und dem mgcv-package Version 1.8-17 durchgeführt und folgt Zuur et al. (2007) und Wood (2017). Das package liefert auch die Modellwerte (fitted values) und die Reststreuung (residuals).
3 Ergebnisse
Insgesamt wurden in 90 WEA-Jahren (n = 11.779 Nächte) 14.355 akustische Aktivitäten aufgenommen. Im Untersuchungszeitraum wurden 82 tote Fledermäuse gefunden. In Tab. 4.2 ist der Anteil der tatsächlichen Totfunde zu dem Anteil an der akustischen Aktivität dargestellt. Hier zeigt sich die besondere Situation bei der Rauhautfledermaus: Während sie nur ein Viertel der akustischen Aktivität ausmachte, lag ihr Anteil an den Totfunden bei ungefähr 80 %. Beim Großen Abendsegler kehrt sich die Situation um; während er etwa 60 % der akustischen Aktivität ausmacht, liegt sein Anteil bei den Totfunden nur bei ungefähr 20 %. Die übrigen als Totfunde aufgetretenen Arten sind in zu geringem Maße aufgetreten, um verlässliche Aussagen zu erlauben. Dies betrifft auch die Zwergfledermaus, die im nordwestdeutschen Küstenraum relativ zu anderen Regionen deutlich weniger vorkommt.
Nach Berücksichtigung der absuchbaren Flächen, der Abtragsrate und der Sucheffizienz ergab sich eine theoretische Schlagopferzahl von 185 Tieren für alle im Untersuchungszeitraum untersuchten WEA (Tab. 4.3). Die Rauhautfledermaus stellte dabei mit 67 Totfunden den weitaus größten Anteil (hochgerechnet mit Abtragsrate und Sucheffizienz: 140 Tiere). Dies entsprach 0,7 Totfunden/WEA/Jahr (bzw. 1,6 geschätzten Totfunden/WEA/Jahr). Pro Nacht und WEA wurden im Durchschnitt lediglich 0,3 Aktivitätsminuten von Rauhautfledermäusen aufgenommen (Tab. 4.3).
3.1 Korrelation Aktivität und Schlagopfer der Rauhautfledermaus
Setzt man die Aktivitätsminuten des Gondelmonitorings aller betrachteten WEA und alle dort gefundenen Schlagopfer der Rauhautfledermaus in Beziehung, so konnten wir im Durchschnitt nach 57 akustischen Aktivitätsminuten eine tote Rauhautfledermaus nachweisen. Legt man die Zahl der hochgerechneten Totfunde der Rauhautfledermaus der Betrachtung zugrunde, so ergab sich, dass im Durchschnitt nach jeder 27. akustischen Aktivitätsminute ein Totfund vorhergesagt wurde. Betrachtet man nur den schlagintensiven Zeitraum von August bis September, so liegt das Verhältnis etwas niedriger: 52 akustische Aktivitätsminuten/tatsächlicher Totfund bzw. 25 akustische Aktivitätsminuten/hochgerechneter Totfund. Das Verhältnis schwankt zwischen den einzelnen WEA-Jahren allerdings sehr stark (Abb. 4.1).
Zur direkten Korrelation der Schlagopfer mit den jeweils aufgezeichneten akustischen Aktivitätsminuten ergab sich ein Korrelationskoeffizient von knapp 0,5, sowohl für die gesamte Saison als auch für die Daten aus dem Zeitraum August bis September. Das bedeutet, dass eine positive Korrelation zwar feststellbar war, jedoch nicht stark ausgeprägt ist (Spearman-Korrelationskoeffizient rho Aktivität: Schlagopfer = 0,448; Aktivität August/September: Schlagopfer August/September = 0,499; Signifikanz = 0,05 zweiseitiger exakter Test per Valz-Thompson).
In Abb. 4.1 ist das Verhältnis von akustischer Aktivität und tatsächlichen Schlagopfern pro WEA-Jahr aufgetragen. In insgesamt 71 WEA-Jahren wurden zwar akustische Aktivität, aber keine Totfunde der Rauhautfledermaus festgestellt. Die Zahl der akustischen Aktivitätsminuten mit Fledermausaktivität schwankte in diesen WEA-Jahren zwischen 0 und 167 Aktivitäten (Mittelwert ± Standardabweichung = 24,6 ± 33,2; Median = 16). In den WEA-Jahren, in denen Totfunde auftraten, lag die Zahl der akustischen Aktivitätsminuten höher, zwischen 0 und 191 Aktivitäten (Mittelwert ± Standardabweichung: 54,5 ± 55,5; Median = 39). Schaut man sich die WEA-Jahre im Einzelnen an, so hatte das WEA-Jahr mit den höchsten akustischen Aktivitäten zwar die meisten Totfunde (191 akustische Aktivitäten und 7 tote Rauhautfledermäuse), aber es gab auch WEA-Jahre, in denen keine oder wenige akustische Aktivitäten aufgezeichnet wurden, jedoch dennoch tote Rauhautfledermäuse gefunden wurden. Die Streuung der Werte verdeutlicht, warum zwar ein positiver Trend der Korrelation zwischen Aktivitätsminuten und Schlagopferdaten festgestellt wurde, der allerdings nicht signifikant war.
3.2 Saisonalität von Aktivität und Schlagopferereignissen der Rauhautfledermaus
In Abb. 4.2 ist der Saisonverlauf der akustischen Aktivitätsminuten aller WEA-Jahre von 2011 bis 2016 aufsummiert. Es zeigte sich eine deutliche Zunahme der Aktivität zwischen Mitte Juli und Mitte Oktober im Vergleich zum Frühjahr. Die jeweiligen Aktivitätsgipfel lagen in einem Zeitraum von Ende Juli bis Ende August bzw. Anfang September. Vergleicht man diese Phänologie mit derjenigen der Schlagopfer, so wird deutlich, dass sich der Gipfel der Aktivität im August und September und derjenige der Schlagopfer überlappten. Allerdings deckte sich der Zeitraum mit erhöhten akustischen Aktivitäten im Juli nicht mit dem Zeitraum vermehrter Schlagopfer. Umgekehrt wurde immer noch eine Reihe von Schlagopfern ab Mitte September gefunden, die in eine Zeit mit verminderter akustischer Aktivität fielen. Bei den Schlagopfern überwog der Anteil der Weibchen deutlich (43 Weibchen gegenüber 21 Männchen).
3.3 Gibt es andere Parameter, die die Aktivität und die Schlagopfer an den von uns untersuchten WEA bestimmen?
Um Parameter und Faktoren zu identifizieren, die Einfluss auf die akustische Aktivität bzw. auf die Anzahl an Schlagopfern haben könnten, wurden zwei unterschiedliche GAM berechnet (Tab. 4.4 und 4.5), die für die akustische Aktivität einen signifikanten hohen Erklärungswert (erklärte Devianz = 99,8 %) und für die Fatalität einen signifikanten mittleren Erklärungswert von 42,4 % lieferten.
Das GAM wurde mit zwei Glättungskurven (smoothers) mit unterschiedlichen Freiheitsgraden (k) gerechnet. Dafür wurden die Parameter „km-Abstand zur Küste“ und „Höhe untere Rotorspitze ü. Grund“ aufgrund ihrer zu starken Streuung ausgewählt. Alle Parameter, Glättungskurven und Faktoren tragen signifikant (p < 0,05) zum Modell bei mit Ausnahme des Jahres 2012, das aber nur knapp über dem 5 %-Niveau liegt und bei ökologischen Analysen mit einbezogen werden kann. Das niedrige AIC und der Dispersionsparameter (deviance/df.residuals) von 1,83 deuten auf eine nur gering überverteilte Anpassung (overdispersion) des GAM an eine Poisson-Verteilung (Dispersionsparameter = 1) hin. Die Berechnung des gleichen Modells mit der in einem solchen Fall empfohlenen negativen Binomialverteilung ergab eine Unterdispersion (Dispersionsparameter = 0,73) und Signifikanzverluste. Die in Tab. 4.4 aufgeführten Parameter, Smoother und Faktoren erklären 99,8 % des Modells und sind in Abb. 4.3 illustriert. Tab. 4.5 listet die Beiträge der einzelnen Parameter, Smoother und Faktoren zur Modellgüte und begründet die Wahl des hier vorgestellten GAM als Folge der höchsten signifikanten Modellgüte mit fehlender Overdispersion.
Das GAM-Modell mit einer Poisson-Verteilung und Log Link zeigt eine nahezu 100 %ige Übereinstimmung mit der in Gondelhöhe erfassten akustischen Aktivität der Rauhautfledermaus in den verschiedenen WEA-Jahren (Abb. 4.3). Damit tragen die Parameter „Rotorradius“, „Anzahl der WEA im Windpark“ und „Anzahl der Betriebstage“ mit absteigender Stärke positiv zur Aktivität bei. Die beiden Smoother „km-Abstand zur Küste“ und „Höhe der unteren Rotorspitze über Grund“ beeinflussen die Aktivität entsprechend ihrer Smoothing-Kurven (Abb. 4.4): leicht abnehmende Aktivitäten bei den kurzen Entfernungen und starke Aktivitäten bei den weiter von der Küste entfernten Anlagen sowie abnehmende Aktivitäten bei zunehmender Höhe der Rotorspitze über Grund. Die Faktoren „Untersuchungsjahr“, „Windparktyp“ und „Detektortyp“ tragen ebenfalls positiv zur Aktivität bei im Vergleich mit dem jeweils ersten Faktor.
Den größten Beitrag zur Aussagekraft des GAM lieferte der Faktor „Jahr“, der alleine ungefähr 20% der Devianz erklärt (Tab. 4.5). Dabei ist zu beachten, dass nicht das Jahr als solches, sondern z. B. Wetterverhältnisse oder besondere Vorkommnisse in diesem Jahr dahinterstehen, die hier nicht aufgeschlüsselt werden können. Auch die Anordnung der WEA im Windpark hatte einen Einfluss auf die Aktivität: Vereinzelt stehende WEA zeigten eine geringere, flächig angeordnete WEA eine wesentlich höhere akustische Aktivität als linear angeordnete WEA.
Das zweite GAM für die Totfunde wurde in gleicher Weise durchgeführt wie das Modell für die Aktivität. Die Schlagopfer wurden als empirische Größe zugrunde gelegt und zunächst mit den gleichen Parametern wie beim GAM der Aktivität verrechnet. Das Modell erreichte allerdings erst nach Herausnahme der meisten Parameter und aller Faktoren mit dem Parameter „Höhe untere Rotorspitze über Grund“ und der „Aktivität von Pnat“ als Smoother-Signifikanz. Das GAM mit Poisson-Verteilung zeigte allerdings eine Überdispersion, die mit einem GAM mit negativer Binomialverteilung abgeschwächt werden konnte. Die Modellparameter sind in Tab. 4.6 zusammengestellt und in Abb. 4.6 und 4.7 illustriert.
Das Modell für die Fatalität ist deutlich weniger robust als das Modell für die Aktivität, da der Erklärungswert lediglich bei 42,4 % liegt und große Unterschiede bestehen zwischen den realen Zählungen und den Modellwerten (Abb. 4.6). In diesem Modell tragen signifikant nur die Parameter „Abstand der unteren Rotorspitze vom Boden“ negativ (je größer der Abstand, desto weniger Schlagopfer) und die „Gesamtaktivität von Pnat“ positiv (je mehr Aktivität, desto mehr Schlagopfer) bei (Tab. 4.6). Beide liefern dabei einzeln einen etwa gleichen Anteil um die 21 ± 4 % zur Modellgüte bei (Tab. 4.7). Die Regression der GAM-Werte für die Fatalität gegen die für die Aktivität ergibt eine mittlere Schlagopferrate von ~1 % (Abb. 4.5). Das Modell ist zwar signifikant, aber nur zur Hälfte erklärt. Es gibt höchstwahrscheinlich weitere nicht erfasste Parameter und Faktoren, die die Verteilung der Schlagopfer an den WEA-Standorten mit höherer Modellgüte erklären würden. Da der Abstand der unteren Rotorspitze vom Boden für die Schlagopfer eine wichtige Rolle spielt, wäre eine zweite Aktivitätserfassung in dieser Höhe sinnvoll.
4 Diskussion
Windenergieanlagen (WEA) werden neben dem Weißnasen-Syndrom (White-Nose-Syndrom) in Nordamerika global als eine der wichtigsten anthropogen hervorgerufenen Todesursache bei Fledermäusen angesehen (O’Shea et al. 2016). Durch seine Windhöffigkeit ist Niedersachsen als Standort für Windparks prädestiniert und daher mit Abstand das Bundesland mit der höchsten Zahl an Onshore-WEA (BWE 2019; Deutsche WindGuard 2019). Dies gilt insbesondere für die Küstenregion, wo der Ausbau der Windenergie eine bedeutende Rolle spielt. Eine von uns durchgeführte Befragung der Unteren Naturschutzbehörden sowie eine Internetrecherche im Jahr 2015 erbrachten die Zahl von 2200 WEA in einem Bereich von etwa 150 km Länge (Stadt Norden bis Elbmündung) und 35 km Breite (von der Küste ins Inland). Gleichzeitig besitzt der nordwestdeutsche Küstenbereich eine Konzentration an Rauhautfledermaus-Wochenstuben und liegt zudem in einem Verdichtungsraum des Fledermauszuges, insbesondere für die Rauhautfledermaus (Frey et al. 2012; Bach et. al 2005). Die Rauhautfledermaus gilt nach Dürr (2019) als eine der am stärksten durch Schlag an WEA betroffenen Art. Aus diesen Gründen liegt es nahe, für diesen Raum mit seiner relativ großen Dichte an WEA eine hohe Mortalität für die Rauhautfledermäuse zu erwarten. Um die Tiere vor Schlag zu schützen, sind Vermeidungsmaßnahmen zwingend notwendig, die i. d. R. auf eine Abschaltung von WEA zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten Umweltbedingungen (vor allem Windgeschwindigkeit und Umgebungstemperatur) hinauslaufen. Zur Gestaltung von Abschaltmodi hat sich bundesweit das ProBat-Tool aus dem RENEBAT-Projekt etabliert (Brinkmann et al. 2011; Behr et al. 2015, 2018). ProBat errechnet über eine statistische Modellierung, basierend auf in Nabenhöhe erfassten Aktivitätsdaten und Wetterparametern, einen fledermausfreundlichen Abschaltalgorithmus für eine behördlich festzulegende akzeptierte Schlagrate pro WEA und Jahr. In der Praxis hat sich das ProBat-Tool im untersuchten Küstenraum bis zur Version 6.1 (Erscheinungsdatum April 2019) jedoch als nicht ausreichend erwiesen, weil es eine zu geringe Schlagrate prognostizierte. Dieser Umstand ist in der Version 6.1 nach ersten Auswertungen unsererseits nicht mehr gegeben. Dies lag an der Rauhautfledermaus, die in unseren Monitoringuntersuchungen schon bei relativ geringen, auf Nabenhöhe erfassten akustischen Aktivitäten relativ hohe Schlagraten aufwies. Zudem wurde im untersuchten Küstenraum auch eine Vielzahl von unterschiedlichen WEA-Typen mit unterschiedlichen Rotorlängen und Nabenhöhen aufgestellt.
Die Ergebnisse aus 90 WEA-Jahren zeigen, dass die akustische Aktivität auf Gondelhöhe und die Zahl der gefundenen Schlagopfer der Rauhautfledermaus zwar schwach, aber nicht signifikant korrelierte. Zudem konnte in unserem GAM in Bezug auf die Totfunde eine Bedeutung der Aktivität als Variable festgestellt werden, das Modell ist aber insgesamt sehr schwach. Daher ist ein direkter Rückschluss von der auf Nabenhöhe erfassten akustischen Aktivität auf die Zahl der Totfunde an unseren untersuchten WEA nicht möglich. Es lässt sich ebenso wenig konstatieren, dass eine geringe akustische Aktivität von Rauhautfledermäusen in Gondelhöhe keine Totfunde nach sich zieht, sondern vielmehr sind trotz der geringen Aktivität Totfunde zu beobachten. Eine gute Korrelation zwischen Schlagopfern und akustischer Aktivität auf Nabenhöhe scheint immer dann gegeben zu sein, wenn relativ viele akustische Aktivitäten gemessen wurden, wie z. B. in Portugal (Amorin et al. 2012) oder Nordost-, Süd- und Mitteldeutschland (Korner-Nievergelt 2011). Der Grund für die bei uns festgestellte schwache Korrelation liegt in der hohen Streuung der akustischen Aktivitäten der Rauhautfledermaus an den WEA im Verhältnis zur Zahl der Schlagopfer: Neben wenigen WEA mit relativ hohen akustischen Aktivitäten der Rauhautfledermaus und einer hohen Anzahl von Schlagopfern dieser Art treten auch bei geringen akustischen Aktivitäten höhere Schlagopferzahlen auf. Zu einer vergleichbaren Aussage kommt auch eine Untersuchung in der Schweiz (NATURA und SWILD 2018); hier wurden ebenfalls bei geringer akustischen Aktivität von Fledermäusen der Gattung Pipistrellus auf Nabenhöhe relativ viele Totfunde festgestellt. Eine Forderung aus dieser nur schwachen Korrelation wäre es, eine die Akustik begleitende Schlagopfersuche beizubehalten, um die Ergebnisse der Akustik durch einen Methodenmix abzusichern.
Betrachtet man die Phänologie der Rauhautfledermausaktivität, so ist diese in unseren Untersuchungen typisch für eine migrierende Art (Bach et. al 2009, 2017; Rydell et al. 2010; Hurst et al. 2016), d. h., es existiert ein Gipfel der Aktivität und ebenso der Schlagopfer im Zeitraum von Ende August bis Anfang September. Niermann et al. (2011a) fand ebenfalls einen vergleichbaren Gipfel für die bundesweit erfassten Schlagopfer der Rauhautfledermaus. Die erhöhte Aktivität der Rauhautfledermaus gegen Ende Juli, wobei sich jedoch kaum Totfunde feststellen ließen, wird vermutlich von lokalen Tieren hervorgerufen, die im Umfeld regelmäßig Wochenstuben ausbilden. Andererseits fanden sich jedoch stetig tote Tiere in einem Zeitraum um Anfang Oktober, wo die Aktivität schon wieder auf ein geringes Niveau abgesunken war. Dies ist umso bemerkenswerter, als das bundesweite Schlagopfersuchen nur bis zum 30.9 durchgeführt wurde (Seiche et al. 2007; Niermann 2011a). Es gibt also eine Phase im Juli, in der viele Rauhautfledermäuse gehört werden, aber nicht verunfallen; im August und September sind sowohl die Aktivität als auch die Zahl der Totfunde hoch, Anfang Oktober dagegen ist die Zahl der Totfunde relativ hoch, während die Aktivitäten deutlich absinken. Dies könnte daran liegen, dass „gebietsfremde“ Zugtiere an den WEA verunfallen, während die lokalen Tiere sich gewissermaßen „auskennen“. Doch vorläufige Untersuchungen der Isotopen im Haar unserer Totfunde zeigen, dass der Anteil der lokalen und gebietsfremden Tiere sich etwa die Waage hält (Voigt mündlich). Man könnte auch die Hypothese aufstellen, dass sich durch einen möglichen Anstieg der Insektendichte im August/September in der offenen Landschaft vermehrt sowohl lokale Tiere als auch Zugtiere einfinden, um zu jagen. In kühlen Nächten im Herbst könnten WEA durch ihre Abwärme Insekten anziehen, die wiederum Fledermäuse anlocken und in die Gefahrenzone um die WEA bringen.
Ein Ergebnis, das im Gegensatz zu anderen Untersuchungen steht, ist, dass deutlich mehr Weibchen als Männchen als Schlagopfer gefunden wurden. In deutschlandweit erhobenen Zusammenstellungen bzw. Untersuchungen bildet sich eine nahezu Gleichverteilung der Geschlechter ab (Dürr 2007; Niermann et al. 2011a). Andererseits zeigte sich in einer Studie von Seiche et al. (2007), dass im Bundesland Sachsen doppelt so viele Rauhautfledermausmännchen wie -weibchen an WEA zu Tode kamen, wobei relativ viele Tiere (30 %) außerhalb der schlagträchtigen Zeit von August bis September auftraten. Sowohl Sachsen als auch der nordwestdeutsche Küstenraum liegen im Zugbereich der Rauhautfledermaus (Rydell et al. 2010; Meschede et al. 2017). Die unterschiedliche Todesrate bei den Geschlechtern könnte an einem Weibchenüberschuss liegen (durch zusätzlich aus den nördlichen und östlichen Regionen eingewanderten Weibchen mit ihren Jungtieren, während die adulten Weibchen nicht zwingend migrieren), aber auch eine Folge unterschiedlichen Explorationsverhaltens sein. So fanden Roeleke et al. (2017) für den Abendsegler größere Flughöhen und deutlicheres Explorationsverhalten der Weibchen. Inwieweit das auch für die Rauhautfledermaus gilt, ist unklar, aber unsere Daten könnten dafür ein Indiz sein, dass auch die Rauhautfledermausweibchen ein anderes Explorationsverhalten an WEA haben, zumindest in Zuggebieten wie dem hier betrachteten Raum.
Die technischen Dimensionen einer WEA haben nach unserem Modell einen Einfluss sowohl auf die in Gondelhöhe erfasste akustische Aktivität von Fledermäusen als auch auf die Schlagopferzahl. In der Literatur wird insbesondere die Rotorlänge als Parameter ausschlaggebend für die Höhe der Aktivität angesehen (Barclay et al. 2007; Niermann et al. 2011b). Auch in unseren Untersuchungen spielt die Rotorlänge für die Aktivität eine relativ wichtige Rolle, aber nicht so sehr für das Auftreten der Totfunde. Für das Auftreten von Schlagopfern ist die Höhe der Rotorspitze wichtig, was sich durch die zum Boden hin zunehmende Aktivität erklären lässt (Niermann et al. 2011b; Roeleke et al. 2017). Es wird vermutet, dass bei zunehmender Rotorlänge und damit einhergehender Abnahme der Abdeckung des Rotorwirkkreises durch die akustische Erfassung auf Nabenhöhe eine Korrelation von akustischer Aktivität und Schlagopferzahl der Rauhautfledermaus erschwert werden könnte (Lindemann et al. 2018).
Welche weiteren Parameter sich in unseren Modellen besonders auf die auf Nabenhöhe akustisch erfasste Aktivität und Schlagopferzahl auswirken, ist nicht eindeutig festzustellen. Dazu sind die Parameter zu gleich gewichtet. Der Faktor „Jahr“ hat noch den größten Erklärungswert, aber in diesem Faktor stecken unbekannte Einflüsse, im Generellen vermutlich die Windverhältnisse, die naturgegeben während der Untersuchungsjahre variieren, und der Standort an sich, da dieser nur jeweils zwei Jahre konstant war. Generell ist es für die Erklärung eines Modells von Vorteil, wenn sich wenige Parameter mit einem starken Erklärungswert und einer linearen Beziehung herauskristallisieren. Bei diesem Modell ist die Aktivität von einer Vielzahl verschiedener Parameter abhängig, die nicht linear zueinander in Beziehung stehen. Das wiederum führt zu dem Schluss, dass die akustische Aktivität in Gondelhöhe nicht einfach zu erklären ist, solange nicht die in den Nominalfaktoren (wie „Jahr“ oder „Windparktyp“ im Gegensatz zu Werten wie „Nabenhöhe“) steckenden Parameter benannt werden können.
Die Daten aus unseren Untersuchungen legen nahe, dass im nordwestdeutschen Küstenraum andere Herangehensweisen erprobt werden müssen, um Vermeidungsmaßnahmen zu entwickeln, die einen wirksamen Schutz der Rauhautfledermäuse garantieren. Ein Weg wurde durch das RENEBAT-Projekt (Behr et al. 2015, 2018) beschritten, indem für WEA mit größeren Rotorradien ein Erhöhungsfaktor eingeführt wurde, der dem Problem statistisch Rechnung trägt. Ein zweiter Weg, der zunehmend Eingang in die Praxis findet, ist die Anbringung eines zweiten Mikrofons etwa auf Höhe der unteren Rotorspitze (Turmmikrofon). Hintergrund dafür ist die Annahme, dass eine bessere akustische Abdeckung des Rotorradius als Gefährdungsbereich zu einer besseren Korrelation von akustischer Aktivität und Schlagopferzahl führt. Erste Untersuchungen hierzu ergaben, dass zumindest für die nordwestdeutsche Küste die akustischen Aktivitätszahlen am Turmmikrofon größer ausfallen (Kap. 5), was wiederum die Aussagekraft der Modelle erhöhen könnte. Auch der Umstand, dass die Zahl der Totfunde mit der Höhe der unteren Rotorspitze über Grund korreliert ist, legt nahe, dass ein zweites Mikrofon in dieser Höhe ein genaueres Bild zur Bewertung ergeben. Um die Akustikdaten aus dieser Höhe in das Berechnungssystem von ProBat einzupflegen, müsste dieses entsprechend angepasst werden, was weitere Forschung in diese Richtung erfordern würde.
Neben dem zweiten Mikrofon sollte ein Monitoring in dem nordwestdeutschen Küstenraum zudem unbedingt aus mindestens zwei Jahren bestehen, da die Variation zwischen den Jahren einen großen Einfluss auf die akustische Aktivität hat. Damit ist gewährleistet, dass unterschiedliche Einflüsse wie Wetter der einzelnen Jahre in den Ergebnissen des Monitorings abgebildet werden. Zudem sollte zumindest in einem Jahr eine Schlagopfersuche stattfinden. Zwar ist eine Schlagopfersuche mit Unsicherheiten wie dem Abtrag durch Tiere und Umwelteinflüsse vor dem Suchtermin und der Gefahr, dass die Sucher Schlagopfer übersehen könnten, verbunden (Niermann et al. 2011a), jedoch bietet ein Methodenmix im Zusammenhang mit einem akustischen Monitoring eine größere Sicherheit der Ergebnisse.
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Danksagung
An dieser Stelle sei insbesondere Ute Bradter für Diskussionen und die englische Zusammenfassung gedankt. Außerdem gilt unser Dank all jenen Betreibern, die uns die Veröffentlichung der Monitoringdaten erlaubt haben.
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Die Veröffentlichung wurde durch den Open-Access-Publikationsfonds für Monografien der Leibniz-Gemeinschaft gefördert.
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Bach, P., Bach, L., Kesel, R. (2020). Akustische Aktivität und Schlagopfer der Rauhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) an Windenergieanlagen im nordwestdeutschen Küstenraum. In: Voigt, C. (eds) Evidenzbasierter Fledermausschutz in Windkraftvorhaben. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-61454-9_4
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