Zusammenfassung
Anhand von drei empirischen Fallstudien (Poker, Sportwetten, Finanzmarktspekulation) wird die Frage behandelt, welche Gestalt rezente Formen der riskanten Geldverausgabung unter dem Einfluss der Mediatisierung angenommen haben. Darüber hinaus wird gezeigt, wie zur Analyse der Entwicklung, Diffusion und Aneignung kommunikationsmedialer Technologien ein angemessener Begriff von reflexiver Mediatisierung beschaffen sein muss, der sowohl nicht-intendierte Nebenfolgen der Mediatisierungsdynamik für die Integrität und den Bestand sozialer Welten als auch unterschiedliche Modi des Umgangs mit freiwillig eingegangen Risiken und Unsicherheiten in mediatisierten Welten erfassen kann.
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Notes
- 1.
Nicht aus Nachlässigkeit, sondern aus sprachästhetischen Gründen leisten wir im vorliegenden Text jenen Konventionen Folge, die dem männlichen Geschlecht einen gewissen Vorrang einräumen. Wenn hier und im Folgenden von Kleinanlegern und Spielern die Rede ist, sind immer Kleinanleger und Kleinanlegerinnen bzw. Spieler und Spielerinnen gemeint.
- 2.
Wir nehmen hier Bezug auf die Debatte zur „reflexiven Modernisierung“ (Beck et al.1996). Innerhalb des DFG-Schwerpunktprogramms (SPP) 1505 „Mediatisierte Welten“ besteht zu diesem Themenfeld eine Kooperation mit den Projekten von Michaela Pfadenhauer und Tilo Grenz („Mediatisierung als Geschäftsmodell“) sowie Jo Reichertz („Mediatisierung der deutschen Forensik“) (vgl. Grenz et al. 2014 und den Beitrag von Grenz und Pfadenhauer in diesem Band).
- 3.
- 4.
Als „synthetische Situation“ begreifen wir – mit Knorr Cetina (2012) – eine durch Information angereicherte Situation.
- 5.
Zum Einsatz kommen dabei auch Unterhaltungsangebote wie etwa Gewinnspiele, in denen Schlusskurse von Aktienindizes getippt werden können. Die Kundinnen und Kunden werden auf diese Weise zu Datenlieferanten für Analysen zur Anlegerstimmung (Sentiment).
- 6.
So haben es Spekulanten und Spieler nicht nur mit digitalisierten Handlungsfeldern im engeren Sinne zu tun, auf denen die Kernaktivitäten der jeweiligen sozialen Welt stattfinden. Im Zuge der Verlagerung der entsprechenden Praktiken auf Internet-Plattformen haben sich recht schnell Sekundärmärkte für Software-Tools, Know-how und (Nutzer)-Daten herausgebildet.
- 7.
Dieser affektive Handlungsmodus dürfte vermutlich in Kombination mit den anderen Modi auftreten.
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Möll, G., Hitzler, R. (2017). Zwischen spekulativen Strategien und strategischen Spekulationen. Zur reflexiven Mediatisierung riskanter Geldverausgabung. In: Krotz, F., Despotović, C., Kruse, MM. (eds) Mediatisierung als Metaprozess. Medien • Kultur • Kommunikation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16084-5_10
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