Zusammenfassung
Hat die protestantische Ethik Gesichtspunkte zur Frage der Güterabwägung beizutragen? Wer sich von einem ersten Eindruck leiten läßt, könnte diese Frage mit „nein“ beantworten. Im Vergleich erweise sich die katholische Moraltheologie als so viel praktischer, hat bereits Bonhoeffer bei der Arbeit an seiner „Ethik“ festgestellt (Bonhoeffer 1958, S. 394; 1963, S. 170). Deshalb lohnt es immer wieder, die klassische katholische Moraltheologie in Sachen Güterabwägung zu befragen. Die Stärke der Güterabwägung liegt in ihrer Anwendung auf bestimmte Fälle. Allerdings beweisen Gespräche mit Studentinnen und Studenten der Medizin oder jüngeren Ärztinnen und Ärzten, daß sie nicht immer nur „case studies“ in Pro und Kontra diskutieren, sondern die Grundlagen möglicher Entscheidungen erörtern wollen. Damit möchten sie die Methodik des Urteilens in Richtung auf mögliche Entscheidungsbegründungen überschreiten. Die ältere protestantische Ethik geht in einer ähnlichen Absicht über die Pragmatik des Entscheidens hinaus. Sie rechnet die Güterabwägung oft zu den Selbstverständlichkeiten der alltäglichen Praxis: Da bestehen juristische Normen, da gibt es Kriterien eines Common sense oder eines Standesethos, aber die eigentlich ethische Frage spitzt sich erst mit der Fallgerechtigkeit zu: Können die Standards unserer Prozeduren der Güterabwägung immer zu einem sittlich verantworteten Urteil führen?
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Literatur
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Frey, C. (1991). Protestantische Ethik und Güterabwägung. In: Sass, HM., Viefhues, H. (eds) Güterabwägung in der Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-76292-5_5
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