Auszug
Auch bei nur oberflächlicher Zeitungslektüre war im bundesdeutschen Wahljahr 2002 nicht zu übersehen, dass „Familie“ eines der am meisten verwendeten Schlagworte politischer Rhetorik und damit das „Überraschungsthema“ (Riestau 2003: 34) des Wahlkampfs war. Mit der SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen rückten drei der Wahlkampfparteien dieses Thema explizit ins Zentrum ihres Wahlkampfs. Insbesondere die Regierungsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen vollzogen zwischen Herbst 2001 und Frühjahr 2002 eine erkennbare Veränderung in ihren Leitbildern (vgl. ebd.: 38): In seiner Regierungserklärung vom April 2002 präsentierte Bundeskanzler Schröder das vormalige „Gedöns“2 als Chefsache: Familienpolitik sollte neben den Hartz-Vorschlägen3 zur Reform der Arbeitsmarktpolitik und dem Umbau der sozialen Sicherungssysteme einen der drei Schwerpunkte der kommenden Legislaturperiode bilden. Bündnis 90/Die Grünen — bislang nicht als „Familienpartei“ bekannt — profilierten sich zum ersten Mal in ihrer Geschichte mit diesem Thema. Auch CDU/CSU-Spitzenkandidat Stoiber forderte eine intensive Förderung von Familien mit Kindern und erklärte Familienpolitik zu einer seiner politischen Prioritäten. Die Nominierung von Katherina Reiche in das so genannte „Kompetenzteam“ Stoibers ließ das Familienthema — wenn auch in Kontroversen um die Person Reiche — kurzzeitig zum Highlight der medialenWahlberichterstattung werden.
Die quantitative und qualitative Datenerhebung fand im Rahmen einer Wahlkampfanalyse statt, die wir von Februar bis September 2002 im Auftrag des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend erstellt haben. Wir danken unseren MitarbeiterInnen Ansgar Gessner, Jochen Mayer, Dorothea Müth, Susan Park und Ilka Wiese.
Der Begriff „Gedöns“ wurde zum geflügelten Wort für die Haltung Schröders zur Frauen- und Familienpolitik, seit er im Bundestagswahlkampf 1998 seine zukünftige Ministerkollegin mit der herablassenden Formulierung der Öffentlichkeit vorstellte, sie sei zuständig „für Frauen und das ganze andere Gedöns“.
Benannt nach Peter Hartz, der einer von Bundeskanzler Schröder eingesetzten Kommission zur Erarbeitung von arbeitsmarktpolitischen Reformvorschlägen vorstand.
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Literatur
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Lang, S., Sauer, B. (2008). Mediales Indexieren. In: Dorer, J., Geiger, B., Köpl, R. (eds) Medien — Politik — Geschlecht. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91096-3_13
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