Auszug
Im Sommer 2003 machte sich ernste Besorgnis in den deutschen Feuilletons breit. Frank Schirrmacher, der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sorgte sich darum, wer die geistige Führerschaft in Deutschland übernommen hat. „Wer uns denkt: Frauen übernehmen die Bewusstseinsindustrie” (Schirrmacher 2003) — unter dieser Überschrift verkündete der konservative Meinungsmacher, das mediale Matriarchat habe längst begonnen. Mit Friede Springer und Liz Mohn stehen in Deutschland mächtige Frauen auf der EigentümerInnenseite. Mit Sabine Christiansen, Maybrit Illner und Sandra Maischberger sind es prominente Journalistinnen, die den zentralen politischen Talkrunden Gesicht und Struktur geben. Und der Reigen lässt sich fortsetzen: Sonia Mikisch präsentiert kritisch und widerständig das Politmagazin Monitor vom Westdeutschen Rundfunk. Die täglichen Nachrichtenmagazine Tagesthemen und heute journal moderieren Anne Will und Marietta Slomka professionell und mit erkennbar eigenem Profil. Besorgniserregend erschien der F. A. Z. also nicht die deutliche Präsenz von Frauen in Unterhaltungs- und Ratgebersendungen, die in der Journalismusforschung unter dem Begriff der śSchreinemakerisierung’ eine weibliche Attribuierung als Synonym des Qualitätsverlustes gefunden hat (vgl. Weischenberg 1997).1 Schirrmacher konstatierte stattdessen die Verdrängung der Männer von den Schaltstellen des politischen Journalismus durch die Frauen. „Männerdämmerung” drohte unter diesen Umständen heraufzuziehen, und der Feuilletonist sorgte sich dabei möglicherweise um die eigene Zukunft.
Als „Schreinemakerisierung“ beschreibt Siegfried Weischenberg eine spezifische Form der Boulevardisierung und Intimisierung von Journalismus. Hergeleitet ist der Begriff von dem Fernseh-Boulevard-Magazin, das die Journalistin Margarethe Schreinemakers für RTL moderiert hat.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Braun, Christina von (2000): Gender, Geschlecht und Geschichte. In: dies./Stephan, Inge (Hg.): Gender Studien. Eine Einführung. Weimar: Metzler, 16–58.
Butler, Judith (1991): Vom Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Cornelißen, Waltraud/ Gebel, Christa (1999): Gleichberechtigung on air? Zur Präsentation von Männern und Frauen im niedersächsischen Hörfunk. Eine empirische Untersuchung. Berlin: Vistas.
Donsbach, Wolfgang (1982): Legitimationsprobleme des Journalismus. Freiburg/München: Alber.
Donsbach, Wolfgang (1993): Redaktionelle Kontrolle im Journalismus. Ein internationaler Vergleich. In: Mahle, Walter (Hg.): Journalisten in Deutschland. Nationale und internationale Vergleiche und Perspektiven. Konstanz: UVK, 143–160.
Dorer, Johanna (2002): Berufliche Situation österreichischer Journalistinnen. In: Dorer, Johanna/ Geiger, Brigitte (Hg.): Feministische Kommunikations-und Medienwissenschaft. Ansätze, Befunde und Perspektiven der aktuellen Entwicklung. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 138–169.
Esser, Frank (1998): Die Kräfte hinter den Schlagzeilen. Englischer und deutscher Journalismus im Vergleich. Freiburg/München: Alber.
Fraser, Nancy (1994): Widerspenstige Praktiken. Macht, Diskurs, Geschlecht. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Gallego, Juana/ Altés, Elvira/ Cantón, María José/ Melús, María Eugenia/ Soriano, Jaume (2004): Gender Stereotyping in the Production of News. In: de Bruin, Marjan/ Ross, Karen (eds.): Gender and Newsroom Cultures. Identities at Work. Cresskill NJ: Hampton, 45–66.
Global Media Monitoring Project (2005): http://www.whomakesthenews.org/who_makes_the_news/report_2005 (letzter Zugriff am 20. 5. 2006).
Keuneke, Susanne/ Kriener, Markus/ Meckel, Miriam (1997): Von Gleichem und Ungleichem. Frauen im Journalismus. In: Rundfunk und Fernsehen, 45(1), 468–486.
Klaus, Elisabeth (1996): Der Gegensatz von Information ist Desinformation, der Gegensatz von Unterhaltung ist Langeweile. In: Rundfunk und Fernsehen, 44(3), 402–417.
Klaus, Elisabeth/ Lünenborg, Margret (2000): Der Wandel des Medienangebots als Herausforderung an die Journalismusforschung: Plädoyer für eine kulturorientierte Annäherung. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, Nr. 48,2, 188–211.
Knapp, Gudrun-Axeli (1993): Segregation in Bewegung: Einige Überlegungen zum „Gendering” von Arbeit und Arbeitsvermögen. In: Hausen, Karin/ Krell, Gertraude (Hg.): Frauenerwerbsarbeit. Forschungen zu Geschichte und Gegenwart. München/ Mehring: R. Hampp Verlag, 25–46.
Lünenborg, Margreth (2005): Journalismus als kultureller Prozess. Zur Bedeutung von Journalismus in der Mediengesellschaft. Ein Entwurf.Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
Lünenborg, Margret (2001): Geschlecht als Analyseperspektive in der Journalismusforschung. Potenziale und Defizite. In: Klaus, Elisabeth/ Röser, Jutta/ Wischermann, Ulla (Hg.): Kommunikationswissenschaft und Gender Studies, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 124–143.
Lünenborg, Margret (1997): Journalistinnen in Europa. Eine international vergleichende Analyse zum Gendering im sozialen System Journalismus. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Lünenborg, Margret (1996): Geschlecht als soziales und kulturelles Konstrukt. Kritische Anmerkungen zur Geschlechterforschung in aktuellen Kommunikatorstudien. In: Mast, Claudia (Hg.): Markt — Macht — Medien. Publizistik im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlicher Verantwortung und ökonomischen Zielen. Konstanz: UVK, 363–373.
Mediawatch (1995): Global Media Monitoring Project. Women’s Participation in the News. Toronto.
Melin-Higgins, Margareta/ Djerf-Pierre, Monika (1998): Networking in the Newsroom. Journalist and Gender Cultures. Unpublished paper presented at the IAMCR conference, Glasgow, Scotland.
Neverla, Irene/ Kanzleiter, Gerda (1984): Journalistinnen. Frauen in einem Männerberuf. Frankfurt/New York: Campus.
Patterson/ Donsbach (1996): News Decisions. Journalists as Partisan Actors. In: Political Communication, 13(4), 455–468.
Rakow, Lana (1986): Rethinking Gender Research in Communication. In: Journal of Communication, 36(4), 11–26.
Robinson, Gertrude J. (2005): Gender, Journalism and Equity. Canadian, U. S., and European Perspectives. Cresskill, New Jersey: Hampton Press.
Schirrmacher, Frank (2003): Männerdämmerung. Wer uns denkt: Frauen übernehmen die Bewusstseinsindustrie. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1. 7. 2003.
Schneider, Beate/ Schönbach, Klaus/ Stürzebecher, Dieter (1993a): Westdeutsche Journalisten im Vergleich: Jung, professionell und mit Spaß an der Arbeit. In: Publizistik, 38(1), 5–30.
Schneider, Beate/ Schönbach, Klaus/ Stürzebecher, Dieter (1993b): Journalisten im vereinigten Deutschland. Strukturen, Arbeitsweisen und Einstellungen im Ost-West-Vergleich. In: Publizistik, 38(3), 353–382.
Scholl, Armin (1997): Journalismus als Gegenstand empirischer Forschung. In: Publizistik, 42(4), 468–486.
Scholl, Armin/ Weischenberg, Siegfried (1998): Journalismus in der Gesellschaft. Theorie, Methodologie und Empirie. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Schwenk, Johanna (2006): Berufsfeld Journalismus. Aktuelle Befunde zur beruflichen Situation und Karriere von Frauen und Männern im Journalismus. München: Reinhard Fischer.
Sievert, Holger (1998): Europäischer Journalismus. Theorie und Empirie aktueller Medienkommunikation in der Europäischen Union. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Stern, Carola (2002): Doppelleben. Reinbek b. Hamburg: Rowohlt.
Weaver, David (1997): Women as Journalists. In: Norris, Pippa (ed.): Women, Media, and Politics. New York/Oxford: Oxford University Press, 21–40.
Weaver, David/ Wilhoit, G. Cleveland (1996): The American Journalist in the 1990s. U. S. Newspeople at the End of an Era. Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum.
Weiderer, Monika (1993): Das Frauen-und Männerbild im Deutschen Fernsehen. Eine inhaltsanalytische Untersuchung der Programme von ARD, ZDF und RTL plus. Regensburg: Roederer.
Weischenberg, Siegfried/ Keuneke, Susanne/ Löffelholz, Martin/ Scholl, Armin (1994): Frauen im Journalismus. Gutachten über die Geschlechterverhältnisse bei den Medien in Deutschland. Im Auftrag der IG Medien, Fachgruppe Journalismus (dju/ SWJV). Stuttgart.
Weischenberg, Siegfried (1997): Neues vom Tage. Die Schreinemakerisierung unserer Medienwelt. Hamburg: Rasch und Röhring.
Weischenberg, Siegfried/ Malik, Maja/ Scholl, Armin (2006): Journalismus in Deutschland 2005. Zentrale Befunde der aktuellen Repräsentativbefragung deutscher Journalisten. In: Media Perspektiven H. 7, 346–361.
Werner, Petra/ Rinsdorf, Lars (1998): Ausgeblendet? Frauenbild und Frauenthemen im nordrhein-westfälischen Lokalfunk. Opladen: Leske + Budrich.
Wetterer, Angelika (2002): Arbeitsteilung und Geschlechterkonstruktion. „Gender at Work” in theoretischer und historischer Perspektive. Konstanz: UVK.
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2008 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Lünenborg, M. (2008). Die Aufmacher — Geschlechterverhältnisse im Politikressort. In: Dorer, J., Geiger, B., Köpl, R. (eds) Medien — Politik — Geschlecht. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91096-3_11
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91096-3_11
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-15419-0
Online ISBN: 978-3-531-91096-3
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)