Auszug
„Familie“ bezeichnet allgemein eine Lebensform, die mindestens ein Kind und ein Elternteil umfasst und einen dauerhaften und im Inneren durch Solidarität und persönliche Verbundenheit charakterisierten Zusammenhang aufweist. Viele andere Merkmale dessen, was gemeinhin als Familie gilt (z. B. gemeinsames Wohnen, gemeinsame Produktion), sind hingegen soziokulturell variabel. Unter der „modernen Kleinfamilie“ als einer spezifischen Familienform wird die auf der Ehe gründende Gemeinschaft der Eltern mit ihren leiblichen Kindern verstanden. Ihr herausragendes Merkmal gegenüber früheren Familienformen ist die enorme Bedeutungszunahme von Liebe, Emotionalität und affektiver Solidarität. Die Jahre zwischen 1955 und 1965 gelten als Blütezeit von Ehe und Familie (golden age of marriage). Die moderne Kleinfamilie — teilweise in Form der „bürgerlichen Kleinfamilie“ mit komplementärer Rollenteilung zwischen den Geschlechtern, dem Mann als Alleinversorger und der Frau als Hausfrau und Mutter — war eine kulturelle Selbstverständlichkeit und wurde von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung auch unhinterfragt gelebt (so genannte Normalfamilie). 95% der Bevölkerung haben irgendwann in ihrem Leben geheiratet. Ehescheidungen waren selten; nur jede(r) Zehnte blieb kinderlos, und weit über 90% der minderjährigen Kinder lebten mit beiden leiblichen Eltern zusammen (vgl. ausführlicher Peuckert 2005). Diese Situation hat sich seit Mitte der 1960er Jahre mit der Individualisierung der Lebensführung und der Pluralisierung der Lebensformen grundlegend gewandelt. Die moderne Kleinfamilie ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur noch eine unter mehreren Familienformen, wenn auch die bedeutsamste.
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Peuckert, R. (2007). Zur aktuellen Lage der Familie. In: Ecarius, J. (eds) Handbuch Familie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-90675-1_3
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