Zusammenfassung
Die Hinwendung zum Alltagsbegriff und zu Alltagstheorien in der Medienforschung dürfte nicht überraschen. Die massenhafte Verbreitung der Medien ist zu einem Kriterium für Modernität und Konkurrenzfähigkeit eines Landes und seiner Wirtschaft geworden; der Wandel von einem elitären Informations- und Kommunikationsforum für Spezialisten zum alltäglichen Massenmedium ist — auch wenn die Ausstattungsziffern mit ca. 18% Internet-Ausstattung der deutschen Haushalte bescheiden wirken (Dichanz, 1998) — in vollem Gange. Die sog. Neuen Medien erweisen sich als integrierter Bestandteil der alltäglichen Lebensführungen von immer mehr ‚Jedermanns‘, und der Medienjargon hat selbst die Alltagssprache der Kinder erreicht, die heute ‚surfen‘, ‚chatten‘ oder ‚online‘ sind. Diese wissenschaftsexternen Erklärungen können jedoch wissenschaftsinterne Deutungen der Alltagswende(n) nicht ersetzen. Unter dem Druck einer sich wandelnden Information und Kommunikation in der Gesellschaft — dem Kern wissenschaftlicher Tätigkeit — sind Wissenschaften aufgefordert, sich ihres Selbstverständnisses zu vergewissern. Bisherige Aussagen, Herangehensweisen oder Gedankensysteme werden ob ihres Wahrheitsgehaltes oder ihrer Anwendbarkeit befragt und der Alltag in den Rang eines Kriteriums der Zuverlässigkeit und Rechtschaffenheit wissenschaftlichen Tuns erhoben. Insofern mischt sich in die Diskussionen häufig auch eine bestimmte Wissenschafts- — gemeint ist Theorie — -skepsis und die Forderung nach Praxisnähe, die wiederum als Wunsch nach Authentizität und erfolgreicher Intervention zu verstehen ist.
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© 2000 Leske + Budrich, Opladen
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Kirchhöfer, D. (2000). Alltagsbegriffe und Alltagstheorien im Wissenschaftsdiskurs. In: Voß, G.G., Holly, W., Boehnke, K. (eds) Neue Medien im Alltag. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-99868-2_2
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