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„Unbekannt“ ist kein Speichername! – Manifestation und Modifikation schulischer (Wissens-)Ordnungen am Beispiel von Praktiken des Speicherns

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Praxistheoretische Perspektiven auf Schule in der Kultur der Digitalität

Part of the book series: Schule und Gesellschaft ((SUGES,volume 62))

Zusammenfassung

Nachdem im vorangegangenen Beitrag bereits zeitliche Dimensionen des unterrichtlichen Speicherns und Archivierens von Informationen herausgestellt wurden (vgl. Lamm und Kuttner i. d. B., Abschn. 6), geht es hier darum, diese Praxis vor allem vor dem Hintergrund der Logiken von Schul- und Netzwerkkulturen in den Blick zu nehmen. Im Spannungsfeld dieser Wissensordnungen, so die zu begründende Annahme, gerät dabei insbesondere die Ingebrauchnahme digitaler Lernumgebungen in den Fokus, die zum einen auf ein Bestehen differenter „kultureller Muster“ (Reckwitz 2016) verweist und zum anderen Prozesse der Aushandlung von ‚Hybriden‘ nahelegt.

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Notes

  1. 1.

    In den Jahren 2020 und 2021 dürfte die Integration von Lern-Management-Systemen zudem durch das pandemiebedingte Distanzlernen vorangetrieben worden sein (vgl. z. B. Mußmann et al. 2021).

  2. 2.

    Möglichkeiten des Kommunizierens (z. B. via Direkt-Nachrichten, Chat oder Foren), des kollaborativen Arbeitens (z. B. durch die Bereitstellung von Werkzeugen zum Teilen und synchronen Bearbeiten von Dokumenten sowie die Erstellung oder Einbindung von Wikis und Weblogs), der Lernstandkontrolle/-diagnose (z. B. durch Portfolio-Arbeit, durch Übungsaufgaben und Tests, durch das Markieren erledigter Aufgaben und die Bereitstellung von Statistiken) oder auch des Einbindens von Anwendungen anderer Anbieter bleiben an dieser Stelle unkommentiert (vgl. hierzu z. B. Fankhauser et al. i. d. B.).

  3. 3.

    Die Konfiguration von Lernplattformen obliegt i. d. R. einer schulinternen Administration. Diese kann beispielsweise Ordnerstrukturen anlegen und Passwörter vergeben. Zudem kann sie Zugriffs- und Bearbeitungsrechte sowohl für bestimmte Personengruppen bzw. ‚Rollen‘ als auch für einzelne Nutzer_innen erteilen. Auf diese Weisen wird kontrolliert, welche Bereiche innerhalb der digitalen Umgebung für Schulleitungen, Lehrpersonen, andere schulische Mitarbeiter_innen, Schüler_innen und Eltern jeweils zugänglich sind und welche ‚Aktionen‘ diese dort jeweils ausführen können. Vergeben werden insbesondere Lese- und Download-Rechte als Zugriffsrechte sowie Upload- und Kommentierungsrechte als Bearbeitungsrechte. (Zum Datenschutz in digitalen Lernumgebungen vgl. z. B. die Orientierungshilfe der Datenschutzaufsichtsbehörden für Online-Lernplattformen im Schulunterricht: https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/oh/20180426_oh_online_lernplattformen.pdf. Zugegriffen am 26.06.2021.)

  4. 4.

    Nicht zuletzt aus Datenschutzgründen sind Suchanfragen oft nur innerhalb einzelner Ordner und nicht lernplattformübergreifend möglich.

  5. 5.

    Die Freigabe von Ordnern kann auf bestimmte Zeitfenster beschränkt sein (z. B. ein Schuljahr, eine Woche). Damit können verschiedene Anliegen adressiert werden, etwa die Kontrolle darüber, dass – datenschutzkonform oder inhaltlich-dramaturgisch relevant – nur ausgewählte Klassen(stufen) auf bestimmte Ordner zugreifen können, oder aber dass Aufgaben ausschließlich in definierten Zeiträumen bearbeitet werden, nach deren Abschluss beispielsweise ein Upload der Ergebnisse nicht mehr möglich ist.

  6. 6.

    Einige Programme generieren ‚sprechende‘, d. h. inhaltlich vergleichsweise aussagekräftige Dateinamen, indem bei der Namensvergabe die ersten validen Zeichen (zumeist Wörter und Ziffern) aus dem Inhalt der jeweiligen Datei herangezogen werden (etwa die Überschrift eines Dokuments, z. B. „Sammlung Vortrag Deutsch“). Alternativ dazu kann die Software den Speichernamen aber auch – einem festen Muster folgend – aus einer Liste möglicher Dateinamen wählen. Namensgebend ist dann der erste Eintrag, der eine kollisionsfreie Bezeichnung darstellt, d. h. mit einem bereits vorhandenen Dateinamen nicht identisch ist (z. B. „Dokument2“, „Dokument3“ usw.).

  7. 7.

    Interessanterweise werden die Möglichkeiten der Selbstkontrolle, die sich in privaten Ordnern fernab schulischer Vorgaben bezüglich der Organisation von Dateien bieten, so zum Teil oder ganz software-gestützten Praktiken der Organisation überantwortet, was letztlich als erneute Verschiebung hin zur Fremdkontrolle rekonstruiert werden kann.

  8. 8.

    Zugleich kann es auf Geräten, die für schulische und private Belange gleichermaßen genutzt werden, so einmal mehr zu Vermischungen schulischer und nicht-schulischer Wissensordnungen kommen.

  9. 9.

    Angesichts aktueller technischer Entwicklungen ist davon auszugehen, dass diese zunehmend auch expliziter als ‚aktive Mitspieler‘ adressiert werden. Für Suchmaschinen ist im Vergleich zur einfachen Schlagwortsuche bei Suchanfragen bereits heute ein umfassenderes (bis hin zu umgangssprachliches) Vokabular zulässig. Die Suchenden treten quasi in einen Dialog mit dem technischen Gerät, adressieren dieses auf bestimmte Weise und stoßen damit ein spezifisches Subjektivationsgeschehen an. Technische Artefakte wie Suchmaschinen oder auch Sprachassistenten wie ‚Siri‘ und ‚Alexa‘ können in diesem Rahmen ganz neue ‚Rollen‘ einnehmen: Diese sind dann nicht nur Antwortgeneratoren, sondern können ebenso als Ratgeberinnen, Trendsetter, Wander-Guides und Mitbewohnerinnen positioniert werden.

  10. 10.

    Grenzen dieser Kontrolle markieren sich allerdings etwa durch Möglichkeiten, bereitgestellte Daten aus dem geschützten Raum herunterzuladen und außerhalb desselben zu duplizieren. Deutlich werden sie zudem angesichts der im Sprechen von Schüler_inne_n gelegentlich aufscheinenden Intransparenz darüber, wer tatsächlich Zugriff auf die Daten hat und wer nicht.

  11. 11.

    Vgl. dazu Fußnote 2 dieses Beitrages.

  12. 12.

    Vgl. hierzu auch Fußnote 4 dieses Beitrags. Eine Ergebnisliste zur Suchanfrage „Klimaschutz“ könnte so zunächst einmal alle Dateien umfassen, die von Akteur_inn_en der Schule in verschiedenen Fächern und Klassenstufen auf der Lernplattform zum Thema gesichert und explizit für Dritte einsehbar zur Verfügung gestellt wurden: Recherchen, Link-Sammlungen, Aufsätze, Bildmaterial, Quizze, Projektarbeiten usw., die sich in weiteren Schritten anhand verschiedener Kriterien filtern ließen.

  13. 13.

    z. B. Messenger-Dienste wie WhatsApp, Cloud-Anbieter wie Dropbox und Google Drive sowie Bluetooth als Datenübertragungsschnittstelle.

  14. 14.

    Während der Corona-Pandemie kam es einmal mehr zu intensivierten Diskussionen um Daten- und Persönlichkeitsschutz im Kontext Schule: Ausgangspunkt waren eben diese kreativen medialen ‚Umwege‘ über digitale Umgebungen, die zwar nicht für Schule konzipiert worden sind und dennoch – in Ermangelung vorhandener und/oder etablierter eigener digitaler Infrastrukturen – wenn auch nicht immer offiziell in schulische Lehr-Lern-Arrangements eingebunden wurden (vgl. z. B. Lampert und Thiel 2021, S. 16 f.).

  15. 15.

    In anderen Beobachtungssituationen und Gesprächen artikulieren sich überdies Nicht-Passungsverhältnisse zwischen der Größe zu speichernder Dateien und dem zulässigen Upload-Datenvolumen von schulischen Lernplattformen, mit denen man bei (kommerziellen) Cloud-Angeboten seltener konfrontiert wäre, die gerade bei der (kollaborativen) Erstellung medial aufwendiger Präsentationen (z. B. Produktion von Erklärvideos) stark einschränken würden.

  16. 16.

    Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Rabenstein et al. i. d. B. zur Schatzkis Konzept der ‚dispersed practices‘.

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Kuttner, C. (2022). „Unbekannt“ ist kein Speichername! – Manifestation und Modifikation schulischer (Wissens-)Ordnungen am Beispiel von Praktiken des Speicherns. In: Kuttner, C., Münte-Goussar, S. (eds) Praxistheoretische Perspektiven auf Schule in der Kultur der Digitalität. Schule und Gesellschaft, vol 62. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-35566-1_20

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